Mein liebster aktiver Liedinterpret

  • Die Zeit bleibt nicht stehen.
    Natürlich kann der Tonträgersammler auf zahlreiche große Sänger der Vergangenheit zurückgreifen, der Konzertbesucher indes nicht. Und ich habe den Verdacht, daß dieser Konzertbesucher von heute, so er der jüngeren Generation angehört, auch seine Sammlergewohnheiten am derzeitig verfügbaren Stimmenpool orientiert. (?)


    Wie dem auch sei - Gesucht sind die - Eurer Meinung nach - derzeit dominierenden Sänger im Bereich "Deutschsprachiges Kunstlied" mit Schwerpunkt Schubert....


    Es können bis zu sechs Sänger nominiert werden - vorzugsweise mit Bezugnahme auf eine Aufnahme und ein paar erklärenden Worten WARUM man gerade diesen Interpreten für besonders wichtig hält, bzw was einem an diesem Künstler besonders gefällt.....


    Die sechs Nomiierungen können in einem Beitrag, in mehreren, oder -idealerweise -sechs Einzelbeiträgen eingetragen werden - wobei ich darum bitte, die Kandidaten (wertfrei) zu nominieren. (also mein Kandidat Nr 1 ... etc)


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    Quasthoff darf angesichts der Kriterien nicht mehr genannt werden, deswegen nur zwei


    Matthias Goerne als Bariton, wohltönende Stimme, intiutiv angemessener Zugang zu den Liedern, Wille zur Gestaltung, eigenständige Programme nach Kriterien, Themenbezogen zB.


    Das gleiche könnte ich für Werner Güra als Tenor schreiben.


    Diesen beiden höre ich sehr gerne ( und bin zugleich froh, noch anderen zu kennen)

  • Meine liebsten aktiven Liedinterprteten sind Matthias Goerne, Christian Gerhaher und Thomas Hampson. Alle drei haben auch eine ausgezeichnete Winterreise vorgelegt, Gerhaher mit Gerlold Huber, Goerne mit Alfred Brendel und Hampson mit Wolfgang Sawallisch.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Die Baritone setzen - wie vorher Dieskau und Prey - mit Gerhaher und Goerne die Maßstäbe im Liedgesang. Sehr beachtlich auch der Tenor Behle, den ich kürzlich bei einem Liederabend in Heilbronn hören durfte.
    Liest man die bisherigen Beiträge zu diesem Thema, dann kommen die überragenden Troubadoure des Liedes aus dem Baritonfach. Die Überlegenheit dieser Riege können auch so hervorragende Liedgestalter wie Peter Schreier, Tenor und Kurt Moll, Bass nicht ändern.
    Herzlichst
    Opersu

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Die Überlegenheit dieser Riege können auch so hervorragende Liedgestalter wie Peter Schreier, Tenor und Kurt Moll, Bass nicht ändern.

    Wenn es so wäre, woran könnte das liegen?


    Mir zum Beispiel ist neben Peter Schreier, der seit Ende 2005 nicht mehr öffentlich singt und deshalb von diesem Thread nicht als Liebling zugelassen ist, vor allem Christoph Prégardien als lyrischer Tenor von Stimme und Gestaltung her sehr nahe, vielleicht am nächsten. Seine Winterreise steht für mich gestalterisch auf Augenhöhe mit Interpretationen von z. B. FiDi. Ähnlich schätze ich bei den Tenören auch Werner Güra.


    Nicht gilt dies z. B. für den hier so geschätzten Matthias Goerne, dessen verwaschene Sprachgebung mich eher abstößt (seine Winterreise habe ich schnellstmöglich wieder abgestoßen. Wer so undeutlich und polternd gestaltet, kann mir auch bei ausdrucksvollster Tongebung nicht imponieren.


    Bei Christian Gerhaher wiederum treffen stimmliche Schönheit, sprachliche Deutlichkeit und Gestaltungskraft zusammen, und er gehört tatsächlich zu den Baritonen, die mir besonders lieb sind.


    Also hier einmal drei Kandidaten:
    Kandidat 1: Christoph Prégardien
    Kandidat 2: Christian Gerhaher
    Kandidat 3: Werner Güra

  • Bei den Frauenstimmen wiederum sind es eher die tiefen Stimmen, die ich bevorzuge.


    Bei Christianne Stotijn nahm mich die Stimme schon bei ihrem Debut-Album gefangen, ihre Entwicklung seitdem zeigt ganz viel Potential nach oben und in die Breite, hier höre ich eine Liedersängerin mit großer Bedeutung für die Liederszene der Zukunft.


    Ausdrucks- und deklamationsstark, mit klarer Stimme singt Anne Sofie von Otter und deckt dabei ein breites Band liedsängerischer Möglichkeiten und Inhalte ab. Ich halte sie für eine der immer noch maßstäblichen Liedsängerinnen - oder gar die maßstäbliche.


    Obwohl Bernarda Finks Stimme mir über alle Maßen liegt, lässt ihr weitausschwingendes Vibrato mir das Blut gefrieren ... ich kann's nicht ab.


    Die Nennung einer/s weiteren Kandidatin/en behalte ich mir vor.


    Kandidatin 4: Christianne Stotijn
    Kandidatin 5: Anne Sofie von Otter

  • Zitat

    Ullrich: Nicht gilt dies z.B. für den hier so geschätzten Matthias Goerne, dessen verwaschene Sprachgebung mich eher abstößt.


    Ich hoffe, dass wir hier von der gleichen Winterreise sprechen, lieber Ullrich. Wenn wir bisher in unseren Beiträgen auch weitgehend Übereinstimmung erzielten, so kann ich dir hier doch nicht zustimmen. Ich habe, bevor ich mich zu diesem Posting entschloss, noch einmal die Nr. 1 und 20-24 aufgelegt, und konnte generell keine verwaschene Sprachgebung feststellen, wenn auch das eine oder andere "t" am Ende eines tzt"-Wortes hätte deutlicher kommen können, aber alles andere war deutlich und vor allem musikalisch, interpretatorisch ohne Fehl und Tadel und führte im Verein mit Alfred Brendel zu einer der besten Interpretationen der letzten 10 Jahre.


    Bei den Tenören schätze ich im Gesamtpaket Peter Schreier am höchsten ein, was natürlich zum Teil auch an seinem Liedbegleiter, Swjatoslaw Richter, liegt. Unser Freund Swjatoslaw ging ja sogar so weit, diese Kombi als die beste überhaupt anzusehen, natürlich hauptsächlich wegen Swajtoslaw Richter. Aber es ist in der Tat schon eine beeindruckende Aufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich hoffe, dass wir hier von der gleichen Winterreise sprechen, lieber Ullrich.

    Lieber Willi, leider, ja, doch, und ich schäme mich ja auch in Grund und Boden dafür, dass ich das so anders höre als Du, alle Tamino-KollegInnen, die Rezensenten und der Rest der Welt. Aber ich kann nicht anders. Vielleicht, wenn Du das mal in den direkten Hörvergleich nehmen würdest zu Prégardien, oder zu einer beliebigen der FiDi Aufnahmen ... aber das hast Du bestimmt schon getan. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich mit meiner Ablehnung alleine da stehe. Und das kann ich mir nur so erklären, dass es eben Goernes Stimme ist, die mich (subjektiv und höchstpersönlich) nicht anspricht, und dass ich deshalb einfach keinen Draht zu seinem Gesang finde.


    Brendel ist - auch auf dieser Aufnahme - ein begnadeter Beleiter in der Individualität und differenzierten Ausarbeitung seiner Begleitung, und er kommt Richter unbedingt gleich. Ganz hervorragend! Da stimme ich völlig mit Dir überein.

  • Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich mit meiner Ablehnung alleine da stehe. Und das kann ich mir nur so erklären, dass es eben Goernes Stimme ist, die mich (subjektiv und höchstpersönlich) nicht anspricht, und dass ich deshalb einfach keinen Draht zu seinem Gesang finde.


    Hallo Ullrich,


    da stehst Du nicht alleine da, vom Höreindruck als auch von der Begründung her gesehen schließe ich mich an.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • An Baritonen fallen mir ein:


    Adrian Eröd


    Christian Gerhaher


    Thomas Hampson


    Jochen Kupfer


    Michael Volle


    Bei den Tenören tu ich mich viel schwerer. Werner Güra sei stellvertretend für hochklassigen Liedgesang erwähnt.

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Meine Auswahl bevorzugter Liedinterpreten beruht auf der Tatsache, dass ich die nachgenannten Sänger in den letzten zehn Jahren sehr oft im Konzertsaal erleben durfte.


    Gerne würde man noch einige Namen hinzufügen, aber es sind ja vom Threadstarter nur sechs zugelassen.


    Die Tenöre Christoph Prégardien und Werner Güra widmen sich primär dem Liedgesang und bieten stets einwandfreie künstlerische Leistungen. Ihre Schubertinterpretationen sind über jeden Zweifel erhaben.


    Christoph Prégardien hat – wenn ich, wie gewünscht, den Schwerpunkt auf Schubert lege – nicht nur die „gängigen“ Schubertlieder eingespielt, sondern auch „Die schöne Müllerin“ mit Ornamenten gesungen, was er aus meiner Sicht darf, wenn im Booklet folgendes steht:
    Verzierungen gehören zum Bereich des Vortrags, nicht der Komposition; jeder Sänger sollte sie dem Anlass einer Aufführung entsprechend neu erfinden. In eine gedruckte Ausgabe gehören sie nicht hinein, denn damit binden sie den Sänger – gedruckt sind es tatsächlich „Fälschungen“.


    Weiterhin hat Prégardien auch die komponierte Interpretation der Winterreise von Hans Zender aufgenommen.


    Ähnlich umfangreich könnte man auf das Wirken der Baritone hinweisen, da fällt einem gleich ein Dutzend Namen ein, aber beschränkend müssen Thomas Hampson, Christian Gerhaher und Matthias Goerne genannt werden, wobei die Stimme Goernes schon beim Ansingen eines Liedes eindeutig zugeordnet werden kann.


    Bei den Bassisten sieht es dünn aus, um so deutlicher muss man Robert Holl herausheben, der ein ausgezeichneter Schubertinterpret ist und mir in seinen auf hohem Niveau stehenden Liederabenden in Schwarzenberg immer wieder Schubertlieder angeboten hat, die ich nicht kannte.


    Schade (aus meiner Sicht), dass der junge Bassist Georg Zeppenfeld sich so stark der Oper zugewandt hat, sein Liederabend (Schwanengesang u. a.) in Dresden war sehr kultiviert gesungen, er wäre eine Bereicherung in diesem Genre.

  • Zitat

    Der Bariton ist der König des Liedgesangs!


    Diese Aussage hat was. Sind doch auch meine liebsten Liedinterpreten hauptsächlich Baritone. Ich weiß nicht, warum gerade diese Stimmlage so ideal für den Liedgesang erscheint.


    Meine liebsten Interpreten sind interessanterweise englischsprachige Künstler. Simon Keenlyside, Gerald Finley, oder eventuell auch noch Thomas Hampson.
    Bei den Tenören möchte ich auch noch Ian Bostridge erwähnen.


    Mir scheint als bemühen sich fremdsprachige Künstler bei Schubert oder Richard Strauss viel mehr um Genauigkeit mit der deutschen Sprache als es Sänger tun, die Deutsch als Muttersprache haben. Bei denen konstatiere ich manchmal einen eher etwas schlampigeren Umgang. Als ob man sich nicht um gute Artikulation bemühen müsse, weil man die Sprache ja sowieso beherrscht. :rolleyes:
    Hinzu kommt bei manchen eine etwas manierierte Vortragsweise. Darum will mir ein Matthias Goerne nicht so ganz gefallen.


    Gregor

  • Mir scheint als bemühen sich fremdsprachige Künstler bei Schubert oder Richard Strauss viel mehr um Genauigkeit mit der deutschen Sprache als es Sänger tun, die Deutsch als Muttersprache haben.


    Lieber Gregor,
    es wäre vielleicht hilfreich, wenn Du diese Aussage an einem oder auch zwei oder drei konkreten Beispielen aufzeigen könntest.
    Andersherum fallen mir gleich ein paar Beispiele ein, aber damit kam ich immer ganz gut zurecht und habe das einer Sängerin (zum Beispiel Kathleen Ferrier) oder einem Sänger(zum Beispiel Gösta Winbergh) nie angekreidet, wenn sie mit so wunderschönen Stimmen glänzen.

  • Sechs aktive Lied-Sänger darf man nennen. Allen bisher aufgeführten könnte ich auch meine Stimme geben. Ich erwähne drei Sänger, die bisher keine Nennung erfuhren und der gleichen Generation angehören. Alle drei haben Deutsch als Muttersprache.


    Ich gebe dem Tenor Hans Jörg Mammel meine erste Stimme. Ein Geburtsjahr konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Er hat Schubert-Lieder mit dem Fortepiano-Spieler Arthur Schonderwoerd eingespielt. Auf eine CD mit selten im Konzert zu hörenden Liedern Franz Liszts sei auch noch verwiesen. Hiko Dumno begleitet ihn.


    Meine zweite Nennung gilt dem Bariton Thomas Bauer *1970. Er hat ebenfalls Schuberts Winterreise aufgenommen Dies gleich zwei Mal: Jos van Immerseel ist sein Begleiter am Hammerklavier. Eine CD entstand während einer Tournee durch Sibirien. Der Pianist Siegrid Mauser reiste mit. Der Flügel in dieser Aufnahme besitzt einen sehr schönen, eigenwilligen Klang. Ein Fernsehfilm entstand, der diese Reise dokumentierte.


    Daniel Behle *1974 ist der dritte Sänger im Bunde. Die Schöne Müllerin singt er als Tenor in der von Schubert vorgesehenen Fassung. Zudem erschien Schumanns Dichterliebe op. 48 zusammen mit einigen Schuber-Liedern. In beiden Aufnahmen ist Sveinung Bjelland der Liedbegleiter.

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Meine vierte Nennung ist einem englisch sprachigen Sänger gewidmet: Ian Bostridge. Ich hatte ihn in den 90er Jahren in Südengland in einem Rezital gehört, als er noch nicht bekannt war. Ich war tief beeindruckt von seiner Kunst. Bald darauf erschien im Rahmen der von Graham Johnson betreuten Gesamteinspielung aller Schubert-Lieder die Aufnahme der Schönen Müllerin bei Hyperion, auf der Fischer-Dieskau weitere Gedicht-Texte Müllers liest. Über die Jahre habe ich seine Karriere verfolgt und seine Aufnahmen gesammelt. Manche mögen sich an der leichten englischen Färbung der deutschen Liedtexte stören. Seine Gestaltungen zeugen immer von einer gedanklichen Auseinandersetzung mit den Werken. Seine Interpretation der soeben erschienenen Britten-Lieder spricht mich stark an. Antonio Pappano ist der Liedbegleiter. Mit dem Pianisten Julius Drake hat Ian Bostridge viele Lieder Schuberts aufgenommen.

    Eine meiner liebsten Lied-Aufnahmen ist Ian Bostridges Interpretation von Leo Janaceks "Tagebuch eines Verschollenen". Sein Begleiter ist der englische Komponist Thomas Adès.

    Auf dieser DVD kann man sich von Ian Bostridge Präsenz als Lied-Sänger im Rezital ein Bild machen. Er singt Lieder Franz Schuberts und Hugo Wolfs. Bostridge kommentiert die Lieder. Der Pianist Roger Vignoles spricht über die Anforderungen, die an einen Lied-Begleiter gestellt werden.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Lieber moderator, jetzt weiß ich endlich, welche Aufnahme der "Müllerin" es ist, die um die nicht vertonten Gedichten, Prolog und Epilog, gelesen von Fischer-Dieskau, erweitert wurde. Ich habe nur andere einzelne CDs der Hyperion-Gesamtaufnahme der Lieder und die Edition von Naxos. Diesen Bostridge muss ich natürlich haben. Was sein Können anbetritt, stimme ich mit Dir völlig überein. Ob es allerdings eine gute Idee gewesen ist, sich für diese "komplette" Müllerin zu entscheiden weiß ich nicht. Wilhelm Müllers Ansatz ist ja bekanntlich ein ganz anderer als Schuberts, der die ironischen Intentionen des Dichters ins romantische Gegenteil verkehrt. Das soll jetzt keine Kritik an Schubert sein. Um Gottes Willen. Seine "Müllerin" gehört für mich zum Bewegendsten, was es in Musik gesetzt gibt. Aber die Geschichte dieses Zyklus ist schon einmalig.


    Dir zum Gruß! Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zu dieser Deiner Feststellung, lieber Rheingold: "Wilhelm Müllers Ansatz ist ja bekanntlich ein ganz anderer als Schuberts, der die ironischen Intentionen des Dichters ins romantische Gegenteil verkehrt."


    Fischer Dieskau hat einige Jahre danach dieses Einbeziehen von Müllers Prolog und Epilog in die Interpretation der "Schönen Müllerin" als Fehler bezeichnet. Und damit hatte er natürlich recht. Noch später meinte er dazu, etwas versöhnlicher mit sich selbst umgehend:


    "Ich muß gestehen, daß ich nicht nur in einer Schalplatteneinspielung des Zyklus Prolog und Epilog als Kuriosität gesprochen habe, sondern erst kürzlich für einen britischen Tenor alles Nichtkomponierte rezitierte. Das ist als Verbeugung vor Wilhelm Müller zu werten, aber es bleibt eine Einbeziehung von Fremdkörpern. Denn Schubert faßte die Gedichte völlig seriös auf..." (in: Franz Schubert und seine Lieder, S.319)


    Diese Texte sind in der Tat "Fremdkörper", denn sie stören die von Schubert intendierte musikalisch-künstlerische Aussage. Aber man kann sie natürlich, sozusagen abgelöst von Schuberts Musik, als literarische Dokumente aufnehmen. Sie lassen einen ja schließlich erkennen, was Schubert aus eben dieser literarischen Vorlage kompositorisch gemacht hat.

  • Ich nutze diesen Thread mal ganz frech für eine Bitte: Helmut Hofmann hat mal vor Monaten (für mich) einen Youtube-Link eingestellt, um mir das Lied als solches nahe zu bringen. Ich habe es mir mit großem Nutzen angehört und -gesehen.
    Ob es wohl möglich wäre, so etwas in loser Folge weiter zu führen? Ich kann mir schon vorstellen, dass ich nicht der einzige bin, dem die Liedkunst recht fremd ist, der aber offen ist, das zu ändern.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • So gerne ich Deiner Bitte nachkommen möchte, lieber Klaus2,- ich weiß nicht recht, wie das technisch gehen soll. Bislang war es bei den letzten von mir gestarteten Threads ja immer so, dass Dr. Holger Kaletha freundlicherweise einen solchen Link zu Youtube herstellte, wann immer das gerade anstehende Lied dort in einer bestimmten Interpretation vertreten war.


    Schwebt Dir dabei ein Thread so etwa in der Art vor:


    "Lieder, - ausgewählt und vorgestellt, auf dass sie Freunde finden mögen" ?

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  • Hallo Helmut!


    Ja, so einen Thread würde ich sicherlich verfolgen und mich auf jeden neuen Beitrag freuen. Wenn noch die eine oder andere Erklärung dabei wäre, herrlich!
    Über die technischen Schwierigkeiten kann ich nichts sagen, weil ich technisch und besonders internetmäßig unterbelichtet bin.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wenn ich Deine Worte so lese, lieber Klaus, kann ich gar nicht anders, als mal darüber nachzudenken, wie man so etwas anpacken und sinnvoll gestalten könnte!

  • Mit dem CD-Player hat der Hörer in der Bostridge-Johnson-Aufnahme von "Die Schöne Müllerin" die Möglichkeit, den gesprochenen Prolog und Epilog wegzulassen. Ich ziehe es vor, wenn ich diese Aufnahme höre, nur die Schubert-Vertonung der Müller-Gedichte abzuspielen.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Mein liebster aktiver Liedinterpret?


    Meine live erlebten Lieblings-Liedinterpreten sind nicht mehr aktiv: Dietrich Fischer-Dieskau (seit 1994), Siegfried Lorenz (seit 2005) und Thomas Quasthoff (seit 2011).


    Die Sänger, die noch regelmäßig Liederabende geben, werden immer weniger - und die, die mich überzeugen, noch weniger...
    Jonas Kaufmann war es 2012 mit seiner "Müllerin" in der Berliner Philharmonie für mich definitiv nicht. Ein Jahr später erlebte ich Michael Nagy zwar besser, aber auch nicht wirklich in den Fußstapfen der drei oben genannten.


    Daher nominiere ich jetzt mal den Bariton Timothy Sharp, den ich schon mit einer "Winterreise", den "Ernsten Gesängen" von Eisler und beiden Wolf-Liederbüchern live erlebt habe. Er bveschäftigt sich seit Jahren regelmäßig und intensiv mit Lied und ist für mich einer der wenigen wirklichen Liedsänger, auch wenn er auch Oper singt, aber er ist viel eher ein Liedsänger als viele Opernsänger, die einmal im Jahr auch einen Liederabend singen.


    Mein liebster aktiver Liedinterpret heißt also Timothy Sharp! :jubel:



    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich möchte, neben den bereits genannten Namen, bei denen ich auch den ein- oder anderen genannt hätte (wobei meine absoluten Referenzen Fritz Wunderlich und Dietrich Fischer-Dieskau heißen) auch noch, zur Bereicherung des Spektrums, zwei andere Namen nennen:


    Juliane Banse sowie Josef Protschka (der meines Wissens zumindest sporadisch auch noch singt). Beide verbinden exquisites Timbre, Klangschönheit und Sinnlichkeit mit überzeugendem Ausdruck. Dagegen erscheint mir zum Beispiel ein Ian Bostridge bisweilen etwas zu fahl, Jonas Kaufmann zu manieriert durch seine Eigenheit, m. E. etwas sehr gaumig zu singen...aber das ist natürlich sehr subjektiv.

  • Für mich ganz klar die Nummer 1 des derzeitigen Liedgesangs: Christian Gerhaher.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Dagegen erscheint mir zum Beispiel ein Ian Bostridge bisweilen etwas zu fahl,


    Hallo,


    könntest Du das bitte an 1 oder 2 Beispielen erläutern - ich finde das nämlich überhaupt nicht.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Alle bedeutenden Liedsänger hörte und höre ich stets und über viele Jahre hinweg in den Konzertsälen, aber ich käme nie auf die Idee einen »besten« zu nennen. Man sollte seriös an solche Betrachtungen herangehen und feststellen, wer was wie singt, denn die Stimmen sind so breit gefächert und vielfarbig, wie es auch die Liedliteratur ist.


    Und um zu Bostridge noch etwas zu bemerken:
    Vor zehn Jahren fuhr ich noch einige hundert Kilometer, um ihn zu hören - und da waren sehr schöne Konzertaugenblicke, das ist unbestreitbar, das ist unvergesslich. Wenn ich mir jedoch heute auf YouTube seine "Stille Tränen" ansehe und -höre, bin ich nur noch traurig...

  • Liedersänger und –sängerinnen sind mein Thema in diesem Forum nicht. Seit jeher bin ich der Meinung, dass die Fixierung auf den Interpreten und die Art, wie er stimmlich agiert und zu beeindrucken vermag, den Blick auf das Lied und seine spezifische kompositorische Eigenart versperren kann. Kann, - nicht muss! Aber die Gefahr ist dabei freilich groß.


    Nun lese ich hier, dass für „Differenzierung“ plädiert und die Haltung vertreten wird: „Ich käme nie auf die Idee einen»besten« zu nennen.“
    Dieser Thread ist aber von seinem Ansatz her gar nicht auf eine Art „Bestenliste der Liedinterpreten“ ausgerichtet. Sei Titel lautet „Mein liebster aktiver Liedinterpret“, und der Superlativ darin zielt ab auf die ganz und gar subjektive Perspektive.


    Man kann einen Liedsänger oder eine –sängerin „lieben“, - aus welchen Gründen auch immer. Weil einem seine Stimme gefällt, weil er/sie sich interpretatorisch den Liedkomponisten widmet, die man selbst bevorzugt, und natürlich auch, weil er/sie den Liedern neue musikalische Dimensionen abzugewinnen vermag. Im Grund will dieser Thread, dass man neben dem Bekenntnis zu einem bestimmten Liedinterpreten auch angibt, warum er einem „der liebste“ ist. Er verlangt nicht, einen als „den besten“ zu benennen und dafür eine Begründung zu liefern.


    Gerade konnte man in dem Thread „Der besondere Liederabend“ lesen, dass der Bariton Florian Boesch jüngst in Schwetzingen insofern eine „besondere“ Vorstellung als Liedinterpret gegeben habe, als sich darin eine Art „Paradigmenwechsel der Liedinterpretation“ ereignete.


    Und wenn ich mich nun frage, ob ich diesen Sänger hier unter meine „liebsten aktiven Liedinterpreten“ einreihen würde, so schreckte ich regelrecht vor diesem Gedanken zurück. Dieser Sänger kann zwar mit einer durchaus schönen, wohltönenden und vollen Bass-Bariton-Stimme Lieder singen, - interpretieren, im Sinne eines Sich-Einlassens auf ihre den lyrischen Text reflektierende melodische Struktur, kann er sie nicht. Für ein an Fischer-Dieskau, Christoph Prégardien und Christian Gerhaher geprägtes und geschultes Liedhörer-Ohr war dieser Liederabend in Schwetzingen eine regelrechte Beleidigung.

  • Ich kann Helmut Hofmanns Perspektive gut nachvollziehen - wobei ich keine Stellung zur Entwicklung dieses Threads nehmen möchte, weil mir das mangels genauerer Kenntnis nicht ansteht - und möchte, der ich nun nicht gerade ein Kenner bin, ebenfalls auf Ian Bostridge rekurrieren. So sehr er mich in einem Zyklus mit elegische Liedern nach Texten des Barocklyrikers Thomas Traherne aus seinem Heimatland überzeugt hat, so wenig gilt das für Schubert. Ich denke, dass weitaus eher als bei Instrumentalisten bei Liedsängern Herkunft und Milieu eine Rolle spielen - jetzt nicht im Sinne eines Hippoyte Taine, aber im Sinne einer folkloristischen Tradition, im Sinne des Sprachduktus und des literatur- und zeitgeschichtlichen Hintergrunds.



    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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