Outfit - Zählt nur die Verpackung?

  • Ein Konzert folgt gewissen Konventionen. Die Dirigenten und Dirigenten, Solisten und Solistinnen, Orchestermusiker und Orchestermusikerinnen präsentieren sich ihrem Publikum in einem Outfit. Die Grenze kann aber auch überschritten werden.
    Was wird Frauen und was wird Männern zugestanden?



    Die Violonistin Anne-Sophie Mutter präsentiert sich auf diesem Cover in extravagantem Kostüm, der Organist Cameron Carpenter tritt nicht nur in Jeans und T-Shirt auf, es darf auch mal ein weisses Glitzerkostüm sein, wovon man sich im Video-Trailer überzeugen kann.


    Ich meine: Letzlich zählt das, was auf dem T-Shirt rechts zu lesen ist: Music is it.
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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich weiß nicht zu sagen, ob nur das Outfit zählt, auf jeden Fall beweist unser "seicento" jeden Tag aufs Neue, daß die Verpackung auch bei Musik-CDs wichtig ist. Der Anreiz zum Kauf ist bestimmt von den Labels wohl durchdacht, und oftmals kann man, dazu gehöre ich auch, lauthals lachen - der Blick in den Thread über "Cover zum Lachen" zeigt doch tolle Beispiele auf...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Wie sehr sich Fragen der optischen Ästhetik gesamtgesellschaftlich in den letzten zwanzig Jahren gewandelt haben, zeigt sich eben auch in der medialen Präsentation von Künstlern. Man sehe sich doch nur einmal das eine oder das andere DGG-Cover aus den Achtziger Jahren an: zum Beispiel wird Gidon Kremer da mitunter so gezeigt wie er ist – eben kein Schönling. Und darauf kam es auch gar nicht an, ob der Künstler gut aussah, ob die Künstlerin ‚Sexyness’ ausstrahlte, war in einem Bereich wie dem, über den wir hier diskutieren – dem der Hochkultur nämlich – drittrangig. Würde ein kugelrunder James Levine heute noch eine solche Karriere machen? Könnte eine matronenhafte Montserrat Caballé heute noch zu solchem Starruhm aufsteigen? Manchmal glaube ich, dass dies mittlerweile nicht mehr möglich wäre. Und komme mir jetzt niemand mit dem Verweis auf die Karriere eines Thomas Quasthoff. Sein ‚Anderssein’ diente (ohne von ihm intendiert gewesen zu sein, natürlich war es das nicht!) der immer stärker auf Äußerliches fixierten Gesellschaft auch als Feigenblatt, als die tragische Ausnahme – zu oft hörte man etwa Folgendes: Mein Gott, ein so tragisches Schicksal und dann kann er so toll singen. Quasthoffs Ausnahme bestätigt nur die gültige Regel.
    Aber die Präsentation der Künstler weist nur auf ein viel größeres Problem hin – der Mensch darf nicht mehr so sein, wie er oder sie ist: mit Makeln behaftet. Schütteres Haar, Kugelbauch, Warze auf der Nase, von der Natur nicht mit ebenmäßigen Gesichtszügen beschenkt – all das passt nicht in unser neues Bild vom Menschen. Was nicht der ausgegebenen Leitlinie entspricht, deren oberstes Credo das der Stromlinienform ist, das hat sich am besten irgendwo zu verkriechen, das wollen wir nicht sehen. Die Stromlinienform ist das Maß, dem sich der Körper, aber auch der Geist zu unterwerfen haben. Richtig toll ist Rachmaninoff eben nur dann, wenn er von einer sexy Yuja Wang gespielt wird. Säße ein schwitzender, dicker, junger Mann am Flügel – naja, das wäre dann halt nicht so schön, manche wären sicher angeekelt: Was der sich traut! So überhaupt aufzutreten! Also, wirklich!
    Ehrlich, mich widern diese blöden und dümmlichen Inszenierungen junger Künstler heutzutage so oft an.


    Grüße,
    Garaguly

  • Zitat

    Zitat von Garaguly: Ehrlich, mich widern diese blöden und dümmlichen Inszenierungen junger Künstler heutzutage so oft an

    Lieber Garaguly,


    du hast damit - wie auch mit deinem gesamten Beitrag - den Nagel auf den Kopf getroffen. Für einen normal denkenden Menschen sind diese Darstellungen der Werbung und die Selbstdarstellungen bestimmter Leute (auch in der Musik) geradezu lächerlich, wenn nicht manchmal sogar widerlich. Aber die Werbung und die Medien haben die tumben Massen inzwischen so erzogen, dass sie diesem Wahn immer mehr verfallen. Und sie sind fast nicht mehr in der Lage zu erkennen, was ihnen hier vorgegaukelt wird. Und weil sie dafür blind geworden sind, merken sie überhaupt nicht mehr, wie sie überall vera....t werden. Ein typisches Beispiel sind auch die Schwellenpreise, über die die Ausländer lachen (vor allem an Tankstellen mit ihren 1/10 Cents). Ich habe mir dabei schon lange angewöhnt, diese von rechts nach links zu lesen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Heute zählt ausschließlich das Gesamtpaket und das verlangt in einer Mediengesellschaft neben musikalischem Können auch Optik und Inszenierung; wobei ersteres sogar Nebensache wird! Ein Blick auf den Leistungssport verdeutlicht das: Früher, vor 30 oder 40 Jahren, sahen die Sportler aus wie normale Menschen auch, ein wenig sportlicher und muskulöser eben, aber das war es auch schon. Heute sieht man in allen Bereichen und Sportarten zunehmend ausnehmend attraktive Menschen und Körper, was nur heißen kann, dass bei der Selektion im Jugendalter neben rein sportlichen Kriterien auch ästhetische und marktfördernde eine Rolle spielten: Auf gut deutsch - bei ähnlicher Leistung entschied das Äußere, wer das Rennen machte und weiter gefördert wurde. In der Musik ist das genauso, die Vielzahl der äußerst hübschen Sängerinnen, Pianistinnen etc. spricht eine deutliche Sprache und auch bei den Männern funktioniert das Modell Villazon sehr gut. Schon Glenn Gould galt ja, mir völlig unverständlich, als James Dean und sehr attraktiv, zumindest als junger Mann. Unattraktive Künstler haben auf Dauer nur eine Chance, wenn sie eben diese zum Marktkonzept und durch besondere Marotten und Attitüden auf sich aufmerksam machen. Ich persönlich habe als Mann und Liebhaber alles Schönen überhaupt kein Problem damit, schönen Frauen am Klavier oder beim Singen zuzusehen; aber ich fürchte, das lenkt von der Hauptsache, der Musik ab; und zusätzlich bleiben große Talente, von denen man nie etwas hören wird, weil sie nicht stylish genug sind, auf der Strecke.

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  • Ich glaube, wir weichen hier gerade von dem Thema, welches moderato anpeilen wollte (nämlich Künstler-Kleidung) ein wenig ab - was mich nicht davon abhalten soll, insbesondere das von Garaguly gesagte deutlich zu unterstreichen. Und das beschränkt sich durchaus nicht nur auf den Bereich Klassik: die ständige Überreizung mit künstlicher Schönheit hat bei mir zu einer fast schon grundsätzlichen Abneigung gegen alle Hochglanz-Ästhetik geführt.


    Und was die Klamotten angeht: da findet sich meinem Gefühl nach auf den Klassik-Covern schon zum großen Teil noch wenigstens halbwegs seriöses. Allerdings vermute ich dahinter auch nicht mehr als marketingtechnische Überlegungen. Wären Bananenröckchen und Lederjacken (nur um mal wahllos ein Beispiel herauszugreifen) unter Liebhabern klassischer Musik als Ausdruck künstlerischer Seriösität anerkannt, man würde auch die auf den Plattencovern der einschlägigen Firmen finden. Oder anders gesagt: zugestanden wird da eigentlich nur dem Markt etwas.

  • Ich glaube, wir weichen hier gerade von dem Thema, welches moderato anpeilen wollte (nämlich Künstler-Kleidung) ein wenig ab

    Dann soll die Moderation bitte einen zweiten Thread aufmachen des Titels "Vermarktung durch Optik" oder so ähnlich oder wir erweitern das Threadthema hier!


    Zitat

    Richtig toll ist Rachmaninoff eben nur
    dann, wenn er von einer sexy Yuja Wang gespielt wird. Säße ein
    schwitzender, dicker, junger Mann am Flügel – naja, das wäre dann halt
    nicht so schön, manche wären sicher angeekelt: Was der sich traut! So
    überhaupt aufzutreten! Also, wirklich!

    Genau das ging mir heute Morgen auch durch den Kopf!

  • Zitat

    Dann soll die Moderation bitte einen zweiten Thread aufmachen des Titels "Vermarktung durch Optik" oder so ähnlich oder wir erweitern das Threadthema hier!


    Solch einen Thread Thread gibt es natürlich - schon seit 2004 - und er trägt die Nummer 315


    Sex Sells - auch in der Klassik? :baeh01:


    Aus meiner Sicht ist es gleichgültig ob ihr das Thema erweitern und den hiesigen Thread fortführen - oder ob ihr den alten wieder aufleben lassen wollt...


    Bei aller Ähnlichkeit ist der jeweilige Schwerpunkt ein anderer.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ui, ui, beim schnellen Durchblicken des vermeintlichen Parallel-Threads musste ich feststellen, es geht wohl eher dort um das Zeigen nackter Haut und damit verbunden, dem Spiel mit sexuellen Signalen, welche das Marketing geschickt für ihre Zwecke zu nutzen sucht.


    In meinem Thread geht es um das Outfit, sprich Klamotten, äh Kleidung der Interpreten und Interpretinnen. Dass mit Kleidung Verhülltes sichtbar gemacht wird, im Grunde ein Paradox, liegt in der Natur der Sache.


    Ein Thread kann sich aber auch entwickeln und eine andere Richtung nehmen.
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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Zitat

    Für einen normal denkenden Menschen sind diese Darstellungen der Werbung und die Selbstdarstellungen bestimmter Leute (auch in der Musik) geradezu lächerlich, wenn nicht manchmal sogar widerlich.


    Wer stellt hier welche Normen auf?

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  • Ich hatte mich nicht getraut, das Wort Sex in die Suchmaschine einzugeben! 8-) Aber ich verschiebe mal meinen Beitrag!