Karajan - Vernichter des Wiener Mozart-Ensembles

  • ... so lautete sinngemäß die flapsige Behauptung Wolframs in einem Thread.


    Aber stimmt diese Behauptung überhaupt? Die Wiener Oper hatte bekanntlich in der Kriegs/Nachkriegszeit ein Mozart-Ensemble von überragender Bedeutung. Dies lag vor allem - neben der klugen Opernpolitik - daran, dass die Mitglieder dieses Ensembles durch die harschen Weltenläufte gleichsam an einen Ort "gefesselt" waren - zum Wohl der Wiener und Salzburger Mozartfreunde.


    In der Direktionszeit Karajans (1956 bis 1964, mit kurzer Unterbrechung) begannen sich, wie in fast allen internationalen Opernhäusern, die Hausensembles aufzuweichen, zumal die große weite Welt für Spitzensänger offenzustand - die große Sänger-Fluktuation begann, ihren Siegeszug anzutreten.


    Wie war es aber mit dem Wiener Mozart-Ensemble in der Karajan-Ära tatsächlich bestellt?


    Hier zähle ich einige Sänger auf, die in besagter Ära (teilweise auch schon davor) als Mitglieder der Wiener Staatsoper tätig waren und zum Großteil von Karajan ans Wiener Haus geholt wurden:


    Lisa della Casa, Sena Jurinac, Lucia Popp, Edita Gruberova, Rita Streich, Ileana Cotrubas, Graziella Sciutti, Olivera Miljakovic, Fritz Wunderlich, Anton Dermota, Eberhard Wächter, Heinz Holecek, Walter Berry, Erich Kunz, Paul Schöffler, Otto Edelmann, Giuseppe Taddei - um nur die zu nennen, die mir spontan einfallen.


    Dazu kamen umfangreiche Gastverträge mit Hermann Prey, Elisabeth Grümmer, Edith Mathis, Anneliese Rothenberger, Reri Grist, Cesare Siepi, Fernando Corena ...


    Wenn ich all diese Künstler vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse, komme ich zur Erkenntnis, dass wir auch in der Karajan-Ära ein erstrangiges Mozart-Ensemble besaßen, das in dieser Qualität an keinem Haus der Welt - von vereinzelten Gastspielen abgesehen - anzutreffen war. Dazu das wohl kompetenteste und großartigste Mozart-Orchester, das man sich nur wünschen kann. Dieses Orchester, gebildet aus den Wiener Philharmonikern, trug das wertvolle Gerüst jeden Opernabends, ob Mozart, Strauss, Wagner oder Verdi!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Wenn ich solche Beiträge lese, wie hier von dem hochgeschätzten Milletre, die mit so viel Engagement, Leidenschaft und Herzblut geschrieben sind, bin ich richtig stolz diesem Forum anzugehören, mit solchen tollen Mitgliedern.
    Herzliche Grüße, lieber Fritz, ins schöne Wien
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Manchmal, wenn ich solche Beiträge lese, wie hier von dem hochgeschätzten Milletre, die mit so viel Engagement, Leidenschaft und Herzblut geschrieben sind, bin ich richtig stolz diesem Forum anzugehören, mit solchen tollen Mitgliedern.

    Wenn ich hier manchmal einige so seltsame, aus der Luft gegriffene Meinungen höre, kann ich mich nur unserem Chrissy mit dem gleichen Ergebnis anschließen.


    Herzliche Grüße lieber Fritz, ins schöne Wien
    Wolfgang

    W.S.

  • Karajan - Vernichter des Wiener Mozart-Ensembles ... so lautete sinngemäß die flapsige Behauptung Wolframs in einem Thread.


    So hat Milletre eine meiner Äußerungen über Herbert von Karajan, den er persönlich kennenlernen durfte, ztiert.


    Milletres besondere Beziehung zu dem Meister aus Anif ist bereits an seinem Avatar erkennbar. Obwohl der Dirigent seine Ikonographie mit viel Zuwendung pflegte und nur ihm genehme Bilder zur Veröffentlichung freigab (meistens seines Fotografen Lauterwasser), die ihn immer von derselben, fotogeneren Seite zeigen, hat Herbert von Karajan unserem geschätzten Forianer Milletre erlaubt, dieses Bild, das jener selbst aufgenommen hat und das wir heute als dessen Avatar bewundern dürfen, zu verwenden. Sicher ein Ausdruck einer ganz besonderen Wertschätzung unseres Friedrichs, der sich dafür sicher tausendfach bedankt hat!


    Es ist verständlich, dass Milletre alle Äußerungen über seinen prominenten Freund kritisch prüft und dabei vielleicht auch manchmal über das Ziel hinaus schießen mag. Solche Schwächen machen ihn nur noch liebenswerter und zeigen, dass wir es im Forum mit Menschen zu tun haben.


    Ich darf der Vollständigkeit halber mein originales Zitat einstellen, dies auch, um Friedrichs Liebe zur Wahrheit Genüge zu tun:


    Karajan hat mit seinen Maßnahmen als Operndirektor in Wien wohl vieles zerstört. Ein Mozart-Ensemble wie in den 1950er Jahren ist unter seiner Ägide wohl nicht gewachsen.


    Gerne gebe ich zu, dass ich zu Karajan Direktionszeit nicht in Wien war.


    Ich möchte richtigstellen - und auch hier bin ich ganz sicher, in Milletres Wahrheitsliebe dafür einen engagierten Anwalt zu finden -, dass ich nicht gesagt habe, Karajan wäre der Vernichter des Wiener Mozart-Ensembles gewesen. Ich habe, wie man oben seht, lediglich gesagt, dass unter seiner Ägide kein Mozart-Ensemble wie in den 1950er Jahren gewachsen sei.


    Sicher erkennt jeder den Unterschied, ob jemand sagt, "X hat das Blumenbeet Y zerstört" oder "X hat kein Blumenbeet zum Wachsen gebracht".


    Wie andere über Karajans Zeit und das Mozart-Ensemble der 1950er Jahre schreiben, sei hier zitiert. Thomas Voigt schrieb im FonoForum März 1991:


    " ... Wie Elisabeth Schwarzkopf rückblickend meint, war es 'eines der berühmtesten Kennzeichen des Wiener Mozart-Ensembles, dass wir wirklich aufeinander gehört haben. Jeder hat sich auf den anderen eingestellt. Und dadurch hat das Publikum nicht etwa einzelne 'Stimmbesitzer' gehört, sondern das Stück. [... ]'


    Dieser künstlerische Ausnahmezustand konnte nicht ewig andauern. Spätestens als Herbert von Karajan 1956 die künstlerische Leitung der wiedereröffneten Staatsoper übernahm, kam die große Wende: Karajan führte das italienische Stagione-System ein und machte Wien zum Treffpunkt internationaler Opernstars. Trotz der glanzvollen Aufführungen, die Karajan zustande brachte, sehnten sich viele Zuschauer bald zurück nach den Zeiten der großen Ensemblekunst [ ... ]"


    Da mag sich nun jeder selbst eine Meinung bilden. Ich hoffe sehr, dass niemand, der Milletre vielleicht etwas voreilig Recht gab, nun enttäuscht ist. Das wäre nicht Sinn der Sache.


    :hello:

  • Lieber Wolfram,


    ich habe ja geschrieben, dass Du sinngemäß ... - das genaue Zitat hatte ich nicht mehr im Kopf. Aber bleiben wir beim Sinn Deiner Behauptung, Karajan hätte in Wien wohl vieles zerstört. Und Deine Schlussfolgerung: Ein Mozart-Ensemble wie in den 1950er-Jahren wäre unter seiner Ägyde wohl nicht gewachsen, das heißt doch, dass Karajan "vieles zerstört" und ein vergleichsweise qualitatives Mozart-Ensemble nicht erreicht habe.


    Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Ensemblepflege europaweit massive Einbrüche erlebt hat, das bestreitet ja niemand. Und dass in Wien durch die Kooperation mit Mailand und die Einführung der Originalsprache diese Entwicklung wesentlich rascher vor sich ging, ist ebenso unstrittig.


    Dennoch wäre ich begierig, von Dir wenigstens ein Opernhaus in D genannt zu bekommen, an dem ein zu Wien in der Ära Karajan vergleichsweise qualitativ gleich- oder gar höherwertiges Mozartensemble anzutreffen gewesen wäre. Wenn ich darauf hinweise, dass in diesen Jahren Legionen von Deutschen nach Wien zu Mozart-Aufführungen pilgerten - vice versa sah es da recht finster aus (wir fuhren in der Regel höchstens nach Bayreuth des großen Meisters wegen) -, höre ich dann wieder das bekannte Neid-Argument vom Touristen-Durchhaus Wiener Staatsoper.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Aber lieber, geschätzter Milletre! Der Wolfram hat Dir eben eine schöne Brücke aus purem Gold gebaut - und Du setzt die grobe Feile an. Die Feststellung, dass Karajan das Wiener Mozart-Ensemble vernichtet haben soll, ist nun wirklich keine sinngemäße Wiedergabe von Wolframs Bemerkungen. Im Gegenteil, Du hast ihm das Wort im Munde umgedreht.


    Im Übrigen geht es hier doch nicht um ein Opernhaus in "D", das so hochkarätig besetzte Mozart-Aufführungen hinbekommen hat wie Wien zur Zeit des großen Herrn K. - Es geht um Wien.


    Die Schwarzkopf bringt es auf den Punkt. Danke, Wolfram, dass Du dieses kluge Zitat in die Diskussion eingebracht hast.


    Karajan hat zu einem sehr frühem Zeitpunkt die Globalisierung ins Opernleben gebracht. Das ist wohl nach den Jahren der Abschottung im Gefolge des Hitlerkrieges eine fast schon gesetzmäßige Notwendigkeit gewesen. Wien war durch den Anschluss an Nazideutschland schwer gezeichnet und isoliert. Die Welt wurde plötzlich wieder größer. Denn, das so genannte Wiener Mozart-Ensemble war auch eine sehr fruchtbare Form des Unter-sich-seins.


    Fortan gaben sich die internationalen Stars am Ring die Klinke in die Hand. Die Aufführungen - und das ist den Mitschnitten noch heute anzuhören - wurde aber auch ein Stück weit beliebiger, wenngleich auf sehr hohem Niveau. Ob London, New York, Mailand, Lissabon, München, Hamburg - in zunehmendem Maße klang es überall gleich, weil immer die gleichen Künstler am Werke waren. Die Wiener Individualität war hin. So ist das nun mal. Karajan war gewiss ein Visionär, aber er war auch ein Zerstörer des Althergebrachten.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo Milletre,


    eine Empfehlung von mir (ob Du ihr nachkommen willst, sei Dir freigestellt - wenn Nein, dann wäre das...):


    Lies' doch mal bitte im Thread "Intern" den Beitrag von moderato bzw. das darin enthaltene Zitat (incl. Link) - es dürfte eine wahres "Erkenntnisbergwerk" für Dich werden.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Dennoch wäre ich begierig, von Dir wenigstens ein Opernhaus in D genannt zu bekommen, an dem ein zu Wien in der Ära Karajan vergleichsweise qualitativ gleich- oder gar höherwertiges Mozartensemble anzutreffen gewesen wäre.


    Lieber Milletre,


    niemand bestreitet, dass Herbert von Karajan alles daran setzte, die Wiener Staatsoper mit den besten verfügbaren Sängern zum Glänzen zu bringen. Die Kritiken jener Zeit sprechen eine klare Sprache von Sternstunden des Verdi-, Wagner-, Puccini- und Strauss-Gesangs, um nur einige Schwerpunkte zu benennen. Wenn Du sagst, dass es nirgends auf der Welt besseren Mozart-Gesang zu hören gegeben habe, so mag das sein. Ich will das nicht vergleichen.


    Mir ging es nicht darum, zu fragen, wo die besten Sänger gesungen haben mögen, sondern ob eine besondere, weltweit einzigartige Kultur des Ensemblegesangs mit dem Beginn der Ära Karajan eventuell ihr Ende gefunden hat.


    Mit Rücksicht auf Dich will auch nicht die einschlägigen Rezensionen über Karajans Aufnahmen von Mozart-Opern aus der Zeit um 1950, als das legendäre Mozart-Ensemble eigentlich noch intakt war, zitieren. Die führen schärfere Worte als das von mir eingestellte Zitat von Thomas Voigt. Angesichts des allerseits bestätigten singulären Ranges des Ensembles ist es ja höchst erstaunlich, dass hier nichts entsprechend Einzigartiges gelungen sein soll. Ob angesichts der Verletzlichkeit des Meisters aus Anif vielleicht sogar ein Zusammenhang bestehen mag mit Maßnahmen, die den Ensemblegedanken nicht beförderten, will ich hier nicht spekulierend erörtern.


    Sicher ist Dir bekannt, dass man bei Mozart-Aufnahmen jener Zeit in der Regel Giulini (Giovanni, Figaro), Krips (Giovanni, Entführung), Böhm (Cosi), E. Kleiber (Figaro) und als wohlbekannten Geheimtipp den heute ansonsten fast vergessenen Moralt (Giovanni, Cosi) empfiehlt - und dies, obwohl diese Aufnahmen meist Mitte der 1950er Jahre und später entstanden sind - also, als das Wiener Mozart-Ensemble so nicht mehr existierte.


    Ich freue mich über die Karajan-Aufnahmen des Trovatore (Salzburg 1962), der Aida (1958/59, Tebaldi/Bergonzi), des Otello (del Monaco, 1960), des Falstaff (1959), der nachproduzierten Bohème der 1970er Jahre, in der Pavarotti den in der ursprünglichen Mailänder Produktion singenden Gianni Raimondi glanzvoll ersetzte, der Tosca (1962, Price/Corelli), des Rosenkavaliers (1956) sowie der Ariadne (1954) - allesamt legendäre Aufnahmen, die ihren Ausnahmerang über die Jahrzehnte nicht verloren haben, und deren besonderes Gelingen dem großen, Dir persönlich bekannten Dirigenten ganz wesentlich zu verdanken ist.


    Diese Aufnahmen halte ich sehr in Ehren. Manchmal, wenn ich sie höre, meine ich geradezu, dass Karajan als Operndirigent noch Außerordentlicheres geleistet haben mag denn als "reiner" Orchesterdirigent - bis ich seine Aufnahme von Beethovens ach so abgedroschener 5. Sinfonie aus dem Jahre 1961 höre oder die 9. aus demselben Zyklus oder auch von 1977, oder Brahms oder Tschaikowsky oder Sibelius oder Schönberg ... es ist des Schwärmens kein Ende.

  • An dieser Stelle möchte ich Wolfram und zweiterbass einen Strauß Blumen der Versöhnung überreichen, denn dass ich auf manch Seitenhiebe oft überreagiere, ist mir sehr wohl bewußt. Ich glaube, irgendwo in der Mitte könnten wir uns sehr wohl treffen.


    Ich habe auch nie behauptet, dass Karajan ein begnadeter Mozart-Dirigent (den "Giovanni" vielleicht ausgenommen) gewesen sein soll. Ich kann mich sogar noch an eine Kritik des renommierten Wiener Journalisten Karl Löbl erinnern, der (es ging um Karajans Dirigat der "Nozze") von einem Ping-Pong-Match in vier Sätzen sprach.


    Aaaaaaber! Wer Karajans Realisierung des "Rings", des "Tristan" und "Parsifal" sowie den unglaublich impressionistisch flimmernden "Pelléas" erleben durfte, wird in meine Begeisterung einstimmen. Dabei habe ich seine Verdi- und Puccini-Dirigate gar nicht erwähnt. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass Ihr, hättet Ihr dies erlebt, meine Begeisterung und Hochachtung verstehen (und vielleicht sogar teilen) würdet.


    Liebe Grüße an Euch beide
    von Fritz

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Lieber Milletre,


    vielen Dank für die Blumen - darf ich mich mit einem Versöhnungsgläschen trockenen Rieslings aus meiner Heimat revanchieren?


    In unserer Karajan-Begeisterung bei Verdi, Wagner, Puccini, Strauss und vielem anderen (Beethoven, Brahms, Sibelius, ... ) stimmen wir völlig überein.


    Auf weitere erfreuliche Diskussionen!


    Viele Grüße vom Rhein-Nahe-Eck
    Wolfram


    :hello:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Dennoch hat der auch von mir in den meisten seiner Interpretationen überaus geschätzte Herbert von Karajan die weltweite Globalisierung der Oper maßgeblich gefördert, wenn nicht gar ausgelöst. Dies trug maßgeblich, gewollt oder ungewollt zur weitgehenden Auflösung des Ensembletheaters bei.
    Segen oder Fluch? Wahrscheinlich beides. Auch ohne den großen Reformer und Technikfreak Karajan wäre diese Entwicklung gekommen.
    Allerdings, mein lieber Milletre, als Folge dieser Entwicklung liefen auch immer mehr lieb gewonnene, altgewohnte Inszenirungen aus und wurden durch neuere in Orignalsprachen gesungene Aufführungen ersetzt. Auch die Regie änderte sich, bis hin zu dem von Dir engagiert abgelehnten Regietheater. War vielleicht gerade Herbert von Karajan dafür ein Wegbereiter? Entwicklungen sollten also immer ganzhheitlich betrachtet werden.


    Herzlichst
    in Freundschaft
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • An dieser Stelle möchte ich Wolfram und zweiterbass einen Strauß Blumen der Versöhnung überreichen,


    Hallo milletre,


    den ich sehr gerne annehme ("wie soll der nun geteilt werden, nachdem - je - fehlt" :hahahaha: ). Ich werde mich, zu gegebener Zeit, mit einer CD-Empfehlung, nur für Dich, bei Dir revanchieren
    (revanchieren, damit meine ich nicht "rächen"!).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Rheingold hat Frau Schwarzkopf als Kritikerin am großen Herbert von Karajan angebracht. Ich entgegne mit Christa Ludwig und vielen anderen, die eindeutig der Meinung sind, daß es kaum einen Dirigenten gab, der so auf Sänger eingehen konnte wie der Herbert. Christa Ludwig hat ihn vertraut bis zur Selbstaufgabe. Und sie wird schon wissen warum.


    Leider kann ich das nur aus Berichten und Dokus heraus begründen, denn mir war leider nicht gegeben, ihn persönlich zu erleben geschweige denn persönlich zu kennen. Wenn mir auch die militärische Anordnung und Disziplin mancher Fernseheinspielung bes. von Beethoven-Sinfonien nicht besonders gefallen, so war er doch eine beeindruckende Persönlichkeit und zählt für mich zu den allergrößten Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts. Schade, daß auch Genies kein ewiges Leben haben.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Schade, daß auch Genies kein ewiges Leben haben.


    Genies haben im besten Falle ewigen Ruhm.


    Jemanden zum Genie zu erklären, bedeutet ja nicht, jeden denkbaren Makel abzuwaschen, um eine strahlende, leuchtende Gestalt auf einen Sockel zu stellen. Luther hat knallharte antisemitische Schriften verfasst, Goethe war Weiberheld, Mozart hat bedeutende Summen beim Billard verspielt, Beethoven war Misanthrop, Mussorgsky und Sibelius waren Alkoholiker, - na und?


    Dass wir Seiten der Genies kennenlernen, die wir nicht als positiv ansehen, macht unser Bild von ihnen nicht ärmer, sondern reicher.


    :hello:

  • Die nicht so positiven Seiten machen Genies doch auch menschlich. Sibelius' Alkoholismus etwa. Und trotzdem war er m. E. eine ganz starke Persönlichkeit, was man sogar auf den späten Photos noch merkt. Jemand, der mitreisst und Charisma hat. Herbert von Karajan war auch so jemand. Der gealterte Maestro wirkt auf mich noch unnahbarer und trotz seiner unübersehbaren körperlichen Gebrechen eindrucksvoll.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Wolfram, das kann man weiterführen. Donizetti und Schumann haben die Syphilis bestimmt nicht durch zurückhaltendes Leben eingefangen. Lanz hat sich totgefressen, Björling hat auch der Alkohol geschadet.


    Ich wollte mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß auch ein Karajan sterben mußte. Sicher hast Du da etwas falsch verstanden.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    oh - dann habe ich Deinen letzten Satz falsch verstanden. Ich habe ihn so verstanden, als ob Du sagen wolltest, dass der Geniestatus nur von begrenzter Haltbarkeit wäre - und zwar vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Zeilen vor allem deswegen, weil immer jemand etwas zu meckern habe (vgl. Schwarzkopf/Ludwig).


    Jetzt habe ich Deine Absicht verstanden, danke.


    :hello:

  • Rheingold hat Frau Schwarzkopf als Kritikerin am großen Herbert von Karajan angebracht. Ich entgegne mit Christa Ludwig und vielen anderen, die eindeutig der Meinung sind, daß es kaum einen Dirigenten gab, der so auf Sänger eingehen konnte wie der Herbert. Christa Ludwig hat ihn vertraut bis zur Selbstaufgabe. Und sie wird schon wissen warum.


    Mit dieser Feder darf ich mich nicht schmücken. Wolfram hat die Schwarzkopf dankenswerter Weise ins Spiel gebracht mit genau den Gedanken, die ich teil. Nicht ich. (Beitrag 4) Die Kritik der Schwarzkopf an Karajan ist nicht so eindeutig wie das jetzt in Deinem Beitrag - auch in Bezug auf die Ludwig - anklingt. Sie hat ihre Vorbehalte sehr klug angebracht. Sie hat seine Leistungen als Dirigent immer sehr geschätzt. Es ist aber auch eine Tatsache, dass Karajan die meisten seiner Sänger irgendwann links liegen ließ, wenn nicht gar verriet. Nämlich genau in dem Moment, wenn er sie nicht mehr gebrauchen konnte, wenn sie ihm nicht mehr nützten. So ist er dann auch mit Walter Legge, dem berühmten EMI-Produzenten und Mann der Schwarzkopf umgesprungen. Dabei hatte Legge Karajan erst zu dem gemacht, was er schließlich wurde. Legge hat dem politisch schwer belasteten NSDAP-Mitglied Karajan nach dem Ende Hitlerdeutschlands geholfen, wieder Fuß zu fassen. Ich möchte hier keine politische Debatte anzetteln, was nicht gern gesehen wir in diesem unpolitischen Forum. Die NSDAP-Mitgliedschaft schmälert auch Karajans künstlerische Lebensleistung nicht.


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Beethoven war Misanthrop,


    ... und wohl auch dem Alkohol sehr stark zugeneigt, was letztlich zu einer Leberzirrhose führte. Diese, zusammen mit den Schädigungen durch das Versüßen seines Weins mit "Bleizucker", der auch für die Hörschädigung verantwortlich war, war die Todesursache. Den Misanthrop, der er für die Umwelt war, negiert er. Nachzulesen in seinem "Heiligenstädter Testament" vom 6. Okt. 1802.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...