GLUCK, Christoph Willibald: DON JUAN

  • Christoph Willibald Gluck (1714-1787):


    DON JUAN ou Le Festin de Pierre
    (Don Juan oder Das Fest der Steine)
    Ballettpantomime - Libretto von Gasparo Angiolini nach Tirso de Molina und Molière


    Uraufführung am 17. Oktober 1761 im Wiener Burgtheater


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Don Juan
    Donna Elvira
    Der Komtur
    Leporello, Diener Don Juans
    Mätressen, Furien, Geister


    Die Handlung geht in Spanien vor sich.


    INHALTSANGABE


    ERSTES BILD: Eine Straße mit dem Palais Don Juans und des Komturs.


    Don Juan gibt der Tochter des Komturs, Donna Elvira, ein Ständchen. Plötzlich öffnet sich die Tür und der Frauenheld begibt er sich vorsichtig ins Haus. Während des Tête-à-tête mit Donna Elvira stürzt der Komtur ins Zimmer und fordert den Don zu einem Zweikampf, denn er sieht seine Familienehre beschmutzt und die kann nur durch den Tod des Eindringlings gesühnt werden. Aber Donna Elviras Vater ist nicht mehr der Jüngste und Don Juan ein flinker Fechter: das Duell verliert der Kommendatore und im Todeskampf verflucht der Alte seinen Mörder. Don Juan rafft schnell seine Sachen zusammen und eilt davon, und Donna Elvira rennt ihm nach. Währenddessen wird von der herbeigeeilten Dienerschaft weggetragen.


    ZWEITES BILD: Im Palais von Don Juan.


    Immer auf der Suche nach einer neuen Eroberung veranstaltet Don Juan in seinem Palais ein Fest mit Speisen, Tanz und Spiel. Sein Auge hat er diesmal auf das hübsche Bauernkind Zerlina geworfen. Das Problem naht in der Gestalt von Donna Elvira, die soeben noch verhindern kann, dass Zerlina dem ungestümen Werben Don Juans nachgibt. Damit das Fest nicht aus dem Ruder läuft und Zerlina ihm trotzdem nicht „durch die Lappen geht“, muss Don Juan die wütende Donna unbedingt besänftigen, doch will sich die Dame nicht beruhigen lassen. Ihre Wut bringt sie in einem wilden Furiant zum Ausdruck.


    Don Juan gelingt es schließlich, die Paare für den Ball zu ordnen und jetzt ist auch Donna Elvira zur Versöhnung bereit: sie lässt sich, nach einem von allen Anwesenden getanzten Fandango, mit Don Juan eine graziösen „Pas de deux“ ein. Trotzdem versucht Don Juan, Zerlina nicht aus dem Auge zu verlieren.


    In diesem Augenblick ist aus der Ferne ein Gewitter zu vernehmen, Unheil ankündigend. In den allgemeinen Trubel platzt der Komtur in der Gestalt einer Statue. Die Gäste fliehen voller Entsetzen aus dem Palais. Don Juan aber, der zunächst überrascht reagiert, bittet den Untoten, Platz zu nehmen. Der Komtur lehnt das rundheraus ab, fordert stattdessen Don Juan auf, zum Nachtmahl an sein Grab zu kommen. Leporello warnt seinen Herrn mimisch, das Angebot anzunehmen, er jedenfalls will auf keinen Fall zum Grab mitgehen, er ist sogar fest entschlossen, den Dienst aufzukündigen.


    DRITTES BILD: Der Friedhof, in der Mitte das Grab mit Standbild des Komturs.


    Don Juan kommt - ohne seinen Diener Leporello - zum Gastmahl, stellt jedoch erstaunt fest, dass von einer Festtafel nichts zu sehen ist. Trostlos und unheimlich wirkt der Friedhof. Vor seinem Grab aber steht der steinerne Komtur (in einer anderen Fassung steigt der Komtur nach dem Eintreffen Don Juans von seinem Sockel herab) und kommt ohne weitere Umschweife zur Sache: Don Juan soll sein Leben ändern, soll sich von seinem sündigen Leben lossagen. Der denkt jedoch nicht daran, verhöhnt stattdessen den Komtur, der mit einer blitzschnellen Bewegung Don Juans Hand ergreift, die den Frauenhelden auf einmal das Blut in den Adern gefrieren lässt. In einer anderen Version begrüßt der Komtur Don Juan mit Handschlag und lässt ihn nicht mehr los, während der Don, ohne Reue zu zeigen, die Forderungen des Komturs energisch zurückweist.


    Die Starrköpfigkeit Don Juans führt zu seinem Untergang: die Erde tut sich auf, Furien und Geister aus der Unterwelt kommen empor, den Wüstling zu martern, zu fesseln, und ihn dann mit gewaltigem Donnergrollen in den Abgrund zu ziehen. Mit fürchterlichen Blitzen und krachendem Donner wird der Ort dem Erdboden gleich gemacht.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Das hier beschriebene Ballett hat nichts mehr mit der aus der barocken Oper bekannten Tanzeinlage zu tun, sondern kann ohne Übertreibung als das erste pantomimisch angelegte Ballett der Musikgeschichte bezeichnet werden. Gasparo Angiolinis Arbeit vermittelte mit dem Gleichklang von Bewegung, Gestik und Musik die dem Stück innewohnenden Emotionen. Ein Original der Choreographie Angiolinis ist leider nicht überliefert.


    Neben Jean Georges Noverre ist Angiolini als Erneuerer des Bühnentanzes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anzusehen. Sein Credo lautete, dass der Zuschauer das Geschehen auf der Bühne ohne große schriftliche Erläuterungen verstehen und der Tanz jene Handlung genau wiedergeben müsse.


    Das Publikum der Uraufführung hatte mit diesem neuartigen pantomimischen Stil seine Probleme, daher wurden, im Gegensatz zum ursprünglich nur fünfzehn Nummern umfassenden Plan, für spätere Aufführungen noch weitere, dem Publikumsgeschmack angepasste Sätze hinzu gefügt. So entstand die bis heute gültige Fassung mit einunddreißig Sätzen, zuzüglich der Ouvertüre. Diese Version wurde von Richard Engländer 1966 im Rahmen der Gluck-Gesamtausgabe als Band II/1 herausgegeben und für diese Inhaltsbeschreibung verwendet. Da die Angabe zu den Akten (mal werden drei, mal vier Akte angegeben) differieren, wurde hier eine Aufteilung auf die drei Bilder des Balletts einer Aktaufteilung vorgezogen.


    Nach heutigem Erkenntnisstand ist die einunddreißig Nummern umfassende Ausgabe als nicht von Gluck autorisiert anzusehen, während die kürzere Version in mehreren Quellen überliefert ist, darunter zwei vollständigen Stimmensätzen Wiener Herkunft, denen man genau diese Authentizität zuschreiben muss. Dazu kommen noch zwei weitere Quellen: eine Partitur in der Staatlichen Bibliothek Regensburg sowie ein Stimmensatz in der Sammlung der Uni- und Landesbibliothek Münster (aufbewahrt im Schloss Nordkirchen), beide mit szenischen Eintragungen. Damit nicht genug gibt es noch ein handschriftliches choreographisches „Programme du Ballet“, das als „Pariser Szenar“ bezeichnet wird, das Einblicke in das originale Werk erlaubt.


    Sibylle Dahms hat für den Bärenreiter-Verlag in Kassel eine Notenausgabe erstellt, die alle bekannten Forschungsergebnisse beinhaltet. Damit ist erstmals die Originalfassung des DON JUAN mit einem Umfang von fünfzehn Nummern zuzüglich der einleitenden Sinfonia zugänglich; die Ballettpantomime hat insofern auch nur eine etwa zwanzigminütige Aufführungsdauer. Dahms hat den Wortlaut der weiter oben erwähnten szenischen Angaben in ihre Edition eingearbeitet und bietet damit für eine rein konzertante Wiedergabe dem Publikum eine hilfreiche Handreichung an, während die ebenfalls mitgeteilten Detailbeschreibungen der Tanzaktionen für die choreographische Umsetzung wertvoll sein können. Das Instrumentarium Glucks sieht neben Oboen, Fagott, Hörnern und Streichern auch Kastagnetten vor.


    © Manfred Rückert für Tamino-Ballettführer 2013
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Klavierauszug von Breitkopf & Härtel, Leipzig
    Reclams Ballettführer von (a) Kieser/Schneider und (b) Regitz

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    MUSIKWANDERER

  • Bei den Tamino-Werbepartnern Amazon und jpc sind nur wenige Einspielungen des Gluck-Balletts erhältlich. Aber alle bieten die weiter oben erwähnte Version von Richard Engländer an, also alle (einschließlich der Ouvertüre) zweiunddreißig Nummern:





    Nebenstehend das Cover der Interpretation durch die English Baroque Soloists unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner aus der Apex-Serie von Warner (1982 Erato Disques S.A.).













    Hier spielt die Academy of St. Martin in the Fields unter Neville Marriner; Händels Ouvertüre und Sinfonia pastorale aus „Ariodante“ und der Marsch aus „Il Pastor Fido“ wurden als Füller angehängt.













    Nebenstehend die Einspielung des Arcata-Ensemble Stuttgart unter Patrick Strub.














    Das Mainzer Kammerorchester unter der Leitung von Günter Kehr ist in der nebenstehenden Einspielung - erschienen beim Label Bellaphon - zu hören.

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