Gewundert habe ich mich schon seit längerem, aber heute wurde ich mal wieder in meiner schlechten Meinung über die Sitzplatzvergabe der Wiener Staatsoper bestätigt: Der offizielle Online-Vorverkauf beginnt bekanntlich zwei Monate vor der jeweiligen Vorstellung. Offiziell. Der Parsifal am 28. März war aber praktisch bereits heute in aller Herrgottsfrühe ausverkauft. Wie kann das sein, fragt man sich? Es handelte sich noch nicht einmal um eine Zyklus- oder Abo-Vorstellung. Lediglich in der allerteuersten Preiskategorie finden sich noch einige Karten. Und sogar irgendwelche 08/15-Vorstellungen sind meist bereits am ersten Tag nahezu ausgebucht.
Umso merkwürdiger ist es, dass auf diversen Opernkarten-Börsen wie opern24.de oder ticketpool.de im Netz problemlos Karten erhältlich sind. Nicht nur für diese Vorstellung, sondern z. B. auch für die erst am 13. Juni stattfindende Premiere des Tristan, die offiziell noch gar nicht im Online-Vorverkauf ist! Dass es sich hierbei um völlig überteuerte Angebote handelt, brauche ich kaum extra zu betonen.
Offensichtlich verkauft das ominöse "Culturall" ganze Kartenkontingente im Vorfeld an diese Anbieter, die dann ihrerseits einen saftigen Aufschlag darauf schlagen. Das erklärt wohl auch, wieso trotz offiziell ausverkauftem Haus oft etliche Plätze noch frei sind. Wieso überhaupt Culturall den Verkauf übernimmt, sei mal dahingestellt. Scheinbar hat die Wiener Staatsoper darauf keinen direkten Einfluss mehr.
Googelt man, wird man schnell fündig, dass das keine Einzelfälle sind. Unsere Kollegen vom Neuen Merker haben dazu etliche Themen aufgemacht, wo viele ihre Wut beklagten. Die Praxis gerade in Wien scheint in der Tat äußerst fragwürdig. So sollen sogar scheinbar hausbekannte Schwarzhändler im Foyer (!) der Staatsoper tätig sein und dort vor den Augen der Angestellten überteuerte Restkarten an den Mann bringen. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu sagen, dass ich derlei mafiös anmutende Praktiken weder aus Dresden noch aus Nürnberg oder München kenne. Und auch in Berlin soll das besser sein. Dort ist es kein Problem, noch in diese oder jene Vorstellung zu kommen, wenn man am ersten Tag des Vorverkaufs eine Karte sucht. In Wien dagegen ist das fast schon unmöglich.
Bereits unter dem ehemaligen Staatsoperndirektor Holender scheint es dies gegeben zu haben, also keine Neuheit unter Meyer. Angeblich versuchte Holender auch dagegen vorzugehen — mit offenbar sehr geringem Erfolg. Es kann doch nicht sein, dass man bereits über ein Jahr im Vorfeld bestellen muss, um überhaupt eine gewisse Chance auf Karten zu haben!
Die Presse thematisiert das kaum, die wird wohl mit Pressekarten besänftigt. Ein Skandal ist das aber in jedem Fall!
Welche Erfahrungen habt ihr mit dubiosen Sitzplatzvergaben an Opernhäusern und speziell der Wiener Staatsoper?