In den letzten Tagen ist andernports wieder die Diskussion aufgeflammt, inwiefern es zulässig ist, kreative Geister - in welchem Metier auch immer tätig - in eine Rangfolge, ein sogenanntes "Ranking", zu setzen. Als Naturwissenschaftler kenne ich die überall grassierende Rankingwut nur allzu gut: wenn du gerade selber nicht evaluiert und "gerankt" (ab jetzt ohne Gänsefüße) wirst, musst du andere dieser Behandlung unterziehen. Wenn wir hier eine größere Anzahl Threads analysieren, müssen wir wohl zum Schluss kommen, dass auch wir dazu neigen solche Rankings zu erstellen. Ist dies eine durch den Boulevard suggerierte Unart (frei nach User Helmut Hoffmann) oder ein menschliches Bedürfnis? Ich neige zu zweiterer Hypothese, vor allem in Anbetracht der musikwissenschaftlichen Literatur bis vor wenigen Jahrzehnten. Da wurde ohne Unterlass geordnet, in wertende Zusammenhänge gestellt, evaluiert, etc... Natürlich gingen Bach, Mozart und Beethoven immer als Gewinner aus solchen Rankings hervor. Man muss solcher Methodik keine Träne nachweinen, um heute eher die gegenteilige Entwicklung zu beklagen: man traut sich nicht mehr Stellung zu beziehen. Unlängst las ich zwei Kurzbiographien über Händel, beide erschienen bei rororo. Während die ältere Ausgabe vor Werturteilen nur so strotzte, fand ich im neuen Buch (vor einigen Jahren erschienen) keine einzige (!) Wertung irgendwelcher Art. Das ganze las sich überaus "neutral". Die Frage ist, ob diese Vorgehensweise ehrlich ist, denn weshalb dann ein Buch über Händel und nicht Graupner schreiben? Mein Fazit wäre: Rankings entsprechen der menschlichen Denkweise, der Orientierungssucht des Menschen, und lassen sich höchstens künstlich unterdrücken.
Was meint ihr?