Karel Ancerl - die GOLD Edition- eine Retrospektive

  • Die Zeiten wo man Karajan oder der Bernstein heißen musste um Titelträger einer eigenen CD-Edition zu werden, scheinen nun endgültig vorbei. Das tschechische Label SUPRAPHON, schon immer eine gute Adresse, widmet ihrem Zugpferd Karel Ancerl (1908-1973) eine Eigene Edition, die irgendwo der Karajan-Gold Edition nachempfunden zu sein scheint.Auf 42 (?) CDs wird eine bunte Palette seines Schaffens angeboten, aus den verschiedensten Jahren und lokationen, teilweise in frischester Klangqualität- teilweise mono- das alles bunt gemischt.


    .....


    Der bei Wilhelm Furtwängler,Bruno Walter, Hermann Scherchen und Erich Kleiber ausgebildete Dirigent war von ca 1950-1968 Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie Prag, bevor er in den Westen emigrierte und 1969 das Toronto Symphony Orchestra übernahm.


    Er hinterließ zahlreiche Aufnahmen, von denen jetzt, wie schon gesagt, vieles für CD verfügbar gemacht wurde. Schwerpunkt ist die tschechische, russische und ungarische Musik, wobei Ancerl zusätzlich zu diesbezüglichem Standardrepertoire eine starke Neigung zu Zeitgenössischem und (damals) Avantgardistischen hatte.


    Ich besitze noch kaum etwas aus dieser Sammlung, aber die Nr 1, Smetanas "Ma Vlast" ist eine Sternstunde, auch in interpretatorischer Hinsicht. :yes:



    Und bevor ich Euch zu Wort kommen lasse (es können auch Aufnahmen ausserhalb dieser Edition besprochen werde) möchte ich abschließen noch auf seine Aufnahmen der Sinfonien Nr 1 und Nr 5 von Dmitri Schostakowitsch hinweisen - Auch Stereo und guter Klang.



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aus der Ancer-Gold-Edition habe ich leider noch keine CD, aber ich möchte die Veröffentlichung aus der "Great Conductors of the 20th Century"-Reihe als Zugang zu Ancerl empfehlen. Das Booklet wartet wie immer mit wertvollen biographischen Informationen auf. Die Programmauswahl ist sehr tschechisch - eine gute Gelegenheit drei recht unbekannte tschechische Komponisten mit teils geradezu süffigen Werken kennenzulernen. Das Highlight dieser Doppel-CD dürfte Dvoraks Siebte sein. Ich zitiere mich selbst:


    Karel Ancerl hat am 28.1.1970 mit dem Concertgebouworkest eine wunderschöne Aufführung gezaubert. Es fällt mir sehr schwer zu beschreiben, wie diese Aufnahme klingt... Das Orchester spielt wundervoll und Ancerls Interpretationsansatz ist weder zu rustikal noch zu brahmsverhaftet und auch nicht "megabombastisch". Auch die auf mich ansonsten etwas eindimensional wirkende Fanfare im letzten Satz klingt hier für meine Ohren anhörbar.


  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Das Highlight dieser Doppel-CD dürfte Dvoraks Siebte sein.


    Hallo Markus,


    du dürftest aber sicher nicht die Siebte meinen, sondern die Achte, richtig? ;)
    Ansonsten werde ich mir die CD mal vormerken, hört sich ganz interessant an.



    Gruß, Peter.

  • Aus der Karel Ancerl Gold-Edition kann ich aus eigener Hörerfahrung zwei CDs sehr empfehlen:


    Als Doppel-CD das Dvorak Requiem mit Maria Stader, Sieglinde Wagner, Ernst Haefliger und Kim Borg. Gute Orchesterleistung, die Aufnahme aus 1959 ist klanglich erstklassig.


    Hier die Rückseite des Covers, weil die Frontseite keine Information enthält:



    Ebenfalls sehr eindrucksvoll Vol No. 14


    Stravinsky, Oedipus Rex und die Psalmensinfonie. Die Aufnahmen sind von 1965 und 1966. Sehr gute Interpretation, ebenfalls klanglich erstklassig.



    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Zitat

    Original von MStauch
    Aus der Karel Ancerl Gold-Edition kann ich aus eigener Hörerfahrung zwei CDs sehr empfehlen:


    Als Doppel-CD das Dvorak Requiem mit Maria Stader, Sieglinde Wagner, Ernst Haefliger und Kim Borg. Gute Orchesterleistung, die Aufnahme aus 1959 ist klanglich erstklassig.


    Hallo Matthias,


    die DG-Aufnahme



    klingt im Tuba mirum stellenweise bös übersteuert. Es mag aber angehen, daß die Aufnahme neu abgemischt wurde.


    Der künstlerischen Qualität dieser Aufnahme tut das Alter allerdings kein Abbruch.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zu Karel Ancerl habe ich, das wird nicht wirklich interessieren, darum erzähle ich es immer wieder (Schmäh von Heinz Erhard), eine besondere Beziehung.
    Die Supraphon-LPs waren für ein armes Studenterl leistbar, v.a. dann wenn man sie in der Tschechoslowakei (so hieß der Staat damals) kaufte.
    Nun zur Gold-Edition.
    Die Tonqualität ist hervorragend, Ancerl und "seine" Tschechen sowieso.
    Empfehlen möchte ich die Ausgaben 12 und 17.
    Edition 12:
    Bohuslav Martinu - Konzert Nr. 3 für Klavier und Orchester
    Der Blumenstrauß


    Edition 17: Ravel, Lalo und Karl Amadeus Hartmann Concerto funebre für Violine und Streichorchester

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Norbert


    Nach Deinem Hinweis habe ich das Tuba mirum in der Supraphon-Aufnahme heute noch einmal angehört.


    Also übersteuert ist es auf dieser CD nicht (durchgehört mit Shindo und Meridian) - die Klangqualität ist angesichts des Alters der Aufnahme (1959) gut - der Chor könnte etwas transparenter sein. Aber das hat man bei neueren Aufnahmen auch. Von Supraphon ist die CD mit 24 bit remastered worden - vielleicht ist dabei eine Übersteuerung, die sich in der DG-Pressung findet, beseitigt worden.


    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hallo,
    ich hab noch einige der alten Ancerl Aufnahmen auf Supraphon...
    nicht die Gold Serie, die Stereoaufnahmen sind alle sehr sauber aufgenommen.
    Die Monos halt mono :D


    Mich würden da mal die klanglichen Unterschiede interessieren,
    bei einigen anderen Gold CDs der Tschechen hab ich das Gefühl da wurde nur Hall dazu gemischt und Rauschen weggefiltert.


    Meine Lieblingsaufnahme von Ancerl ist aber die 5. Sym aus Toronto:


    Ancerl ist aber eine tolle Alternative zu den neueren Aufnahmen.
    Von Bouquet of Flowers gibts glaub ich nur seine Aufnahme.


    Gruß
    embe

  • Ich habe diesen alten Thread ausgegraben, um einmal von der Karajan-Hysterie etwas abzulenken - und bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dass auch ein anderer berühmter Dirigent in diesen Tagen - genauer gesagt am 11. April 2008 - seinen einhundertsten Geburtstag feiert!


    Zwar gefällt mir der Titel - wegen der Supraphon-Gold-Edition - nicht besonders, da ich gewisse Probleme damit habe, dass seine tschechische Plattenfirma hier großen Wirbel macht! Schließlich mußte Karel Ancerl 1968 nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" aus der CSSR emigrieren und starb wenige Jahre später im Exil in Toronto/Kanada. Den wahren "Prager Frühling" nach der Wende 1989 konnte er so leider nicht mehr erleben...


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zitat

    Original von Harald Kral
    Ich habe diesen alten Thread ausgegraben, um einmal von der Karajan-Hysterie etwas abzulenken - und bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dass auch ein anderer berühmter Dirigent in diesen Tagen - genauer gesagt am 11. April 2008 - seinen einhundertsten Geburtstag feiert!


    Zwar gefällt mir der Titel - wegen der Supraphon-Gold-Edition - nicht besonders, da ich gewisse Probleme damit habe, dass seine tschechische Plattenfirma hier großen Wirbel macht! Schließlich mußte Karel Ancerl 1968 nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" aus der CSSR emigrieren und starb wenige Jahre später im Exil in Toronto/Kanada. Den wahren "Prager Frühling" nach der Wende 1989 konnte er so leider nicht mehr erleben...


    LG


    Hallo Harald,
    vielen Dank für die Reaktivierung dieses Threads mit dem Hinweis auf den Jahrestag. Es ist in der Tat skandalös, dass diesem hervorragenden Dirigenten nicht ein Bruchteil der Aufamerksamkeit geschenkt wird, den ein Anderer im Übermaß erhält.
    Ich kenne Ancerl vorallem von alten Supraphon-CDs, aber bei mir rangiert auch das schon mehrfach zitierte Requiem von DVORAK klar an erster Stellen.
    Weiterhin auch Werke von DVORAK, SMETANA, PROKOFIEV, SCHOSTAKOWITSCH, MARTiNU.
    Es ist bestimmt ein Ergebniss der Reaktivierung dieses Threads, dass ich mir in den nächster Zeit verstärkt seine Aufnahmen anhören werde. Vielleicht kann ich dann noch etwas mehr und genauer berichten.


    Aus seiner Biographie sollte auch unbedingt noch folgender Punkt erwähnt werden:
    die Inhafitierung durch die deutschen Besatzer 1942 in das KZ Theresienstadt undspäter nach Auschwitz, wo er nur wie durch ein Wunder überlebte (während er dort seine Familie verlor)


    Gruß pt_concours


    nähere Informationen finden sich unter diesem link:
    Karel Ancerl

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Owohl man es von mir wahrscheinlich am wenigsten erwarten würde möchte ich auf Ancerls Engagement für die tschechische Moderne hinweisen:


    Jarmil Burghauser (1921-1997): Sieben Reliefs


    Vaclav Dobias (1909-1978 ) Sinfonie Nr 2




    Ich gebe dazu kein Statement ab -einfach anklicken und hineinhören.
    Diese CD ist in Stereo und IMO sehr plastisch und durchsichtig im Klang.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,
    überhaupt ist die Neue Musik Tschechiens ohne den Einsatz Ancerls undenkbar. Er führte auch Musik auf, die kulturpolitisch nicht so gern gesehen war. Aber nicht nur das: Ancerl kümmerte sich nicht um stilistische Richtungen, sondern nur um die Qualität der Werke. Und so kamen sowohl konservativere Zeitgenossen wie auch avantgardistischer ausgerichtete in den Genuß von Aufführungen durch einen erstklassigen Dirigenten. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, auf zwei CDs der Edition hinzuweisen, nämlich:


    Vycpáleks "Requiem" ist ein großes, von echtem Pathos getragenes Werk einer konservativeren Richtung, das unmittelbar emotional anspricht.
    Für mich die große Überraschung war Kabelác auf der zweiten CD, den ich nicht kannte: Er bedient sich eines moderneren, jedoch nicht avantgardistischen Idioms mit großer Gestik und heftig gesteigerten Ausbrüchen. Beide CDs sind technisch sicherlich nicht Top, aber ich halte sie für wichtige Veröffentlichungen im Bereich des entlegeneren Repertoires - und das in Modellaufführungen!
    :hello:

    ...


  • Karel Ančerl (ursprünglich Antscherl, * 11. April 1908 in Tučapy, Österreich-Ungarn; † 3. Juli 1973 in Toronto, Kanada) war ein tschechischer Dirigent.
    Er war viele Jahre Leiter der Tschechischen Philharmonie.
    Nach den Ereignissen von 1968 emigrierte Ančerl nach Kanada und leitete dort bis 1972 das Toronto Symphony Orchestra.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ja, ein großer Dirigent, mit seinen Platten beginnt meine Regalreihe, die alphabetisch den großen Dirigenten gewidmet ist. Eine Aufnahme, die hier noch nicht genannt wurde, die aber m.E. zu seinen ganz großen gehört, ist die der 9. Symphonie von Gustav Mahler, die ich inzwischen zum Glück als Original Supraphon LP besitze.



    Aus Faulheit zitiere ich einfach mal David Hurwitz:


    Karel Ancerl’s Mahler Ninth remains one of the great ones, a performance of extraordinary passion and anguish. The climaxes in the first movement seldom have sounded so wrenching, nor has the Rondo:Burleske achieved a more snarling, malevolent communicativeness from any orchestra’s wind section than what the Czech Philharmonic offers here. Ancerl’s tempos are generally flowing. In the final Adagio, Ancerl reveals more volatility than in so many of today’s ultra-slow versions, and this makes the final descent into silence all the more moving. Sonically this always was one of the better Ancerl recordings, clear and very present. Remastering has made the orchestra’s characteristically lean sonority even more vibrant, though on some systems it may come across as somewhat overly bright. This is still one of the truly essential recordings of the work, one that no Mahler lover can afford to ignore.

  • Karel Ancerl ist in meinen Ohren einer der bedeutendsten Dirigenten, wenn es um tschechische Musik und um Musik des 20. Jahrhunderts geht. Ähnlich wie Ferenc Fricsay war er in der Lage die komplexen Partituren von Bartok, Stravinsky, Prokofieff etc in kontrollierte Ekstasen zu verwandeln, die immer noch zutiefst musikantisch waren. Deshalb sind viele seiner Aufnahmen bis heute hochgeschätzt. Ancerl war auch ein hervorragender Schostakowitsch-Dirigent, nirgendwo besser zu hören als in seiner legendären Einspielung der 10ten, eine der ersten kommerziellen Aufnahmen überhaupt (die Mitropoulos mit dem NYPO ist von 1954). Ancerl dirigiert sie als große Musik und das bekommt ihr bestens. Die Tempos sind zügig, die Höhepunkte niederschmetternd, das Scherzo grimmig-brilliant und die lyrischen Passagen hinreissend gespielt. Ancerl gelingt es wie nur wenigen auch den dritten und vierten Satz als großartige Musik zu präsentieren.
    Ich hatte die Aufnahme schon als CD und heute morgen das Glück, bei meinem Plattenhändler eine frühe DGG-Pressung in near mimt Zustand für € 2 in der Plattenkiste zu finden. Das war natürlich ein Grund die Aufnahme wieder zu hören. Und sie hat mich wieder fasziniert. Einziger Wermutstropfen, die Aufnahme ist noch in mono. Wäre sie in stereo würde sie bis heute zu den zwei, drei besten gehören, neben Svetlanov und Järvi. Aber für eine Monoaufnahme klingt sie sehr gut, und das noch von der DGG, die ja in den 50er und 60er Jahren nicht gerade für toll klingende Aufnahmen berühmt war. Ob es am Aufnahmeort (Herkulessaal, München) lag? Für mich jedenfalls eiserner Bestand der Sammlung.

    P.S. Der Preis der CD beim Werbepartner ist natürlich ein Witz, zeigt aber wie begehrt die Aufnahme ist.

  • Karel Ancerl ist in meinen Ohren einer der bedeutendsten Dirigenten, wenn es um tschechische Musik und um Musik des 20. Jahrhunderts geht. Ähnlich wie Ferenc Fricsay war er in der Lage die komplexen Partituren von Bartok, Stravinsky, Prokofieff etc in kontrollierte Ekstasen zu verwandeln, die immer noch zutiefst musikantisch waren.


    Lieber Lutgra,


    so sehe ich das auch und muß feststellen, daß mir diese Schostakowitsch-Aufnahme in meiner Ancerl-Sammlung fehlt! Zuletzt erstand ich diese Ancerl-Aufnahme - das Tschaikowsky-Konzert ist hier deutlich weniger breit im Tempo als in Richters Aufnahme mit Karajan:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Auch ich habe zum heutigen Todestag von Karel Ancerl eine Box aus der Gold-Edition ausgesucht:



    Heute ist Karel Ancerls 42. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nicht in der Gold-Edition dafür umso wichtiger. Leider ist nicht ersichtlich ob die Rundfunkaufnahme von 1967 schon in Stereo ist:


  • Oh mein Gott - das ist wirklich interessant.


    Das wird vermutlich eine Studioaufnahme aus dem Hans-Rosbaud-Studio Baden-Baden sein - 1967 dürfte dort auch schon Stereo eingezogen sein.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Diese Erkenntnis tut sich mir leider zunehmend auf, was die "Karel Ancerl Gold Edition" anbelangt. So löblich das Unterfangen von Supraphon auch auf den ersten Blick ist (es erschienen nicht weniger als 42 CDs in der Reihe), so misslungen ist es doch offenbar bei näherer Betrachtung in etlichen Fällen. Hier im Forum wurde bereits vor vielen Jahren vor dem "Horror-Remastering" (teleton) von "Má vlast" gewarnt. Ich habe mich damals bereits von der absoluten Richtigkeit dieser Feststellung überzeugt und die "Gold"-Ausgabe gemieden. Als ich mir kürzlich Ancerls "Les Préludes" zulegen wollte, hörte ich auch zunächst einmal in die Ausgabe der "Gold Edition" hinein. Trotz des kurzen Ausschnitts schrillten die Alarmglocken. Besonders bei den leisen Stellen tritt dasselbe tückische Phänomen nämlich auch hier auf: Zwar kein Ansatz von Rauschen, aber viel zu viel gefiltert, ist der Klang jeder Lebendigkeit beraubt und klingt unnatürlich künstlich und überhaupt nicht mehr organisch. Nun kürzlich das dritte derartige Erlebnis mit Ancerls Einspielung von Dvoráks "Aus der Neuen Welt". In den lauten Passagen fällt es noch weniger auf, aber diese Symphonie besteht eben auch aus ruhigen Momenten - und wiederum ist die Aufnahme dadurch beinahe ungenießbar geworden. Ich habe mir den kompletten Kopfsatz in der "Gold Edition" und hernach in einem älteren Remastering angehört. Was für ein Unterschied. Zwar ist ein (geringes) Rauschen in letzterem vorhanden, doch der Gewinn wiegt das wahrlich mehr als auf. In der "Gold Edition" konnte ich der großartigen Interpretation kaum folgen, so groß war das Ärgernis des "Plastiksounds" (teleton).


    Kurzum: Nach nun bereits drei Enttäuschungen der "Gold Edition" meide ich die Serie wie der Teufel das Weihwasser. Glücklicherweise scheint es die Ancerl-Einspielungen in älteren CD-(Erst?)-Ausgaben aus den 80ern und 90ern zu geben, die nicht derart verschandelt sind (meist nur mehr gebraucht und recht teuer). Was Supraphon bei diesem neuen Remastering geritten hat, weiß der Geier. Sicherlich gut gemeint, doch zuviel des Guten. Damit hat man Karel Ancerl einen Bärendienst erwiesen.


    Hier zum konkreten Vergleich:


    altes Remastering:

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    neues Remastering:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Besonders bei den leisen Stellen tritt dasselbe tückische Phänomen nämlich auch hier auf: Zwar kein Ansatz von Rauschen, aber viel zu viel gefiltert, ist der Klang jeder Lebendigkeit beraubt und klingt unnatürlich künstlich und überhaupt nicht mehr organisch.

    Lieber Joseph,


    ich finde das auch eine Unsitte. Es gab mal eine mit 24bit und 24 kHz remasterte RCA-Ausgabe von Rubinsteins Beethoven-Aufnahme der Appassionata, Mondscheinsonate, Pathetique. Im Normalfall sind die perfekt. Nur hier hatten sie auch das Rauschen rausgefiltert und dazu noch mit Kompression gearbeitet. Das Resultat: Der blühende Oberton des Steinway war komplett weg! Ich habe die CD deshalb "ausgemustert" und mir die mit 20bit remasterte aus der Rubinstein-Edition gekauft. Da stimmte dann wieder alles! Bei Ancerl habe ich den Semtana ("Mein Vaterland") in einer älteren Überspielung, auch Prokofieff Romeo und Julia und die Klassische Symphonie, auch das Tschaikowsky-Konzert mit S. Richter. Aus der Gold-Edition habe ich zweimal Janacek und Strawinsky (Le Sacre du printemps und Petruschka), Mahler 1. Symphonie und Strauss Till Eulenspiegel, Mahlers 9. ist ein älteres Mastering. Ich hatte mir den Strawinsky und Janacek "Glagolytische Messe" extra nochmals wegen des neuen Remasterings gekauft, weil ich eine ganz alte Überspielung hatte. Mir sind diese Scheiben aber nicht negativ aufgefallen - bei Janacek und Mahler/Strauss hatte ich auch nicht immer den Vergleich. Das liegt natürlich am Mastering-Studio, dass sie mit der technischen Fertigung beauftragt haben.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zur Ehrenrettung der Reihe muss ich doch noch ein Beispiel anbringen:



    Das Requiem von Dvorák aus der Gold Edition ist deutlich besser remastered worden als die alte Ausgabe der DG, wo Übersteuerungstendenzen hörbar sind.


    Es scheint ja noch eine weitere Einspielung dieses Werkes von Ancerl mit dem RSO Berlin zu geben. Ich meine, Norbert besitzt beide. Welcher ist denn der Vorzug zu geben?


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph,


    ist sind auf jeden Fall beides ganz hervorragende Aufnahmen. Mit der DGG-Aufnahme, die tatsächlich stellenweise übersteuert ist (ibs. im "Tuba mirum"), lernte ich das Requiem kennen und lieben. Diese Aufnahme hat daher einen besonderen Stellenwert in meinem Herzen, aber unterm Strich bin ich sogar geneigt, der Aufnahme aus Berlin den Vorzug zu geben. Ich habe sie zwar schon etwas länger nicht mehr gehört, aber klangtechnisch gefällt mir die Einspielung aus 1964 besser als die frühere (1959) aus Prag. Auch habe ich Peter Schreier und Theo Adam sehr positiv in Erinnerung; das Dirigat von Karel Ancerl sowieso.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Mit der DGG-Aufnahme, die tatsächlich stellenweise übersteuert ist (ibs. im "Tuba mirum"), lernte ich das Requiem kennen und lieben. Diese Aufnahme hat daher einen besonderen Stellenwert in meinem Herzen, aber unterm Strich bin ich sogar geneigt, der Aufnahme aus Berlin den Vorzug zu geben. Ich habe sie zwar schon etwas länger nicht mehr gehört, aber klangtechnisch gefällt mir die Einspielung aus 1964 besser als die frühere (1959) aus Prag. Auch habe ich Peter Schreier und Theo Adam sehr positiv in Erinnerung; das Dirigat von Karel Ancerl sowieso.


    Mit Norberts Bewertung stimme ich vollkommen überein, zumal mein Zugang zu dem Werk ähnlich gewesen ist. In Prag hatte ich seinerzeit noch das Plattenalbum der jetzt bei DG auf CD vorliegenden Einspielung erworben. Die Kritik an der gelegentlichen Übersteugung besonders im "Tuba mirum" - meinem Lieblingssatz, bei dessen Höhepunkt mir noch heute die Tränen kommen - teile ich. Wenn ich miich richtig erinnere, klangen die Platten besser. Auf die bei Forlane herausgekommene Produktion des DDR-Rundfunks, die im "Tuba mirum" allerdings gelegtlich etwas verwaschen klingt, bin ich mehr zufällig gestoßen. Die Wege, auf denen Aufnahmen an die Öffentlichkeit geraten, sind oft seltsam. Auch ich bin davon sehr angetan, zumal die mitwerkenden Damen Erwähnung verdienen. Elisabeth Rose (Sopran) war im dramatisch-hochdramatischen Fach unterwegs. Sie sang in Leipzig und später an der Berliner Staatsoper viel Wagner, darunter Elisabeth, Elsa, Sieglinde und sogar Isolde. Es gibt von ihr nur ganz wenige Tonaufnahmen. Gertraud Prenzlow (Alt), die ebenfalls an der Lindenoper engagiert gewesen ist, trat in den unterschiedlichsten Rollen in Opern und Oratorien auf und war in ihrer Zeit sehr populär.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rüdiger,


    danke für die Ergänzungen. Wie sich die Dinge doch gleichen: Auch mir kommt beim "Tuba mirum" (in der DGG-Aufnahme mit Ancerl) regelmäßig etwas Feuchtigkeit ins Auge ;) . In sofern stört mich die Übersteuerung an dieser Stelle nicht.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert, Deine Worte lese ich sehr gern. Danke. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich hatte mir eben die Aufnahme noch einmal angehört und kann -neben der obligaten Begeisterung für das Werk- ergänzen, dass ich aus dem Solistenquartett explizit Peter Schreier hervorheben möchte. Ich bin, zugegeben, nicht immer Fan seines Timbres, aber hier ist sein Vortrag an positiver Zurückhaltung und Kultiviertheit kaum zu überbieten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler