Oper Frankfurt: Königskinder 30. September 2012

  • Liebe Freunde,


    ich stehe noch imemr ganz im Bann dieses musikalischen Hochgenusses, der erfreulicherweise - wie im Programmheft angekündigt - auf CD gebannt wird. Die gestrige Premiere war ein Höhepunkt all meiner Liveopernerlebnisse. Selten habe ich eine derart konzentrierte Ensembleleistung hören dürfen. Auch, wenn mal der eine oder andere zu schnell oder zu langsam war. Ich gehe da nicht ins Detail, denn die Rollen sind wirklich sehr schwierig und man merkte den Sängern die Nervosität an. Das wird sich in den folgenden Aufführungen legen. Großartig, die Hexe der Julia Juon. Man verstand jedes Wort und ihr Timbre hob sich scharf ab von dem der Gänsemagd: Amanda Majeski singt die so anrührend, so beseelt, so konzentriert. Sie scheint einige Passagen schier zu hauchen und dennoch versteht man auch hier jedes Wort. Überwiegend auch bei Sebastian Behle, dem Königssohn. Die beiden harmonierten wunderbar. Da stimmte die Chemie. Der Spielmann lief im 3. Akt zu Topform auf: Nikolaj Borchev sang voller Empathie. Auch besenbinder und vor allem der Holzhacker, der sich hinter Ridderbusch nicht verstecken muss. Sehr, sehr gut die Stallmagd von Katharina Magiera. Von der hoffe ich nich mehr zu hören. Als Carmen!!!! Die Besnebidnertochter hatte erftreulicherweise kein Piepsstimmchen sondern ein rührendes Kindertimbre und der Chor war wunderbar eingespielt. Das Beste aber, das aller-allerbeste war das Dirigat. Das wirklich feinfühligste aller Königskinder-Aufführungen und CDs. Das Publikum hat oft den Atem angehalten und man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die Zeit stand still! Was für eine Musik!


    Wie schön wäre es, wenn diesem kaum fassbaren und dennoch wahr gewordenen Traum die Inszenierung ebenbürtig gewesen wäre. Doch die war leider extrem hassenswert: Eine Mischung aus der Münchener und Wiesbadener Werkverstümmelung. Unsensibel ohen Ende! Einfach nur ärgerlich! Und da wird vorab noch gesagt, dass das Regieteam die Geschichte getreu dem Libretto erzählen würde. Glatt gelogen! Ich gehe nicht auf die ganzen Ungereimtheiten - von einem Chor mit Schweinekopfmasken bis hin zu Weinleitungen, die vom Bühnenhimmel herunterhängen - ein, die dieses Trio verbrochen hat. Waren die bekifft, als die sich an die Umsetzung setzten?!!! Da hat man Protagonisten, die ich nicht nur exzellent singen sondern auch noch rein äußerlich geradezu Idealbesetzungen sind und dann steckt die Directrice die in Kostüme, die so was von unvorteilhaft sind. Die Gänsemagd war eine langebeinige Schönheit und musste in einem Babydollkleidchen rumwatscheln usw.! Das Bühnenbild bestand aus krakeligen Kreidezeichnungen und bot einen (!) schönen Effekt: Bei der Erlösung der Gänsemagd leuchten die Kreidezeichnung auf einmal farbig auf und die Papierblümchen und Gänse verbrennen. Das hatte etwas Anrührendes, aber ansonsten blieb alles in Stereotypen verhaftet. Keine Figur wurde charakterisiert. Platt und hohl! Jetzt aber das Schlimmste: Die Königskinder erstechen sich am Ende! Damit ist die ganze Geschichte mit dem Zauberbrot hinfällig und natürlich - wie könnte es beim regietheater anders sein, hat das Regieteam mal wieder Angst vor dem großen Gefühl, sprich: Die Königskinder liegen kilometerweit von einander entfernt und nicht librettogetreu "dicht aneinandergeschmiegt". Und um es noch schlimmer zu machen hält der Kinderchor am Ende Pappbuchstaben und -Herzen hoch, die den Schriftzug ergeben "Happy Änd". Kicher. Grunz. Harharhar - damit war bei vielen die Rührung weggewischt und viele andere sind vor Wut schier explodiert: Buuuuuuuuuuuuuuuuuuhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh! Ich war allerdings so geschockt, dass ich nicht mal das konnte.



    Und hier ein paar Fotos: http://www.oper-frankfurt.de/index.cfm?siteid=851&stueck=401

  • Und hier die ersten Pressestimmenen...:


    http://www.fnp.de/fnp/nachrich…_rmn01.c.10205744.de.html ziemlich oberflächlich
    http://www.fr-online.de/theate…4,view,asFirstTeaser.html ziemlich versiert
    http://www.fr-online.de/theate…ich,1473346,19410716.html ziemlich interessant


    Kleiner Exkurs, der aber ganz gut zu Königskinder passt: War einer von Euch in dieser Ausstellung?http://www.fr-online.de/kunst/ausstellung-im-staedel--hexen--gespenster-und-das-eine-oder-andere-monster,1473354,18534956.html

  • Zitat

    Ach du lieber Himmel... Dagegen scheint die Münchner Werkverstümmelung mit dem Schrank ja noch harmlos gewesen zu sein....


    Liebe Taminos!


    Stellt Euch mal vor, ich ginge mit meiner kleinen Tochter (6 Jahre) in diese dämliche Inszenierung. Das sollte doch eine Kinder- oder Märchenoper sein. Vor Kurzem habe ich mit ihr zu Hause fast die ganze "Zauberflöte" unter Ingmar Bergmann gesehen und gehört. Das hat ihr sehr gefallen. Sie hat es nur wegen ihrer Müdigkeit nach einem langen Tag nicht ganz geschafft. Aber sie wollte bald den Schluß noch sehen. Aber bei diesem blöden Klamauk, der sich Oper "Die Königskinder" nennt, kann ich garantieren, daß wir beide fluchtartig ins Freie streben würden. Nein, danke!

    W.S.

  • Lieber Knuspi,



    mit großem Interesse habe ich Deinen Bericht gelesen. Vielen Dank!
    Ich überlege ja auch, mir eine Karte zu kaufen. Wegen der Musik wäre es sicherlich eine gute Idee.


    Was Du allerdings über die Inszenierung schreibst, ist mehr als abschreckend.

    Viele Grüße,


    Marnie

  • Königskinder ist eine meiner erklärten Lieblingsopern und ich war kurz davor, den Saal zu verlassen als der Vorhang aufging, doch das Zusammenspiel von Dirigent und den wirklich erstklassigen Sängern hat mich zurückgehalten. Ich schwebe jetzt noch in diesen Klangwelten: Sebastian Weigle hat das Werk so einfühlsam dirigiert, dass es mir die Luft nahm: DIe Pianostellen klangen als wäre es nur noch ein Instrument und dann die Glockenschläge, da hat das Theater vibriert. Also: GROßARTIG!!!! Ich freue mich schon auf die CD, die Bilder bin ich erfolgreich am Verdrängen. Das Ganze ist so absurd: Im Programmheft waren auzugsweise Rezensionen der zwei vorangegangenen Köki-Inszenierungen abgedruckt, die beschreiben, wie traumhaft die Bühnenbilder dargestellt seien: "Das Frankfurter Opernhaus wurde zum Zauberwald", was in der Tat stimmt, da ich vor Jahren mal Fotos und Bühnenbildentwürfe aus Frankfurt ausgegraben habe. Ganz zauberhaft - und dann wird einem heute so ein Kappes präsentiert. Das Schlimmste fand ich aber wirklich das verhagelte Ende, da bin ich wirklich entsetzt gewesen: Unsensible Menschen sollte man nicht ein derart filigranes Werk inszinieren lassen!

  • http://www.oper-frankfurt.de/d…ueck=451&stueckdatum=2258


    Da würde ich ja glatt hingehen und fragen wollen, wie man so eine unästhetische, verkorkste und werkentstellende Inszenierung zulassen kann als Intendant!


    P.S.: Hat jemand die Rezension der FAZ gelesen: "Engelssoprane und Teufelsregie":-)? Sie wird bezeichnenderweise nicht in dem Pressespiegel der Oper Frankfurt zitiert, die die Regietheaterflagge gehisst hat: http://www.oper-frankfurt.de/de/page20.cfm#kapitel27

  • Demnächst im Handel:



    Engelbert Humperdinck (1854–1921)
    Königskinder


    Daniel Behle, Amanda Majeki, Julia Juon, Fanz Mayer
    Chor der Oper Frankfurt, Frankfurter Opern- und Museumsorchester
    Dirigent: Sebastian Weigle
    Label: Oehms, DDD, 2012, 3 CDs
    Erscheinungstermin: 8.7.2013


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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