Sind "Spielopern" wirklich ein Einstieg?

  • Unser Freund operus hat in einem Thread über den "Wildschütz" die Auffassung vertreten, dass Spielopern "für den Einstieg in die Opernwelt" ideal seien. Wenngleich mir der Gedanke gut gefällt, stelle ich mir die Frage, ob sie es wirklich sind, sein können? In meinem Falle ganz bestimmt nicht. Die erste Opernmusik, die ich bewusst wahrgenommen habe mit zwölf Jahren war die Ouvertüre zum "Fliegenden Holländer". Die sauste mit der Wucht eines Fallbeils auf mich herab. Ich war angesteckt, infiziert für mein Leben. Erst viel später, als ich alle Stücke von Wagner oder die Opern von Strauss sehr gut kannte - ich nenne hier nur diese beiden großen Beispiele - wurde ich auf Spielopern aufmerksam, die natürlich im Kontext immer mal wieder auftauchten in der Literatur, die sich mit Wagner und Strauss beschäftigte. Und die ich mit jugendlichem Hochmut überhaupt nicht richtig zur Kenntnis nahm. Erst später änderte sich das. Genau genommen sind es in vielen Fällen hochinteressante, mit sozialen Problemen vollgestopfte Werke. Der Gattungsbegriff Spieloper wird ihnen nicht gerecht, er haftet ihnen vielmehr an wie Pech. Diese Werke sind wegen ihrer oft einprägsamen Musik nicht eigentlich gefällig. In Berlin, wo ich wohne, ist Albert Lortzing, der den Ausgangspunkt des Themas bildet, geboren und gestorben. 2001 fielen sein 200. Geburtstag und sein 150. Todestag zusammen. Keines unserer drei Opernhäuser gedachte damals seiner mit einer Inszenierung, keines der vielen Orchester nahm eines seiner sinfonischen Werke ins Programm. Verleugnung sagt auch etwas aus, nicht nur über den Verleugneten. Dabei war Lortzing ein ganz armer Schlucker, ein Außenseiter, ein politisch engagierter Mensch, der Arbeiter und einen Streik auf die Bühne brachte - eine ganz typische deutsche Biographie, für die es in dieser Zeit, die so gern ihr soziales Gewissen vor sich her trägt, genug Ansatzpunkte für eine kritische Hinwendung gegeben hätte. Ich erwähne das, um die Kompliziertheit des Themas anzureißen. Und ich bleibe dabei: Werke, die gemeinhin als Spielopern gelten, sind nichts für Anfänger. Heute schon gar nicht. Ich vertrete die These, dass sie etwas für Fortgeschrittene sind. Obwohl ich das Genre sehr schätze, bin ich mir nicht sicher, ob es lebensnotwendig ist. Wer hält dagegen? Wer hat ganz andere Gedanken?


    Lieber operus, ich hoffe, Du trägst mir nicht nach, dass ich Deine ehr beifällige Bemerkung mehr oder weniger kassiert habe. Allerdings mit Quellenangabe.


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mein erster Eindruck von Oper (überhaupt von Klassischer Musik) als Kind waren Opernchöre: Fidelio, Fliegender Holländer, Freischütz, Carmen usw. Die ersten Opern, die ich als Querschnitt oder im Fernsehen vermutlich wahrgenommen habe, könnten Zauberflöte und Carmen gewesen sein. Auch wenn sich in der bescheidenen Sammlung meiner Eltern auch einige Arienplatten befanden (wo bestimmt irgendwas von Lortzing oder der unvermeidliche Postillon von Longjumeau drauf waren), spielte diese Musik nie eine Rolle in meinem Klassikeinstieg (etliche Jahre nach den ersten Eindrücken und nicht in erster Linie mit Oper) und bis heute nicht. (Ich besitze den Wildschütz auf CD, habe die aber ziemlich sicher noch nie komplett durchgehört...)


    Meinem Eindruck nach ist die deutsche (und franz.) Spieloper heute eine Nische, exotischer als die Barockoper. Ich verfolge die Szene nicht ausreichend, um das beurteilen zu können, aber die Internationalisierung hat das Genre sicher nicht befördert. Wenn noch nicht ganz tot, dann riecht sie zumindest komisch...


    Ich habe außerdem den Eindruck, dass sich "Operneinsteiger" weit eher von dramatisch-leidenschaftlichen Stücken wie Carmen, Tosca, La Traviata, La Boheme, Rigoletto u.ä. begeistern lassen als von der Spieloper. Und schon für meine nur sporadisch Opern besuchenden Eltern (geboren in den 1940ern) waren Fidelio, Freischütz, Zauberflöte, Butterfly usw. favorisierte Opern, nicht Zar und Zimmermann.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Freischütz zählt man meines Wissens auch nicht unbedingt dazu. Das ist eher die erste romantische Oper.


    Flotow, Lortzing, Cornelius für die deutsche, Auber, Adam, Boieldieu für die französische, soweit langt mein Opernführerwissen. Gehört habe ich, wie gesagt, so gut wie nichts davon.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Ein Klassiker der Spieloper ist "Der Barbier von Bagdad" von Cornelius und gleich eine der besten dazu. Auch "Die Kluge" und "Der Mond" kann dazu gerechnet werden und "Hänsel und Gretel" sowieso. "Die Heimkehr aus der Fremde" von Mendelssohn ist ein Geheimtipp. Alle diese Stücke habe ich oft gehört, aber sehen kann man sie außer "Hänsel und Gretel" heute kaum mehr.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Na OK, Auber, Boieldieu, Humperdinck, Orff - von diesen Komponisten kenne ich Opern. Aber ich wäre mir nicht so sicher, dass sie hierher gehören.
    :hello:

  • Zitat von Johannes Roehl

    Flotow, Lortzing, Cornelius für die deutsche, Auber, Adam, Boieldieu für die französische, soweit langt mein Opernführerwissen. Gehört habe ich, wie gesagt, so gut wie nichts davon.

    Hallo, Johannes!


    Da hast du aber enormen Nachholbedarf! Von diesen Komponisten gibt es wunderschöne Opern.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Spielopern sind seit Anbeginn Haupt-Schwerpunkt meiner Opern-Sammelleidenschaft gewesen und sind es bis heute. Ich habe zu den einzelnen Stücken hier im Forum schon unzählige Beiträge verfasst und Aufnahmen vorgestellt. Dabei habe ich den Bogen bewußt weit gefasst und nicht auf ein paar Titel - wie oben von Dr.Pingel angeführt - beschränkt.
    Das beginnt meiner Überzeugung nach beim frühen Singspiel über die "Posse mit Gesang", dem "Vaudeville" bis hin zu der einen oder anderen Operette. Dazu gehören (aufgrund der gesprochenen Dialoge) auch viele Titel aus dem Bereich der "Opera Comique", aber auch durchkomponierte Werke wie "Martha" von Flotow oder Kreutzers "Nachtlager in Granada".


    Gerne können wir hier zusammen eine Liste aufstellen.


    Zwar sind die aktuellen Spielpläne nicht sehr ergiebig, die Angebote an Tonträgern sind jedoch reichhaltig.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Oh - Endlich ein Thread in dem ich mich "austoben" kann.
    Zunächst ist es vor allem eine Frage der Mentalität - des Alters - und der Vorprägung.
    Und natürlich der Erwartungshaltung.
    Rabiate Gemüter werden sich bei der Spieloper langweilen, Leute, die Mit Grimms Märchen, heimischen Sagen und Volksliedern aufgewachsen sind werden sie vermutlich sofort akzeptieren. Es ist natürlich möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß dieser Einstie eine erneute Prägung bewirkt, beispielsweise mit Ablehnung des Verismo, der modernen Oper etc.
    Als verwandt betrachte ich indes die Opern Mozarts, und des besamten Belcanto, sowie einiges von Verdi. Der schöne Klang und die Austattung wird dann als wichtiger bewertet, als allfällige "Konflikte".
    Regietheaterinszenierungen dienen indes eher der Abschreckung als dem Einstieg.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • (...) Obwohl ich das Genre sehr schätze, bin ich mir nicht sicher, ob es lebensnotwendig ist. Wer hält dagegen? Wer hat ganz andere Gedanken?

    Mußt Du das so hoch hängen, lieber Rheingold? "Lebensnotwendig"? Lebensnotwendig sind Luft und Wasser, Essen und Schlafen - alles andere ist Luxus. Es soll Menschen geben, die kommen völlig ohne Musik aus, egal, welche. Das Radio plärrt zwar von morgens bis abends, aber es ist völlig uninteressant, was da gesendet wird, jene Menschen nehmen nicht einmal wahr, was ihnen da von den Sendern vorgesetzt wird.


    Aber ich sehe dieses Genre als wichtige Ergänzung zur - wie soll ich es nennen? - Hochkultur?, zum Musikdrama? Es gehört mit zu dem "weiten Feld" der Oper. Ich gehöre zu denen, die nicht nur Händel, Mozart, Beethoven, Wagner und Verdi benötigen. Alle hier genannten "Spielopern" enthalten so viel tolle Musik - ich möchte darauf nicht verzichten. Insofern könnte an Alfreds Meinung etwas dran sein:


    Rabiate Gemüter werden sich bei der Spieloper langweilen, Leute, die Mit Grimms Märchen, heimischen Sagen und Volksliedern aufgewachsen sind werden sie vermutlich sofort akzeptieren.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Rabiate Gemüter werden sich bei der Spieloper langweilen, Leute, die Mit Grimms Märchen, heimischen Sagen und Volksliedern aufgewachsen sind werden sie vermutlich sofort akzeptieren.


    Hier im Forum gibt es hauptsächlich rabiate Gemüter, oder?
    ;)
    Ich bin mit Märchen und Sagen aufgewachsen, also wird's schon klappen.

  • Flotow, Lortzing, Cornelius für die deutsche, Auber, Adam, Boieldieu für die französische, soweit langt mein Opernführerwissen. Gehört habe ich, wie gesagt, so gut wie nichts davon.


    Wie kann man nur den Otto Nicolai vergessen? ?(


    Einstieg? Ich weiß nicht recht. Die Genannten hatte ich jedenfalls als Zwölfjähriger und 10 Jahre weiter auf der Favoritenliste. Der Einstieg aber war die Tannhäuser-Ouvertüre.
    Möglicherweise ist man als Anfänger und junger Mensch auf Melodie fixiert und davon fließen ja die Spielopern über.
    Meine besondere Liebe galt damals den Ouvertüren: Mittsommernachtstraum, Traviata, Martha, Donna Diana, Die lustigen Weiber, Freischütz, Oberon, Euryanthe und dazu noch das Zwischenspiel aus Cavalleria rusticana.


    Ein Strawinsky hätte mich sicher damals vergrault, insofern kann ich mir Spielopern und was da noch peripher dazugehört, wie z.B. die romantischen Opern, sehr gut als Einstieg denken.


  • Richtig, hauptsächlich die von der Ostmark!


    Naja, die Bayern sind auch nicht ohne, auch wenn sie sich zur Abkühlung ins kalte Schweden verzogen haben.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Den kann man leicht vergessen, wenn man die Sachen beinahe nur dem Namen nach kennt. Allerdings kenne ich von Nicolai immerhin die Ouverture zu den lustigen Weibern... recht gut. Ich kann nur wiederholen, dass diese Musik mir in meiner Klassiksozialisation in den 1980ern so gut wie nicht begegnet ist. Dann schon eher die bekanntesten Operettenschlager. Ich habe außer einer Tenor-Arie in Martha (und der irischen Schnulze "Last Rose of Summer") kein einziges Gesangsstück außer einer dieser deutschen Opern präsent.


    Ich will gar nichts gegen die Musik sagen, aber es ist m.E. nicht nur heute, sondern seit 30 oder mehr Jahren alles andere als ein "Einstieg", denn dem Einsteiger begegnen diese Stücke vermutlich gar nicht. Im Ggs. zu einschlägigen Ausschnitten aus zB Carmen, Aida, Rigoletto, Traviata, Tosca, Butterfly usw. Da hilft es auch nichts, wenn es objektiv gesehen, eingängige Melodien sind (wenn auch nicht eingängiger als die international bekannten Opernhits). Die Alternativen sind ja nicht Lortzing vs. Stravinsky, sondern Lortzing vs. Puccini, Verdi, Wagner, Mozart etc.

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo zusammen,


    Der Freischütz ist zwar eine "Romantische Oper" trotzdem eine Spieloper, Durchkomponierte Opern wie "Das Nachtlager von Granada" oder "Martha" gehören nicht zur Spieloper. Verwandt ist die Spieloper mit der "Opera Comique" und war Nachfolgerin des Singspiels.


    Ich finde, dass der Einstieg zur Oper durchaus in diesem "Leichteren Genre" der Oper erfolgen kann. Beschwingte und leichte Melodien erfreuen das Herz. Es muss nicht immer "Musikdrama" sein.


    Klar, Lortzing hat nie den Sprung über den deutschsprachigen Raum hinaus geschafft und nie hat die Met je eine seiner Opern aufgeführt. Trotzdem war er ein volkstümlicher Komponist der es sehr schwer hatte. Mit seinen Melodien hat er sich in das Herz so mancher Musikfreundes komponiert. Diese Opern gehören für mich zu meinem festen Bestandteil der klassischen Musik.


    Liebe Grüße


    Euer Bernard :hello:

    Keine Kunst wirkt auf den Menschen so unmittelbar, so tief wie die MUSIK,
    eben weil keine uns das wahre Wesen der Welt so tief und unmittelbar erkennen lässt



    Arthur Schopenhauer

  • aber es ist m.E. nicht nur heute, sondern seit 30 oder mehr Jahren alles andere als ein "Einstieg", denn dem Einsteiger begegnen diese Stücke vermutlich gar nicht.


    Mein Einstieg war aber vor 60 Jahren und damals war man hauptsächlich Radiohörer und der bayrische Rundfunk hatte die Genannten immer auf der Liste.
    Übrigens, von den Lustigen Weibern gibt es eine ausgezeichnete Filmaufnahme mit Clas-Håkan Ahnsjö (sprich: Klaas-Hokan Ahnschö) als Fenton.

  • ...übrigens: Von den "Lustigen Weibern" gibt es auch einen eigenen Thread bei Tamino: OTTO NICOLAI: Die lustigen Weiber von Windsor


    Ach Harald,


    dieser Trost kommt zu spät. Meine Freude ist dahin, wenn jemand die "Letzte Rose" als Schnulze bezeichnet.

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  • tröste Dich, Martha gehört ja eh nicht dazu, s. o.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich habe außerdem den Eindruck, dass sich "Operneinsteiger" weit eher von dramatisch-leidenschaftlichen Stücken wie Carmen, Tosca, La Traviata, La Boheme, Rigoletto u.ä. begeistern lassen

    ... und noch Aida dazu. Deinen Eindruck kann ich für mich absolut bestätigen. Woher weißt Du?
    Genau diese genannten Opern waren meine "Einsteiger".



    2001 fielen sein 200. Geburtstag und sein 150. Todestag zusammen. Keines unserer drei Opernhäuser gedachte damals seiner mit einer Inszenierung,

    Auch wenn ich das nicht weiß, glaube ich Dir das auf´s Wort, lieber Rheingold. Bei der Gelegenheit möchte ich aber erwähnen, die Deutsche Staatsoper hatte in den 70-er Jahren "Zar und Zimmermann" auf dem Spielplan. Ich habe sie dort selbst gesehen, wenn auch gezwungenermaßen. (Eigentlich stand die Butterfly auf dem Abendspielplan. Frau Tarres sagte leider kurzfristig ab, für uns sehr ärgerlich und enttäuschend, und so war der Zar, der schnelle Ersatz). War aber selbstverständlich, wie nicht anders zu erwarten, eine wie gewohnt sehr gute und stimmige Inszenierung, u. a. mit Gerhard Frei und Harald Neukirch.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • und noch Aida dazu. Diesen Eindruck kann ich für mich absolut bestätigen. Woher weißt Du? Genau diese genannten Opern waren meine "Einsteiger".


    Kunststück! Du bist eben allzu leicht zu durchschauen.


    Übrigens, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und auch die Spieloper hat schon so Manchen auf den rechten Weg geführt.

  • Die Frage stellt sich mir, ob sich dieser Thread ausdrücklich nur mit der Spieloper (per Defination Oper mit Dialogen statt Rezitativen bzw. statt durchkomponierter Oper) befasst oder etwa auch die Opera buffa oder die komische Oper mit einbezieht. In letzterem Falle zähle ich auch Mozarts Hochzeit des Figaro hinzu. Für mich gibts da keinen großen Unterschied, allenfalls natürlich qualitativ.


    Allerdings kann ich mir vorstellen, dass für einen Einstieiger die Oper mit Dialogen leichter ist, zumal Rezitative (zumindest für mich) oft langweilig bzw. nervötend sind. Bei Radiomittschnitten schneide ich die immer raus.


    Das Einstiegserlebnis ist, wie auch einige Berichte in diesem Thread zeigen, aber meist zufällig. Der eine fängt mit der wuchtigen Musik an und entdeckt erst später das heitere, bei anderen ist es umgekehrt.


    Meine jugendliche Prägung war auf die der komischen Oper sehr nahe gerückten Operette Boccaccio und ich habe dann beispielsweise anfangs im Freischütz oder im Figaro immer diese heitere, gleichzeitig aber auch dramatisch/wuchtige dabei aber immer eingängige Melodik gesucht und immer nur teilweise gefunden. Erst viel später habe ich den tatsächlichen Wert dieser genannten Werke erkannt.


    :) Uwe

  • Ich wollte fast schon ausrufen "Mein Gott was habe ich mit einer eher beiläufigen Bemerkung Spieloper als idealer Einstieg" angerichtet? Aber es ist ja äußerst positiv, wenn eine so lebendige, substanzreiche, fachliche Diskussion nun durch Rheingold, der ein Thema daraus machte, ausgelöst wird. Nur ich glaube es ist wieder so ein Thema, wo wir schwierig die eindeutige Antwort finden werden. Bei der Klassiksozialisation - diesen treffenden Begriff verwendete Johannes Roehl - wird jeder von uns seine ganz individuellen, persönlichen Erfahrungen gemacht haben. Übereinstimmung in den bis jetzt eingestellten Opern konstatiere ich aus der Tatsache, dass in den Beiträgen bis jetzt fast ausschließlich populäre Opern genannt wurden. Schlußfolgerung daraus:
    Um lebenslängliche Abhängigkeit zu erzeugen, eignen sich als Einstiegsdroge am besten populäre Opern.
    Vielleicht sind die Melodien der Spielopern auch ganz sanfte Verführer, die fast unbemerkt in die Opernwelt hineinführen: Ich nenne jetzt bewußt keine Komponisten und Opern, sondern nur spontan einige Arientitel: "Ach so fromm, ach so traut", "Letzte Rose", "O sancta Justitia", "Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen", "Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar", "5000 Taler", "Nun eilt herbei, Witz heitere Laune", " Als Büblein klein an der Mutterbrust", "Horch, die Lerche singt im Hain", "Lied an den Mond", "Freunde vernehmet die Geschichte", "Komm mein Söhnchen auf ein Wort", "Heil diesem Haus... Salamaleikum"
    Ich wette bei jedem von Euch hat es bei den meisten der genannten Titel sofort Klick gemacht, Erinnerungen, Erlebnisse, Bilder, Assoziationen, Emotionen sind geweckt und ausgelöst worden. Ich wage die Behauptung, die Reaktionen würden zumindest im deutschsprachigen Raum bei den meisten Musikfreunden ähnlich sein. Also das wäre dann der Beweis, dass Hits aus Spielopern in der Bekanntheits- und Beliebtheitsskala mit ganz vorne stehen. Vielleicht muss die Begegnung gar nicht die ganze Oper sein. Es genügt der herrliche Appetithappen und schon ist der Köder für weiteren Melodiengenuss gelegt und geschluckt. Nur die Theaterverantwortlichen müssten uns und der nachfolgenden Generation mehr von diesen herrlichen Speisen servieren. Es geht darum, dass wir auch darum kämpfen, dass das Kulturgut Spieloper mit seinen faszinierenden musikalischen Schöpfungen nicht vergessen wird und nahezu unbemerkt ausgemerzt wird, weil große Teile derjenigen, die in den Operhäusern das Sagen haben, sich nicht trauen, auch pure Romantik zuzulassen, die einem großen Teil des Publikums unendlich viel Freude bereiten würde. Das Subventionstheater muss bis jetzt leider noch wenig Rücksicht auf seine Konsumenten nehmen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Tja, liebe Freunde,


    das mit den Spielopern ist so eine Sache. In meiner Kindheit habe ich mich beim "Waffenschmied" und ich gestehe es nur ungern, auch beim "Barbier" schrecklich gelangweilt habe. Das hat sich, wie ihr seht, später gegeben. Ich liebe diese Art von Opern, die in ihrer Einfachheit, ihrer Naivität und eingängigen Musik für mich zum Alltag gehören. Ich möchte sie daher, auch wenn sie nicht immer so zu sehen und hören sind, wie ich es mir wünsche, nicht missen.


    Es muß nicht immer Wagner und Verdi sein!

  • einige Arientitel: "Ach so fromm, ach so traut", "Letzte Rose", "O sancta Justitia", "Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen", "Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar", "5000 Taler", "Nun eilt herbei, Witz heitere Laune", " Als Büblein klein an der Mutterbrust", "Horch, die Lerche singt im Hain", "Lied an den Mond", "Freunde vernehmet die Geschichte", "Komm mein Söhnchen auf ein Wort", "Heil diesem Haus... Salamaleikum"
    Ich wette bei jedem von Euch hat es bei den meisten der genannten Titel sofort Klick gemacht,


    Von den genannten 13 Stücken "sofort Klick" gemacht = 11
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich glaube, daß man den Begriff "Spieloper" nicht wissenschaftlich definiert sehen sollte. Gemeinhin versteht man darunter eher eine Oper die mehr auf Melodie als auf Dramatik aufgebaut ist, meist deutsch oder Französich. Die Handlung geht zumeist gut aus.
    Der Freischütz mag hier eine Zwischenstellung einnaehem, denn selbst wenn die Handlung am Ende gut ausgeht, so ist doch eine gewaltige Portion Dramatik enthalten. Jägerchor und andere volkstümliche Szenen tragen indes viele Merkmale von Spielopern in sich. Ich bin auch nicht unberdingt der Auffassung, daß man bis zur "Dramatischen" Oper vordringen muß - zu recht wurden hier als "Anknüpfungspunkte" Mozart und Rossini genannt, sowie der gesamte Belcanto - auch wenn der mal "dramatisch wird.
    "The Last Rose of Summer" ist natürlich kein Kitsch sondern ein Kunstwerk, komponiert von John Stevenson 1813 nach einem Text von Thomas Moore.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie man z.B. in der Lippischen Landesbibliothek Detmold sehen kann,erfreut sich Lortzings Zar und Zimmermann auch in der heutigen Zeit großer Beliebtheit. Aus der Auflistung der Aufführungen konnte ich mich erinnern, daß es 1985 war, als ich diese Oper in Neustrelitz sah, wo Freunde mich zum Opernbesuch einluden. Im selben Jahr gab es auch an der Kölner Oper den Zar und Zimmermann, leider habe ich diese Aufführung nicht besucht, obwohl sie nur unweit von meinem Wohnort stattfand. Ein Vergleich der beiden Aufführungen wäre interessant gewesen. Zumindest die Neustrelitzer spielten in Kostümen der Zeit von Zar Peter I. und Kulissen von Zaandam. Von Regietheater keine Spur.
    http://www.llb-detmold.de/samm…n-zar-und-zimmermann.html

    mfG
    Michael

  • Ein Klassiker der Spieloper ist "Der Barbier von Bagdad" von Cornelius und gleich eine der besten dazu. Auch "Die Kluge" und "Der Mond" kann dazu gerechnet werden und "Hänsel und Gretel" sowieso. "Die Heimkehr aus der Fremde" von Mendelssohn ist ein Geheimtipp. Alle diese Stücke habe ich oft gehört, aber sehen kann man sie außer "Hänsel und Gretel" heute kaum mehr.


    Die Heimkehr aus der Fremde ist wirklich ein ungemein charmantes, witziges Stück Musik. Allerdings ist es per definitionem ein "Liederspiel", denn alle Gesangsnummern sind im wesentlichen Lieder und keine Arien. Mendelssohn schrieb als Jugendlicher auch zahlreiche Singspiele, die aber qualitativ bei weitem nicht das Niveau der "Heimkehr" erreichen.

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