Es darf geklatscht werden! ... ?

  • Hallo allerseits,


    ich habe gerade Rimsky-Korsakovs Pskovityanka gehört:



    Es handelt sich um eine Live-Aufnahme und amüsiert habe ich festgestellt, daß das Publikum - ohne mir ersichtlichen Anlaß - in das Finale des letzten Aktes hineinklatscht. Ähnliches findet sich auf der folgenden sicherlich nicht unbekannten Meistersinger-Einspielung dokumentiert (immerhin mit dem konservativ-verständigen bayreuther Publikum :pfeif: ):



    Wie kommt es zu solchen verfrühten Jubel-Ausbrüchen? - Ich selber käme nie auf die Idee, in die Musik hineinzuklatschen; will dies aber auch nicht verurteilen. Undenkbar dürfte dies allerdings bei einem Finale (Oper, Symphonie etc.) im piano sein.


    Was meint ihr? Habt ihr soetwas schon selber erlebt? Habt ihr mitgemacht?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • In die letzten Takte der Meistersinger wird fast regelmäßig reingeklatscht (schon in Bayreuth 1943). Das mag an diesem Finale an sich liegen, wo ja idealerweise auch das Volk auf der Bühne am Ende jubelt. Und da lässt sich das Publikum wohl oft anstecken.


    Eine weitere Erklärung, die ich hätte, ist, dass der Vorhang zu früh zugeht, noch während der letzten Takte. Da beginnen dann viele schon zu klatschen. Schon öfter erlebt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Was meinst Du mit "hineinklatschen"? Mittendrin oder in einen länger ausgehaltenen Schlussakkord hinein?


    Im ersten Falle nehme ich an, dass irgendwas auf der Bühne passiert ist (oder ein Solo zu Ende?), was man auf dem Mitschnitt vielleicht nicht mehr nachvollziehen kann.


    Auch wenn mich so etwas bei Mitschnitten stört, finde ich es übertrieben, es im Theater rundheraus abzulehnen. Szenenapplaus, selbst wenn musikalisch nicht ideal, ist ein Merkmal für Begeisterung des Publikums und echte Interaktion zwischen Bühne und Zuschauerraum. Ich finde es völlig o.k., wenn in dieser und anderen Hinsichten ein Unterschied zwischen live-Erlebnis und Konserve besteht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo, Michael


    Dieses Thema, was Du hier anführst, hatten wir wohl schon vor einiger Zeit in einem anderen Thread ansatzweise. Ich finde das aber trotzdem gut und die Meinungen anderer Mitglieder interessant.

    Ich selber käme nie auf die Idee, in die Musik hineinzuklatschen;


    Was meint ihr? Habt ihr soetwas schon selber erlebt? Habt ihr mitgemacht?

    In die Musik hineinzuklatschen halte ich auch für keine gute Idee, wüßte auch nicht, daß ich das schon live erlebt habe.
    Aber nach einer wirklich gelungenen Arie in Jubel auszubrechen und zu klatschen und "zu toben", aber hallo!, das habe ich schon erlebt und auch selbstverständlich mitgemacht. Ich halte das auch keinesfalls für falsch. Es ist ein direkter Dank und eine Anerkennung, sowie höchstes Lob der soeben erlebten überragenden Leistung des Interpreten. Ich bin auch überzeugt, der jeweilige Sänger nimmt dieses Lob garantiert gerne an und freut sich darüber. Außerdem spornt ihn das zu weiterer Höchstleistung an. Und wenn man Glück hat, um das mal etwas egoistisch zu sagen, erklatscht man sich sogar ein "da Capo". Dieses Glück zu erleben, hatte ich zweimal.
    Vielleicht ein nicht ganz passendes Beispiel: Wenn beim Fußball ein Tor fällt, klatscht, jubelt und tobt man auch sofort und spontan. Man wartet nicht erst bis zum Schlußpfiff.


    Herzlich Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Es ist ganz schrecklich, wenn schon vor Ende der letzten Schlußakkorde hineingeklatscht wird. Und was die "Meistersinger" betrifft, wird in Wien im 3. Aufzug geklatscht, wenn der Sachs beim Einzug der Meister erscheint.


    In der Staatsoper hatten wir z.B. im "Trovatore" nach der Manrico-Arie "Ah, sì, ben mio coll'essere" bei guten Sängern die Gewohnheit, möglichst lang anhaltend zu klatschen, damit der Tenor nach dieser kraftraubenden Arie die Möglichkeit hatte, sich etwas vor der fast unmittelbar folgenden Szene mit der Stretta "Di quella pira" zu erholen.


    Hinweisen möchte ich noch auf das höchst unterhaltsam-informative Buch des Geigers Daniel Hope: "Wann darf ich klatschen?". Sehr zu empfehlen!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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  • Hinweisen möchte ich noch auf das höchst unterhaltsam-informative Buch des Geigers Daniel Hope: "Wann darf ich klatschen?". Sehr zu empfehlen!


    Zwar kenne ich dieses Buch nicht, aber ich hatte in letzter Zeit häufiger Gelegenheit, mir über das Klatschen Gedanken zu machen. Dass in Opernaufführungen nach einzelnen Stücken applaudiert wird, ist normal, auch in Konzerten am Ende eines Konzerts oder einer Sinfonie. Aber in der St. Petersburger Konzerthalle des Mariinsky-Theaters erlebte ich gerade kürzlich, dass auch nach einzelnen Sätzen eines Konzerts oder einer Sinfonie geklatscht wurde, so z.B. nach dem 1. Satz der 5. Sinfonie von Schostakowitsch oder dem 2. Satz des 2. Klavierkonzerts von Prokofiew. Ich fragte mich dann, ob es die Unkenntnis eines Publikums war, das evtl. vermutete, das Stück sei schon zu Ende, oder ein Enthusiasmus, der sich im spontanen Applaudieren entladen musste. Beim Prokofiew-Klavierkonzert würde ich zu Letzterem tendieren, denn dieser 2. Satz ist wirklich mitreissend (genau wie der Geschwindmarsch in Tschaikowskys Pathétique), aber ich käme nie auf die Idee, nach dem 1. Satz der Fünften Schostakowitsch meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen.


    Gruß, Peter


  • Schon für weniger als 1 € beim großen Fluß zu erwerben.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Selbstverständlich ist es störend, wenn in einem Musikstück nach jedem Satz geklatscht wird. Auf der anderen Seite wer hat das Recht, dem Souverän Publikum Vorschriften zu machen? Im April 2012 erlebte ich wie in einem Programm mit dem Titel "Sternstunden der Filmmusik" beim Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold mit dem Geiger Friedemann Eichhorn das an diesem Abend zahlreich anwesende junge Publikum bereits nach dem 1. Satz fast ausflippte und die Bravorufe und Pfiffe kaum zu stoppen waren. Ich wurde angesteckt und applaudierte mit - was mir einen Rippenstoß von meiner Holden einbrachte.
    Was zählt mehr, die spontane Begeisterung der Enthusiasten oder das formvollendte Verhalten der Puristen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • In der Live-Aufnahme von Händels Messias mit Luks (2012) aus Chaise-Dieu hört man 3 Minuten vor Schluß Beifallklatschen, bevor das Amen beginnt. Wenn man nicht weiß, wann Schluß ist, sollte man solange mit Beifallskundgebungen warten, bis andere zu klatschen anfangen. Nach Opernarien zu klatschen ist üblich, zwischen einzelnen Sätzen eines Werkes zu klatschen, ist nicht üblich. Wer das nicht weiß, sollte sich vorher informieren.
    Es gibt Benimmregeln und die sollte man kennen, auch die im täglichen Leben.
    Unangenehm empfinde ich "Standing Ovations". Da erheben sich Zuhörer und verdecken anderen die Sicht, wer noch etwas sehen will, ist gezwungen, sich ebenfalls zu erheben. Und schon steht der ganze Saal.

    mfG
    Michael

  • Applaus oder gar Jubel nach einer Arie ist ja nichts Ungewöhnliches und hat durchaus seine Berechtigung.
    Was mich allerdings maßlos stört ist dieses Hineinklatschen in die Musik. Wird gerne in der Boheme praktiziert, wenn am Ende des ersten Aktes Rodolfo und Mimi die Mansarde verlassen, und sich der Vorhang zu den letzten Akkorden langsam zu schließen beginnt.
    Das stört nicht nur diese herrliche Musik und den Genuß der selben, sondern ist auch eine Respektlosigkeit gegenüber den Orchestermusikern. Sie haben doch das Recht, ihre Musik bis zum letzten Ton vor einem wirklich zuhörenden Publikum vortragen zu können.


    Bei Konzerten bzw. Symphonien sollte es klar sein, dass nicht zwischen den einzelnen Sätzen applaudiert wird, sondern erst am Ende des Werkes. Auch bei Liederabenden soll ja erst nach Beendigung eines Liederzyklus bzw. einer Liederreihe Applaus erfolgen, und nicht nach jedem einzelnen Lied. Das würde nicht nur den musikalischen Fluß stören sondern würde auch den ausführenden Künstler in seiner Konzentration beeinträchtigen.


    Gregor

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  • Besonders nach Orgelkonzerten oder religiösen Werken in einer Kirche (während eines "kirchlichen Aktes"- da ist es unangemessen!) besteht oft Unsicherheit "darf geklatscht werden?"
    Ich gab da schon öfter - nach Bedenkzeit! - die "Initialzündung".


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich finde es oft ganz schrecklich, wenn in Oper oder Konzert sofort nach dem letzten Ton geklatscht, ja manchmal hineingebrüllt wird. Hier könnten die Dirigenten viel Gutes bewirken, indem sie die Hände ein paar Sekunden oben lassen. Das versteht dann ja wohl jeder!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hier könnten die Dirigenten viel Gutes bewirken, indem sie die Hände ein paar Sekunden oben lassen.


    Das tun sie auch, wenn sie es als vorteilhaft erachten - und es wird in der Regel befolgt. Aber das funktioniert natürlich nur im Konzertsaal, in der Oper ist der Dirigent für viele Besucher nicht ausreichend sichtbar.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich finde es auch immer wohltuend, wenn nicht nach dem letzten Ton der Oper sofort geklatscht wird. Ich habe es einmal an der Rheinoper am Karfreitag bei einer Parsifalaufführung erlebt, das es nach dem letzten Akt Minutenlang Ruhe einkehrte bevor der Jubel losbrach, das hatte etwas von Andacht und war auch passend. Ein italienscher Freund von mir erzählte mir mal das er es verwunderlich findet, das in Deutschland schon vor der Stretta einer Arie geklatscht wird wie bei Verdi oder Rossini Oper und er meinte das die Italiener während einer Aufführung nicht so klatschfreudig seien wie die Deutschen.

  • Ich habe es einmal an der Rheinoper am Karfreitag bei einer Parsifalaufführung erlebt, das es nach dem letzten Akt Minutenlang Ruhe einkehrte bevor der Jubel losbrach, das hatte etwas von Andacht und war auch passend.


    Tatsächlich? An einem Karfreitag? Bei uns gibt es da keine Theater- oder Opernaufführungen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Tatsächlich? An einem Karfreitag? Bei uns gibt es da keine Theater- oder Opernaufführungen.


    Warum nicht, lieber Theophilus. Bei uns ist das so, zumindest war es früher so. Jetzt habe ich das nicht mehr ganz so verfolgt. Aber ich erinnere mich noch ganz genau, es war an einem Karfreitag in der Berliner Staatsoper, sehr passend "Cavalleria Rusticana" zusammen wie üblich mit Bajazzo, den ich nicht so mag.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Warum nicht, lieber Theophilus.

    Nun, in einem katholischen Land wie Österreich ist es mit Vergnügungsveranstaltungen am Karfreitag nicht weit her. In einzelnen Bundesländern sind sie sogar gesetzlich verboten.


    Heuer gab es einen eine gewisse Ironie nicht entbehrenden Vorfall. Der Österreichische Eishockeyverband hatte für den 6.4. als WM-Vorbereitungsspiel ein Ländermatch gegen Weißrussland ausgehandelt und Villach als Veranstaltungsort festgelegt. Die Wiener Funktionäre hatten aber nicht mit der Kärntner Gesetzeslage gerechnet, wonach für den Karfreitag ein allgemeines Veranstaltungsverbot gilt. Das Problem fiel erst wenige Tage vor dem Ereignis auf. Die Weißrussen hatten aber schon An- und Abreise organisiert und so fand man keine bessere Lösung als das Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablaufen zu lassen...


    Opernhäuser und Theater bleiben meines Wissens am Karfreitag in ganz Österreich geschlossen.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Jetzt haben wir in NRW dieses dämliche Karfreitags Aufführungsverbot und es dürfen keine öffentlichen Veranstaltungen am Karfreitag stattfinden .Warum eigentlich ? Dafür konnte ich bei uns in der Abtei Kirche die Matthäus Passion am Karfreitag genießen. Die wurde auch von einem Sinfonieorchester und mit Solisten und Chor dargeboten. Zwar heisst es in der Kirche bei so einem Konzert nicht Eintrittsgeld sondern Spende, aber dadurch das dort jemand am Eingang mit dem Klingelbeutel steht wird man auch gezwungen seinen Obolus zu leisten. Mir erschließt sich deshalb der Sinn nicht warum Opernhäuser am Karfreitag schließen müssen. Die Vorstellungen an Karfreitag waren egal ob in Duisburg oder Düsseldorf immer ausverkauft. .

  • Was meinst Du mit "hineinklatschen"? Mittendrin oder in einen länger ausgehaltenen Schlussakkord hinein?


    Bei dem Mädchen von Pskow ist es der audgehaltene Schlussakord, während es beim Meistersinger eher 2-3 Takte des Finales sind, aber eigentlich macht es wohl keinen Unterschied. Wirklich überrascht war ich damals beim Meistersinger; ich hatte soetwas bei einer offiziellen Schallplattenproduktion - auch bei einem Live-Mitschnitt - nicht unbedingt erwartet.
    Das Applaudieren nach einer besonders gelungenen Arie, wie etwa chrissy es beschreibt, kenne ich natürlich auch. Hierfür scheinen mir allerdings Wagner-Opern immer recht "ungeeignet" zu sein ;) Besser geht das bei den Italienern bzw. bei klassischen Nummern-Opern. Die Erfahrung zeigt aber, dass auch hier das Publikum häufig unsicher(?) ist: Bei einer eher unbekannteren Arie, und sei sie noch so hervorragend gesungen, wird nach meinem Gefühl eher zu selten oder zu wenig applaudiert. Bei einem "Nessun dorma" jedoch bekommt selbst der letzte Knödel-Tenor seine Bravi, wenn er denn den letzten Ton nur lange genug hält ...


    Interessanterweise empfinde ich im Gegensatz zu einem früh einsetzenden Applaus ein zu frühes "Buh!" wirklich peinlich! Vielleicht erinnern sich noch einige an die letztjährige Übertragung der Salzburger FroSCH-Inszenierung von C.Loy unter C.Thielemann? Vor dem Schlussakkord des 1.Aufzuges gibt es eine kleine Pause. Dort hinein erfolgte die einsame, aber kraftvolle Unmutsbekundung - vermutlich auf die Inszenierung gemünzt. Nun bin ich kein grundsätzlicher Feind des "Buh!", aber so eine Aktion ... ?( Insbesondere, da Thielemanns Leistung am Pult m.E. an diesem Abend absolut hochklassig war.

    mfG Michael


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  • Tatsächlich? An einem Karfreitag? Bei uns gibt es da keine Theater- oder Opernaufführungen.


    Ich meine mich zu erinnern, dass mein erster Parsifal vor ca. 25 Jahren auch an einem Karfreitag gegeben wurde (Das Stück beinhaltet nach dem ersten Aufzug ja auch so ein auch so ein "Klatsch-Problem": Damals wurden die Klatscher noch gnadenlos ausgezischt). Zwar handelt es sich um einen sog. "stillen Tag" mit Tanzverbot (mittlerweile ist das aber wohl auch ziemlich aufgeweicht), aber die "hehre Kunst" geht wohl vor ... Allerdings weiß ich nicht, ob z.B. auch eine komische Oper oder Operette zulässig wäre ;) Jedenfalls war es nach der Aufführung ob des Feiertages unmöglich, noch irgendwo etwas zu essen zu bekommen :(


    Im übrigen: Auch, wenn ich kein religiöser Mensch bin, finde ich es vollkommen in Ordnung, wenn es einige wenige Tage (z.B. Karfreitag, Totensonntag, Volkstrauertag etc.) im Jahr gibt, an denen die inzwischen allgegenwärtige "Party-Fraktion" ihre "zwangsverordnete" Ruhe gibt. Soetwas hat m.E. auch nichts mit Bevormundung, Einschränkung der persönlichen Freiheit o.ä. zu tun, sondern schlicht mit einer gewissen Rücksichtnahme.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • In früheren Zeiten galt für die gesamte Fastenzeit Opernverbot! Dieser Regel verdanken wir allerdings Werke wie Händels italienische Solokantanten und auch etliche seiner Oratorien, sowie Mozarts "Pariser Sinfonie" und sicher noch viele weitere Werke. Denn andere und geistliche Musik war erlaubt...
    Ich selbst muss allerdings zugeben, dass ich Parsifal oder Mahlers 2. um Ostern rum eine ziemlich verquasten Religionsersatzhandlung finde, aber es scheint eine gewisse Tradition zu haben.

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  • Besonders nach Orgelkonzerten oder religiösen Werken in einer Kirche (während eines "kirchlichen Aktes"- da ist es unangemessen!) besteht oft Unsicherheit "darf geklatscht werden?"


    Ja, Kirchen als Aufführungsorte klassischer Musik sind "Klatsch-technisch" ein echtes Problem. Spielen hier - anders, als in Opern- oder Konzerthäusern - gleich zwei Faktoren eine Rolle: Der Charakter des Werkes und eben der sakrale Raum. Nach einer Matthäus-Passion nicht zu applaudieren mag angehen, aber nach einem Weihnachtsoratorium mit seinem "Jauchzet, frohlocket!"?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich selbst muss allerdings zugeben, dass ich Parsifal oder Mahlers 2. um Ostern rum eine ziemlich verquasten Religionsersatzhandlung finde, aber es scheint eine gewisse Tradition zu haben.


    Unbenommen und ich gebe ebenso zu, dass mich zu dieser Zeit - und obwohl, wie gesagt, nicht religiös, sondern eher ausgesprochen religionskritisch - der Parsifal und mehr noch die Bach'schen Passionen viel mehr berühren, als zu jeder anderen Zeit des Jahres. Letztere höre ich sogar fast nur in der Zeit vor Ostern; ab Ostersamstag tue ich mich dann schon wieder schwerer ?(

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Für mich besteht ein erheblicher Unterschied zwischen christlicher Musik für Passion oder Ostern wie den Bach-Passionen und der Pseudoreligiosität von Parsifal. Deswegen finde ich es ja verquast, den an Karfreitag zu spielen, statt Lamentationes oder Passionen.

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  • Zitat

    dr. pingel: Ich finde es ganz schrecklich, wenn in Oper und Konzert sofort nach dem letzten Takt geklatscht, ja manchmal sogar hineingebrüllt wird. Hier könnten die Dirigenten Gutes bewirken, indem sie die Hände ein paar Sekunden oben halten. Das versteht dann wohl jeder.

    Leider nicht, lieber dr.pingel, wie ich vor 11 Jahren beim Eröffnungsvorkonzert des Schleswig-Holstein-Musikfestivals mit Günter Wand festellen musste. Direkt nach dem letzten Ton der Neunten Bruckner, als Wand noch voller Anspannung war, brüllte ein Unbedarfter laut "Bravo" in den Saal, worauf Günter Wand höchst verärgert reagierte. Das muss ihn wohl so mitgenommen haben, dass er nach dem vom Intendanten Rolf Beck unterstützten Abgang nicht wieder erscheinen konnte (oder wollte).


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Unangenehm empfinde ich "Standing Ovations". Da erheben sich Zuhörer und verdecken anderen die Sicht, wer noch etwas sehen will, ist gezwungen, sich ebenfalls zu erheben. Und schon steht der ganze Saal.


    "Standing Ovations" finde ich tatsächlich nur als besondere Form der Respektsbezeugung angemessen, d.h. zur Würdigung der Leistung von Sängern, Dirigenten, Orchestern für ein Konzert- oder Opern-Erlebnis genügen m.E. Applaus und Bravi. Wenn dann aber z.B. ein Günter Wand nach einer Bruckner-Sinfonie zum dritten oder vierten Male das Podium betrat um den verdienten Applaus entgegenzunehmen, hat es hier in der Hamburger Musikhalle eigentlich niemanden mehr auf dem Stuhl gehalten.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • In Sachen Applaus unterscheide ich nach Oper und Konzert.
    Applaus zwischen den Sätzen im Konzert ist nicht nur störend, sondern weist das Publikum als ungebildet aus. ich empfinde das als peinlich.
    Bei Opernaufführungen bin ich indes wesentlich toleranter, bzw gelten oft auch andere Regeln. Wenn wir Italien als Geburtsstätte der Oper akzeptieren - und wer tut das nicht - dann müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, daß ein italienisches Opernpublikum spontaner reagiert - in jeder Hinsicht. Solch ein Publikum lässt sich nicht in Regeln oder Konventionen einsperren - es macht einfach was es will. Dieser Brauch (wer würde schon Unart dazu sagen wollen) hat sich in abgeschwächter Form auch auf andere Länder übertragen. Die Da Capo Arie ist hier nur ein Beispiel, das Buhen nach einem mißglückten hohen C ein anderes. Standing Ovations sind Ausdruck höchster Wertschätzung gegenüber dem Künstler und sind - soweit mir bekannt - weltweit akzeptiert. Eine weitere Spielart - ich kenne sie nur aus Wien - war einst der Anfangsapplaus den man nach Öffnen des Vorhangs einem künstlerisch gelungenen, aufwändigen Bühnenbild zollte.
    Angesichts heutiger Bühnenbilder des Regietheaters erübrigt sich die Frage, ob dies eine Unart oder ein zulässiger Beweis der Wertschätzung sei - solch ein Applaus findet nämlich nicht mehr statt.......


    Ich erinnere mich auch an einen Applaus, welcher vor vielen Jahren - so um 1974 in einem Arkadenhofkonzert des Wiener Rathauses stattfand. Das Konzert hätte schon längst beginnen sollen und das Publikum war schon unruhig.
    Da - endlich betraten 2 Männer das Publikum - und wurden mit stürmischem Applaus begrüsst. Die Beiden schoben das am Podium befindliche Klavier etwa einen Meter nach rechts. Dann traten Sie an die Rampe und verbeugten sich formvollendet.
    Sie ernteten Gelächter - und einen zweiten - durchaus verdienten - Applaus........


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zunächst gebe ich Gregor recht. Standing Ovations waren einmal das höchste Maß des Applauses. Heute werden Standing Ovations mitunter "losgelassen", wenn eine Aufführung ohne größere Patzer über die Bühne gegangen ist. Ich finde das peinlich, wenn Potts für Nessun Dorma so gelobhudelt wird. Bei Pavarotti war das sicher angebracht. Es sollte aber immer außergewöhnlichen Aufführungen vorbehalten sein.


    Gerne erinnere ich mich an 1957, ich sah in Gera einen Trubadour mit Helge Rosvaenge, er war damals 60 Jahre. Nach "Lodern zum Himmel" brach unbeschreiblicher Jubel los. Wen sollte das gestört haben? Der Akt war zu Ende, der Vorhang fiel, Rosvaenge verbeugte sich Dutzendemal, bis er da capo machte. Und wieder Apllaus, bis die Hände rot waren. Der eiserne Vorhang beendete den Zugabenreigen endgültig. Unvergeßlich, Rosvaenge war auch sichtlich erfreut. Übrigens waren damals auch die anderen Sänger (alles Stammkräfte des Hauses) hervorragend, mit einem tollen Bühnenbild (in Strapsen hätte Rosvaenge auch sicher nicht gesungen).


    Im Konzert sollte man die Gepflogenheiten beachten. Applaus immer nach Ende des Stückes. Ich halte das für eine Aufführungskultur, die beibehalten werden sollte. Glücklicherweise habe ich Zwischanapplaus nach Satzende noch nicht erlebt.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Klateschen zwischen Sätzen habe ich noch nicht erlebt. Was mir auffällt ist, dass nach einer Aufführung immer ausgiebig geklatscht wird, nebst "Bravo"-Rufen. Ich war damit schon einige Male gar nicht einverstanden. Nämlich dann, wenn das Orchester ein Werk für mich ganz offensichtlich nicht gut gespielt hat. Und ich kann das zumindest, in aller Bescheidenheit, einigermaßen beurteilen, weil ich nur noch Konzerte von mir wirklich wichtigen und geschätzten Werken besuche - und da kenne ich dann auch viele wichtige Interpretationen und weiß, wie gespielt wird und wo die Knackpunkte sind.
    Beispielsweise sah ich vor einigen Wochen eine Aufführung Schostakowitschs Fünfter in Duisburg. Ein Werk, das ich sehr gut kenne. Ich empfand die Aufführung als an manchen Stellen viel zu hektisch, Höhepunkte wurden nicht erarbeitet und viel zu lasch und schnell überspielt; wo unbedingt Vibrato her musste, spielte es die erste Violine plump und gerade heraus, manche Bläser setzten falsch ein und übertünchten das dann...
    Ich war mir sicher, dass einige Orchestermitglieder das Werk kaum kannten, vermutlich nur von den Übungen.
    Und trotzdem: riesiger Applaus. Ich kann mir das nur so erklären, dass das Publikum das Werk nicht kannte. Ist auch relativ wahrscheinlich, wegen der Abonnenten. Mein direkter Nachbar kannte es auch nicht. Habe ihm gesagt, er höre gleich eine der bedeutendsten Symphonien des 20. Jahrhunderts :D

  • Hallo Tapio,


    was Du in Deinem Beitrag 29 beschreibst, ist mir auch schon aufgefallen (siehe Beitrag 19). Ich glaube allerdings nicht, daß es vorrangig daran liegt, daß das Publikum ein Werk zu wenig kennt. Vielmehr vermute ich eine allgemein zunehmende "Inflation des Großartigen" verbunden mit ständig abnehmender Kritikfähigkeit (in beide Richtungen). - Heutzutage ist ja quasi jeder Prominenten-Pups mindestens medial berichtenswert, eigentlich irrsinning bedeutsam und überhaupt gaaaaanz großartig. Dies gilt inzwischen nicht nur für Rock-/Pop-/Schlager-Sternchen aus der Casting-Show, sowie Film, Fernsehen und Show, sondern mittlerweile anscheinend auch für Kunstausstellungen ("Wie lang war die Schlange? Über 2 km? - Dann muß es ja großartig gewesen sein!) , Open-Air-Oper usw. - Wie kann es dann also sein, dass z.B. ein besuchtes Konzert (und sei es das letzte Provinzorchester) nicht ebenso großartig ist. Da muß man doch dabei sein, Jubeln, Trampeln und hoffen, daß keiner merkt, daß man den Eintrittspreis eigentlich in den Sand gesetzt hat ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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