Was versteht Ihr unter "Klassik"?

  • Ich meine nicht "Klassik" als Abgrenzung zu Jazz, Pop usw.


    Ich meine "Klassik" als Sammelbegriff für Musik zwischen Johann Sebastian Bach (+ 1750) und der sogenannten Romantik.


    Was versteht Ihr darunter?


    Fasst Ihr das eher als Epochenbegriff auf - also primär mit dem Fokus auf der zeitlichen Abgrenzung? Ist also die Mannheimer Schule "Klassik"? Etwa die revolutionären Orchestertrios op. 1 (ca. 1755) von Johann Wenzel Anton Stamitz? Die Bach-Söhne?


    Und wann hört diese Epoche auf? Mit Beethovens Tod? Gute Idee - aber der Freischütz, zweifelsohne ein Werk der Romantik, wurde noch vorher uraufgeführt, im Jahre 1821. Sogar Beethovens 9. Sinfonie wurde erst 1824 uraufgeführt. Seinerzeit schrieb Schubert schon an seiner "Unvollendeten". - Apropos Schubert: Der starb schon 1828, Beethoven erst 1827. Verdammt wenig Zeit für Schubert, noch schnell etwas Romantisches zu komponieren, selbst bei seinem Tempo ...


    Oder ist Klassik für Euch eher ein Stilbegriff? Wegfall des Basso continuo, noch nicht die dunkle Instrumentierung der Romantik (Bläserensembles aus Klarinetten, Hörner und Fagott - Freischütz), noch nicht die Klangmassierungen der Romantik, nicht die Poetisierung der Musik, die Vertonung außermusikalischer Inhalte (Ausnahmen bestätigen die Regel), noch nicht die komplexe Harmonik, noch nicht die romantische Sehnsucht nach Erlösung, ... Falls ja: Da tanzt das Orchestervorspiel zu Haydns Schöpfung (UA 1798) gehörig aus der Reihe - viel progressiver als Beethovens erste beiden Sinfonien.


    Oder ist Klassik für Euch vor allem ein Werturteil? So verstanden, ist Klassik genau dieses: Haydn, Mozart, Beethoven - und zwar unter Weglassung ihrer Frühwerke. Vielleicht mag man den mittleren Schubert noch hinzunehmen. Auch dies wurde versucht. Dann behilft man sich für die Zeit davor mit "Frühklassik" oder "Vorklassik". Probleme macht dann nur, dass Haydn, Mozart und Beethoven zu ihren Lebzeiten nicht die einzigen Komponisten waren. Wo steckt man dann all die anderen hin?


    Grund für diesen Thread war eine bereits längere bestehende Idee, Anlass war folgende Bemerkung:


    Ich bin derzeit bemüht mein Lieblingsgebiet - unbekannte Wiener Klassik zu beleben.


    Ich meine, "unbekannte Wiener Klassik" (gemeint ist natürlich wenig bekannte) kann es schon gar nicht geben - Wiener Klassik, das ist: Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert ohne Spätwerk. Oder?


    :hello:

  • Interessantes Thema!


    Also für mich bedeutet "Klassik" im engeren Sinne in etwa die Zeit von 1770 bis 1827 — Beethovens Lebensdaten. Natürlich waren die Übergänge zur Romantik fließend, wie Wolfram schon zeigte. Schubert ist für mich jedenfalls kaum ein Klassiker, am ehesten noch in seiner 5. Symphonie, als vielmehr ein Romantiker. Auch der Beginn der Klassik begann ja nicht abrupt. Ich erinnere z. B. an die Vorliebe Kaiser Josephs II. (reg. 1780–1790) für die Musik, die wir heute als Vorklassik bezeichnen würden. Die wurde zumindest bis 1790 tlw. auch noch komponiert.


    LG
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Und wann hört diese Epoche auf? Mit Beethovens Tod? Gute Idee - aber der Freischütz, zweifelsohne ein Werk der Romantik, wurde noch vorher uraufgeführt, im Jahre 1821. Sogar Beethovens 9. Sinfonie wurde erst 1824 uraufgeführt. Seinerzeit schrieb Schubert schon an seiner "Unvollendeten". - Apropos Schubert: Der starb schon 1828, Beethoven erst 1827. Verdammt wenig Zeit für Schubert, noch schnell etwas Romantisches zu komponieren, selbst bei seinem Tempo ...


    Warum soll der Freischütz von 1821 ein Argument gegen das Fortdauern der Klassik sein? Epochen überlappen einander.
    Schuberts berühmteste Werke gehören alle zur Romantik.


    Schauen wir uns ein paar Todesdaten an:
    Zelter (1832), Beethoven (1827), Danzi (1826), Reicha (1836), Hummel (1837)
    Ich nehme an, dass in den 30er-Jahren in deutschen Landen die Klassik allmählich ausgeblendet wird und von der Romantik beiseite gedrängt. Andernorts sieht es aber anders aus.

  • Liebe Taminos,


    nach meiner Meinung sollte man trennen. Die "Klassik" als Musikepoche wie Barockmusik, wie wie die Romantik, die sich zeitlich einordnen läßt und mit bestimmten Künstlern assoziiert wird, die ihre Schaffensperiode während dieser Zeit hatten. Aber da kommt man schon in Problemzonen. Sind Haydn und Mozart Komponisten der Klassik, gehört Brahms noch dazu? Was ist mit Berlioz? Unterscheidet sich die "Wiener Klassik" von anderen?


    Oder sollte man verallgemeinern und unter "Klassik" alles zusammenfassen, was man als klassische Musik von der Barockmusik bis zum Beginn der Zwölftonmusik geschaffen hat? Arcangelo Corelli wird als "Klassiker des Barock" bezeichnet. Dann gehören da natürlich auch Opern hinzu. Ich glaube, das "Volk" meint, wenn es von Klassik spricht, alles, wozu man "klassische " Musikinstrumente braucht. Aber auch das ist verschwimmend, denn in der Tanzmusik der Big-Bands brauchte man Posaunen und Trompeten ebenso wie Baß oder Schlagzeug.


    Der Thread ist sehr interessant. Ich glaube nicht, daß es eine strenge Definition gibt. Die Wiener werden "Klassik" für sich beanspruchen, die Mannheimer werden anderer Meinung sein.


    Ich bin gespannt auf die weiteren Beiträge. Man kann nur lernen.


    Viele Grüße von La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es ist ein Epochenbegriff und ein Stilbegriff. Der Stil ist der in der Epoche von ca. 1770 bis 1825 dominante Stil der Instrumentalmusik. Wiener Klassik ist meist enger auf die schon genannten Protagonisten eingegrenzt. Aber weniger bedeutende Musiker der Zeit wie Dittersdorf oder Vanhal komponierten nicht in einem grundverschiedenen Stil von Haydn und Mozart. Insofern droht m.E. kein großes Missverständnis, wenn man die auch als Komponisten der "Wiener Klassik" bezeichnet.


    Wie immer gibt es Überlappungen, besonders am Anfang. Ein scharfe Abgrenzung zu "Vorklassik", "Frühklassik", "Empfindsamkeit" ist schwer möglich. Welche Züge des "reifen" Stils, eng verbunden mit der Struktur der Sonatenhauptsatzform sich wann wie deutlich herausbilden, ist eine Aufgabe für Musikhistoriker, das kann man nicht mal so aus dem Ärmel schütteln. Und natürlich komponiert jemand wie CPE Bach auch nach 1770 noch in einem Stil, der sich deutlich von jüngeren "Klassikern" unterscheidet. Das ändert aber nichts daran, dass, etwa bei Mozart und Haydn viele frühe Werke aus den 1760er Jahren ziemlich deutlich den später mehr oder minder verbindlich scheinenden Prinzipien folgen.

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die "Klassik" als Musikepoche wie Barockmusik, wie wie die Romantik, die sich zeitlich einordnen läßt und mit bestimmten Künstlern assoziiert wird, die ihre Schaffensperiode während dieser Zeit hatten. Aber da kommt man schon in Problemzonen. Sind Haydn und Mozart Komponisten der Klassik, gehört Brahms noch dazu? Was ist mit Berlioz?

    Brahms und Berlioz gehören nicht dazu. (Schau mal in ein Nachschlagewerk/Lexikon oder eine Musikgeschichte.)



    Zitat

    Unterscheidet sich die "Wiener Klassik" von anderen?

    Ja.



    Zitat

    Oder sollte man verallgemeinern und unter "Klassik" alles zusammenfassen, was man als klassische Musik von der Barockmusik bis zum Beginn der Zwölftonmusik geschaffen hat? Arcangelo Corelli wird als "Klassiker des Barock" bezeichnet. Dann gehören da natürlich auch Opern hinzu.

    Natürlich, das ist "Klassik" gleichbedeutend mit "klassische Musik" oder "ernste Musik". Die beginnt aber nicht erst im Barock und endet auch nicht mit der Zwölftonmusik.



    Zitat

    Die Wiener werden "Klassik" für sich beanspruchen, die Mannheimer werden anderer Meinung sein.

    Das glaube ich nicht.



    Zitat

    Man kann nur lernen.

    Das sollte jedenfalls immer möglich sein.
    ;)

  • Sind Haydn und Mozart Komponisten der Klassik, gehört Brahms noch dazu?


    Wer, wenn nicht Haydn und Mozart? Die "klassische Symphonie" an sich ist doch gerade eine Kreation Haydns.
    Brahms und Klassik? Ich würde ihm klassische Anklägen bescheinigen, aber ihn der (Wiener) Klassik zuzuordnen, gleichsam als Epigonen, hielte ich für eine Exotenmeinung.

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    – Luís de Camões

  • In Wien hat man in der Vergangenheit immer auch Franz Schubert zu den "Wiener Klassikern" gezählt, eine Zuordnung die zumindest anfechtbar war - und welche nun scheinbar nicht mehr praktiziert wird. Schubert ist weitgehend schon in der Romantik beheimatet - mit klassischen Wurzeln natürlich. Und da sind wir auch schon beim Kernpunkt der Frag. Meine persönliche Einteilung ist eher eine pragmatische. Ich klebe nicht unbedingt an Jahreszahlen und schon gar nicht an Städten.
    "Mannheimer Schule" wurde gelegentlich auch "Mannheimer Klassik" genannt - und ich habe mit dieser Bezeichnung kein Problem. Die Übergänge sind - wie auch in anderen Kunstrichtungen - stets gleitend. Komponisten, die lange lebten und sich dem jeweiligen Zeitgeschmack anpassten sind natürlich schon deswegen nicht korrekt zuordenbar
    Das ist ja auch nicht wirklich notwendig, denn die Mischformen sind natürlich gewachsen und nicht regelmäßig.
    Das Einteilen in "Schubladen" ist natürlich eine gewisse Orientierungshilfe - aber man sollte es auch nicht übertreiben....


    mir freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • In Wien hat man in der Vergangenheit immer auch Franz Schubert zu den "Wiener Klassikern" gezählt, eine Zuordnung die zumindest anfechtbar war - und welche nun scheinbar nicht mehr praktiziert wird.


    Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass - in Wien oder sonstwo - die Winterreise nicht der Romantik zugeordnet wurde. Von Schubert gibt es genug klare Fälle, schwieriger ist es sicher bei Beethoven, bei dem man ja auch frühromantische Tendenzen findet.


    Auf der anderen Seite ist eine begriffliche Differenzierung mir unklar: Ist Vorklassik = Frühklassik oder ist erst VOR, dann FRÜH und dann HOCH? Ich persönlich ziehe die zweite Variante vor. Letztlich ist es aber egal. Für meinen persönlichen Sprachgebrauch (und der scheint ja die Thread-Frage zu sein) sind die vorklassischen Elemente bei den frühen Sinfonien Sammartinis wichtiger als die barocken Traditionen darin womit für mich Sammartini ein wichtiger Vorklassiker wird (das ist er aber seit 1750 ohnehin). Ein anderer mag sagen, dass der frühe Sammartini noch dem Barock zuzuordnen ist, sich hier aber bereits Vorahnungen auf spätere Entwicklungen finden lassen, ebenso wie bei Scarlatti etwa.


    womit die Grenzen grob wären:
    Barock bis 1770 (Tartinis Tod)
    Vorklassik 1730 - 1790 (CPE Bachs Tod)
    Hoch-Spätklassik 1770 - 1830 (Danzi/Reicha)
    Romantik ab 1810 (Vorisek/Field)


    Vor allem die Bis-Grenzen sind ziemlich ins Blaue geraten ...
    Ich gehe davon aus, dass auch nach 1770 noch vorwiegend barock zu nennende Werke komponiert wurden. Hier könnte ich eher mit Beispielen aus der österreichischen Deckenmalerei-Kunst aufwarten, die trotz der jähen Hinwendung Maulpertschs zum Klassizismus auch nach 1770 noch klar barocke Werke hervorgebracht hat. Aber in der Musik habe ich hier nicht gezielt gesucht.

  • Natürlich, das ist "Klassik" gleichbedeutend mit "klassische Musik" oder "ernste Musik". Die beginnt aber nicht erst im Barock und endet auch nicht mit der Zwölftonmusik


    Lieber Kurzstückmeister,


    Danke für Deine Belehrung, um die ich ja gebeten hatte. Mir fällt es aber schwer, Stockhausen in die gleiche Rubrik zu stellen wie Beethoven - also "klassische " Musik.


    Anders bei Schönberg. Die "Verklärte Nacht", besonders aber die "Gurre-Lieder" sind für mich "klassische Musik" , wenn sie auch evtl. der Romantik oder Hochromantik zuzuzählen wären.


    Sicher haben diejenigen, die Musik studiert haben, ein anderes Verständnis oder eine andere Definition , was "klassisch" ist. Selbst Alfred sieht die Grenze zwischen Wiener und Mannheimer Klassik nicht so eng. Ich sehe da auch meine persönliche Definition, über welche die Fachleute ruhig lachen können. Und alles, was ein "klassisches" Orchester spielt oder ein "klassischer" Chor singt (was ist denn das nun wieder), das ist für mich Klassik. Ich sehe da also eine Zusammenfassung verschiedener Stilepochen als klassische Musik an, auch Oper, vielleicht sogar Operette (Lehar und auch Strauß im Zigeunerbaron hatten ja immer vor, ihre Musik als Oper zu sehen). Aber bei Stockhausen u.a. tu ich mich schwer, Disharmonien und atonische Musik zähle ich nicht in diese Sparte.


    Vielleicht hätte ich lieber schweigen sollen, aber ein bißchen bin ich hier das "Volk", dem bestimmte Musik gefällt, ohne zu definieren, ob das klassisch oder nur Unterhaltung ist.


    Viele Grüße von La Roche

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  • Lieber La Roche,


    hier ist noch einer aus dem Volk.


    In Vor-Tamino-Zeiten war mein musikalisches Weltbild recht klar: aus dem barocken Hochgebirge schaute man über die Klassische Tiefebene und über den romantischen Graben direkt zu den Jazz-Hügeln hinüber. Die Tiefebene fing mit Bach´s Tod an und die Jazz-Hügel erhoben sich in den "Goldenen Zwanzigern" - was dazwischen lag, war mir egal.


    Inzwischen hat sich die Tiefebene strukturiert, es gibt durchaus ansehnliche Erhebungen, wenn es grundsätzlich auch flache Lande geblieben sind.


    Insofern ist für mich eine Unterteilung in flach oder flacher von nur peripherer Bedeutung.


    :hello:

  • Bei der modernen Musik tue ich mich auch schwer damit, diese im Klassikbereich einzuordnen. Viielleicht kommt Manfred Trojan dem noch am Nächsten. Aber selbst bei Berg habe ich mit der EInordnung meine Schwieigkeiten. Denn Wozzek oder Lulu würde ich nicht im Klassikbereich einordnen. Das ist aber nur meine bescheidene Meinung.

  • Bei der modernen Musik tue ich mich auch schwer damit, diese im Klassikbereich einzuordnen. Viielleicht kommt Manfred Trojan dem noch am Nächsten. Aber selbst bei Berg habe ich mit der Einordnung meine Schwierigkeiten. Denn Wozzek oder Lulu würde ich nicht im Klassikbereich einordnen. Das ist aber nur meine bescheidene Meinung.


    Wie würdest Du Berg denn alternativ einordnen?


    Natürlich klingt Berg anders als Mozart. Aber Mozart auch anders als Monteverdi. Aber sie stehen alle in derselben Traditionsline europäischer Musik, die mit dem weiten Begriff von Klassik (im Ggs. zu dem engen, der auf einen Zeitstil ca. 1765 bis 1825 bezogen ist) gemeint ist.

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  • Inzwischen hat sich die Tiefebene strukturiert, es gibt durchaus ansehnliche Erhebungen, wenn es grundsätzlich auch flache Lande geblieben sind


    Lieber m.müller


    schön, weitere gleichgesinnte zu finden. Dein Vergleich mit der Topographie ist hilfreich. Zu den Peaks zählt eben jeder etwas anderes, was dem einen sein Wagner ist, ist dem anderen sein Bach. Schlimm wäre, wenn alle den gleichen Geschmack hätten. Dann wären wir wieder uniformiert.


    Deswegen kann man seinen Nachbarn aber nicht verdammen, wenn der nur Bach oder nur Mahler mag. Die Hauptsache ist doch der Spaß an der Musik.


    Nur unter der Ebene, da ist für mich Musik wie Rep (Gedichtaufsagen mit Schlagzeug), oder verschiedene moderne Rockarten. Das ist die Ebene des Toten Meeres. Und bei den fanatischen Höhrern dieser Musik ist schlimm, daß sie nichts anderes dulden. Ach was sind wir doch tolerant.


    Noch etwas Provozierendes - Provozierendes oberhalb der Gürtellinie entfacht oft eine fruchtbringende Diskussion: Wer sagt uns eigentlich, ob Johann Strauß den Andre Rieu schlecht gefunden hätte und die Wiener Philharmoniker am Neujahrstag als das Nonplusultra gesehen hätte? Johann Strauß hat seiner Zeit entsprechende Tanzmusik gemacht, zumindest was Walzer und Polka betrifft. (ich habe in der Tanzstunde vor vielen Jahren noch Polka gelernt). Kommt dem Rieu der Anspruch, Tanzmusik zu sein nicht nahe? Ist das Neujahreskonzert - teilweise mit derselben Musik - nicht ein "klassisches" Konzert?



    Die Grenzen schwimmen!!


    Viele Grüße von La Roche

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  • Die Grenzen schwimmen!!


    Allerdings anderswo wenn man den Eröffnungsbeitrag ernst nimmt. Dort schwimmen sie nämlich irgendwo zwischen Domenico Scarlatti und Mozart, zwischen Haydn und Gossec oder zwischen Beethoven und Schubert.


    Wenn allerdings das Subjektive durch den Threadtitel so hervorgehoben wird, ist es natürlich klar, dass plötzlich Bach und Jazz Klassik sein könnten und Mozart nicht. Insofern wundere ich mich nicht über das Scheitern des Threads.

  • Die Musik von Berg würde ich eher als modernen Sprechgesang bezeichnen.


    Und den Anfang vom 3. Tristan-Akt u.a. bei Wagner oder Strauss nicht?


    Würdest Du, um bei der Oper zu bleiben, tatsächlich ein Kontinuum von Monteverdi bis ca. Strauss' Elektra sein, aus dem Berg dann komplett ausbricht? Das scheint mir kaum aufrechtzuerhalten zu sein.


    Allerdings ist der Thread nun tatsächlich stark von der Ausgangsfrage nach Abgrenzungsschwierigkeiten der der Klassik im engeren (Stil/Epoche Ende des 18. Jhds.) entfernt...

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  • Bei Strauß würde ich den Rosenkavalier eher in den klassischen Bereich einordnen. Bei der schweiigsamen Frau und Ariadne auf Naxos wird es schon schwieriger. Und bei Monteverdi ist es halt die Tonalität die andersartig ist. Monteverdi zählt für mich eher in den Bereich Barock. Und im Bereich Pop / Rock bzw Jazz gibt es ja auch den Bereich Classic Pop bzw Classic Jazz. So z.B. bei der Last Night of the Proms um das Publikum an die Klassik heranzuführen. Bis lang war ich fast jedes Jahr in Dortmund bei der Last Night, nur um Music von John Miles zu hören, nur seit letztem Jahr gibt es die Unsitte das dort irgendwelche DJ`S auftreten. Das hat für mich nichts mehr mit Klassik zu tun. Scooter muss ich nicht unbedingt bei der Last Night hören.

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  • Apropos Schubert: Der starb schon 1828, Beethoven erst 1827


    Lieber Wolfgang,


    bei so etwas komme ich immer ins Grübeln, wie bei Harald Lesch, wenn er immer wieder behauptet, man könnte nur bis 300 Tausend Jahre von dem Big Bang ins Weltall schauen. Beim Rückwärtslaufen entbehrt es jedenfalls nicht der Logik.


    Doch zu Deinen Wanderer-Fragen. Ich fürchte, mein Haupt kann ich nicht behalten, denn Klassik als Werturteil ist bei mir von vornherein abgeschrieben.


    Als Epoche würde ich es am ehesten sehen auch unter Berücksichtigung Deiner Stil-Reflektionen. Interessant, dass Du da das Vorspiel zur Schöpfung nennst. Ist das Haydn, war mein spontaner Gedanke beim ersten Anhören.


    Das würde doch dafür sprechen, dass man das Kriterium wählt, dem sich die meisten anschließen können und das am wenigsten zu Kontroversen Anlass gibt. Das ist eben die Epoche.


    MfG
    hami1799

  • Interessant ist m.E. nicht das Festlegen von ungefähren Jahreszahlen, sondern sich zu überlegen, aufgrund welcher Aspekte der Musik man zB meint, dass ein Werk von Schubert "klassisch" (im engen Sinn) oder romantisch sein sollte.
    Es liegt nahe, dass ein Stück wie seine letzte Klaviersonate D 960 klassische UND romantische Züge trägt. Z.B. viersätzig mit dem "klassischen Standard" entsprechenden Satztypen, Abschnitte der Sonatenform, inkl. Wdh. usw. sind klassisch oder mindestens klassizistisch (d.h. "äußerlich" klassischen Vorgaben entsprechend). Dagegen sind vielleicht manche Tonartenverhältnisse, Modulationen, ebenso wie die "Stimmung", Melodiezentriertheit eher romantisch. Die Details werden hier, wie schon gesagt wurde, schnell technisch, strittig und insgesamt knifflig.


    Schumanns "Davidsbündlertänze" op.6 haben dagegen keinen klassischen Aspekt mehr. Zyklische Klavierstücke gibt es in der Klassik nur als Variationen und das trifft auf dieses Stück nur in einem sehr weiten Sinne zu, Tonartenverhältnisse sind lockerer; es gibt poetische Zwischenüberschriften usw. Auch Schumanns fis-moll-Sonate ist "unklassischer" als Schuberts späte Sonaten, aber es gibt natürlich auch bei ihm Werke, die man klassizistisch nennen kann, wie die Streichquartette oder die Sinfonien.


    Der späte Beethoven (und teilweise auch Schuberts späte Instrumentalwerke) sind überdies eigentümliche Fälle, weil diese Stücke mitunter "aus der Zeit zu fallen" scheinen und größtenteils erst Jahrzehnte später rezipiert wurden. Das ist vielleicht ein historischer Hinweis darauf, dass ihre stilistische Einordnung schwierig sein dürfte

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