Am 14 Dez 2012 im Opernhaus Zürich: Un ballo in maschera

  • Liebe Opernfreunde,


    am 14 Dez 2012 war es wieder einmal soweit: Ich hatte Karten für die inzwischen ans Herz gewachsene Züricher Oper bekommen. Zur Aufführung gelangte

    UN BALLO IN MASCHERA


    Oper von Giuseppe Verdi
    Libretto von Antonio Somma


    Musikalische Leitung Nello Santi
    Inszenierung David Pountney
    Bühnenbild Raimund Bauer
    Kostüme Marie-Jeanne Lecca
    Lichtgestaltung Jürgen Hoffmann
    Choreinstudierung Jürg Hämmerli
    Choreografie Beate Vollack
    Philharmonia Zürich
    Chor der Oper Zürich
    Zusatzchor der Oper Zürich


    Rollen und ihre Darsteller:


    Gustavo III, König von Schweden Ramon Vargas
    Renato Anckarstroem Alexey Markov
    Amelia Tatjana Serjan
    Ulrica Yvonne Naef
    Oscar Sen Guo
    Cristiano Elliot Madore
    Giudice Dmitry Ivanchey
    Ribbing Erik Anstine
    Horn Dimitri Pkhaladze
    Servo d'Amelia Jan Rusko


    Verdis UN BALLO IN MASCHERA in der Inszenierung von David Pountney wurde schon anlässlich der Premiere im April 2011 vom Züricher Publikum begeistert aufgenommen und war nun mit 6 Aufführungen als herausragend besetzte Wiederaufnahme zu erleben. Von der Premierenbesetzung übrig geblieben sind natürlich der Dirigent Maestro Nello Santi sowie die gelenkige Chinesin Sen Guo als geflügelter Oscar mit klaren Koloraturen und heller Stimme ein Genuss.
    Und schließlich die mit profunder Zarah Leander- Tiefe aufwartende Yvonne Naef als Ulrica, deren Rolle zur Strippenzieherin des theatralischen Spiels aufgewertet wurde, assistiert von einem riesigen schlangenumrankten mitsingendem Medusenkopf, der, auf einem Dolly montiert, von 2 Statisten zum Leben erweckt wurde.


    Neu besetzt wurden Gustavo III mit dem mexikanischen Tenor Ramón Vargas, Renato mit Alexey Markov und Amelia mit Tatjana Serjan sowie die kleineren Partien der Verschwörer Horn und Ribbing mit Dmitri Pkhaladze und Erik Anstine, des Christiano mit Elliot Madore und des Giudice mit Dmitri Ivanchey.
    In diesem Jahr hatte Ramón Vargas die Rolle des Königs von Piotr Beczala übernommen. Vargas meisterte Verdis königliche Tenorrolle mit gefühlvoll eingesetztem Schmelz in der Stimme, lief in der Barcarola „Di' tu se fedele“ zu grandioser Form auf, war fantastisch im Duett und in den Terzetten des ersten und des zweiten Aktes und überstand gegen Ende des dritten Aktes
    auch leichte stimmliche Ermüdungserscheinungen mit großer Souveränität.
    Mit Alexey Markov hatte er einen stimmlich hochkarätigen Freund und Rivalen zur Seite. Markovs große, kraftvolle Stimme verfehlte ihre begeisternde Wirkung nicht. Besonders seine Auftritte im 1. Akt „Alla vita che t’arride“ und im 3. Akt „Alzati! là tuo figlio“, „Eri tu che macchiavi quell’anima“ deuten auf einen Bariton mit großer Zukunft hin!


    Das ganz große Ereignis des Abends aber war Tatjana Serjan als Amelia! Welch eine ausdrucksstarke, hoch interessant timbrierte Stimme, phänomenal in der Mezzo-Tiefe, zu zarten Aufschwüngen in der Höhe fähig.
    Nachdem schon ihre große Szene auf dem Galgenberg mit anschließendem Duett und Terzett beeindruckend gelungen war, steigerte sie sich im dritten Akt nochmals und gestaltete das mit bewegender Zartheit angesetzte „Morrò, ma prima in grazia“ zur aufwühlenden Bitte einer liebenden Mutter. Mit einer von Verdis gefühlvollsten dolcissimo -Eingebungen und mit Eindringlichkeit gesungenen Phrase „Cor sì grande e generoso tu ci serba, o Dio pietoso!“ überstrahlte sie das Finale.


    Zum Weinen schön - wären da nicht diese der Commedia dell’arte entlehnten Ideen David Pountneys gewesen. Der König sucht sein Ende mit Hilfe von lebensgroßen Puppen. Auch die Verkleidung bekommt groteske Züge: Der Maskenball gerät zum
    Auftritt von schwarz-weißen Skeletten mit teilweise übergroßen Totenschädeln. Die gewöhnungsbedürftigen Kostüme wurden von Marie-Jeanne Lecca entworfen.
    Verwirrung komplett schließlich in der letzen Szene: Gustav ist in dreifacher Gestalt auf der Bühne. Der erste wird von Renato erschossen, der zweite ist der Sänger, welcher Nummer 3 auf dem Arm zu Grabe legt. Konkret wird die lebensgroße Marionette auf dem Souffleurkasten zur letzten Ruhe gebettet, bevor der König höchstpersönlich den Theatervorhang zuzieht.


    Anmerkung zur musikalischen Leitung:


    1962 hat Maestro Nello Santi den MASKENBALL an der New Yorker Met dirigiert, mit Carlo Bergonzi, Leonie Rysanek, Robert Merrill, Jean Madeira und Anneliese Rothenberger.


    Und nun, ein halbes Jahrhundert später, durfte man den Großmeister wieder einmal in Zürich erleben! Wie sehr liebt Santi seinen Verdi und insbesondere diese Oper. Mit jugendfrischem Temperament leitete der inzwischen 81-Jährige diesen Verdi-Abend. Und wie zumeist brauchte er auch diesmal keine Partitur. Er kennt jede Note und jedes Wort auswendig. Welch ein
    Genuss, Sänger und Orchester der Oper Zürich unter seiner Leitung zu erleben. Mit beeindruckender Stilsicherheit führte Maestro Santi durch den musikalisch überaus erfreulichen Abend. Wohlverdienter Sonderapplaus.


    Auch der von Jürg Hämmerli einstudierte Chor und Zusatzchor der Oper Zürich hatte wirkungsvolle Auftritte.


    Musikalisch ein grandioser Abend.


    Zu guter Letzt (oder auch zur Einstimmung zu empfehlen ):


    Das Opernrestaurant Belcanto befindet sich direkt im Opernhaus. Von den vielen Fenstertischen genießt man einen herrlichen Blick über den Zürichsee, während Zürcher Spezialitäten und erlesene Weine zur Auswahl geboten werden. Stilvoller kann man sich auf das Opernereignis nicht einstimmen lassen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Vielen Dank an Siegfried für diesen Bericht. Ich werde nicht in die Verlegenheit kommen, aus dem Ruhrgebiet nach Zürich zu fahren. Das Theater ist für mich verloren. Und die Inszenierung wäre wohl auch nicht nach meinen Gusto.


    Interessant, weil mir nicht bewußt, fand ich die Nachricht, daß Nello Santi noch dirigiert...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Da ich auch im Ruhrgebiet wohne werde ich wohl auch nicht in den Genuss einer Zuricher Opernaufführung kommen, es sei denn die wird auf DVD mitgeschnittten. Wir haben in NRW auch hervorragende Opernhäuser. Am Samstag freue ich mich auf die Don Carlos Premier im Musiktheater im Revier im Gelsenkirchen.

  • Vielen Dank für den interessanten Bericht.
    Ich habe Nello Santi im Mai / Juni 2012 in Zürich erlebt (Poliuto).
    Ich gehe auch sehr gerne in Zürich in die Oper. Leider bedeutet das für mich immer eine sehr weite Anreise.

    Viele Grüße,


    Marnie

  • Lieber Siegfried,


    danke für Deinen umfassenden, kenntnisreichen Bericht vom "Maskenball" in Zürich. Du bist endlich wieder ein Rezensent, der in erster Linie die Sänger beurteilt. Meistens wird heute der größte Teil der Besprechung der Regie gewidmet und damit diesem Teil der Aufführung eine dominante Bedeutung gegeben, die diesem in einer Musiktheateraufführung nicht zusteht. Durch diese verschobene Perpektive in der Beurteilung von Opern-Aufführungen werden die "wilden Krawall-Regisseure" bestätigt und damit zu ihrem Tun noch ermuntert.
    Die Freude über Deinen Beitrag wird noch verstärkt, weil ein fast "verlorener Sohn" - den wir brauchen und dessen Beiträge wir schätzen - wieder bei uns mitmacht. Danke!


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!