Manuel de Falla (1876-1946):
EL RETABLO DEL MAESE PEDRO
(Meister Pedros Puppenspiel)[timg]http://upload.wikimedia.org/wi…te_Chapter_XXVI_1.jpg;Don Quixote beim Betrachten von Meister Pedros Puppenspiel (Gustave Doré)[/timg]
Oper in einem Akt
Libretto vom Komponisten nach Miguel de Cervantes (El Ingenioso Caballero Don Quixote de la Mancha)
Uraufführung am 23. März 1923 im Teatro San Fernando in Sevilla als Konzertfassung,
am 25. Juni 1923 im Pariser Haus der Prinzessin Polignac als Bühnenfassung mit Puppen.
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Meister Pedro, Tenor
Don Quixote de la Mancha, Bass
El Trujamán, Ausrufer und Erzähler, Knabensopran
Stumme Rollen:
Sancho Pansa, ein Wirt, der Student, ein Page, ein Lanzen- und Hellebardenträger
Die Figuren des Puppenspiels:
Carlo Magno/Karl der Große
seine Tochter Melisandra
ihr Mann Don Gayferos
Don Roldán, Ritter am Hofe des Kaisers
Herolde, Ritter, Wachen des Kaiserhofes
Marsilio, König der Mauren
ein verliebter Maure
ein Hauptmann und Soldaten des Maurenkönigs
Schergen und Mauren
Ort und Zeit des Geschehens ist der Stall eines Wirtshauses in Aragonien, 16. Jahrhundert.
INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTES
Der Puppenspieler Meister Pedro kündigt den Dorfbewohnern mit schmeichelhaften, aber auch einladenden Worten die Vorführung eines Stückes über die Befreiung der schönen Prinzessin Melisendra, Tochter Kaiser Karls des Großen, an. Die Dorfbewohner nehmen neugierig Platz; unter ihnen ist auch Don Quixote de la Mancha mit seinem treuen Diener Sancho Pansa (panza: Bauch, damit das genaue Gegenteil seines dürren Herren). Damit das Volk die Geschichte auch versteht, erklärt El Trujamán den Zuschauern die Handlung:
Erstes Bild
Die schöne Melisendra, Tochter Karls des Großen, ist in maurischer Gefangenschaft. Doch ihr Mann, Don Gayferos, macht keine Anstalten, seiner Frau zu Hilfe zu kommen - lieber spielt er mit dem Ritter Roldán Schach. Das wiederum macht Kaiser Karl wütend; er verlangt von seinem Eidam, sich umgehend auf den Weg und zur Befreiung Melisandras zu begeben.
Zweites Bild
Auf dem Turm der Burg von König Marsilio hält Melisendra sehnsüchtig Ausschau nach Befreiern; sie sinniert über ihre Gefangenschaft und über ihre fernen Lieben. Plötzlich tritt ein junger Maure hinzu und versucht, ihre einen Kuss abzuringen. Ihre lauten Hilferufe hat der maurische König Marsilio gehört; er eilt mit der Wache herbei, lässt den jungen Mann festsetzen und gibt die Order aus, den Wüstling öffentlich auszupeitschen. Das ist für Don Quixote das Signal, Melisendra zu Hilfe zu kommen, doch Meister Pedro gelingt es erst einmal, den „Ritter von der traurigen Gestalt“ zu beruhigen. Damit kann der Erzähler die Geschichte fortsetzen:
Drittes Bild
Der junge Maure wird von Wachen König Marsilios auf den großen Platz von Saragossa geführt und mit zweihundert Peitschenhieben bestraft.
Viertes Bild
Don Gayferos reitet durch die Pyrenäen auf der Suche nach seiner Frau.
Fünftes Bild
Wieder auf dem Turm von Marsilios Burg: Melisendra hat einen ihr unbekannten Reiter entdeckt, den sie anruft, und ihn nach Don Gayferos fragt. Als der Reiter sich zu erkennen gibt, rennt sie sofort zu ihm hinunter; es gelingt beiden zwar, zu entkommen, doch haben die Mauren schnell die Flucht entdeckt und setzen den Fliehenden mit einem Trupp nach.
Sechstes Bild
Die Flucht der gefangenen Melisendra wird König Marsilio berichtet; der gerät in Wut und befiehlt, sofort die Alarmglocken zu läuten. Doch Mauren haben keine Glocken, dafür aber jede Menge Trommeln und Schalmeien, die sie lautstark einsetzen. Meister Pedro stellt die Verfolgungsjagd der Mauren auf das flüchtige Paar so wirkungsvoll dar, dass für Don Quixote das Spiel zur Realität wird: Er springt auf, und schlägt in ehrlicher Wut mit seinem Schwert den Marionettenfiguren, die Melisendra und Don Gayferos verfolgen, die Köpfe ab. Mit sich und seiner Heldentat völlig im Reinen, singt er voller Stolz ein Ritterlied, das er seiner angebeteten Dulcinea widmet. In völlig anderer Stimmung ist Meister Pedro: Der Ritter Don Quixote hat ihn nicht nur seiner Puppen beraubt, sondern ihm auch seine Einkunftsquelle genommen; traurig streichelt er die kopflosen Puppen, während der Don und Sancho Pansa trällernd weiterziehen...
INFORMATIONEN ZUM WERK
Der hier vorgestellte Einakter entstand in den Jahren 1919 bis 1922 als ein Auftragswerk durch die Prinzessin Edmond de Polignac, der Tochter des Nähmaschinenfabrikanten Singer.
Seit seiner Übersiedlung nach Granada im Jahre 1914 hatte sich Manuel de Falla intensiv mit andalusischer Folklore auseinandergesetzt - so mit dem „Canto jondo“ (ursprünglich zigeunerische Gesänge) und dem volkstümlichen Puppenspiel. Deshalb kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit mit Federico Garcia Lorca, der mit anderen spanischen Künstlern in Granada ein Marionettentheater gegründet hatte. Aus dieser gemeinsamen, von Seiten Lorcas mehr beratenden Arbeit entstand MEISTER PEDROS PUPPENSPIEL, dessen Uraufführung im Beisein von Paul Valéry, Pablo Picasso und Igor Strawinsky, zu einer legendären Vorstellung geriet. Das von der Partitur geforderte Cembalo spielte bei der Uraufführung übrigens Wanda Lewandowska, der Komponist leitete das von Lorca gegründete andalusische Orquesta bética de cámara.
EL RETABLO DEL MAESE PEDRO setzte sich sehr schnell als anerkanntes Meisterwerk durch. Wenige Jahre nach der Premiere ging man dazu über, die Rollen des Pedro, des Don Quijote und des Erzählers von agierenden Sängern ausführen zu lassen und die mit „stumm“ bezeichneten Rollen Schauspielern zu übertragen. Musikalisch gelang de Falla durch den Rückgriff auf alte spanische Musik eine Verbindung an das so genannte Goldene Zeitalter, d.h. des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, herzustellen, gleichzeitig aber auch ein einfaches prägnantes Bühnenspiel.
Über die deutsche Erstaufführung gibt es unterschiedliche Angaben: Einmal wird sie für 13. Januar 1927 im Opernhaus Köln angesetzt, zum anderen ins Jahr 1928 im damaligen Oldenburgisches Landestheater (seit 1938 Oldenburgisches Staatstheater) gelegt.
© Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2013
unter Hinzuziehung folgender Quellen:
Opernjournal der Stuttgarter Staatsoper 10/2002
Opernführer von Reclam und Könemann
Kurt Pahlen: Manuel de Falla und die Musik in Spanien (1953)