Louis Spohr - die Sinfonien

  • Seit einigen Jahren gibt es einen Thread über den Komponisten Lous Spohr, der einige Zeit sogar recht gut frequentiert war.
    In jener Zeit wurden die Sinfonien jedoch nicht wirklich besprochen, da kaum Aufnahmen davon erhältlich waren. Die alte Marco-Polo Aufnahme war weitgehend gestrichen (zudem war sie meiner Meinung nach weder klanglich noch interpretatorisch ein Meisterwerk) und die Zyklen von Hyperion und cpo waren erst im Entstehen begriffen.
    So bot es sich an den Sinfonien von Spohr einen eigenen Thread zu widmen, frei vom Ballast der Vergangenheit und konzentriert auf EINE Werkgattung.


    Louis Spohr - Kassels berühmter Musiker


    Beginnen wir mit einigen Vorbemerkungen, der Lebenslauf des Komponisten ist im Parallelthread ausführlich behandelt worden, sodaß wir und hier vorzugsweise auf die Sinfonien, ihre Entstehung und ihre Einschätzung durch die zeitgenössische Kritik widmen können. Als Spohr seine erste Sinfonie (op 20) schrieb, sie entstand 1811 anlässlich eines Musikfestes und wurde am 12. Mai 1811 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt, war er zumindest als Violinvirtuose schon hochberühmt.



    Der Herausgeber der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung schrieb ihm eine glänzende Kritik, was seinen guten Ruf weiter festigte. "Spohrs neue, noch ungedruckte Sinfonie erregte die Bewunderung aller ernsthaften Kunstfreunde..."
    Eine weitere - äusserst ausführliche - Kritik in der selben Zeitung verfasste E.T. Hoffmann anlässlich der Druckausgabe des Werkes.


    Wie klingt aber nun eine Sinfonie, die zu Lebzeiten des Komponisten höchste Wertschätzung genoss - heute aber weitgehend vergessen ist ?


    Nun, die ersten Töne erinnern (mich) an den Beginn der Ouvertüre zu Zauberflöte. Der Beginn ist leicht elegisch, dann hellt sich die Stimmung auf. Das Booklet der cpo Veröffentlichung stellt Ähnlichkeiten mit Mozarts späten Sinfonien fest, ich selbst hätte eher auf frühen Schubert getippt. Na ja - auch nicht so ganz daneben. Spohr setzt in diesem Satz mehrmals fanfarenartge Abschnitte ein und ich würde ihm bescheinigen, daß er hier ein vorzügliches Werk schuf. Der zweite Satz bringt das melancholische Temperament Spohrs besonders zum Vorschein. Dritter und vierter Satz sind je auf ein Thema fixiert, welches den gesamten Satz lang immer wieder aufgegriffen und variert wird.


    Spohr war nach Beethoven und Schuberts Ton für einige Zeit der berühmteste lebende deutsche Komponist.
    Er war aber kein Neuerer und Revolutionär - deshalb geriet er rasch in Vergessenheit.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich war mir nicht sicher ob die von cpo vereinzelt erhältlichen Sinfonien von Spohr unter Howard Griffith Reste einer Gesamtausgabe sind, oder ob die Serie noch nicht komplett abgeschlossen ist. Wie sich mir die Sache heute präsentiert, habe ich eher den Eindruck, daß letzteres der Fall ist. soeben erschien bei jpc die hier im Bild gezeigte Ausgabe mit den Sinfonien Nr 4 und 5. Besprechungen erfolgen - so ich sie machen muß - leider erst mittelfristig.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ich hatte mich heute entschlossen diesen Spohr Sinfonien-Thread fortzusetzen – wie immer es sich füge. Die 2 Sinfonie in der cpo Ausgabe ist noch nicht in meinem Besitz, wird erst im Mai bestellt, sollte ich also mit einer späteren Sinfonie fortsetzen ? Da entdeckte ich die 2. im Meiner Sammlung. Es handelt sich um eine Marco Polo Einspielung mit dem Slovak State Philharmonic Orchestra unter Alfred Walter aus dem Jahre 1992. Ich hatte sie vor vielen Jahren gekauft – und ich empfand sie damals als langweilig. Die selbe Aufnahme hinterliess heute einen völlig anderen Eindruck bei mir – ich war sehr angetan von Werk und Aufnahme. Allerdings muß man wissen, was einen bei Spohr erwartet. Er war weder Revolutionär, noch ein Komponist brillianter vordergründiger Effekte oder verschreckender Kontraste. Zeitgenossen – vor allem Robert Schumann - prägten das Verdikt von „nobler Melancholie“ wenn sie die Tonsprache Spohrs beschreiben sollten. Dieser Meinung möchte ich mich nicht in vollem Umfange anschliessen – indes – ein Körnchen Wahrheit bleibt. Mir gefällt besser die Definition von E.T.A. Hoffmann, der in seiner Eigenschaft als Musikkritiker – bezogen allerdings auf Spohrs erste Sinfonie, die Tonsprache als „weich“ beschrieb. Aber auch das ist meiner Ansicht nach nur bedingt gültig.
    Spohrs zweite Sinfonie – sie gilt noch heute als eine seiner besten – schrieb Spohr 1820 in London für das Orchester der Londoner Philharmonic Society. Er war schon von der Zusammenarbeit mit diesem wunderbaren Orchester begeistert und freute sich über die Zustimmung zu seiner Sinfonie von allen Seiten. Die Uraufführung indes übertraf alle seine Erwartungen. Das Publikum war begeistert und ebenso Spohr selbst, der in seinen Erinnerungen euphorisch schreibt, er habe die Sinfonie wieder so eindrucksvoll gehört wir an diesem Abend. des 10. April 1820…
    Das Werk kann – wie überhaupt vieles von Spohr – als Bindeglied zwischen Klassik und Romantik gesehen werden, ist eher zurückhaltend as stürmisch auftrumpfend, wenngleich es auch lebhafte Stellen gibt. Ein gutes Beispiel ist hier der luftig galoppierende 3. Satz, den ich als Beispiel von Lebensfreude sehen möchte – nicht überschäumend – aber doch fröhlich
    Das zu Beginn eingeführte Thema beherrscht den gesamten Satz (etwas, das ich schätze) und legt dann im Finale anTemperament zu.
    Auch den vierten Satz kann ich nicht mit „nobler Melanchie“ in Verbindung bringen – ein Grundton innerer Fröhlichkeit wird stellenweise sogar ins oberflächlich übermütig- tänzerische abgewandelt…
    Ich werde mir wieder Zeil lassen, bis ich mich der Sinfonie Nr 3 widme.
    Sollte jemand anderer sich indes berufen fühlen, dies selbst zu machen: Nur zu –
    Vielleicht will aber in der Zwischenzeit auch jemand etwas über seine persönlichen Eindrücke, die 2. Sinfonie betreffend, schreiben – so sie überhaupt jemand je gehört hat…


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    clck 254

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Über 2 Jahre Sendepause in diesem Thread. Das Interesse an Louis Spohr, einem einst führenden deutschen Komponisten der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts ist scheinbar eigentlich nicht existent. Dennoch hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Zum einen habe ich nun meine Sammlung erweitert und besitze auch die 2, Sinfonie un der Aufnahme von cpo mit der NDR Radio-Philharmonie unter Howard Griffith. Zum anderen sind nun alle Sinfonien dieser Ausgabe nicht nur erschienen, sondern bereits in einer preisgünstigen Box zusammengefasst. Zeitgleich scheint man sich bei Klaus Heymann entschlossen zu haben, den alten Marco Polo Zyklus mit ebendiesen Werken bei Naxos neu aufzulegen.



    Auch diese Aufnahmen haben ihre Meriten - Ich will im Augenblick keinem der beiden Projekte den Vorzug geben, dazu bedürfte es eines eingehenden analytischen Vergleichs.
    Hier ein paar Schlagworte aus Rezensionen, die alte Marco-Polo Ausgabe betreffend, ohne daß ich eruieren konnte auf welche der Sinfonien (2. oder 9.) sie die Aussagen bezogen.
    American Record Guide: "Empfehlenswert für alle Liebhaber der Musik des 19. Jahrhunderts." Gramophone: "Eine würdige Interpretation eines guten Werks." Fanfare: "Hervorragende Lesart Walters."
    Ein biographischer Nachtrag zur Zweiten: Wie schon weiter oben beschrieben, entstand sie 1820 in London, als 9 Jahre nach Spohrs Erstling auf diesem Gebiet. Nach London war Spohr auf Einladung seines Kollegen Ferdinand Ries gereist. Dort hörte er das Orchester der Londoner Philharmonic Society und war so begeistert von dessen Qualität, dass er sich spontan entschloß eine Sinfonie für dieses Orchester zu schreiben, welches die ausserordentlichen Fähigleiten dieses Klangkörpers zur Geltung bringen sollte. Die Rechnung ging auf, wie wir schon weiter oben lesen konnte. Spohr, der einige Zeit lang gezweifelt hatte, ob er noch in der Lage wäre an den Ideenreichtum der ersten Sinfonie anzuknüpfen, war begeistert - und so war der Weg für weitere Sinfonien geebnet.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    PS:Unerwarteter Weise kann man im Gegensatz zu sonstigen Gepflogenheiten einige der Sinfonien CDS auch noch einzeln erwerben, obwohl eine Gesamtbox existiert. Das trifft auch auf die Sinfonie Nr 2 zu.
    Die Einzel CD kostet übrigens derzeit 7.99 Teuro, die Gesamtaufnahme aller 10 Sinfonien auf 6 CDs 29.99 Teuro


    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich beschäftige mich im Augenblick mit dieser CD, möchte aber Abschliessendes noch nicht sagen. Beide Symphonien gelten als zu den Besten von Spohr gehörend. Zumindest beim ersten Hördurchgang haben sie mich nicht wirklich mitgerissen. Aber wie Alfred schon weiter ausführt, darf man bei Spohr klanglich nichts Neues und Revolutionäres erwarten, wobei er wohl formal durchaus einige Neuerungen eingeführt hat. Er kommt eher auf "leisen Sohlen" daher. Ich bin gespannt, wie mein abschliessendes Urteil dieser und auch weiterer Werke aussehen wird.


    Eine Frage an diejenigen Taminos, die über möglichst viele Einspielungen verfügen. Es gibt m.o.w. drei GA, die von Naxos/Marco Polo, die von cpo und die von Hyperion. Speziell die letzten beiden, wie vergleichen sich die interpretatorisch?

  • Louis SPOHR: Sinfonie Nr 4


    Lutgras Beitrag über die 4. Sinfonie war mir ein willkommener Anlass sie erstmals zuhören. Ich gestehe, daß ich bislang nur wenige Sinfonien von Spohr gehört habe, und daß sie mich meist gelangweilt habrm. Das ist allerdings schon lange her, mein Geschmack hat sich gewandelt. So startete ich die heutige Hörsitzung mit Vorurteilen behaftet, aber dennoch guten Willens und ich wurde überrascht.
    Spohr Sinfonien gelten ja im Allgemeinen als Gegenwelt zu jenen Beethovens. Damit kam er beim Publikum durchaus an, die Kritik zeigte sich aber enttäuscht. So wollte er mit seiner Sinfonie einen Bruch mit den bisher geschriebenen vollziehen - Etwas ganz anderes - wie ihm sein Freund der Musikkritiker Friedrich Rochlitz geraten hatte.
    Die Sinfonie basiert auf einem Gedicht eines mit 28 Jahren verstorbenen Freundes von Spohr (Carl Pfeiffer 1803-1831), der diesem ein Denkmal in Form einer Kantate setzen wollte. Aus der Kantate wurde letztlich eine Sinfonie.

    Diese trägt im Original den Namen:
    "Die Weihe der Töne" Charakteristisches Tongemälde in Form einer Sinfonie.


    Die einzelnen Sätze sind mit Erläuterungen versehen


    1) Largo Starres Schweigen der Natur vor der Erschaffung des Tons
    Allegro Reges Leben nach demselben - Naturlaute - Aufruhr der Elemente


    2) Wiegenlied - Tanz - Ständchen
    Andantino - Allegro - Andantino - Allegro - Tempo Primo


    3) Kriegsmusik - Fortziehen in die Schlacht -Gefühle der Zurückbleibenden
    Rückkehr der Sieger - Dankgebet - Tempo di Marcia - Andante maestoso


    4)Begräbnismusik - Trost in Thränen - Largetto - Allegretto


    ------------------------------------------------------
    Die Sinfonie war 1832 fertiggestellt. aber noch nicht in Druck-. Sie wurde - quasi inoffiziiell - am 4. November 1832 - durch die Kasseler Hofkapelle mit positivem Publikumsecho uraufgeführt. Es gab danach allerdings eine Vereinbarung mit dem Verleger, dass weitere Auführungen erst nach der Drucklegung gestattet seien. Die offizielle Uraufführung fand danach am 11. Dezember 1834 in Leipzig statt.


    Im Beiheft der abgebildeten cpo-Aufnahme finden wir zur Uraufführung die Bemerkung:
    Das Werk schlug wie eine Bombe ein.
    Das kann ich durchaus nachvollziehen. Vor allem der dritte kriegerische Satz muß das damalige Publikum in seinen Bann gezogen haben. Es folgten viele Aufführungen in Leipzig, vor allem auf Betreiben von Friedrich Rochlitz, und nach dessen Tod, 1842 , durch Felix Mendelssohn Bartholdy. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschwand das Werk allmählich von den Spielplänen.
    Die Sinfonie wurde von den zeitgenössischen Kritikern teilweise wegen ihres programmatischen Inhalts (Rellstab, Hanslick etc) angegriffen, nicht aber wegen ihrer allgemein als besonders hochwertig anerkannten Musik.
    Ich vertrete die Ansicht, dass diese Sinfonie auch heute auf die Spielpläne gesetzt werden sollte - und beim Klassikpublikum ankäme.


    Lutras Vergleichswunsch mit anderen Aufnahmen kann ich derzeit mangels verfügbarer Alternativen noch nicht beantworten. Aber: Kommt Zeit. kommt Rat.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Zum Symphoniker Louis Spohr habe ich noch keine abschliessende Meinung, aber diese CD, die ich heute in einem Rutsch gehört habe, hat mir doch ziemlich gut gefallen, nicht nur die 2. Symphonie, die ich schon von einer MP Einspielung her kannte, sondern auch die 8. Beide Symphonien sind melodisch ansprechend und warten mit einigen originellen Details auf. Ein weiteres Plus ist das erstklassige Spiel der Hannoveraner unter Howard Griffiths und der Topklang.

  • Ich weiß nicht woran mich der Beginn von Spohrs 8. Sinfonie erinnert: Ist es ein Hauch von Don Giovanni oder der Ouvertüre der Zauberflöte oder aber Ankänge an Schuberts Große C-Dur Sinfonie? Alles scheint mir hier gegenwärtig – nichts passt aber wirklich.
    Die Sinfonie ist ein Auftragswerk und wurde für die Philharmonic Society in London geschrieben. Die Komposition erfolgte vermutlich zu Teilen in London, zum Großteil aber in Kassel. Im November 1847 war das Werk vollendet. Und wurde noch im Dezember des gleichen Jahres in Kassel unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt – also noch vor der Erstaufführung in London.
    Durch den informativen Text des Booklets konnte ich erstmals verstehen, warum Spohr zu Lebzeiten einst als größter lebender Symphoniker galt, und warum er heute so gut wie vergessen ist und mich nicht auf Anhieb begeistern konnte. Denn die Kritiken waren gemischt. Während einige Kritiker die Sinfonie als veritable Fortsetzung von Spohrs bisherigen Leistungen auf dem Gebiet der Sinfonie lobten, verwiesen andere darauf, dass vergangene Sinfonien Spohrs besser und origineller gewesen seien. In London war die Aufnahme des Werkes ebenfalls geteilt. In den höchsten Tönen lobend einerseits - und total vernichtend andrerseits waren die englischen Kritiken.
    Der eigene Höreindruck war ebenfalls gespalten. Zum einen durchaus interessante Musik, die aber (bei mir) niemals unter die Haut ging, und – was IMO noch schlimmer ist – keinen Wiedererkennungswert aufwies. Damit steht Spohr in seinem zeitlichen Umfeld sicher nicht alleine da. Es ist nur deshalb auffallend, da er bis heute als federführender Komponist seiner Epoche und seines Landes gilt…….
    Schon aus historischen Gründen sollte man Spohrs Werke jedoch kennen, ich würde beispielsweise die achte Sinfonie als gute Komposition ohne hervorstechende Eigenarten bezeichnen,,,,,


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bislang kannte ich von den Sinfonien nur 6 & 9. Seit neuestem nun auch 4 & 5.
    Dass Spohr keinen unverkennbaren Personalstil gehabt hätte, kann man nicht behaupten, die Musiksprache war mir sofort sehr vertraut und hat mich an die bereits bekannten Sinfonien erinnert (obwohl ich sie jahrelang nicht gehört habe). Dass die 4. so berühmt war, kann ich an der Gesamtdisposition, die für die Zeit sehr modern war und mit dem langsamen Schlusssatz bis Tschaikowski und Mahler ausstrahlt, gut vertehen. Besonders spricht mich der 2. Satz an mit den Überblendungen von Wiegenlied, Tanz und Ständchen. Man muss bei dieser Musik immer aktiv zuhören, die Nuancen beachten und das formale Geschehen im Gedächtnis behalten.

  • Ich versuche dieses Thema mal wieder zu beleben, Alfred hatte mich im Telefonat ausdrücklich dazu ermuntert. Spohr lief bei mir lange so mit, mal hörte man ein Klarinettenkonzert oder eine Ouvertüre im ersten Teil eines Konzertabends, mehr war da aber auch nicht. Vor zwei Jahren habe ich ihn mir erstmals ausführlich, wenn auch nicht integral, vorgenommen. Und war gleichzeitig angetan und enttäuscht. Das ist und bleibt mein Grundgefühl bei Spohr. Frei nach einem YouTube-Kommentar unter (glaube ich) der 5. Sinfonie: Kaum ein Komponist hat so viele gute und so wenig herausragende Werke geschrieben. Das trifft es für mich ziemlich gut: Ich finde Spohrs Grundniveau durchaus hoch, viele Werke aber wiederum latent langweilig und nach dem Hören sind sie sofort weg, das bleibt nichts bzw. wenig. Trotzdem gab ich dem Ganzen noch eine Chance und habe dieses Jahr nochmal eine ausführliche Spohr-Phase eingelegt. Tatsächlich hilft mehrmaliges Hören ungemein (welch Überraschung). Einige der für mich bislang eher profillosen Werke haben deutlich an Charakter gewonnen, ich könnte inzwischen sogar einige Spohr-Melodien aus dem Gedächtnis nachsingen - wer hätte das gedacht. Besonders positiv sind mir die Klarinettenkonzerte, die Sinfonien 1-4, das Oratorium "Die letzten Dinge" (ich werde es bei Gelegenheit im Oratorienführer ergänzen) und große Teile der Kammermusik im Gedächtnis. Vielleicht stelle ich einiges davon hier noch ein bisschen vor.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Louis SPOHR: Sinfonie Nr 1

    Die Enttäuschung bei Spohr habe ich seinerzeit auch empfunden. Aber man traut sich das ja gar nicht zu schreiben, bei einem Komponisten der zu Lebzeiten angeblich als der berühmteste deutsch Komponist seiner Generation galt. Das hat dazu geführt, daß ich nicht mal alle Sinfonien gehört habe. Ich habe heute noch welche bei den "ungehörten" - nicht in die Sammlung eingereihten gefunden. Ich nehme die verdienstvolle Fortsetzung des Threads zum Anlass, mich wieder mit Spohr zu befassen - und beginne erneut mit der ersten Sinfonie. Hierbei ist es hilfreich das Booklet - und auch einige -sehr knapp gehaltenen Aufsätze in diversen Konzertführern zu lesen, wobei das Booklet noch am aufschlußreichsten ist. Dort wird beschrieben, was Spohr wollte - und was er NICHT wolllte. Er wollte keineswegs dramatisch sein, das Publikum aufrüttenl oder erschüttern, wie das Mozart und Beethoven wollten (obgleich im Booklet - bezogen auf die 1. Sinfonie - immer wieder Bezüge zu Mozart behauptet werden) Über Beethovens 5. Sinfonie gibt es einen kritischen Eintrag in Spohrs Tagebuch, obwohl - das war in einem Konzertführer zu lesen - Spohr seit seinem Aufenthalt in Wien - er mit Beethoven bekannt und befreundet war. Generell ist man in den Konzertführern der Auffassung, daß Spohr kein Neuerer war. Aber schon E.T. A. Hoffman meinte, die 1. Sinfonie sei eher sanft. Ansonst lobt er sie, bis auf den letzten Satz, dessen "hüpfender" Rhythmus nicht zum Rest der Sinfonie passe. Mir gefällt indes gerade dieser Satsehr gut, ebenso wie das Scherzo, dessen Instumentierung in einem der Nachschlagewerke gelobt wird. Nach all den Texten hörte ich heute die Sinfonie Nr 1 mit anderen Ohren. Es mag auch sein, daß, wie Tristan 2511 schon schrieb, die Werke durch oftmaliges Hören gewinnen. Das ist mir seinerzeit bei Raff so gegangen, den ich heute zu meinen Lieblingskoponisten zähle.

    Es ist auch so, daß einem bei vielen Kompoisten, die heute zur 2. Reihe gezählt werden (Spohr gehörte zu Lebzeiten eindeutig in die erste !)der Wiedererkennungswert gering erscheint. Das mag aber zum Teil daran liegen, daß man sie zu selten hört - gemessen an denn "Lokomotiven"

    Ein anderer Satz, den ich im Booklet fand stammt au einer der Kritiken, wo geschrieben stand, es bedürfe eines erstklassigen Orchesters, um die Vorzüge der Sinfonie zur Geltung zu bringen. Interessant Spohr mal mit den Wiener Philharmonikern zu hören. So abstrus wie sich das hier liest ist das gar nicht. Spohr war von 1812-1815 Kapellmeister am (noch heute bestehenden) Theater an der Wien, und der Eindruck den er hinterlassen hat, was offenbar so stark, daß man in Wien (1906) eine Straße nach ihm benannt hat...

    Wie ich sehe gibt es bei cpo nur mehr die Gesamtbox mit 5 SACDs (Hybrid) - allerdings zum Sonderpreis von 29.99 Euro


    Hier eine Photographie aus den letzten Lebensjahren - restauriert von mir mit AFFINITY PHOTO


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred, nebenbei bemerkt bin auch ich ein großer Raff-Fan (ob wir uns "Raffianer" nennen dürfen? Vielleicht sind wir auch nur Raff-Gierig...), der mein Lieblingskomponist aus der berühmten "zweiten Reihe" ist.


    Zurück zu Spohr: Meine Lieblingssinfonie ist aktuell die 3. Sinfonie c-Moll Op. 78. Im Gegensatz zu Spohrs von Alfred erwähnter Absicht, beginnt sich mit einer tragischen Einleitung und eignet sich in meinen Ohren durchaus zur Gemütsbewegung. Shelly nimmt sie angemessen schnell und gut akzentuiert. Das 1828 entstandene Werk (also ungefähr im Bereich von Schuberts C-Dur und Beethovens 9. Sinfonie) gehört mitten in die produktivsten Kasseler Jahre Spohrs.

    Der 1. Satz, ein Andante grave - Allegro ist für mich momentan der beste Sinfoniesatz Spohrs. Die langsame Einleitung drückt (zumindest in der Klangwelt Spohrs) bleierne Schwere aus, klingt feierlich und gemessen, auch durch den gelegentlich pochenden Rhythmus. Man denkt unwillkürlich erst an Haydn, dann an Beethoven (4. Sinfonie etc.). Das Allegro beginnt im Haydn-Stil piano und ist organisch aus der Einleitung entwickelt. Seine etwas trotzige Bewegtheit führt rasch zu einem vom Blech unterstützten Höhepunkt und dann in das lyrischere Seitenthema (eigentlich quasi A'). Insgesamt herrscht im Satz nun eine Art elegante Freude vor, die doch noch durch die Einleitung geprägt ist - eine motivische Geschlossenheit, die ich sehr mag. Feurige Tutti-Schläge beenden den recht kurzen Satz angemessen (etwa 8 Minuten bei Shelly).

    Es folgt ein harmlos beginnendes Larghetto. Das liedhafte Thema wird in der Folge aber im feierlichen und breiten Gesang des Tuttis gesteigert. Insgesamt bleibt der Satz freilich eher harmlos und ist eigentlich nach zwei Minuten auserzählt.

    Das Scherzo bringt den Charakter des Kopfsatzes ein wenig zurück und erinnert mich streckenweise erneut an Haydn. Insgesamt ist auch hier die Musik bemerkenswert aufgewühlt, wenn man genau hin hört.

    Das finale Allegro mit seinem sprunghaften Thema tut kurz so, als wolle es Kontrapunktik einbringen, es bleibt aber bei - immerhin wirkungsvollen - Imitationen. Besonders im Mittelteil wirkt es ein wenig italienisch, ouvertürenhaft. Mit zehn Minuten ist es mir für seinen musikalischen Inhalt ein wenig zu lang, da hätte ich mir eher einen längeren Kopfsatz und ein knackig-kurzes Finale gewünscht. Sei es drum - insgesamt für mich ein absolutes Highlight im Ouvre Spohrs und eine klare Empfehlung!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • michael74 Danke! :) Genau um diesen Austausch gehts ja.


    Die Klarinettenkonzerte, die wir als zwar sinfonische aber konzertante Werke in diesen Thread einschmuggeln, waren die frühesten Werke die ich von Spohr kannte. Als Abiturient fuhr ich in meiner Thüringer Heimat manchmal abends zu Sinfoniekonzerten nach Gotha. Dort pflegte man den Stadt-Heiligen (Konzertmeister in Gotha von 1805 bis 1813) regelmäßig mit den Klarinettenkonzerten zu bedenken.

    Kurz gesagt: Nr. 1 und 4 mag ich, Nr. 2 und 3 plätschern eher so vorüber. Am besten gefällt mir das 4. Klarinettenkonzert WoO 20. Es hat so einen bezwingenden Beginn, mit der leicht melancholischen Melodie zu Pizzicato-Begleitung und dem pochenden, vorwärtsdrängenden Duktus. Ich halte es übrigens mit Karl Leister:

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Louis SPOHR: Sinfonie Nr. 2


    Heute habe ich - wie geplant - erneut die Sinfonie Nr 2 gehört. Das wichtigste habe ich ja schon in Beitrag Nr 4 am 24. Juli 2016 geschrieben. Ergänzend dazu fand ich im Booklet den Bericht Spohrs zur Uraufführung, wo er über das Publikum schrieb, seit Haydns Auftritt wurde noch nie einer neuen Sinfonie so viel Begeisterung zuteil, wie gerade seiner. Das veranlasste ihn zu einer zweiten Aufführung, die nach dessen Worten völlig ausverkauft war und vielleicht noch glänzender verlaufen ist als die erste. Im Booklet hat sich in der deutschen Version ein Fehler eingeschlichen, nämlich stand dort zu lesen, daß Spohr selbst von seiner 2. Sinfonie nicht allzuviel hielt. Zugleich merkte man an, daß er sie als den eigentlichen Beginn seines Sinfoischen Schaffens hielt. Das passt doch nicht zusammen. Ein Nachlesen des Textes in der englischen Version entlarvt den Fehler: Spohr war von seiner 2. Sinfonie angetan. Sie wurde lediglich durch die Beliebtheit der dritten übertroffen - allerdings nicht in England, wo sie noch über ein Jahrzehnt ihre Führungsrolle behielt. Dann wurde es einige Zeit still um sie, bis sie nach einer längeren Pause wieder ihre einstige Beliebtheit erlangte.

    Um das zu verstehen, muß man einerseits die Sinfonie selbst aufmerksam hören, andrerseits über den englischen Geschmack Bescheid wissen, der die stellenweise doch dezentere Art dieser Musik zu schätzen wusste. Wobei "dezent" relativ gesehen werden muss - er vierzichtet - anders als etliche Zeitgenossen - Beethovens Dramatik nachzuahmen - was denen sowieso zumeist nicht gelingt - und entwickelt seinen eigenen Stil. Und der kam in England eben besonders gut an. Ungeachtet dessen wurden Spohrs Sinfonien auch in vielen deutschen Städten und in Wien mit Erfolg aufgeführt.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Rahmen meiner Spohr-Phasen musste ich die 2. Sinfonie Op. 49 wirklich mehrfach hören, um einen guten Zugang zu ihr zu finden. Inzwischen ist sie mir nach der 3. & 4. Sinfonie die drittliebste. Im relativ dramatischen Kopfsatz mag ich das federnde, vom Hauptthema abgeleitete Seitenthema besonders. Das nachfolgende Larghetto ist inzwischen einer meiner liebsten langsamen Sätze Spohrs. Es beginnt irgendwie unvermittelt, in medias res (wahrscheinlich weil die erste Phase so kurz ist). Auch die dramatischen Steigerungen sind schlüssig und halten die Spannung hoch. Auch das Galopp des Scherzos ist gefällig und passt zum - inwzischen - positiven Gesamteindruck dieser Sinfonie. Das Finale erinnert dann zunächst sehr deutlich an Haydnschen Kehraus, bleibt dann aber für meinen Geschmack zu leichtgewichtig und dafür wiederum zu lang.


    Ich ziehe die NDR-Aufnahmen unter Griffith inzwischen übrigens den Marco-Polo-Aufnahmen unter Walter vor. Als ich Spohr kennenlernte war es anderherum. Griffith ist luftiger, wenn man so will klassizistischer; und da Spohr häufig eher so, als romantisch klingt, passt das für mich besser.


    Alfreds Gedanken zum englischen Publikum sind interessant. Man denkt sofort an die Erfolge Haydns und Mendelssohns auf der Insel...

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Louis SPOHR: Sinfonie Nr. 3


    Völlig eigenartig, fast wie ein Choral beginnt Spohrs Sinfonie Nr 3, feierlich, getragen und verhalten zugleich. Indes gewinnt sie bald an Tempo und Temperament, ich empfand sie nun eingängig und nicht allzu individuell zugleich, ein wenig unentschlossen. Interessant daß einer der zeitgenössischen Kritiker Adolf Bernhard Marx (Allgemeine Musikalische Zeitung) teilweise ähnliches empfand. Allerdings kann das IMO nicht über die gesamte Sinfonie gesagt werden. Mir gefiel besonders der klangschöne 2. Satz.
    Die Uraufführung ,am 6. April 1828 in Kassel war ein großer Erfolg, sie wurde einige Tage später erneut daselbst aufgeführt und bald folgten Aufführungen in Berlin und Leipzig.

    Das Booklet erinnert daran, daß diese Sinfonie, die erste große Sinfonie war, die nach Beethovens Tod veröffenlicht wurde. Überraschenderweise waren die Kritiken durchwegs positiv, und zwar mit Hinweis darauf, daß hier keine Kopie einer Beethovenschen Sinfonie geschrieben worden war - sondern eine Alternative. Und sie sei der 2. Sinfonie bei weitem vorzuziehen.
    Lediglich der Beethoven Verehrer Marx, meinte Spohr habe sich hier um eine klare Stellungnahme drücken wollen. Beethoven habe die Kunstform Sinfonie auf eine höhere Stufe gehoben und jede folgende Sinfonie müsse sich daran messen ob sie sich ebenfalls auf diesem Level befände, oder einen Schritt zurückginge. Spohr sei dieser Herausforderung bewusst aus dem Wege gegangen. Die Anmerkung, Spohr habe nicht eine BESTIMMTE Sinfonie geschrieben, sondern IRGEND EINE, hat schon ein Körnchen Wahrheit in sich......


    Die Kritik ist etwas ausführlicher- aber natürlich nicht komplett im Booklet nachzulesen. Ungeachtet dessen war die Beliebtheit dieser Sinfonie ungebrochen.....

    Ich habe die Sinfonie mit der cpo gehört, die allerdings nur mehr in der Gesamtaufnahme - Box erhältlich ist.

    Alternativ gäbe es noch die Aufnahmen von hyperion oder Naxos (die alte Marco Polo Aufnahme unter Alfred Walter aus 1991)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die 4. Sinfonie Op. 86 ("Die Weihe der Töne") hat Alfred_Schmidt unter #6 schon besprochen. Ich gebe ihr nach der Dritten den zweiten Rang in meinem persönlichen Ranking. Was sie im Vergleich zu vielen anderen Sinfonien Spohrs dankbarer macht, sind ihre relativ markant formulierten Themen und natürlich der programmatische Zug der Musik (geplant als Kantate auf ein Gedicht auf Carl Pfeiffer).


    Schon das langsame und bedrohliche Anschwellen der Musik im Largo - Allegro ist etwas Neues für Spohr. Er vermag es tatsächlich Spannung zu erzeugen, die sich sogar in mehreren Wellen aufbaut und dann recht klassisch in einem verhaltenen Allegro-Beginn löst. Jetzt wo ich ein bisschen in Spohr eingehört bin, würde ich über dieses Allegro in Rhythmik und Melodik tatsächlich sagen: Ja, so klingt Spohr. In der Folge kommt es auch zu Lautmalerei (Vögel und weitere Naturlaute). Der lange Satz endet mit der Wiederkehr eben dieser Laute im Hauptthema verhalten und piano.

    Es folgt ein eher unauffälliges Wiegenlied mit spannendem und ouvertürenhaften Mittelteil. Der Satz ist eher ein Potpourri (allerdings mit thematischen Bezügen) aus Wiegenlied - Tanz - Ständchen.

    Höhepunkt der Sinfonie ist der wohl markanteste sinfonische Satz Spohrs. Die Kriegsmusik als 13minütiger Marsch. Für Spohr regelrecht unerhört, aber selbst mit Beethoven im Rücken eine echte heroische Größe. Dass speziell dieser Satz unerhörten Eindruck gemacht hat, dürfte klar sein. Auch ich finde Gefallen an dieser Musik, da sie nicht nur plakative Tonmalerei ist, sondern etwas mit diesem Thema passiert. Es findet einen bezwingende Entwicklung. Fortgang, Sorge der Zurückgebliebenen, Rückkehr der Sieger und Dank (mit einem eingängigen Choral) werden nachvollzogen. Trotz seiner Dauer hat der Satz für mich keine Längen, ich möchte die ganze Zeit weiterhören, ein Spannungsbogen wird entwickelt und hochgehalten. Erstklassige Fähigkeiten für einen Sinfoniker!

    Als Finale folgt eine halb so lange Kombination aus Begräbnismusik - Trost in Tränen. Ein logischer Fortgang des Marschsatzes, der Choral wird, nun als Trauermusik, verändert nochmal zitiert. Das gefällt mir! Die Sinfonie endet mit trostvollen Wendungen piano und beruhigt; gewissermaßen in Frieden. Ein solcher Verzicht auf einen effektvollen Schluss zugunsten eines werklogischen verinnerlichten Finals spricht ebenfalls für Werk und Komponist.


    Fazit: Das ist eine hervorragende Sinfonie, die seit zwei Jahren fest in meinen Kanon gehört und die unbedingt aufgeführt werden sollte!


    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich ziehe die NDR-Aufnahmen unter Griffith inzwischen übrigens den Marco-Polo-Aufnahmen unter Walter vor. Als ich Spohr kennenlernte war es anderherum. Griffith ist luftiger, wenn man so will klassizistischer; und da Spohr häufig eher so, als romantisch klingt, passt das für mich besser.

    Die bei CPO erschienen Aufnahmen unter Griffiths schlagen die alten MARCO-POLO-Aufnahmen doch in allen Bereichen um Längen: orchestrale Spielkultur, die Arbeit des Dirigenten, die Aufnahmetechnik. Die MARCO-POLO-Aufnahmen habe ich nach vollständigem Erwerb der CPO-Einspielungen aus meiner Sammlung entfernt.


    Grüße

    Garaguly

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  • Die Box war schon lange überfällig, sehr lange. Naja, und nach den Lobeshymnen heißt's jetzt oder nie ^^.

    Ein Spohr-Missions-Erfolg ;)

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Im Spohr-Fieber habe ich auch gleich mal wieder die 5. Sinfonie Op. 102 gehört. Nach der 3. Sinfonie die zweite in c-Moll. Sie scheint in der Rezeption eher noch zu den bekannteren und als positiv bewerteten Sinfonien zu gehören. So ganz habe ich das noch nicht verstanden, denn ich finde, dass sie nicht an Nr. 2 - 4 heran reicht. Bezeichnenderweise war es diese 5. Sinfonie, unter der ich auf YouTube (der Marco-Polo-Aufnahme) den Kommentar las: "Very few composers have written as many good works, but as few great works as Spohr". Das trifft es für mich immer noch ziemlich gut, auch wenn ich Spohr nun - da ich seine Musik besser kenne - durchaus ein bisschen mehr Großartigkeit zugestehen würde. Häufiges Hören hilft da. Mit der 5. Sinfonie weiß ich nicht so recht, wie ich sie einordnen soll. Sie ist markanter als einige der späteren Sinfonien, kommt an die früheren für mich aber auch nicht ran. Zwei Sätze (Nr. 2 & 4) gefallen mir durchaus gut.

    Vorliegende Sinfonie entsteht 1837 in Kassel (Cassel seiner Zeit) und enthält als Kopfsatz die Umarbeitung der vormals eigenständigen Fantasie über ein Schauspiel von Ernst Raupach.


    Eine schön wehmütige Einleitung, die mich kurz an Schubert erinnert, leitet den Kopfsatz Andante - Allegro ein. Recht schnell wird aus dieser Einleitung der stürmische und im Duktus tatsächlich an die 3. Sinfonie erinnernde Hauptgedanke des Allegros. Auch an Spohrs Klarinettenkonzert Nr. 4 fühle ich mich recht deutlich erinnert. Doch das Thema geht wenig ins Ohr, scheint vor allem aus einer rhythmisierten Phrase zu bestehen. So haben die 11 Minuten dieses Satzes für mich gewisse Längen.

    Eine gewisse Wehmut zeichnet auch das folgende Larghetto aus, das mich zwar nicht konkret, aber diffus erneut an Schubert erinnert. Einige Wendungen gefallen mir in ihrer feierlichen Schönheit sehr. Diese werden fast schon pathetisch gesteigert.

    Das kurze Scherzo kommt bis auf die markante Anfangsfigur eher unauffällig daher. Ich meine einen Ländler zu erkennen.

    Es schließt ein Presto im Kehraus-Stil ab. Der Charakter der Musik ist größtenteils, durch das hämmernde c-Moll, eher dramatisch, denn heiter. Im Mittelteil wird das Thema reichhaltig bearbeitet und auch kontrapunktisch (keine echte Fuge) behandelt. Die interessante Passage endet in einem dramatischen Höhepunkt. In der Schlussphase wendet sich der Satz nach C-Dur und endet ein wenig optimistischer aber immer noch stürmisch.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich habe gestern - laut Plan - erneut die 4. Sinfonie gehört, die sich IMO doch relativ stark von ihrerer Vorgängerin unterscheidet. Die ist "charakteristischer - hat mehr Profil - und einige eigenwillige Stellen, die in einem der Texte, die ich neulich gelesen habe, als "etwas sperrig" bezeichnet wurden. Gemeint war hier der erste Satz, der mir hingegen recht gut defallen hat. Ansonst habe ich ja scho zu einem früheren Zeitpunkt einiges über diese Sinfonie geschreiben. Warum dann erneut hören?

    Hier fällt mir leider etwas auf, daß ich bei sehr vielen Komponisten beobachtet habe, deren Werke man nur selten hört: Der Woiederekennungswert ist gering - oder anders ausgedrückt, es bleibt nichts hängen - kein Thema, das man vor sich mitsummen kann, oder, das man wenigstens im Gedächtnis hat.

    Ich hielt das lange Zeit für ein Manko dieser Werke, neige aber heut eher zu der Ansicht, daß es daran liegt, daß man die Stücke zu selten hört.

    Esist aber auch eine interessante Frage, ob das ein Kriterium sein kann, denn eigentlich wurden in vergangenen Jahrhunderten nicht dazu geschrieben, daß man sie öfter hört.

    Das Publikum war - IMO im Gegensatz zu heute - so konditioniert, daß es immer wieder neue Werke (damals) zeitgenössischer Komponisten hören wollte. Beethoven mag hier ein Zäsur bedeutet haben, denn alles was nach ihm kam musste sich an ihm messen.

    Die Stellung von Spohr ist in gewisser Weise ambivalent. Einerseits als Virtuose gefeiert - und generell in der damaligen Musikwelt eine unverzichtbate Institutuion, gamen die bislang hier erwähnten Sinfonien beim Publikum gut an - nein es war begeistert. Andrerseits war die Zustimmung der Kritik eher verhalten, bzw die Werke wurden teilweise seziert, wobei die hohe Qualität - bei allen Einschränkenden Bemerkungen - niemals wirklich in Zweifel gezogen wurde. Die Einwände waren meist relativ - und taten der Beliebheit beim Publikum keinen Abbruch

    So wie es sich mir bislang darstellt - und es auch teilweise in der mir zur Verfügung stehenden Literatur vorkommt - sind die Sinfonien 3, 4, und 5 der Zenit in Spohrs sinfonischem Schaffen - mit Schwerpunkt auf der 4. Warum das so ist, wird in einem der Aufsätze gut begründet und erklärt - Dazu ein anderes mal.

    Die 5 Sinfonie werde ich innerhalb der nächsten Tage/Wochen ebenfalls hören. Das wird wieder mit der cpo Edition geschehen. Dennoch möchte ich auch noch auf die

    abgebildete Hyperion Aufnahme mit dem Orchestra della Svizzera Italiana unter Howard Shelley hinweisen. Die ist einzeln erhältlich - allerdings zum Vollpreis.


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 4.300

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die 6. Sinfonie Op. 116, "Historische Sinfonie" ist schwer einzuordnen. Spohr versucht ihr die Stile . Die Schwierigkeit mit diesem Werk scheint mir eine Doppelte zu sein: Zum ersten ist die Nachahmung bzw. Vorausahnung der Stile nicht markant bzw. originell genug. Wenn es Nachahmung sein soll, dann hätte es auch ein wenig Parodie sein dürfen. Und das ist das zweite Problem: In der reinen Nachahmung sehe ich kaum einen schöpferischen und künstlerischen Mehrwert. Ich lerne, dass Kapellmeister Spohr eine barocke Fuge schreiben kann und die Stile seiner (Vor-)Zeit kennt. Das erwarte ich aber ehrlich gesagt von einem Künstler seiner Stellung ohnehin.


    Natürlich macht der Kopfsatz der Periode 1720 klanglich etwas her, eine hübsche Orchesterfuge im Händel-Stil. Aber das ist halt nicht Spohr. Es gibt keine innere Notwendigkeit eine Sinfonie im Jahr 1839 mit einer Fuge zu beginnen und wenn, dann nicht mit einer barock angehauchten.

    Der langsame Satz Periode 1780 im Haydn- und Mozart-Stil verhält sich ähnlich. Man sagt: Ja, gut getroffen und nicht jeder könnte das so überzeugend nachahmen. Aber Nachahmung ist andererseits keine große Kunst.

    Ein Scherzo der Periode 1810 klingt interessanter Weise recht deutlich nach Spohr (die 1. Sinfonie entstand 1811). Eine Beobachtung die mir häufig beo Spohr auffällt. Die Musik klingt, als wäre sie etwa 20 Jahre älter, als sie ist. Es ist also folgerichtig, dass die Vorepoche (Frühromantik) bei Spohr so klingt, wie Spohr eben meistens klingt. Beethoven oder andere Vertreter der Zeit höre ich kaum.

    Das Finale der Periode 1840 ist dann Gegenwarts- bzw. sogar der Versuch einer Zukunftsmusik. Stilistisch geht das in Richtung Oper und Pariser Operette - also etwas das Spohr ablehnte. Sein Blick in die unmittelbare Zukunft bleibt aber konventionell und nicht sehr mutig.


    Für mich ist die 6. Sinfonie durch die Nachahmung keine ganz vollwertige Spohr-Sinfonie. Zwar ein interessantes Experiment, dass zu seiner Zeit auch gewisse Furore machte und als innovative Idee galt aber mir persönlich nicht zusagt.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Also die "historischen" Sätze sind keine richtigen Stilkopien, die sind schon einigermaßen verfremdet. So eine Harmonik wie schon in den ersten Takten des 2. Satzes macht klar, dass das kein "normaler" Haydn oder Mozart ist (auch wenn natürlich Mozarts Dissonanzenquartett zu Beginn auch nicht so klingt, wie es damals üblich war).

  • Das stimmt schon, ist mir aber nicht genügend Parodie, um es als solche ernst nehmen zu können. Vielleicht mag das manchem Zeitgenossen mehr so gegangen sein. Stilistisch bleibt es für mich mehr im Bereich der Nachahmung, als im Bereich der Parodie oder Weiterentwicklung und deshalb enttäuschend...

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich fände eher eine Parodie merkwürdig, die Musik von Bach, Händel, Haydn und Mozart wurde damals ja nicht als etwas Minderwertiges oder Überwundenes angesehen, wie es ja zuvor leider lange üblich war, die Musik älterer Generationen abzuwerten. Es handelt sich hier ja wohl um Huldigungen, also dezent "verspohrte" Historie. Quasi den Historismus vorwegnehmend.

  • Merkwürdig wäre eine Parodie, das stimmt. Ich will nur sagen, dass mein Hör-Ohr, mit Mahler, Schostakowitsch etc. im Gedächtnis, mit so einer eher seichten Nachahmung oder Huldigung wenig anfangen kann :/

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Louis SPOHR Sinfonie Nr 5


    Wie so oft hinke ich zeitlich dem Thread hinterher ;)

    Abgesehen davon, hat es lange gedauert bis ich mich entschliessen konnte, zur 5. etwas zu schreiben. Die subjektiven Eindrücke waren seher durchwachsen.

    So habe ich sie eben heut nochmals gehört.

    Der erste Satz hat schon seinerzeit in Leipzig bei der dortigen Erstaufführung im Oktober 1838 weniger gefallen als die anderen Sätze. Kein Wunder - Spohr entnahm weite Teile davon einem anderen Werk, das ebenda bereits durchgefallen war. Spohr entfernte das Werk aus seinem Werkeverzeichnis und baute es in die 5. Sinfonie in abgwandelter Form ein. Vermutlich hat sich das Leipziger Publikum noch an das ursprüngliche Werk erinnert. Aber ein Kritiker von ebenda bezeichnete die 5. Als Spohrs (bislang) schönste Sinfonie.

    In Wien war die Uraufführung im Frühjahr des gleichen Jahres indes ein durchschlagender Erfolg.

    Mir selbst hat ebenfalls der erste Satz weniger gefallen als die anderen, er kam mir etwas zu spröde und dynamisch vor, was vielleicht aber auch an der Interpretation gelegen haben mag. Ich hab mir die Frage gestellt, wie das Ganze wohl mit den Wiener Philharmonikern geklungen hätte. Das werden wir vermutlich nie erfahren, aber auch die Hyperion

    fonien die

    es von Mal zu mal - wo man sie hört. Das gilt für einige Sinfonien die HEUTE als Werke 2. Güte gesehen werden (nicht aber zur Entstehungszeit):

    Man hört sie zu selten - weshalb der Wiedererkennungswert fälschlicherweise zu gering erscheint.

    Wie dem auch sei: Die 5. geriet schnell in Vergessenheit - sogar in London, wo Spohrs Sinfonien längere Zeit auf den Spielplänen waren als anderswo.

    Dennoch git sie bei Musikhistorikern als eine der 3 Spohr-Sinfonien, die er auf dem Zenit seines Schaffens komponiert hat....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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