Jürgen Otten: Die großen Pianisten der Gegenwart

  • Als Standardwerk in Sachen Pianisten galt und gilt in gewisser Weise immer nach das ersmals 1965 erschienene Buch von Joachim Kaiser: Die großen Pianisten unserer Zeit. Kaiser war damals 37 Jahre alt und befasste sich – nach einem kurzen Überblick über die Vergangenheit – mit der damals aktuellen Pianistenszene. Relativ bald war das Buch als Standardwerk anerkannt und erlebte zahlreiche Auflagen. Kaiser interessierten damals vor allem die lebenden Pianisten. Im Rahmen von erweiterten Neuauflagen hätte er stets die verstorbenen Künstler aussortieren müssen – aber das –wie er selbst im Vorwort von 1996 schreibt – widerstrebte ihm.
    Irgendwann – es war 1996 – meinte er, sein Interesse an der damals aktuellen Pianistenszene sei nicht mehr si brennend wie einst, und er suchte und fand einen Musikjournalisten, Klaus Bennert, der sein Werk aktualisieren und erweitern sollte.
    Ich habe mir die Frage gestellt, warum nach 1996 keine weiteren Erweiterungen hinzukamen, bis ich im Rahmen meiner Recherche für diesen Beitrag heute die traurige Wahrheit herausfand: Klaus Bennert ist bereits 1999, 46 jährig verstorben……

    Damit war gleichzeitig eine andere Frage beantwortet, ob es sinnvoll sei, ein Werk mit Namen
    „Die großen Pianisten der Gegenwart“ auf den Markt zu bringen.
    Die Antwort die ich darauf gefunden habe ist:
    Es ist sogar NOTWENDIG
    Kaisers Buch ist indes in keiner Hinsicht veraltet, ist es doch ein Spiegel seiner Zeit und befasst sich mit Pianisten wir Rubinstein, Haskil, Anda, Kempff, Backhaus, Arrau etc etc.
    Ein unverzichtbares Zeitzeugnis par excellence – und wird es vermutlich solange bleiben als es Aufnahmen der genannten Künstler und ihrer Zeitgenossen geben wird.

    Nach dieser –zugegebenermaßen etwas ausführlichen – Einleitung kommme ich auf das Buch zu sprechen,welches ich eigentlich hier vorstellen wollte.
    Jürgen Otten: Die großen Pianisten der Gegenwart.
    Das Buch wird nie die „Pianistenbibel“ Kaisers verdrängen können, einfach deshalb weil es einen anderen Zeitraum abdeckt.
    In der ersten Auflage von 2009 werden knapp derzeit aktive 50 Pianisten auf 286 Seiten behandelt, wobei rund 50 Seiten auf den Lexikonteil entfallen.
    Auf Alfred Brendel wolle man offenbar nicht verzichten, obwohl sich dieser bereits zurückgezogen hat.
    Otten erklärt, hier keine Anthologie vorlegen zu wollen , sondern eine subjektive Auswahl mit subjektiv gefärbten Beschreibungen anbieten zu wollen. Ich erinnere mich dunkel – ähnliches einst auch bei Kaiser gelesen zu haben. ……


    DerTagesspiegel ging mit diesem Buch (zu!!!) hart ins Gericht, wie ich meine.

    Zitat

    Dieses Buch ist eine Provokation. Da legt der Berliner Musikjournalist Jürgen Otten einen Überblick über „Die großen Pianisten der Gegenwart“ vor – und erwähnt eben jene drei Klavierspieler, die derzeit am meisten CDs verkaufen, mit keinem einzigen Wort: weder den smarten Martin Stadtfeld noch die wegen ihrer Liebe zu wilden Wölfen berühmt gewordene Hélène Grimaud. Und auch Lang Lang nicht, diesen Superstar der populären Klassik, den in den Medien allgegenwärtigen Chinesen


    http://www.tagesspiegel.de/kul…sser-pianist/1604332.html


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kenne das Buch (noch?) nicht, aber ich würde nicht nur wie Alfred sagen, dass der Rezensent des Tagesspiegels mit Jürgen Otte "(zu!!!) hart" ins Gericht geht, sondern ich würde dem einen Kommentar zustimmen, der davon schreibt, dass dem Rezensenten das nötige musikalische Rüstzeug fehle. Ich weiß natürlich nicht, ob es ihm fehlt, ich kenne nichts von ihm. Aber überhaupt darauf hinzuweisen, dass Stadtfeld smart sei, dass Grimaud Wölfe umhege und dass Lang Lang der große Medienstar sei, lässt tief blicken. Genau das hat mit der Größe eines Pianisten doch hoffentlich überhaupt nichts zu tun!


    Zweifellos folgt daraus nicht messerscharf, dass das Buch von Otten wirklich informativ und lesenswert ist. Aber das Gegenteil folgt daraus erst recht nicht. Ich glaube auch kaum, dass sich wirkliche Musikliebhaber das Buch nach der Besprechung jetzt nicht mehr kaufen werden.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Das Buch war eigentlich recht gut geschrieben, hat aber natürlich versucht auch die etwas flappsigere jüngere Generation anzusprechen.(etwas,das selten funktionier, wenn man ihr nicht selber angehört) Es ist fraglich ob es so tiefgründig war wie jenes von Kaiser (der allerdings in einem der späteren Vorworte erwähnte, dass auch er nicht frei von Fehleinschätungen sei.
    Aber wichtiger war, daß es das EINZIGE Buch war, das sich nach dem Rückzug Kaisers und dem frühen und überraschenden Tod seines erwählten Nachfolgers, Klaus Bennert (1953-1999) mit dem Thema Pianisten ausführlich befasste, Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Buch in der Nachfolge einer Legende im Vergleich immer den Kürzeren ziehen wird , aber damit muß man rechnen. Vieeichr wäre es eine gute Idee, einzweite Auflage folgen zu lassen - mit zusätlichen 40 Pianisten der Gegenwart und zwar aus Kostengründen im Taschenbuchformat. Denn das Buch stellt - trotz vieler Überschneidungen - keine Konkurrenz für Kaiser dar, sondern eine an unsere Zeit angepasste Fortsetzung. Man muß nicht mit allem einverstanden sein, was der Autor schreibt (und das gilt auch für Joachim Kaiser) aber man hat auf jeden Fall Aussagen, die die eigenen Gedanken anregen können.Ich bin jedenfall froh das Buch seinerzeit gekauft zu haben......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !