Ein heikles Thema - gerade jetzt im Wagnerjahr: Vermischen wir unsere Liebe zur Musik eines Komponisten mit unserer Zuneigung zur Person? Gleich vorweg möchte ich betonen, dass es hier nicht um Wagner oder Pfitzner etc.. in persona gehen soll, sondern um das Phänomen der persönlichen Identifikation mit den Verfassern der Musik, die wir lieben. Wahrscheinlich würden die meisten von uns sagen, dass sie keinerlei Verbindung zwischen ihrer Zuneigung zu einem Werk und seinem Verfasser legen, nur ich glaub's nicht. Wäre das nämlich wahr, gäbe es nicht so viele leidenschaftliche Diskussionen um den Menschen Wagner, den Menschen Strauss, etc...Ich für meinen Teil muss gestehen, nach eingehender selbstkritischer Betrachtung, dass ich mir schwer tue, Werke von Komponisten, die mir als Mensch unsympathisch sind, mit gleicher Objektivität zu hören wie die von Komponisten, deren Charakter mir unbedenklich scheint. "Kleinbürgerlich", gewiss, aber ebenfalls "kleinbürgerlich" ist es, Abhandlungen, Monographien etc.. mit der Absicht, einen Komponisten gegen seine Kritiker zu verteidigen, zu verfassen. Lasst uns also guten Gewissens kleinbürgerlich sein und die Fragestellung nach 1. Herkunft, 2. Lebenswandel und 3. Epoche auffächern:
1. Herkunft: Ein ganz offensichtlicher Punkt. Große Komponisten werden oft zu Nationalkomponisten, siehe Sibelius, Chopin, etc.. Ich behaupte, die Begeisterung der Menschen der Herkunftsländer solcher Komponisten ist überproportional groß und von Nationalstolz geprägt. Es kommt allerdings schnell zur Sättigungen weshalb der Bonus mit steigender Zahl an großen Komponisten abnimmt. Beispielsweise haben die Deutschen mehrheitlich lange Zeit auf Mendelssohn verzichtet und die Österreicher haben nie den Versuch gemacht, Liszt als Österreicher zu reklamieren, obwohl hier die Chancen sehr gut stünden.
2. Lebenswandel: Sehr zeitgebunden und daher am ehesten im Zusammenhang mit der Zeit, in der der Komponist lebte, zu diskutieren. Gewisse persönliche Eigenschaften, wie etwa die unglaubliche Kollegialität und Hilfsbereitschaft Liszts für andere Komponisten seiner Zeit, wirken aber zeitübergreifend erfreulich auf uns.
3. Epoche: Mit der zunehmenden Verbürgerlichung der Gesellschaft im 19.ten Jahrhundert und der zunehmenden Selbstbestimmtheit der Menschen, vermehrten sich natürlich auch die Möglichkeiten die eigene Umwelt zu beeinflussen. Waren Bach und Haydn noch subalterne Angestellte, ohne die Möglichkeit, ihrer Umgebung außerhalb ihres direkten Wirkungskreises den Stempel aufzudrücken, so war der Komponist der Romantik und späterer Epochen selbstständiger Künstler, Publizist, Unternehmer (gilt natürlich auch schon für Händel und andere Opernkomponisten aus früherer Zeit), und öffentliche Person. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass wir ab Wagner auf eine zunehmende Zahl von "Problemfällen" stoßen, denn "die Gelegenheit macht den Dieb". Nicht ganz unwichtig scheint mir in diesem Zusammenhang auch der ab dem 19.ten Jahrhundert aufkeimende Geniekult zu sein, der "Genies" die Möglichkeit gab, die Bewunderung ihrer Anhänger auch zu missbrauchen und auszunutzen (etwas, zu dem z.B. Bach, Mozart und Schubert nie Gelegenheit hatten). Weiters wird der Komponist im ideologischen 20.ten Jahrhundert zunehmend als politisches Individuum zum Betrachtungspunkt: man denke nur an Wagner, Bartók, Pfitzner, Schostakowitsch, Prokofjew, etc...