"Die Zauberflöte" - welch großartige Musik trotz grauenvollem Libretto

  • Auf die Musik der "Zauberflöte" inkl. Gesang möchte ich ungern verzichten ... allerdings finde ich das Libretto alles andere als gelungen ...!


    Dieses Zitat aus "Ist Oper Unterhaltung oder Kunstwerk?" unseres Chefs fordert mich regelrecht dazu heraus, festzustellen, dass hier Mozart eine wahrhaft großartige Musik zu einem grauenhaft schändlichen Text komponiert hat.


    Auch wenn die Scheußlichkeiten ihrer Aussage vor allem der Freimaurer-Ideologie geschuldet sind, kann ich nicht umhin, diese inhumanen Postulate als menschenverachtend, ja pervers zu bezeichnen. Natürlich finden sich in Organisationen wie bei Freimaurern wie auch bei fast allen Religionsideologien diese grausamen Muster, wo kritiklose Unterwerfung, blinder Gehorsam und die Ausschaltung jedweder individuellen Regung geradewegs zu den höchsten Weihen und somit zur alleinseligmachenden "Erleuchtung" führen.


    Ein unverdauliches Ärgernis ist auch die Rassen- und Frauenfeindlichkeit (Zitate gefällig?) dieses Libretto-Machwerks, das schlußendlich einen unter frenetischen Huldigungsrufen der Untertanen auftretenden salbadernden kinderentführenden Oberguru präsentiert, der salbungsvoll seine Segnung an standhafte und verschwiegene Auserwählte verteilt.


    Wen stört's, daß der einzige allzu menschliche Kerl dieser Oper quälende Prüfungen über sich ergehen lassen muß, nur weil er großsprecherisch behauptete, die böse Schlange erwürgt zu haben. Dafür darf er in der Folge das wahrscheinlich berührendste Liebesduett aus Mozarts Feder mit der falschen Partnerin singen. Aber diesen Kunstkniff kennen wir ja schon aus dem "Don Giovanni" ("Reich mir die Hand, mein Leben") ...


    Die unverständliche Wandlung der Königin der Nacht von der sorgenzerfressenen liebenden Mutter zur finsteren Megäre ist auch ein absonderliches Kapitel für sich.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich nehme an, lieber Fritz, dass du Einiges der Ausführungen ironisch gemeint hast. Wenn man das alles allzu enrsthaft meint, kann man in vielen Opern moralisch Verwerfliches, jedenfalls nach unseren ethischen Grundsätzen, finden. Oder hat sich schon jemand ernsthaft darüber aufgeregt, dass Hänsel und Gretel in der gleichnamigen Oper einen Mord begehen (an der Hexe). Nach unserem Recht wäre das verwerflich, sie hätten sie höchstens kampfunfähig machen dürfen, um sie einer ordentlichen Gerichtsbarkeit zuführen zu können. Im Fidelio könnte man Rocco und sogar Florestans Gattin Leonore der vermeintlichen Beihilfe zum Mord zeihen, wenn man nicht wüsste, dass sie (Fidelio) ihn (Florestan) ja in Wirklichkeit retten will. Und so könnte man in vielen verschiedenen Suppen viele verschiedene Haare finden.
    Was die frauenfeindlichen Aussagen in dem Libretto betrifft, bin ich natürlich ganz bei dir, das ist sehr seltsam, zumal ja am Schluss mit Pamina ausgerechnet eine Frau doch diesem elitären Zirkel zugeführt wird.
    Letztendlich führt uns jedoch die zentrale Aussage dieser Oper in der Arie des Sarastro "In diesen heil'gen Hallen kennt man die Rache nicht" zu der Erkenntnis, dass wir es hier doch mit einer moralischen Geschichte zu tun haben. Übrigens habe ich diese Arie in meiner Matura zusammen mit ihrem Gegenstück, der Arie des Kaspar "Schweig, schweig, damit dich niemand warnt" aus dem Freichütz vorgetragen, obwohl ich von Haus aus Tenor bin, mir aber die tiefen Lagen durchaus nicht fremd sind.


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Über die Qualität des Zauberflöten Libretto ist viel geschrieben worden . sowohl bei Tamino, als auch schon zu Lebzeiten Mozarts. Man hat es oft ins Lächerliche gezogen, den Weltverbesserer Sasrastro, den einfältigen Prinzen "Wendehals" und die salbungsvoll-dümmliche Priesterschar. Inwieweit es sich hier um eine Parodie handelt, das wurde oftmals behandelt, ich glaube aber, daß es nur aus heutiger Sicht so wirkt, den uim 1790 war dei Welt und ihre Werte anders beschaffen.
    Niemand wäre damals auf die Idee gekommen das Libretto als "frauenfeindlich" zu bezeichnen, die Vormachtstellng des Mannes in der Gesellschaft war damals unumstritten - na ja zumindest beinahe. Man beachte auch den Thread zu diesem Thema:
    http://tamino-klassikforum.de/…page=Thread&threadID=1889
    Aber schon zu Mozarts Zeiten war das Libretto nicht unangefochten
    Johann Karl Graf Zinzendorf rief nach der Uraufführung:
    „Das ist ja eine unglaubliche Farce!“
    Und er machte eine entprechende Eintragung in seinem Tagebuch, wobei er die Bühnebilder ausdrücklich lobte - etwas das er heute vermutlich nicht mehr tun würde.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich finde das Libretto Schikaneders für einen Operntext eher leicht überdurchschnittlich (grauenvoll sind für mich libretti, die de facto zur Nichtaufführung der Oper führen wie bei Webers Euryanthe) und weit interessanter als die Tirade, die diesen Thread hier eröffnet.

    Mozart (und auch Haydn) waren Freimaurer und ich glaube nicht, dass sie einer "infamen, menschenverachtenden Ideologie" anhingen. Im Gegenteil, waren die Freimaurer seinerzeit Vorreiter der Aufklärung und sozialer Reformen. In Braunbehrens Buch "Mozart in Wien" finden sich einige zeitgenössische Deutungen der Zauberflöte (so wurde die Königin der Nacht mit Maria Theresia und mit der kath. Kirche, jedenfalls mit zu überwindenden reformfeindlichen Kräften in Verbindung gebracht). Natürlich kann man nicht nachweisen, dass Mozart und Schikaneder solche Kodierungen bewusst hineinbrachten, aber die Zeitgenossen haben sich das sicher nicht komplett zusammenfantasiert.
    Kein geringerer als Goethe fand das Libretto anscheinend so faszinierend, dass er einen zweiten Teil skizzierte (der Fragment geblieben ist). Ich finde das immer wieder frappierend im Forum: Einerseits werden die Klassiker vergöttert bis zum Gehtnichtmehr, andererseits traut man ihnen zu, kompletten Schwachsinn zu vertonen. Wenn Mozart einen Operntext vertonte, in dem Symbolik einer Organisation vorkommt, in der er ein begeistertes Mitglied war und jemand wie Goethe diesen Text anscheinend spannend fand, bin ich erstmal sehr vorsichtig, bevor ich so einen Text als schwachsinnig oder gar als menschenverachtend und ideologisch abkanzele.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes, Du triffst es genau.


    Ich dachte immer, die Debatte über den Text der Zauberflöte ist entschieden (genau so wie bei Cosi), nämlich zu Gunsten dieses Textes, den ich für einen der besten und interessantesten in der Opernliteratur halte. Man muss ihn nur genau lesen, auch die sehr ausführlichen Dialoge, die auf dem Theater kaum mehr zur Kenntnis genommen werden, für die Doppelbödigkeit der Geschichte aber unerlässlich sind. In der Rezeption der Oper ist immer zu viel Wert gelegt worden auf die menschenfreundliche Botschaft und nicht so sehr auf die dunklen und finsteren Abseiten, die die Utopie erst im richtigen Licht erscheinen lassen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich glaube, Herr Schikaneder wüde sich scheckig lachen, wenn er sehen könnte, welch Aufhebens über seinen simplen und unlogischen Text über 200 Jahre nach dessen Entstehen gemacht wird.
    Die Oper enthält alle Elemente eines Schundromans - eines gekonnten - versteht sich - und war fürs einfache Volk gedacht. Maria Thresia als "Königin der Nacht" - daß ich nicht lache.
    Wenngleich die Herrscherin PERSÖNLICH von tiefstem Konservativismus geprägt war, so umgab sie sich dennoch mit den fortschrittlichsten Geistern ihrer Zeit als ihre Berater und Minister. Sie führte die allgemeine Schulpflicht ein, warb für die Pockenimpfung, reformierte Heer und Verwaltung.
    Der Text des Herrn Schikaneder ist indes nicht grauenvoll, sondern raffiniert, lässt er doch alle Fragen offen und regt so zu Diskussionen an. Mozart soll indes mit Schikaneder während der Arbeiten an der Zauberflöte über den Text micht einer Meinung gewesen sein. Zudem Hatte die Oper anfangs einen schlechten Ruf, mann nannte sie - ihrer zahlreichen neuartigen Bühneneffekte wegen - "die neue Maschinenoper"....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Zauberflöte hat wesentlich weniger von einem "Schundroman" als Tosca, Rigoletto, usw. Maria Theresia war längst tot, aber die Reformen Josephs stießen auf erheblichen Widerstand etablierter Kreise (aber auf Zustimmung bei fortschrittlich eingestellten Bürgern und Freimaurern wie Mozart). Die entsprechende Deutung haben sich keine Wissenschaftler des 20. Jhds. ausgedacht, sondern sie lässt sich in zeitgenössischen Quellen finden; ich habe aber keine Lust, das jetzt für Euch noch mal nachzulesen und zu referieren. Zu meinen, dass in einer politisch so bewegten Zeit wie der damaligen (in der die Adligen morgens als erstes nachfühlten, ob ihre Köpfe noch festsaßen...), solche Untertöne bloßer Zufall gewesen wären, ist ziemlich naiv und ein Zeichen dafür, wie vollständig man zB Mozarts Musik seiner Zeit enthoben und zu reinem Genuss oder bloßer Unterhaltung verkommen hat lassen.


    Dass man an ein symbolisches Märchen nicht mit "Realismus" herangehen kann, dürfte sich von selbst verstehen. Natürlich ist das teils inhomogen zusammengestrickt, zwischen Vorstadtkomödie, Märchen und Maurersymbolik. Aber diese Inhomogenität teilt die Musik, obwohl Mozart selbstverständlich ein viel größerer Komponist war als Schikaneder Dichter. Mozart zögert nicht, dem Publikum neben Papageno-Burleske nicht nur zwei Koloaraturarien im hochdramatischen Stil der opera seria, sondern auch eine fugierte Ouverture und ein kontrapunktisches Choralvorspiel (Szene der Geharnischten) zuzumuten. Wie u.a. Charles Rosen hervorgehoben hat, teilt die Zauberflöte diese scheinbar unmögliche Kombinationen von volkstümlichem, gelehrtem, komischem und erhabenem Stil, die Nebeneinanderstellung von Choral, Fuge, Tanz, Posse usw. mit Werken wie den späten Sinfonien und Oratorien Haydns und sogar, vielleicht mit noch stärkeren Kontrasten, einigen Werken des späten Beethoven: dem Finale der 9. Sinfonie, den Diabelli-Variationen, und sogar den späten Quartetten (man betrachte die Satzfolge in op.130 mit der "Danza tedesca" zwischen einem divertimento-nahen Andante und der Cavatina oder auch das letzte Quartett op.135 mit seinem derben Trio und volkstümlichem Finale).


    Es scheint nicht verfehlt, in diesem bewussten Zusammenfassen von heterogenen Elementen ein aufklärerisches Programm zu sehen. Die Utopie, die Zauberflöte und 9. Sinfonien beschwören, ist kein vergeistigtes Reich, sondern gemeinschaftliches Vergnügen und Sinnesfreuden haben hier ebenso ihren Platz.
    Klar, in der Zauberflöte gibt es noch ein paar Märchenbösewichter, denen anscheinend übel mitgespielt wird (allerdings geht, soweit ich erinnere, aus dem Libretto hervor, dass Monostatos die angedrohte Bastonade gar nicht erhalten hat) und entsprechend wirkt Sarastro zwiespältig. Aber es ist keine Rede davon. dass Pamina und Tamino nicht gleichberechtigte "Geweihte" werden können, schlichten Gemüter wie Papageno werden ihre schlichten Vergnügen gegönnt. Und auch das "Bei Männern, welche Liebe fühlen"-Duett spricht m.E. (besonders für die damalige Zeit) für ein durchaus gleichberechtiges Geschlechterbild. (Dass außer der Königin keine "starke Frau" wie Blonde oder Susanna vorkommt, ist wohl dem Märchenszenario geschuldet. Allerdings hat es Pamina anscheinend geschafft, sich alleine Monostatos zu erwehren und zu fliehen.)


    Es behauptet wohl niemand, dass Schikaneders Vorlage literarisch und dramaturgisch perfekt sei. Selbstverständlich schweißt erst Mozarts Musik die Sache zusammen. Aber die vielen unterschiedlichen, wenn auch teils heterogen vermengten Aspekte machen mit ziemlicher Sicherheit auch einen Teil der Erfolgsgeschichte des Werks aus. Den Text als absurde Posse abzuqualifizieren ist eine Beleidigung für die Intelligenz und das dramatische Gespür von Schikaneder, Mozart, Goethe, sowie von Komponisten, Interpreten und Publikum, die seit über 200 Jahren von dem Stück fasziniert sind.

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  • Ich nehme an, lieber Fritz, dass du Einiges der Ausführungen ironisch gemeint hast. Wenn man das alles allzu enrsthaft meint, kann man in vielen Opern moralisch Verwerfliches, jedenfalls nach unseren ethischen Grundsätzen, finden ... Liebe Grüße


    Willi ^^


    Mitnichten, mein lieber Willi. Aber dazu muß ich etwas weiter ausholen. Wenn ein Individuum tradierte Postulate plötzlich beginnt zu hinterfragen, die einfach kritiklos, um nicht zu sagen, gedankenlos das allgemeine Weltbild prägen, fällt es unweigerlich "auf die Goschen", wie man bei uns zu sagen pflegt. Ein besonders beeindruckendes Beispiel gibt Heinrich Böll in seinem Werk "Ansichten eines Clowns". Von diesem Roman geprägt, bin ich einfach nicht bereit, unhinterfragt widersinnig-absurde Kollektivmeinungen mir zu eigen zu machen. Dies betrifft vor allem Ideologien, die zur Basis von Religionsdiktaten wurden. Denn wisse: Suchst du nach Erkenntnis, wirst du postwendend aus dem Paradies geworfen.


    Deshalb bin ich besonders kritisch, wenn (selbsternannte) Heilsbringer, und da sind wir schon bei Oberguru Sarastro, die hohen Weihen der Glorifizierung dem teilhaftig werden läßt, der im Prüfungstempel durch Gehorsam, Verschwiegenheit, also durch Kuschen, die Segnungen der Auserwähltschaft erringt. Bezeichnend ist ja, dass Papageno, der einzige echte Mensch dieses Stücks, diesen Popanzen eins pfeift und lieber so bleiben möchte, wie er eben ist. Dass er schlussendlich dann doch seine Papagena erhält, ist die wahre Ironie dieser "Zauberflöte".

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Deshalb bin ich besonders kritisch, wenn (selbsternannte) Heilsbringer, und da sind wir schon bei Oberguru Sarastro, die hohen Weihen der Glorifizierung dem teilhaftig werden läßt, der im Prüfungstempel durch Gehorsam, Verschwiegenheit, also durch Kuschen, die Segnungen der Auserwähltschaft erringt. Bezeichnend ist ja, dass Papageno, der einzige echte Mensch dieses Stücks, diesen Popanzen eins pfeift und lieber so bleiben möchte, wie er eben ist. Dass er schlussendlich dann doch seine Papagena erhält, ist die wahre Ironie dieser "Zauberflöte".


    Ja, aber lieber Milletre, ist das nicht auch eine echte Stärke des Werkes bzw. des Librettos? Genau, Papageno bleibt wie er ist - also absolut nicht tauglich für den Kreis der Auserwählten - und trotzdem bekommt er Papagena. Ich sehe genau wie du alle Gurus, selbsternannte Heilsbringer und Ideologen aller Art sehr kritisch, aber spricht ein solch großzügiges Verhalten gegenüber Papageno nicht gerade FÜR diesen, wenn auch etwas seltsamen Verein? Und dass die Freimaurer zwar hohe Ideale propagierten, aber seltsamen Riten frönten und sich mit ihrer Geheimnistuerei nicht unbedingt beliebt machten, ist ja hinreichend bekannt. Für mich ist die Zauberflöte daher keine Verherrlichung, sondern eine ironische Darstellung der Freimaurerei - mit all ihren Widersprüchen und Eigenheiten.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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  • Johannes hat es für mich auf den Punkt gebracht, wenn er von einem symbolischen Märchen spricht. Ich gebe einerseits zu, dass ich ursprünglich das märchenhafte, simple, schwarz-weisse einfach nicht mochte. Ich gebe andererseits gern zu, einmal die DVD angeschaut zu haben und mich weinselig in die Geschichte hineingetrunken habe, am Schluss saß ich tränenüberströmt in meinem Sessel und war glücklich, eine so klare gute Philosophie geboten bekommen zu haben. Ich gebe außerdem zu, dass es ohne den Wein bestimmt nicht so toll geklappt hätte. - Es war ein Rosso di Montalcino -.
    An Operntexte so heranzugehen, dass man sie -z.B.- nach frauenfeindlichen Stellen abklopft, scheint mir unangemessen. Hier werden Emotionen herausgekitzelt, sicherlich auch Themen stark vereinfacht, aber genau das, die Vereinfachung und Verdichtung in richtung reine Emotion ist doch genau die Stärke der Oper. Und insofern klappt das doch bei der Zauberflöte hervorragend.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wenn Mozart einen Operntext vertonte, in dem Symbolik einer Organisation vorkommt, in der er ein begeistertes Mitglied war


    und natürlich völlig losgelöst von eigenen Interessen/Annehmlichkeiten/Vorteilen!?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat von Strano Sognator:

    Zitat

    Für mich ist die Zauberflöte daher keine Verherrlichung, sondern eine ironische Darstellung der Freimaurerei - mit all ihren Widersprüchen und Eigenheiten.

    Genauso sehe ich das auch. Für mich hat die ZAUBERFLÖTE kein "Grauenvolles Libretto", sondern ist, trotz des nachträglichen Einbaus der Figuren Papageno und Papagena durch Schikaneder, eine der schönsten Mozart-Opern überhaupt..

    W.S.

  • Zitat

    "Grauenvolles Libretto"

    Die Zauberflöte ...
    Hervorragende Arien für Sopran, Bariton, Tenor und Bass. Wunderbare Chöre. Es gibt sogar Aufnahmen für Kinder, Hörspiele, Scherenschnitte, Marionettentheater uvam. Sie zählt zu den bekanntesten und mit am häufigsten aufgeführten Opern. Klasse! Das Libretto ist mir sch...egal!.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • und natürlich völlig losgelöst von eigenen Interessen/Annehmlichkeiten/Vorteilen!?


    Was meinst Du damit? Dass Mozart nur wegen "connections" bei den Freimaurern gewesen ist? Das entspricht nicht meinem Kenntnisstand, aber ausschließen kann man es natürlich nicht. Allerdings hatte es sicher nicht nur Vorteile: Lt. wikipedia hatte Maria Theresia 1743 die erste österr. Loge auflösen lassen, nach ihren Tode 1780 wurden die Logen geduldet, 1795 wieder verboten (nicht jedoch in Ungarn).
    (Es gab wohl sogar mal die bizarre Theorie, die Freimauerer hätten Mozart vergiftet, weil er in der Zauberflöte Logengeheimnisse ausgeplaudert hätte... das Libretto hat er allerdings nun nicht geschrieben und Schikaneder erfreute sich noch bis 1812 bester Gesundheit.)


    Ich habe keine Schwierigkeiten damit, dass die Zauberflöte einerseits als ein Plädoyer für "Tugend und Gerechtigkeit" oder sogar spezifische maurerische Ideale aufgefasst werden kann, andererseits nicht frei von Seitenhieben auf die elitären Geweihten ist. Wie oben gesagt wurde, zwingen sie den Papageno zu nichts, sondern lassen ihn Wein, Weib und Gesang genießen.
    Das ist eben die Gemeinsamkeit mit der Ode an die Freude in der 9. Sinfonie: "Küsse gab sie uns und Reben, einen Freund geprüft im Tod, Wollust ward dem Wurm gegeben und der Cherub steht vor Gott."


    Ich bin kein Spezialist für Operngeschichte; aber ich glaube, Opern mit komplett katastrophalen Libretti überleben keine 200 Jahre als eines der beliebtesten Stücke. (Man sollte die Intelligenz des Opernpublikums gewiss nicht überschätzen, aber auch nicht ganz unterschätzen.) Die Musik allein kann in der Praxis keine Oper retten (Bsp. Webers Oberon und Euryanthe). Das Zauberflötenlibretto ist anscheinend vielschichtig genug, um in Aufklärung, Romantik und Moderne genügend Interesse zu bieten.

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    (Bob Dylan)

  • Das Zauberflötenlibretto ist anscheinend vielschichtig genug, um in Aufklärung, Romantik und Moderne genügend Interesse zu bieten.


    Vorneweg: Ich sehe - im Unterschied zu diversen Taminos - in der "Zauberflöte" wahrlich keine Karikierung oder gar Entlarvung der Freimaurer-Ideologie. Dazu war dieses Thema Mozart/Schikaneder viel zu ernst und wichtig. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass die beiden hinter den Aussagen des Werks eine ernstzunehmende Botschaft sahen.


    Erster Priester: Ihr Fremdlinge, was treibt euch an, in unsere Mauern zu dringen?
    Tamino: Freundschaft und Liebe.


    Hier erkennen wir, dass die beiden aus reiner Liebe dieses Ungemach auf sich genommen haben und keineswegs, um ideologisch indoktriniert zu werden. Dennoch:


    Zweiter Priester: Willst auch du die Weisheitsliebe (was immer dies auch sein mag!) erkämpfen, Papageno?


    Papageno: Kämpfen ist meine Sache nicht. Ich verlange auch im Grunde gar keine Weisheit.


    a.a.O.: Tamino (für sich): Ein Weiser prüft und achtet nicht, was der gemeine Pöbel spricht.


    Welch schrecklicher Sadist dieser Oberguru Sarastro ist, wird im 20. Auftritt deutlich:


    Pamina: Wo bin ich? - Wo ist Tamino?
    Sarastro: Er wartet deiner, um dir das letzte Lebewohl zu sagen.


    Ich habe fertig.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Interessant finde ich die beachtenswerte Vorwegnahme der heutzutage im Internet gepflogene Partnerschafts-Anbahnung bereits in der "Zauberflöte". Waren doch weitsichtige "Halunken", diese beiden zwei!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • PAMINA
    Das letzte Lebewohl! - wo ist er? - Führe mich zu ihm! -


    SARASTRO
    Hier! -


    PAMINA
    Tamino!


    TAMINO
    Zurück!


    Nr. 19 - Terzett
    Sarastro, Pamina, Tamino.


    PAMINA
    Soll ich dich, Theurer! nicht mehr seh'n?


    SARASTRO
    Ihr werdet froh euch wieder seh'n! -


    PAMINA
    Dein warten tödtliche Gefahren! -


    SARASTRO UND TAMINO
    Die Götter mögen ihn / mich bewahren! -


    PAMINA
    Du wirst dem Tode nicht entgehen;
    Mir flüstert Ahndung dieses ein! -


    SARASTRO UND TAMINO
    Der Götter Wille mag geschehen;
    Ihr Wink soll ihm / mir Gesetze seyn! -


    PAMINA
    O liebtest du, wie ich dich liebe,
    Du würdest nicht so ruhig seyn! -


    SARASTRO UND TAMINO
    Glaub mir, er fühlet / ich fühle gleiche Triebe,
    Wird / Werd' ewig dein Getreuer seyn!


    SARASTRO
    Die Stunde schlägt, nun müsst ihr scheiden;
    Tamino muss nun wieder fort!


    TAMINO UND PAMINA
    Wie bitter sind der Trennung Leiden!
    Pamina, ich muss wirklich fort!
    Tamino muss nun wirklich fort!


    SARASTRO
    Nun muss er fort!


    TAMINO
    Nun muss ich fort!


    PAMINA
    So musst du fort! -


    TAMINO
    Pamina, lebe wohl!


    PAMINA
    Tamino, lebe wohl!


    SARASTRO
    Nun eile fort!
    Dich ruft dein Wort.


    SARASTRO UND TAMINO
    Die Stunde schlägt; wir seh'n uns wieder! -


    PAMINA
    Ach, goldne Ruhe, kehre wieder!



    Ist sicherlich keine schöne Situation, aber Sadismus kann ich da nicht entdecken. Pamina wird ja zumindest informiert und nicht einfach im Unklaren gelassen. Auch wird von Sarastro versucht, ihr die Angst zu nehmen. Echte Fiesheit wäre in meinen Augen was anderes.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Zitat Strano Sognator:


    Zitat

    Ist sicherlich keine schöne Situation, aber Sadismus kann ich da nicht entdecken.


    Das ist wahr! Aber wer Sadismus finden will, der findet ihn auch!


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ich kann hier alles entdecken, weil alles in den Text hineinzulegen ist. Vielleicht haben die "Weisen" auch schon eine Quotenfrau gebraucht? :pfeif:



    Erich

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  • Da ich noch nicht schlafen kann, will ich mich mal hier wieder einklinken, um meinen "Senf" zu einer meiner drei "Lieblingsopern" hinzuzugeben (die anderen beiden sind Fidelio und Don Giovanni).


    Ich beziehe mich auf die letzten Postings von Johannes, Fritz und Strano Sognator. Wenn man die von Letzterem zitierten Partiturstellen (textmäßig) betrachtet, muss man ja zu dem Ergebnis kommen, dass eigentlich nichts passieren kann. Sarastro sagt ja: "Die Götter mögen ihn bewahren".
    Also ist die Aussage Sarastros: "Er wartet deiner, um dir das letzte Lebewohl zu sagen", wohl nur so zu verstehen, dass die beiden danach (nämlich nach erfolgreich absolvierter Prüfung) für immer im Weisheitstempel an exponierter Stelle vereint sind und sich nie mehr "Lebewohl" zu sagen brauchen.
    Auch das Zitat von Johannes über die Ambivalenz der Parituraussage hinsichtlich "Menschlichkeit" und "Standesdünkel" zeigt, wie weit diese Oper nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich, von ihrer Handklungsidee her, ihrer Zeit voraus war. Wenn man die Figuren der Papagena und vor allem des Papageno betrachtet, dann sieht man, wie sehr das Herz der "bösen Buben" Mozart und Schikaneder für die "underdogs", die kleinen Leute.schlägt.


    Also, lieber Fritz, "so what?"


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Völlig d'accord, lieber Willi! Aber in meinen grauhaarigen Schädel will einfach nicht hinein, dass ein sympathischer Naturbursche mit der Androhung einer recht dubiosen "Weisheitslehre" gefügig gemacht werden soll, um das Weibchen seiner Begehrlichkeit erringen zu können.


    Ebenso liebe Grüße!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich glaube, es war in dieser fabelhaften Inszenierung von August Everding mit Sawallisch am Pult, als gegen Ende ein großartiger Regieeinfall Everdings quasi in einem Ausblick auf die Zukunft darin bestand, die Bühne von einer ganzen "Horde" kleiner Papagenas und Papagenos stürmen zu lassen und damit vielleicht zu sagen: Seht her, in Wahrheit sind wir Papagenas und Papagenos doch das Rückgrat der Gesellschaft.
    Wenn Papageno hier indoktriniert werden sollte, so zeigt doch die Handlung, dass er eigentlich ganz gut dagegen gefeit ist und auch unter dem Schutz einer höheren Macht steht, denn just, als er sich das Leben nehmen will, erscheinen die drei Knaben und retten ihn.
    Und, wie aktuell ist dieser Regieeinfall angesichts der sinkenden Geburtenrate oder, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, "des demografischen Wandels", der natürlich auch die "Überalterung" der Gesellschaft mit einbezieht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Völlig d'accord, lieber Willi! Aber in meinen grauhaarigen Schädel will einfach nicht hinein, dass ein sympathischer Naturbursche mit der Androhung einer recht dubiosen "Weisheitslehre" gefügig gemacht werden soll, um das Weibchen seiner Begehrlichkeit erringen zu können.

    Ist es denn notwendig, lieber Milletre, diesen Schikaneder-Text überhaupt ernst zu nehmen? Er enthält jedenfalls so gravierende Widersprüche, dass er Kritikern der verschiedensten Richtungen eine Angriffsfläche bieteten kann.


    Ist Monostatus der böse Schwarze oder ist seine Klage ein Aufruf gegen Vorurteile und Rassismus? Man könnte auch die 77 Sohlenstreich als eine Spitze gegen ein unmenschliches Bestrafungssystem und willkürliche Rechtssprechung gerichtet sehen, denn Sarastros Auftritt ist offenbar der eines aufgeklärten Despoten.
    Die Bewährungs-Raserei war sicherlich zu Mozarts Zeit ausgeprägter als heutzutage, verschwunden ist sie aber auch bei uns noch nicht.
    Jugendweihe, Konfirmation, Wölflingsprüfung und die Tamino-Meisterprüfung sind noch die Ausläufer eine Zeitgeistes, nach dem sich nicht so Wenige heute noch zurücksehnen.


    Ganz unsympathisch war ja schließlich damals auch nicht Alles und daher sage ich zum Abschied, was viele Ostmärkler so sehr vermissen:


    Küss die Hand, Herr Baron :)

  • Zitat

    Ist sicherlich keine schöne Situation, aber Sadismus kann ich da nicht entdecken.

    Schaut euch mal die schwedische Version unter Ingmar Bergmann an, da gibt es keinen sadistischen Sarastro. So kann man auch die "Zauberflöte" inszenieren:


    W.S.

  • Ich glaube, es war in dieser fabelhaften Inszenierung von August Everding mit Sawallisch am Pult, als gegen Ende ein großartiger Regieeinfall Everdings quasi in einem Ausblick auf die Zukunft darin bestand, die Bühne von einer ganzen "Horde" kleiner Papagenas und Papagenos stürmen zu lassen und damit vielleicht zu sagen: Seht her, in Wahrheit sind wir Papagenas und Papagenos doch das Rückgrat der Gesellschaft.
    Wenn Papageno hier indoktriniert werden sollte, so zeigt doch die Handlung, dass er eigentlich ganz gut dagegen gefeit ist und auch unter dem Schutz einer höheren Macht steht, denn just, als er sich das Leben nehmen will, erscheinen die drei Knaben und retten ihn.
    Und, wie aktuell ist dieser Regieeinfall angesichts der sinkenden Geburtenrate oder, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, "des demografischen Wandels", der natürlich auch die "Überalterung" der Gesellschaft mit einbezieht.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Da kommt doch wunderbar der so sympathisch-herzliche Kinderwunsch der beiden zum Ausdruck: "Erst einen kleinen Papageno! - Dann eine kleine Papagena! (ad infinitum)".


    Ein dreifach Hoch auf das geniale Schmerzenskind, das da heißt: Die Zauberflöte! - nicht vorzustellen, um wieviel unsere Welt ärmer wäre ohne dieses Meisterwerk ...

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Und, wie aktuell ist dieser Regieeinfall angesichts der sinkenden Geburtenrate oder, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, "des demografischen Wandels", der natürlich auch die "Überalterung" der Gesellschaft mit einbezieht.

    Ist Monostatus der böse Schwarze oder ist seine Klage ein Aufruf gegen Vorurteile und Rassismus?


    Womit sich wieder einmal zeigt: Jede Generation stellt andere Fragen an ein Meisterwerk. Und legt darum das Dirigat (da merken es die wenigsten), das Singen (da merken es schon mehr) und die Inszenierung (da sieht es jeder) anders an.


    :hello: