Antonin Dvorak: Sinfonie Nr 1 in c-moll - "Die Glocken von Zlonice "

  • Manchmal könnte man ja glauben, Dvorak habe nur eine einzige Sinfonie geschrieben, jenen Ohrwurm "aus der neuen Welt". Das Problem, das auftritt, wenn man Hörer mit einer anderen Sinfonie Dvoraks konfrontiert, ist, daß stets "etwas "ähnliches " erwartet wird.

    Oder zumindest "etwas besonders Beeindruckendes" - Solche Erwartungshaltungen müssten selbstverständlich zu Enttäuschungen führen, denn Sternstunden sind nicht vorprogrammierbar oder wiederholbar.


    Dennoch haben Dvoraks anderes Sinfonien durchaus etwas zu bieten - auch die Jugendwerke.
    Um ein solches handelt es sich bei der 1865 komponierten Sinfonie Nr 1, denn Dvorak war damals erst 24 Jahre jung.
    Geschrieben wurde das Werk anlässlich eines Wettbewerbes in Leipzig. Dvorak sandte die Noten dorthin und erhielt weder Antwort - noch die Noten zurückerstattet. Er betrachtete das Werk als verschollen und begann deshalb noch im gleichen Jahr mit der Komposition einer 2. Sinfonie.


    Irgendwann, um 1922/23 - also nach Dvoraks Tod tauchten die Noten dann in einem Londoner Antiquariat auf.


    Es vergingen weitere Jahre bis zur Uraufführung - sie fand - in gekürzter Form - am 4. Oktober 1936 statt.


    Die Musikwissenschaft indes wurde und wird nicht müde, zu betonen, daß es ein unreifes Werk ist, welches zudem von zahlreichen Stilähnlichkeiten anderer Komponisten geprägt ist, was seine Verbreitung nicht unbedingt fördert.
    Es wurde in einem anderen Thread dieses Forums darauf hingewiesen, daß die erste Sinfonie Dvoraks gewisse Gemeinsamkeiten mit Beethovens Sinfonien habe - Persönlich haben mich Teile des 2. Satzes an die Ode an die Freude erinnert, weniger von der Melodie her, als von der Stimmung.
    Auch ein wenig Smetana kann erahnt werden.
    Über den Titel "Die Glocken von Zlonice" -angeblich stammt er von Dvorak selbst - wurde viel gerätselt. Vermutlich hat er jedoch keinen programmatischen Bezug zur Musik.


    Wikipedia schreibt als abschliessende Zusammenfassung über die Sinfonie:

    Zitat

    Heute erfreut sich das Werk großer Beliebtheit, trägt es doch bereits viele für Dvořáks Kompositionsstil typische Elemente


    Das halte ich für einen Euphemismus. Denn selbst auf Tonträger ist diese Sinfonie kaum als Einzelveräffentlichung verfügbar



    Sehr preiswert ist derzeit die abgebildete Gesamtaufnahme unter Kubelik. Wer die Vaclav Neumann Aufnahme vorzieht, der wird erheblich tiefer in die Tasche greifen müssen (beinahe das Doppelte)
    Die Einzelveröffentlichung unter Stephen Gunzenhauser (siehe Abbildung ganz oben im Beitrag) - sie stammt aus der Steinzeit des Labels Naxos - konnte mich indes nicht wirklich begeistern.
    Ohne dass ich eine wirklichen Mangel benennen könnte (vielleicht ist der Klang ein wenig zu kompakt ?) sprang der zündende Funke jedoch nicht über. Zum Kennenlernen wahrscheinlich ausreichend...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Manchmal könnte man ja glauben, Dvorak habe nur eine einzige Sinfonie geschrieben, jenen Ohrwurm "aus der neuen Welt". Das Problem, das auftritt, wenn man Hörer mit einer anderen Sinfonie Dvoraks konfrontiert, ist, daß stets "etwas "ähnliches " erwartet wird.


    Oder zumindest "etwas besonders Beeindruckendes" - Solche Erwartungshaltungen müssten selbstverständlich zu Enttäuschungen führen, denn Sternstunden sind nicht vorprogrammierbar oder wiederholbar.


    Ich denke, dass die 7.te Symphonie von Dvorak auch ziemlich berühmt ist - und beeindruckend sowieso. Ich empfinde sie jedenfalls der 9.ten absolut gleichwertig.

  • Ich habe die Box von Kubelik und war erstaunt, als ich die 1. von Dvorak das erste Mal hörte. Sie gehört mit der 6., 7. und 8. zu meinen Dvorak - Favoriten (die 9. habe ich zu oft gehört). Man höre nur im ersten Satz, wie gekonnt Dvorak den Klang der Glocken wiedergibt.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Das selten gespielte Werk wird in Kürze (7.11., 8.11., 9.11., jeweils 19.30 Uhr) im Prager Rudolfinum aufgeführt (neben der 6. von Dvořák). Es spielt die Tschechische Philharmonie unter ihrem Chefdirigenten Jiří Bělohlávek. Informationen gibt es hier.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zur Geschichte der Sinfonie Nr.1 (Beitrag 1 von Alfred) möchte ich noch ein paar Infos hinzufügen, die einiges deutlicher machen:


    Dvorak wollte im Alter von 24 (1965) als seinen sinfonischen Erstling ein Beethovennahes Werk in c-moll schaffen.
    Der sehr selbstkritische Anton Dvorak hat seine Sinfonien Nr.2-4 Revisionen auf die heute gültigen Fassungen unterzogen. Bei der Sinfonie Nr.1 war es nicht die Musikwissenschaft, sondern Dvorak selbst, der das Werk wegen anfängerhafter Mängel als zu wenig profiliert einstufte und ihr keine weitere Bedeutung mehr zumessen wollte. Eine Revision, war nicht möglich, weil er nicht mehr über die Partitur verfügte. Er hatte sie deshalb verworfen und 1886 in eine Liste von 20 Werken aufgenommen, dessen Noten er u.a. vernichtete und mit denen er nichts mehr zu tun haben wollte.
    Die Noten der Sinfonie Nr.1 tauchten dann, wie oben berichtet 1922 wieder auf.
    *** Der Titel "Die Glocken von Zlonice" stammt nicht von Dvorak selbst, sondern wurde nach Dvoraks Tod hinzugefügt, da man besonders zu Beginn der Sinfonie Glockengeläut zu hören vermeint.


    Ich selber hatte mit den frühen Sinfonien einen wenig überzeugenden Anfang:
    Nachdem ich die Nr.9 zuerst mit grosser Begeisterung kennenlernte, wollte ich den Rest auch hören. Leider bediente ich mich damals unbewust einer recht langweiligen Dvorak-Sinfonien - GA mit Witold Rowicki / LSO (Philips-LP-Box). Bereits die Neunte mit Rowicki hatte bei weitem nicht den Pepp wie meine damalige Ozawa-Aufnahme auf LP.
    Die Sinfonie Nr.1 empfand ich als langatmigen Schinken – damals einmal gehört und nie wieder ....


    Später auf CD habe ich die Sinfonien-GA mit Kubelik (DG) gekauft (auch zunächst nur mal in die Nr.1 reingehört) ... aber gerade aktuell habe ich mich Anfang dieses Monats nach Jahrzehnten mit der Sinfonie Nr.1 mit Kubelik beschäftigt, der das Werk überraschenderweise so überzeugend wie nur möglich gestaltet. Er holt das Beste aus der Sinfonie Nr.1 heraus; was aber nicht über die Längen und Schwächen (in Form von Langatmigkeit) hinweg täuschen kann.
    Richtige volle Begeisterung kam alledings bei mir auch heutzutage nicht auf …
    Demnächst werde ich auch die Sinfonie Nr.2 und 3 intensiv hören um nachzuvollziehen, warum die Nr.2 für schwächer und die Nr.3 wieder für besser gehalten wird ...



    :!:Noch etwas zu den Überlegungen vom Dirigenten Rafael Kubelik zur Sinfonie Nr.1:
    Kubelik war der Auffassung, dass man den Willen des Komponisten respektieren sollte, der zu Lebzeiten nur 8 Sinfonien anerkannte und somit das Werk nicht aufführen sollte.
    Offensichtlich hat er sich nur mit Widerwillen breit schlagen lassen alle Neune für die Dvorak-Sinfonien – GA zu dirigieren.
    Kubelik lässt sich aber in seiner Aufnahme diesen Widerspruch nicht anmerken und legt eine rundum überzeugende Aufnahme hin, soweit es das Notmaterial hergibt.


    Diese wichtige Info findet sich in der DG-Galleria-Einzelausgabe der Sinfonie Nr.1, die mit Die Walttaube und der Karneval-Ouv gekoppelt ist.
    Im Textheft der Kubelik-GA findet sich die Info von Kubeliks Gedankenwelt nicht. Hier ist ein wirklich guter Aufsatz von Karl Schumann abgedruckt, der nach einer Einleitung die Frühen Sinfonien, die mittleren Sinfonien und dann die drei bekanntesten Spätsinfonien betrachtet.



    Berliner PH / Kubelik
    DG, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Teleton.
    Danke für Deine interessanten Ausführungen. Ich gehe davon aus, daß sie das Interesse an der ersten, und wenn das nicht - so zumindest an Dvorak steigern werden. Natürlich habe auch ich ein wenig recherchiert und einige Artikel über die erste und die zweite Sinfonie gelesen.
    Die Angaben über gewisse Detail gehen recht weit auseinander.
    So gibt eine Quelle an, der Titel der Sinfonie sei WAHRSCHEINLICH von Dvorak selbst. Eine andere Quelle setzt das als gegebene Tatsache voraus.
    Ebenso wird über die Glocken an sich spekuliert. Während ein Autor die Glocken quer durch das Werk gehört haben will, wärnend ein anderer überhaupt, daß es hier um musikalisch Bezüge gehe.
    Das Notenmaterial der ersten sei nicht von Dvorak vernichtet worden (wenngleich er an der Qualität zweifelte) sondern er hätte es nicht mehr zurück erhalten und DESHALB sofort mit der zweiten Sinfonie begonnen. Weiter Divergenzen. Eine Quelle behauptet, die Noten seien erst 1922 in einem englischen (!!) Antiquariat aufgetaucht, wogegen eine andere Quelle angibt, die Noten seien schon früher entdeckt worden, aber man habe Dvorak leider nicht darüber informiert (sehr unglaubwürdig)
    Ferner gab es eine Aussage, daß die ersten VIER Sinfonien mit Dvoraks Einwilligung zu dessen Lebzeiten NICHT ins Werkeverzeichnis aufgenommen wurden (Das ist hingegen sehr glaubwürdig und wird teilweise noch heute durch die heutige Aufnahmepraxis bestätigt)
    Die erste Sinfonie von Dvorak ist eine relativ lange Sinfonie - aber auch nicht länger als Schuberts Große C-Dur Sinfonie.
    Das Werk gewinnt übrigens durch oftmaliges Hören.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lange wurde hier nichts mehr geschrieben, und ich muss sagen, dass ich diese 1. Symphonie mit größter Begeisterung höre; dafür, dass der Komponist selbst und die Musikkritik so ungnädig damit umgegangen sind, finde ich das Werk überaus prachtvoll, es zeigen sich mir keine Längen oder missratene Stellen, ich finde es schon sehr dynamisch, voller Aufbruchstimmung und vorwärtsstürmender Energie. Dies mag in der Tat einen Hinweis auf die Jugend des Komponisten geben, jedenfalls finde ich hier schon jede Menge Hörens- und Aufhorchenswertes.


    Dabei steht mir diese hervorragende Aufnahme mit bestechender Klangqualität zur Verfügung: