Edvard Grieg - Der geheime Modernist?

  • Zu meiner Überraschung habe ich unlängst festgestellt, dass Norwegens Nationalkomponist, Edvard Grieg, noch keinen eigenen Thread hier hat. Meiner Meinung nach sollte man diesem Umstand abhelfen, da Grieg in der Musik des späteren 19.ten Jahrhunderts und der beginnenden Moderne eine sehr bedeutende Rolle hat.


    [timg]http://upload.wikimedia.org/wi…scheid_1905.jpg;l;220;342[/timg]Grieg (* 1843 in Bergen, gestorben 1907 ebenda) begann seine Karriere eindeutig als "Klassizist", studierte am Leipziger Konservatorium und stand unter dem Einfluss des skandinavischen "Paradeklassizisten" Niels Gade. Allerdings wurde Grieg in Leipzig nicht glücklich und wandte sich von der großen Form nach Komposition seines Klavierkonzerts zunächst ab. Tatsächlich ist Griegs a-moll Klavierkonzert, die einzige "traditionelle" Komposition seiner Jugendzeit, die sich im Repertoire gehalten hat (das dafür gründlich). Seine c-moll Symphonie und seine Konzertouvertüre "Im Herbst" Op. 11 fristen eher ein Randdasein auf Gesamteinspielungen. Zum "großen Komponisten" wurde Grieg durch seine Hinwendung zur nationalen norwegischen Musik, die in seinen weiteren Kompositionen eine sehr große Rolle spielt, und zwar in einer Fülle von Genres: seinen "Lyrischen Stücken" für Klavier, seiner Kammermusik (2.te und 3.te Violinsonate, Cellosonate, Streichquartett), und natürlich seinen Orchesterwerken (Norwegische Tänze Op. 35, Symphonische Tänze Op. 65). Zwei seiner berühmtesten Kompositionen, die Schauspielmusik zu Ibsens Peer Gynt Op. 23 und der Suite "Aus Holbergs Zeit" Op. 40 haben Bezug zur Literatur Norwegens. Das, was ihn unter diversen nationalen Komponisten seiner Generation hervorhebt, ist, dass er die Volksmusik seiner Heimat in seinen Werken nicht nur zitiert oder emuliert, sondern auch dokumentiert, nämlich in seinen "Slåtter" Op. 72, einer Sammlung originaler norwegischer Bauerntänze, die ursprünglich auf der traditionellen Hardangerfiedel gespielt und von Grieg für Klavier transkribiert wurden. Bartók und Kodály ließen sich von diesem Werk zu ihrer mehrjährigen Erkundungsreise der Musik des Karpatenbeckens inspirieren. Es ist u.a. dieses Werk, mit dem Grieg die Tür zur Moderne geöffnet hat. Von großer Bedeutung in dieser Hinsicht sind auch sein Streichquartett in g-moll Op. 27, welches Debussy stark beeinflusst haben soll, und einige seiner Lyrischen Stücke, etwa der "Glockenklang", welcher als protoimpressionistisches Stück angesehen werden kann.



    Werke:




    Griegs Orchesterwerke kann man in einer wunderbaren Gesamteinspielung genießen:



    Enthalten sind auch Raritäten Griegs Opernfragment "Olaf Trygvason" Op. 50.



    Griegs Violinsonaten schätze ich sehr und nebenstehende Aufnahme kann ich rundum empfehlen.


    Sehr gut gefallen mir die Klaviereinspielungen, die auf Naxos erschienen sind. Von diesem möchte ich besonders nebenstehende empfehlen.


    Auf dieser CD befindet sich Griegs Ballade Op. 24, seinem mMn beeindruckenstem Klavierwerk. Es handelt sich um eine etwa 20-minütige Variationensammlung düsteren Charakters.



    Griegs "Slåtter" sollte man in seiner Sammlung haben. Außerdem auf dieser CD: eine wundervolle Klaviereinspielung der Holbergsuite (tatsächlich wurde Op. 40 erst für Klavier gesetzt) mit einer wirklich tief rührenden "Aria" - mein Lieblingsstück von Grieg.

  • Danke für die Eröffnung des längst überfälligen Themas!


    Ich habe den Eindruck, dass Grieg im deutschsprachigen Raum fast nur auf Peer Gynt und das Klavierkonzert reduziert wird. Aus Holbergs Zeit kennt man vermutlich, aber diese Breitenwirkung dürfte es kaum haben. Wie du richtig feststellst, war die klassische Symphonik Griegs Hauptbetätigungsfeld nicht (anders als Sibelius, der ja zu einem Großteil dadurch berühmt ist).


    Als Modernisten haben ich Grieg bislang nicht empfunden, muss aber dazu sagen, dass ich am ehesten noch seine Orchesterwerke kenne, die m. E. doch noch sehr nach spätem 19. Jahrhundert klingen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mit "Moderne" meinte ich keinesfalls "Klassische Moderne" - in solche Gefilde hat sich Grieg natürlich nie gewagt. Aber Elemente seiner Tonsprache deuten klar auf den Impressionismus hin, wie im erwähnten "Glockenklang". Grieg setzte dieses Stück übrigens auch für Orchester. Leider habe ich keine Aufnahme der Orchesterversion, konnte sie aber schon im Konzert hören - ein beeindruckendes, innovatives Stück. Die Slåtter wiederum sind eine Art Protoversion des ethnizistischen Bartókschen Klavierwerks.


    Übrigens wurden fast alle Orchesterwerke Griegs ursprünglich als Klavierwerke konzipiert. Grieg dachte offensichtlich immer zunächst vom Klavier aus, war aber, wie ich finde, ein durchaus geschickter Instrumentierer (z.B in seinen Symphonischen Tänzen, Op. 64).

  • Zwar hatte Edvard Grieg im Komponistenforum bisher keinen eigenen Thread, was aber nicht heißt, dass er nei Tamino unbeachtet blieb.
    Da gibt es vieles zu entdecken, z.B. in diesen Threads:


    - Edvard Grieg: Peer Gynt - Welche Aufnahmen sind empfehlenswert?


    - Schönste Romantik - Griegs Klavierkonzert


    - Grieg, Edvard: Werke für Klavier solo


    - Grieg, Edvard: Lyrische Stücke


    - Grieg, Edvard: Streichquartett


    Nur so als Anregung zum Stöbern (die Sammel-Threads z.B. über Skandinavier oder Kleinmeister habe ich aussen vor gelassen).


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    mir war schon bewusst, dass es Einzelthreads zu Grieg gab (wie sollte es in einem 8 Jahre alten Forum bei einem so berühmten Komponisten anders sein?), aber wenn Borresen, Alfvén etc.. ein Komponistenportrait haben, dann hat sich Grieg auch eines verdient.

  • Hallo Felix,


    die N.Järvi-Aufnahmen der Orchesterwerke (DG) habe ich auch. Damals in Ende der 80er noch als Einzel-CD´s so nach und nach angeschafft.
    ;) Aber wenn ich nun nach beinahe 20Jahren resümiere, habe ich diese CD´s nie besonders oft gehört. Vieles ist einfach schlichweg zu langweilig - wenn ich an die Sinf. Tänze (die Erwartungshaltung war nach Rachmaninoff auch viel höher) oder die Norwegischen Tänze denke. Die Sinfonie reisst auch nicht gerade vom Hocker ! Peleas und Melisande mit Karajan (DG) habe ich auch.
    Ein Modernist ... wo ? Davon habe ich andere Vorstellungen ! Eben alles nur "ganz nett".


    Gerne höre ich nach wie vor sein nachvollziehbar bekanntestes Werk, die Peer Gynt-Suiten - aber auch nicht mit Järvi, sondern in der überragenden Aufnahme mit Roshdestwensky (Melodiya) und der früheren Karajan - Aufnahme (DG, ADD), die ich Karajans späterer Digitalen deutlich vorziehe.
    :) Sehr schön finde ich die Jyrische Suite op.54, sowohl in der Klavier- wie auch der Orchesterfassung. Mit Roshdestwensky auch eine ganz fabelhafte Einspielung, bei der Järvi verblasst.


    Meine herausragendste Grieg-CD ist neben der KK-Aufnahme mit Zimerman/Karajan (DG) diese grossartige in jeder Hinsicht mit Fleisher/Szell:


    1--> 2--> 3-->

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • mir war schon bewusst, dass es Einzelthreads zu Grieg gab....


    Das ist leider bei vielen Komponisten hier im Forum so - viele spezielle Einzeltheads - von der Violinsonate über eine einzelne Oper bis hin zu den Hühneraugen - aber kein allgemeiner Thread über den Künstler himself.....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Vieles ist einfach schlichweg zu langweilig - wenn ich an die Sinf.Tänze (die Erwartungshaltung war nach Rachmaninoff auch viel höher) oder die Norwegischen Tänze denke. Die Sinfonie reisst auch nicht gerade vom Hocker ! Peleas und Melisande mit Karajan (DG) habe ich auch.


    Ein Modernist ... wo ? Davon habe ich andere Vorstellungen ! Eben alles nur "ganz nett".


    Ich denke unsere Geschmäcker liegen seeeehr weit auseinander ;) . Mir gefallen die Symphonischen Tänze ausnehmend gut, allerdings würde ich sie nicht gerade als Besipiel für Griegs Modernismus heranziehen. Wo wir auf einer Linie sind, ist Peer Gynt. Die von mir gezeigte Gesamtaufnahme beinhaltet jedoch nicht die Suiten sondern die gesamte Bühnenmusik, die einige wichige Unterschiede zu den Orchestersuiten aufweist, z.B ist "Die Halle des Bergkönigs" mit Chor unterlegt. Dieses Stück würde ich definitv in seiner Brutalität in die Moderne verorten (jedenfalls, wenn man auch Orff als modernen Komponist sieht). Nochmals hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf die Slåtter Op. 72 und den "Glockenklang" (in der Orchesterfassung das zweite Stück der Lyrischen Suite Op. 54).

  • Als sehr moderne Stücke werden auf der Homepage der "Grieg Society" auch die Psalmen Op. 74 angepriesen. Leider kenne ich diese Werke noch nicht, kann also keine Höreindrücke schildern. Falls jemand dazu was sagen kann, bitte nur zu!


    Ich für meinen Teil werde folgende CD demnächst ordern:


  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Edward Grieg gehört zu den Komponistem, die mit sehr wenigen Werken bekannt sind. Die sind ungemein populär, aber den "Rest" kennt man dafür kaum. Da lohnt es sich, in sie sich einzuhören. Die Sonaten für Violine und Klavier finde ich auch sehr schön. Die lyrischen Stücke sind für mich zentral - da hat er der Gattung, die auf Mendelssohn zurückgeht, ein modernes Gesicht gegeben. Wenn sie auf den ersten Blick auch einfach aussehen, auf den zweiten sind sie höchst raffiniert. Das sind Juwelen der Klavierliteratur.


    Beste Grüße
    Holger

  • Die lyrischen Stücke sind für mich zentral - da hat er der Gattung, die auf Mendelssohn zurückgeht, ein modernes Gesicht gegeben. Wenn sie auf den ersten Blick auch einfach aussehen, auf den zweiten sind sie höchst raffiniert. Das sind Juwelen der Klavierliteratur.

    Wirklich sehr empfehlen kann ich auch die Ballade g-moll für Klavier, welche ein ganz hervorragendes Stück ist (ein 20-min Variationszyklus) aber aus mir unerfindlichen Gründen wenig Bekanntheit und Popularität genießt.

  • Wirklich sehr empfehlen kann ich auch die Ballade g-moll für Klavier, welche ein ganz hervorragendes Stück ist (ein 20-min Variationszyklus) aber aud mir unerfindlichen Gründen wenig Bekanntheit und Popularität genießt.


    Finde ich auch. Die gibt es sogar von Artur Rubinstein kongenial interpretiert! :)


    Beste Grüße
    Holger

  • Wirklich sehr empfehlen kann ich auch die Ballade g-moll für Klavier

    Griegs Ballade Op. 24, seinem mMn beeindruckenstem Klavierwerk.


    Da Felix hier so energisch für dieses Werk plädiert, habe ich es mir bei yt mal angehört, gespielt von Jorge Bolet (live) .
    Wirklich ein sehr schönes Stück, erinnert mich bisschen an Schubert, ähnlich reizvoll.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Da Felix hier so energisch für dieses Werk plädiert, habe ich es mir bei yt mal angehört, gespielt von Jorge Bolet (live) .
    Wirklich ein sehr schönes Stück, erinnert mich bisschen an Schubert, ähnlich reizvoll


    Das freut mich, dass der Thread auch direkte Folgen angenehmer Art hatte!

  • Ich habe mir jetzt diese CD angehört und bin eigentlich begeistert! Harmonisch sind die 4 Psalmen Op. 74 tatsächlich sehr modern.
    In der Form sind sie hingegen eher archaisch und reponsorial - aber auf jeden Fall sehr gelungen und beeindruckend. Auch unter den anderen Chorstücken (teilweise Bearbeitungen von Liedern) gibt es wundervolles zu entdecken.

  • Hallo,


    ich beziehe mich auf den sehr informativen Beitrag Nr. 1 und auf die dort vorgestellte Gesamtaufnahme der Orchestermusik Griegs.


    81hxC89aMfL._SL300_.jpg

    Zufälligerweise habe ich auch diese CD. Mein Beitrag befasst sich mit der "Altnorwegischen Romanze mit Variationen" op. 51; Järvi (Gesamtaufnahme) benötigt 21,19 - Jansons 23,38; die Diff. beträgt rd. 2 Min. (10%), was für mich kaum hörbar ist. Auch die Aufnahmedaten sind fast identisch 1989 und 1988; dennoch hat die Aufnahme von Järvi den frischeren Klang. Op. 51 besteht aus 19 zumeist sehr kurzen Stück(ch)en "und ist schwungvoll und effektsicher geschrieben, trotz einer gewissen Eintönigkeit in der Harmonik und mangelnder musikalischer Tiefe" (Zitat aus dem Booklet der Aufnahme von Jansons.)
    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • [timg]http://upload.wikimedia.org/wi…vard_Grieg_1891.jpg;Grieg - Porträt von Eilif Peterssen[/timg]
    Edvard Hagerup Grieg - geboren am 15. Juni 1843 in Bergen, gestorben am 4. September 1907 in Bergen, norwegischer Komponist.
    Grieg erhielt ersten Musikunterricht bei der Mutter und besuchte seit 1858 das Leipziger Konservatorium, wo er Schüler von Moscheles, Reinecke und Moritz Hauptmann wurde.
    Grieg gilt als der bedeutendste skandinavische Komponist des 19. Jahrhunderts; gerade die Beschränkung auf einen »nationalen Ton« hat seinen Werken weltweite Popularität gebracht. Grieg schrieb große Chorwerke, Orchestermusik, Solokonzerte, Kammermusik, Klavierwerke und zahlreiche Volksliedbearbeitungen.

    Der bedeutendste norweg. Komponist vollendete nur drei Szenen zu seiner einzigen Oper Olav Trygvason (1873), die heute noch, zu einer Kantate zusammengefasst, aufgeführt werden (erstmals szenisch aufgeführt in Christiana 1908).
    Ragnar Söderlind komplettierte die unvollendete Oper, deren Text von Knut Jorgen Moe vervollständigt wurde (Uraufführung: 2000 Oslo).

    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Diese Aufnahme seines Streichquartetts klingt für mich in der Tat sehr modern - fantastische Einspielung!



    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



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  • Hallo,


    mit Vivaldis Herbst ist „In Autum“ op.11 (Nr. 4 auf der CD 1) nicht vergleichbar (gleichwohl Grieg mit der Holberg-Suite ein Werk im Barockstil geschrieben hat).
    Das Andante höre ich als Gegensatz zwischen den Herbststürmen und dem ruhigen, noch sonnigen Herbst („Altweibersommer“). Allegro agitato verdeutlicht die schwere Arbeit der langen Erntezeit mit den dazwischen liegenden Erholungspausen. Allegro marcato e maestoso drückt die Freude und den Stolz aus über eine erfolgreich eingebrachte gute Ernte – da ist dann auch Zeit für einen ausgelassen Volkstanz.



    Auf CD2 sind außer der Suite aus Holbergs Zeiten zu hören:


    Two Elegiac Melodies op. 34
    „The Wounded Heart”-Allegro tranquillo; eine/n bei Grieg oft zu hörende/n Orchestersprache/-klang.
    „Last Spring“-Andante; in einer freundlichen (nicht frohen) Orchestersprache mit deutlich elegischem Anklang.


    Two Melodies op. 53
    „Norwegian“-Allegro risoluto poco tranquillo; eine Tanzweise in welcher der Klang der Hardangerfiedel imitiert wird.
    „The first Meeting“-Lento; der zarte, feine pp Streicherklang entspricht der Überschrift und die dynamisch hervortretenden Passagen lassen einen guten Verlauf ahnen.


    Two Nordic Melodies op 63
    „In Folk Style“-Andante; ein in Melodie, Harmonik, Dynamik und Tempo sehr schwermütig anmutendes Stück, die Orchestrierung entsprechend.
    „Cow-Call“-Andantino, Peasant Dance, Allegro molto vivace+Allegro moderato; ich vermute, es ist damit der Lockruf der Hirten gemeint, die Kühe am Ende der Weidesaison ins Tal zu bringen; der fröhlich auftrumpfende, stark rhythmische Tanz beschließt das erfolgreiche Ende der Aktion.


    Two lyric Pieces op 68
    „Evening in the Mountains“-Andantino; wer schon einmal in den Bergen Norwegens gewandert ist, wird die Einsamkeit verbreitende Stimme/Stimmung der Oboe hörend verstehen – und wenn dann auch die Sonne nicht scheint und die Berge in den (Regen bringenden) Wolken verschwinden, wird auch die folgende Orchestersprache als passend gehört.
    „At the Cradle“-Allegretto con moto; m. W. war Grieg’s Ehe kinderlos…


    Lyric Suite op 54 - die Orchestrierung ist ein Gemeinschaftswerk von Grieg und Anton Seidl
    „Shepherd Boy“-Andantino espressivo; kann ich das als pastoralen, bukolischen Klang bezeichnen? Ab etwa Mitte der Laufzeit habe ich da Bedenken, gegen Ende dann aber wieder nicht. Die Moll-Passagen haben in diesem musikalischen Zusammenhang aber für mich keine düstere Stimmung.
    „Bell-Ringing“-Andante; als würde ein Wanderer von weitem sich langsam dem im Klang noch verschmelzenden Glockengeläut nähern, das dann mächtig anschwillt, wieder abnimmt um nochmals nach einer mächtigen Klangfülle sich in der Ferne zu verlieren.
    „Norwegian March“-Allegretto marcato; ob Grieg seine Heimat als antimilitaristisch darstellen wollte(?) – ca. ¾ des Stücks ist zumindest die Orchestrierung vom gewohnten Marschmusikklang weit entfernt, beim verbleibenden ¼ „wird aber mächtig aufgeholt“.
    „Notturno“-Andante; in seiner Klangcharakteristik ein typisches Nachtstück - das Ende kommt aber mit einem farbenprächtigen Bläsereinsatz ziemlich überraschend.
    „March oft he Trolls“-Allegro marcato; jetzt verstehe ich, warum der norwegische Marsch ein Allegretto ist – auch in der Höhle des Bergkönigs (Peer-Gynt) toben, wie hier, die Trolle und da muss es doch eine Steigerung geben!



    Alle diese Stücke, incl. Holbergs Zeiten, sind eine Bestätigung der Meinung, das Griegs Stärke in kleineren, überschaubaren Werken liegt, er aber stets in seinen musikalischen Stimmungsbildern richtig liegt.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Auch Edvard Grieg aht heute Geburtstag, wie Franz Danzi. Nur sind die beiden 80 Jahre auseinander. Zu Edvard Griegs Geburtstag habe ich mir diese CD mit lyrischen Stücken, kongenial gespielt von Swjatoslaw Richter, die mir Holger vor einiger Zeit empfohlen hat, aus meiner Sammlung herausgesucht:



    Heute ist Edvard Griegs 172. Geburtstag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Herrjeh, lieber Holger, muss ich schon wieder in die Tasche greifen. Übrigens offtopic: 31-05-2016 in Köln: Sokolov-Time!!!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Holger, lieber Willi,


    der Empfehlung kann ich mich allein schon aufgrund der Klangausschnitte anschließen. Ich habe einmal bei JPC geforscht, wer denn den Grieg "anständig" und poetisch spielt, und dabei auf jegliches Klavierhusarentum verzichtet. Dabei war ich angesichts der betrunkenen Agogik, die man allenthalben hört, schon fast erschrocken. Man braucht Agogik, und ich habe nichts dagegen. Aber wenn man eine Tasse Salz ins Essen kippt, dann schmeckt es eben auch nur noch furchtbar. Oder, um beim Alkohol zu bleiben: Beim norddeutschen "Pharisäer" kommt ein Schuss Alkohol in den Kaffee und Sahne obendrauf. Es hat aber nichts mehr mit Kaffee zu tun, wenn man eine halbe Flasche Rum hineinkippt....


    Gilels stellte für mich eine der wenigen rühmliche Ausnahmen des anständigen Spiels dar - und Track 17 ist ja einfach nur wunderbar gespielt. Da habe ich keine Fragen mehr... ^^
    ....und mir wird bewusst, dass ich die CD auch auf den Einkaufszettel setzen muss. Die muss man tatsächlich haben. Es liegt nicht nur an der technisch pianistischen Beherrschung, sondern vor allem am exquisiten Geschmack, der uneitlen Musizierhaltung und dem Sinn für Poesie und Gesanglichkeit, dass man schon nach wenigen Tönen von diesem Klavierspiel verzaubert wird. Es schadet m.E. auch nicht, wenn der Pianist ein gewisses reifes Alter erreicht hat, bevor er solche Stücke aufnimmt. Es schwingt dann einfach eine musikalische, aber auch eine allgemeine Lebenserfahrung mit. Hier scheint mir das der Fall zu sein.


    Eine andere wirklich gute Grieg-Aufnahme wäre dann noch diese hier, die ich schon seit einigen Jahren besitze:



    Andsnes spielt auf Griegs Steinway-Flügel aus dem Jahr 1892. Mehr Originalinstrument geht dann wohl nicht.... ;)
    Der Flügel klingt in meinen Ohren sehr annehmbar. Sein Klavierspiel ist ebenfalls "anständig" ( so hat es mein Klavierlehrer immer bezeichnet) und auch vom Gesanglichen her kommend. Ganz die poetische Tiefe eines Gilels erreicht er wohl nicht, hat aber auch seine Meriten. Ich kann diese CD sehr empfehlen und ziehe meistens im Vergleich von Einzelstücken seine Versionen denen von Steen-Nökleberg vor, den ich aber ebenfalls zu den empfehlenswerten Grieg-Pianisten zähle.
    Von den Stücken her kann man Andnes` Aufnahme mit Gilels kaum vergleichen (die Arietta schon), weil die Pianisten nun einmal andere Stücke auswählten.


    Man muss aber auch sagen, dass Giles bei seiner Auswahl stets einen sehr treffsicheren Geschmack an den Tag legte. Ich besitze ja die Naxos Gesamtaufnahme sämtlicher Klavierwerke Griegs (Steen-Nøkleberg) und bin da irgendwann zu der Ansicht gekommen, dass bei Grieg durchaus eine Auswahl nach qualitativen Kriterien sinnvoll ist. Nach allem, was ich so von Grieg biografisch hörte, hätte er das sicher auch so gesehen und wäre wahrscheinlich gar nicht dafür gewesen, dass man wirklich alles, was er für Tasteninstrumente irgendwann schrieb, auch auf CD herausgibt.


    Hier ein abschreckendes Beispiel, dass die Sache mit dem "historischen Klangbild" (denn nur das soll der Komponist ja "im Ohr gehabt" haben....) auch in echten Irrsinn ausarten kann:



    Mein Vater spricht in solchen Fällen vom Klafünf, nicht mehr vom Klavier.....


    Hier noch Beispiele der Arietta, die man agogisch "versaut" hat:


    und (Track 8 )


    Man sollte versuchen, den lyrischen Ausdruck erst einmal möglichst ohne rhythmische Verzerrungen der Begleitbewegung hinzubekommen. Ein bisschen Agogik kann und darf man auch machen, aber ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich höre, dass Leute meinen, dass Romantik mit torkelnder agogischer Betrunkenheit etwas zu tun haben soll. Schlimm wird es, wenn man auf Takt-Einsen geradezu gewohnheitsmäßig anhält, wie es leider auch nicht wenige Cembalisten so treiben.
    Ein Stück wie die Arietta lyrisch und poetisch singend schön zu spielen, ist nicht leicht. Ich arbeite jedesmal sehr an dem Stück, bevor ich es anderen Leuten vorspiele. Es erfordert eine Menge an Konzentration und innerem Ohr. Man muss den Ausdruck, den Gesang, die Bewegung und auch das Gefühl der Finger bereits in sich haben, bevor der erste Ton erklingt. Ebenso muss man gut auf das Instrument eingespielt sein, weil es sonst zu unerwünschten Dingen in der Dynamik kommt.


    Wer hören will, dass es beim romantischen Klavierspiel auch ohne agogische Betrunkenheit geht, der kann sich bei Leuten wie Brendel (der leider nie Grieg spielte) oder Gilels informieren - natürlich auch bei der wunderbaren Uchida.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Gilels stellte für mich eine der wenigen rühmliche Ausnahmen des anständigen Spiels dar - und Track 17 ist ja einfach nur wunderbar gespielt. Da habe ich keine Fragen mehr... ^^
    ....und mir wird bewusst, dass ich die CD auch auf den Einkaufszettel setzen muss. Die muss man tatsächlich haben. Es liegt nicht nur an der technisch pianistischen Beherrschung, sondern vor allem am exquisiten Geschmack, der uneitlen Musizierhaltung und dem Sinn für Poesie und Gesanglichkeit, dass man schon nach wenigen Tönen von diesem Klavierspiel verzaubert wird. Es schadet m.E. auch nicht, wenn der Pianist ein gewisses reifes Alter erreicht hat, bevor er solche Stücke aufnimmt. Es schwingt dann einfach eine musikalische, aber auch eine allgemeine Lebenserfahrung mit. Hier scheint mir das der Fall zu sein.

    Lieber Glockenton,


    Gilels hat die Grieg-Stücke in der Tat sehr Ernst genommen - nicht als "Gelegenheitsstücke" oder Zugaben gespielt, sondern sich im reifen Alterlange intensiv damit beschäftigt und sie dann auf dem Bergen-Festival gespielt. Da kann man die ganze große Gilels-Kunst bewundern. So wie Gilels das spielt, ist das für Normalsterbliche unspielbar. Von wegern "Klavierstunde..." :D Z. B. "Heimwärts": Wie trefflich er diesen naiv-fröhlichen Bauernburschen charakterisiert und mit seinen Riesenpranken dann am Schluß mal wirklich passend "zuhaut" - so dass jedem klavierspielenden Laien Hören und Sehen vergeht...



    Andsnes spielt auf Griegs Steinway-Flügel aus dem Jahr 1892. Mehr Originalinstrument geht dann wohl nicht.... ;)
    Der Flügel klingt in meinen Ohren sehr annehmbar. Sein Klavierspiel ist ebenfalls "anständig" ( so hat es mein Klavierlehrer immer bezeichnet) und auch vom Gesanglichen her kommend. Ganz die poetische Tiefe eines Gilels erreicht er wohl nicht, hat aber auch seine Meriten. Ich kann diese CD sehr empfehlen und ziehe meistens im Vergleich von Einzelstücken seine Versionen denen von Steen-Nökleberg vor, den ich aber ebenfalls zu den empfehlenswerten Grieg-Pianisten zähle.
    Von den Stücken her kann man Andnes` Aufnahme mit Gilels kaum vergleichen (die Arietta schon), weil die Pianisten nun einmal andere Stücke auswählten.

    Andsnes habe ich auch - das hast Du trefflich beschrieben. Griegs Flügel ist wirklich ein wunderbares Instrument! Etwas von dieser Farbigkeit könnte so mancher "moderner" Steinway, der auf Helligkeit und Durchsetzungsfähigkeit getrimmt ist, durchaus auch haben!



    Hier noch Beispiele der Arietta, die man agogisch "versaut" hat:

    Die Beispiele werde ich mir mal zu Gemüte führen! :D


    Sehr hörenswert ist auch Arthur Rubinstein mit seiner männlich-herben Art. Ganz überragend natürlich auch der junge Michelangeli - leider haben beide viel zu wenig von den Lyrischen Stücken gespielt. (Rubinstein immerhin die Sonate!)


    Von Grieg selbst gibt es auch noch einige Rollenaufnahmen, z.B. den "Schmetterling". :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Rubinstein hat die "Ballade" (eigentlich eine Variationenreihe) eingespielt, nicht die (frühe und m.E. nicht allzu interessante) Sonate.


    Pletnev hat eine Grieg-Anthologie, einschl. der e-moll-Sonate, aber vermutlich wäre diese Interpretation Glockenton zu manieriert. Dann habe ich noch eine Auswahl mit Katsaris. Das reicht mir insgesamt, selbst wenn sich etliche der bekannteren Stücke auf den meisten Anthologien finden und sicher viele noch fehlen, brauche ich hier keine komplette Einspielung, glaube ich.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Rubinstein hat die "Ballade" (eigentlich eine Variationenreihe) eingespielt, nicht die (frühe und m.E. nicht allzu interessante) Sonate.

    Stimmt! :)



    Pletnev hat eine Grieg-Anthologie, einschl. der e-moll-Sonate, aber vermutlich wäre diese Interpretation Glockenton zu manieriert. Dann habe ich noch eine Auswahl mit Katsaris. Das reicht mir insgesamt, selbst wenn sich etliche der bekannteren Stücke auf den meisten Anthologien finden und sicher viele noch fehlen, brauche ich hier keine komplette Einspielung, glaube ich.

    Die Katsaris-Aufnahme ist auch wirklich sehr gut. Ich kenne sie von früher, habe sie leider aber nicht - das verblichene Teldec-Label halt! :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Katsaris Teldec-Aufnahme ist in vier oder mehr unterschiedlichen Auflagen erhältlich gewesen und sollte leicht zu kriegen sein. (Ich habe die bunte der Basic Edition, von der ich aber wegen minimaler/fehlender Trackinformation abraten würde). Statt der Klavierfassung der Holberg-Suite hätte ich allerdings lieber noch ein paar mehr der lyrischen Stücke gehabt...


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke, Johannes, ich werde mal sehen, wo ich mir die Katsaris-Aufnahme an Land ziehe! :D :hello:


    P.S. Als Gesamtaufnahme habe ich die von Hakon Austbo - die ist eher Mittelmaß.

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