Gestatten, Alte Platten - Schellackschätze der Instrumentalmusik

  • Hallo,


    Da haben die Majors (aus Höflichkeit nenne ich sie immer noch so 8) ) jetzt die Künstler der gesamten Billiglohnländer unter Vertrag genommen
    (es ist schon seltsam, daß die meisten "Neuentdeckungen" aus China, Rußland oder Lateinamerika kommen ;) ), ein neues Aufzeichnungsformat kreiiert, wo Vermögen bzw Unvermögen des Künstlers besser akustisch dargestell werden kann.
    Und was behaupten da manche Leute ?
    Früher gab es bessere Interpreten.
    Desto weiter zurück, desto besser.
    Der Beliebtheitsgrad des vor 50 Jahren verstorbenen Furtwängler steht dem eines Karajan kaum nach, die meisten lebenden Dirigenten werden sogar übertroffen.Schnabel und Gieseking sind der heutigen Jugend mit Sicherheit mehr vertraut, als mir in jungen Jahren.


    Warum ist das so? Nostalgie?
    Eine ganze Industrie lebt davon die alten Aufnahmen zu "restaurieren" und zu vermarkten.


    Wie steht Ihr zu den "Meilensteinen" der Vergangenheit ?


    Haltet ihr das für "Schnee von gestern"?, technisch und künstlerisch antiquiert und uninteressant?
    Oder interessiert es Euch aus "historischen Gründen" ?
    Es gibt aber Leute, die können sich an solch alten Aufnahmen wirklich begeistern und ziehen sie vereinzelt allem heute aufgenommenen vor.


    Wenn Ihr über solche Aufnahmen berichten wollt, dann seid Ihr hier am richtigen Platz


    Stellt uns solche Aufnahmen vor.


    Vielleicht noch ein par Anmerkungen zur (relativen) Tonqualität, relativ damit meine ich gemessen am Standard, der zur Zeit der Auifnahme üblich war.


    Alllerdings bitte keine Gesangsaufnahmen, nur Orchestrales, bzw Soloinstrument. Gesang und Oper, bekommt so dieser Thread erfolgreich war, ein eigenes Thema.



    Grüße aus Wien


    Alfred.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als ich diesen Thread startete, war das Forum noch nichr "reif" dafür, zu wenige Mitglieder etc.
    Einige Bemerkungen hier im Forum lassen mich ahnen, daß derzeit mehr Interesse an diesem Theme besteht, deshalb schicke ich ihn "nach oben"
    (anschließend wir dieser, mein Beitrag wieder gelöscht)


    Gruß
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    es wäre hilfreich, würdest du ein Stichdatum angeben(Aufnahmen vor xxxx).


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Nun Ich würde sagen die Schellackära hatte ihren Höherpunkt von den späten zwanzigern bis etwa 1950.
    Vor 1925 wars zwar auch Schellack, aber noch ncht elektrisch augenommen, diese Aufnahmen werden nur seltern erhältlich sein, weil die Tonqualität sehr bescheiden ist.
    Ab 1925 gab es elektrische Aufnahmen, also ohne Trichter, die waren relativ brauchbar. Sie rauschten zwar stark und es fehlten die obersten Höhen, aber sie klangen jedenfalls wesentlich besser als man uns heute glauben machen will.
    Eine weitere Verbesserugn trat ca 1936 ein als man die elektrische Vormagnetisierung bei Tonbandaufnahmen entdeckte.


    Schellacks gab es zwar bis ca Mitte der 50er Jahre, aber da waren sie schon obsolet, die (Mono) Langspielplatte war schon erfunden.


    Daraus folgt, daß der für uns interesante Zeitraum etwa zwischen 1925 und 1950 festzusetzern wäre, mit deutlichem Schwerpunkt auf die dreißiger-Jahre.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred



    PS:
    Über historische Schallplattenaufnahmetechniken würde ich sowieso gern einen Threrad machen, aber nur wenn Interesse besteht.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    ich möchte ja keinem auf den Schlips treten, aber meine Antwort zu der Frage:


    Zitat

    Haltet ihr das für "Schnee von gestern"?, technisch und künstlerisch antiquiert und uninteressant?


    Eindeutig JA !


    Man sieht ja schon das im Zeitraum von April bis jetzt nur einer auf das Thema geantwortet hat.


    Warum ist das so und warum sehe ich das auch so ?
    Wenn ich mich vor meine Stereo-Anlage setze ist das ein Ersatz für einen Konzertbesuch. Der Klang soll dann mindestens genausogut wie im Livekonzert in meinem Wohnzimmer wiedergegeben werden.
    Bei Sinfonien in großer Besetzung (Schostakowitsch, Mahler) bin ich sogar der Meinung, daß man diese zu Hause vor der Anlage noch besser hören kann, als auf einem Platz in der Konzerthalle, da die Technik nichts unterschlägt und einen Einblick in die letzten Struktutren erlaubt.
    Eine Schellack-LP oder sonstige MONO-Aufnahmen können das nicht leisten, auch wenn die Interpretation live noch so gut gewesen sein mag !
    Warum soll man sich rauschendes, verfärbtes, krächzendes MONO antun, wenn man es heute wirklich besser haben kann - es ist doch alles wesentliche heute in akzeptabler Qualität eingespielt.


    Wer dennoch die historischen Aufnahmen hören möchte, dann ist dies zu akzeptieren, für denjeigen gibt es ja eine historisches CD-Material.
    Für mich persönlich ist das Wiederverwertungspolitik der CD-Firmen, für die ich keine Kunde bin.


    Gruß aus Bonn
    Wolfgang

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Widerspruch, lieber teleton!


    Ich nehme an, daß sich hier in nächster Zeit einiges ereignen wird. Ich danke Alfred, daß er diesen Thread Wiederbelebt und in mein Aufmerksamkeitsbereich geschoben hat. Ich habe so viele interpretatorische Schätze von den Altmeistern von vor 1950 - und das bei größtenteils akkzeptabler Tonqualität - so daß ich hier einiges zu Papier bringen werde. Ich weise nur schon mal auf die Naxos historical Reihe hin, die keineswegs eine Recyclingmasche ist sondern teilweise echte Schätze aufpoliert, von denen wir auch heute noch viel lernen und genießen können.
    Für Leute, denen ein makelloser Stereo-Klang über alles wichtig ist, ist dieser Bereich hier allerdings nichts.


    (PS: einmal habe ich eine italienische billig-doppel-cd mit der callas als aida, mexico-city, live, weggeworfen, durchaus begründet, da man keine musik hören konnte sondern nur husten und das geschnattere der Leute hinter der bühne. Einziger Fall, daß ich jemals mit einer Tonqualität restlos unzufrieden war.)

  • Zitat

    Original von alfred


    Haltet ihr das für "Schnee von gestern"?, technisch und künstlerisch antiquiert und uninteressant?


    Eindeutig NEIN


    Zitat

    Original von teleton
    Man sieht ja schon das im Zeitraum von April bis jetzt nur einer auf das Thema geantwortet hat.


    Hallo teleton,


    wie schon von Alfred angedeutet, könnte JETZT das Interesse da sein.


    Wir hatten jede Menge Schellackplatten, und sie aus Dummheit / Unwissenheit WEG GEWORFEN :( ;( !!!


    Ein paar wenige blieben uns noch, darunter Ravels "Bolero". Wir hören sie immer wieder mal an. Einfach um auch das Gefühl zu bekommen (oder zu behalten) wie es früher war.
    Und manchmal ziehen wir diese alten Aufnahmen auch den jetzigen so überaus Perfekten vor. (Perfekte Dinge werden SCHNELL langweilig...)Da steckt einfach ein "anderes" Leben `drin. Auch ein bißchen Wehmut.


    Beim abspielen von Schellack (oder auch Vinyl) geht es ja auch um ein Stück "sterben" - hört sich blöd an, wir wissen es. Kann das jemand nachvollziehen?


    Liebe Grüße


    Bettina und Wilfried

  • Zitat

    Original von teleton
    Wenn ich mich vor meine Stereo-Anlage setze ist das ein Ersatz für einen Konzertbesuch. Der Klang soll dann mindestens genausogut wie im Livekonzert in meinem Wohnzimmer wiedergegeben werden.
    Bei Sinfonien in großer Besetzung (Schostakowitsch, Mahler) bin ich sogar der Meinung, daß man diese zu Hause vor der Anlage noch besser hören kann, als auf einem Platz in der Konzerthalle, da die Technik nichts unterschlägt und einen Einblick in die letzten Struktutren erlaubt.
    Gruß aus Bonn
    Wolfgang


    8o
    Sorry, Wolfgang, allein schon bei dieser Aussage muss ich schlucken. Wie soll das denn mit den Mitteln der Stereophonie möglich sein - von der Atmospähre ganz zu schweigen?


    Aber, zum Thema:
    wenn man sich der technischen Unzulänglichkeiten bewusst ist, kann eine 80 Jahre alte Aufnahme schon faszinieren. Mal ganz abgesehen davon, dass wir Sängern lauschen dürfen, die schon längst in den Olymp aufgestiegen sind ;), finde ich es immer faszinierend, wie die Dirigenten dieser Zeit ihre Auffassung einer, z.B., Brahms-Sinfonie versuchen wiederzugeben.


    Ein sehr interessantes Beispiel ist da die V. Beethoven unter dem Dirigat Nikisch´s. DIe Künstler dieser Zeit waren schon rein "schulmäßig" näher an einem Brahms dran, den sie teilweise noch selber gekannt haben. Oder denken wir an unmittelbare Liszt-Schüler. Der Vergleich mit der heutigen Auffassung ist immer wieder interessant.


    Also ein Stück Interpetationsgeschichte

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Nochmal hallo,


    vor Jahren habe ich mir, nachdem ich die wirklich hervorragende Fernsehserie von Jürgen Kersting gesehen und aufgezeichnet habe, diese CD gekauft:



    Aus der Inhaltsangabe:


    "Arien & Lieder von Meyerbeer, Bach / Gounod,
    Verdi, Donizetti, Cardillo, Wolf, Mozart, Brahms,
    Massenet, Giordano, Puccini, Bellini, Wagner, Offenbach, Joh. Strauß (Sohn),Beethoven, Schubert,
    Tschaikowsky, Halevy, Gounod, Millöcker
    Caruso, Moreschi, Slezak, McCormack, Schipa,
    Gigli, Lauri-Volpi, Melchior, Tauber, Thill,
    Rosvaenge, Kozlowsky, Schmidt, Björling"


    Als besonderes "Bon-Bon" eines Aufnahme des letzten Kastraten, Alessandro Moreschi.


    Durchaus empfehlenswert!

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Also ich mach mal zwei Vorschläge, die man sich als Fan oder interessierter Hörer, den die Interpretationsgeschichte interessiert nicht entgehen lassen sollte.



    Darin befinden sich Aufnahmen zwar auch Aufnahmen, die vor und nach dem Stichtag entstanden sind, als historische Dokumente sind jedoch äußerst wertvoll:


    Nikischs legendäre Aufnahme der 5. von Beethoven inspiriert zum heiteren Instrumenteraten - was ist dabei, was nicht. Fricsays Beethoven 7. ist im Allegretto voller Todesahnung, eine der langsamsten Interpretation, die aber dennoch funktioniert. Schurichts Eroica ist nicht sonderlich beeindurcken, genauso wie Buschs Aufnahme der 9. keine must-have ist. Anders sieht das beim 3. Klavierkonzert (Fischer/Fricsay) und beim Violinkonzert (Wolfsthal/Gurlitt) aus. Vor allem das VK ist zeitlos gut gelungen. Kempff spielt das 5. Klavierkonzert (mit Peter Raabe X( ) sowie die Violinsonaten 5. und 9. mit Kuhlenkampff und Schneiderhan.


    Und:



    Die Oberon-Ouvertüre von Nikisch, Brahms 4 von Weingartner, die Rosenkavalier-Filmmusik von Strauss dirigiert, Schuberts Unvollendete von Furtwängler, Brahms und Wagner von Toscanini, Sibelius 7 von Koussevitsky etc.

    Gruß,
    Gerrit

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Diese Platte hätte heute im "heute erst gekauft" und im "was hört ihr gerade jetzt" Thread auftauchen können, ich möchte sie aber gern schon hier sehen:



    Ich finde die Klangqualität für eine Aufnahme von 1926 mehr als in Ordnung. Es ist meine erste Aufnahme mit Fritz Kreisler, er war mir vorher nur dem Namen nach bekannt. Mich hat heute besonders sein Mendelssohn beeindruckt, kann nicht sagen warum.
    Habe durch flüchtiges googeln gerade mitbekommen, daß er wohl beide Konzerte später nochmal unter Barbirolli aufgenommen hat. (auch bei Naxos veröffentlicht) Kennt jemand diese Aufnahme?


    Viele Grüße
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Hallo alle miteinander,


    ich beginne mit einer der heiligen Kühe der Schallplattengeschichte, nämlich den 6 Suiten für Solo-Cello von Johann Sebastian Bach (BWV 1007-1012), eingespielt von Pablo Casals. Diese Aufnahmen waren in den letzten Jahrzehnten immer erhältlich (das schaffte so lückenlos nicht einmal Schnabels Beethoven), wurden aber vor kurzem durch einen neuen Transfer von Ward Marston erheblich aufgewertet. Diese CDs, herausgekommen bei Naxos, klingen deutlich besser als die EMI-Kassette (CHS 7 61027). Das Instrument entwickelt jetzt einen erstaunlich körperhaften Ton, und Casals Interpretation ist ohnehin eine der wenigen Fixsterne am Schallplattenhimmel.



    P.S: Man kann sehr gut mit dieser Aufnahme allein leben, aber Casals sehr romantisch beschwingte Sicht der Suiten lässt durchaus Spielraum für technisch hochwertige Aufnahmen, die einen völlig anderen Charakter haben. Auch glaube ich, dass die Suiten eines jener Werke sind, wo beim Essen (ähhh ... Hören!) der Appetit auf mehr kommt, und man auf andere Interpretationen neugierig wird. Aber Achtung, es wird anders, aber kaum besser, und in seiner Art bleibt Casals nach wie vor unerreicht.


    Noch ein Tipp: Die Alternativ-Einspielung schlechthin für mich ist Janos Starker (Mercury), des is klassisch (würde Nestroy sagen). Aber auch andere Mütter haben gute Cellisten-Söhne...


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Servus Theophilus


    Na vielen Dank für den Hinweis, daß die Naxos-CD besser klingt. Habe die EMI CD und werde wohl jetzt ausnahmsweise irgendwann demnächst die Naxos CD zum Vergleichen kaufen. Ist aber auch eine unglaublich musikalische Interpretation von Casals! Mit Starker liebäugle ich auch seit langem, werde ich wohl auch demnächst besorgen. Ich finde Fourniers Aufnahme bei der DG aber auch schön und einen notwendigen nüchternen Ausgleich zu Casals.


    Gruß, Markus

  • Hallo


    Ich höre gerade Felix Weingartners Aufnahme von Beethoven 7+8+Egmontouvertüre.




    Interessante Aufnahmen, keineswegs zu romantisch
    Einzig schade ist, daß man so gut wie keine Pauke durchhört - technisch bedingte Zugeständnisse an die Aufnahmegerätschaft?


    Kennt sich jemand aus in der Biographie Weingartners? Was passierte zwischen 1938 ("Anschluß") und seinem Tode 1942? Kooperierte er mit den Nazis oder war er ihnen nicht genehm? Oder zog er sich alters- oder krankheitsbedingt schlicht zurück? Kann mir jemand die Todesumstände nennen? Sogar die großen Musiklexika sind da recht geizig mit Informationen!


    Schon im Voraus ein dankeschön für die Informationen.
    Gruß, Markus

  • Hallo


    Heute möchte ich die älteste Aufnahme vorstellen, die ich regelmässig höre. Die Entstehungsdaten klingen kriminell [1926 - 1928], aber die Klangqualität ist den Umständen entsprechend gut und die Restaurierungstechnik hat auch nicht brutal den Klang verändert. (Aber eine Warnung: Man muß schon alte, verrauschte Aufnahmen gewöhnt sein, um diese hier genießen zu können, aber es gibt noch weit schlechtere Aufnahmen, bis in die 50er Jahre hinein!)



    Alles in allem eine zeitlose, beschwingte (beswingte) Darbietung von Beethovens "Erzherzogtrio" und von Schuberts Trio Nr. 1. Eine gute Gelegenheit die legänderen Musiker Alfred Cortot, Jaques Thibaud und Pablo Casals mal zusammen kennenzulernen.

  • Thomas:


    Du trifft den Nagel auf den Kopf. Ein wirkliches Muss.


    Hier noch eine weitere Perle aus dem Naxos-Katalog:



    Interessant vor allem der direkte Vergleich mit der auch von Naxos verlegten Aufnahme Furtwänglers. Tchaikovsky wie ihn in den letzten Jahrzehnten vielleicht noch der späte Bernstein dirigiert hat.

    Gruß,
    Gerrit

  • Salut,


    ein weiterer "Krimi" sind die Aufnahmen von 1927, 1928, 1929 - ebenfalls Thibaud • Casals • Cortot: Ludvig van Beethoven: Kreutzer-Sonate, Sieben Variationen in Es-Dur über "Bei Männern, welche Liebe fühlen" aus der Zauberflöte, Klaviertrio B-Dur Op. 97!!


    SEHR empfehlendwert, ebenfalls aus dem Hause NAXOS, Serie "Historical".




    Grüße, Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Markus ("ThomasBernhard") stellte die Frage:


    Zitat

    Kennt sich jemand aus in der Biographie Weingartners? Was passierte zwischen 1938 ("Anschluß") und seinem Tode 1942? Kooperierte er mit den Nazis oder war er ihnen nicht genehm? Oder zog er sich alters- oder krankheitsbedingt schlicht zurück? Kann mir jemand die Todesumstände nennen? Sogar die großen Musiklexika sind da recht geizig mit Informationen!


    Felix Paul von Weingartner, Edler von Münzberg übersiedelte bereits 1927 in die Schweiz, kehrte aber 1935-36 für ein Jahr nach als Direktor der Wiener Staatsoper nach Österreich zurück, eine Position die er bereits einmal innehatte nämlich 1908 als Nachfolger Gustav Mahlers an der Wiener Hofoper (= seit 1918 Wiener Staatsoper) Er starb am 7. 5. 1942 im Alter von 79 Jahren in Winterthur/Schweiz.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Eigentlich wollte ich nur den Anfang der 7. und das Scherzo aus Mendelssohns Sommernachtstraum hören, das geht aber nicht. Die ganze Scheibe musste es sein:



    Vor allem Beethoven 7 (aufgenommen 1929) straft alle Mäkler Lügen, die Toscanini für einen reinen Taktschläger diffamieren wollten. Das lebt und pulsiert, atmet und breitet sich aus - und hat dennoch eine ungeheure Spannung. Nicht ganz meine Lieblingseinspielung dieser Symphonie von Toscanini - das ist eher das Remake mit den New Yorkern von 1936 (oder 1937?) - aber dennoch ein phänomenales Dokument erstklassiger Kunst.

    Gruß,
    Gerrit

  • Weil gerade Weingartner des öfteren auftaucht:


    Label Naxos
    Beethoven:
    Sinfonie Nr. 3 Wiener Philharmoniker Mai 1936
    Sinfonie Nr. 4 London Philharmonic November 1933
    Dirigent: Felix Weingartner



    Und jetzt "mein Trumpf-Ass":
    Label Naxos
    Beethoven: Sinfonien Nr. 5 (1928) und 7 (1926)
    Staatsopernorchester Berlin
    Dirigent: Richard Strauss


    Anhören, anhören

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo,
    ein weiteres Schätzchen aus der Schellackzeit:



    Isaac Stern (Violine) spielt Werke von Beethoven
    Sonate f. Violine u. Klavier Nr. 7 c-moll op. 30 Nr. 2


    und G.F. Händel
    Sonate f. Violine u. B.c. D-dur: Allegro


    Historische Aufnahmen von 1945 und 1946.


    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hallo zusammen,


    noch vor einem Jahr wäre so etwas nie in meinen CD-Player gekommen (zumindest nicht unter monetären Verlusten :D), mittlerweile höre ich aber auch solche Aufnahmen hin und wieder sehr gerne. Voraussetzung ist natürlich eine außergewöhnlich hohe künstlerische Qualität bzw. das Interesse am Interpreten, der mir sonst anders nicht zugänglich wäre sowie natürlich die Lust am Blick in die Vergangenheit. Anzumerken noch, dass ich mich mit sinfonischen Werken am schwersten tue, weil dort die fehlende räumliche Abbildung und Dynamik die nervigsten Verluste verursachen. So nimmt von den instrumentalen Konzerten über die Solostücke bis hin zum vokalen Repertoire der Genussfaktor merklich zu.


    Mein bekanntlich musikbegeisterter Lieblingsschriftsteller Thomas Mann beschreibt dies plastisch in seinem Roman "Der Zauberberg" im berühmten Kapitel "Fülle des Wohllauts" ;), wo der dem Stumpfsinn verfallene Hauptdarsteller Hans Castorp eine letzte Stimmungsaufhellung durch die Anschaffung eines Grammophons erhält, welches (zeitlich befinden wir uns kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges also etwas vor dem von Alfred vorgeschlagenen Betrachtungszeitraum, aber seis drumm ) als "neuestes Modell...letzte Errungenschaft....was besseres gibt es nicht in dem Janger" angepriesen wird.


    Was dort also zu hören war ist dies:


    Der [orchestrale] Klangkörper, unentstellt im übrigen, erlitt eine perspektivische Minderung ; es war, wenn es erlaubt ist für den Gehörsfall ein Gleichnis aus dem Gebiet des Gesichtes einzusetzen, als ob man ein Gemälde durch ein umgekehrtes Opernglas betrachtete, so dass es entrückt und verkleinert erschien, ohne an der Schärfe seiner Zeichnung, der Leuchtkraft seiner Farben etwas einzubüßen....


    Dann aber heißt es später weiter:


    Menschliche Stimme entströmte dem Schrein, männlich, weich und gewaltig auf einmal, vom Orchester begeleitet, ein italienischer Bariton berühmten Namens, - und nun konnte durchaus von keiner Entfernung und Verschleierung mehr die Rede sein: das herrliche Organ erscholl nach seinem vollen natürlichem Umfange und Kraftinhalt, und namentlich wenn man in eines der offenen Nebenzimmer trat und den Apparat nicht sah, so war es nicht anders, als stände dort im Salon der Künstler in körperlicher Person, das Notenblatt in der Hand, und sänge...es war vorzüglich.



    Also, doch High Fidelity ;):D



    Ich tue mich mit "edlem Mono" teilweise schwerer, weil da doch wiederum die Ansprüche immens wachsen aufgrund der Möglichkeiten. Wie auch immer, bei einem guten Glas Rotwein höre ich hin und wieder gerne dies:


    Heifetz, Violinkonzerte von Tschaikowsky, Wieniawski und Sibelius
    Naxos



    Das Tschaikowskikonzert zählt sogar zu meinen Lieblingsaufnahmen, die Virtuosität im Wieniawskikonzert ist atemberaubend.


    Emanuel Feuermann, Cellokonzerte von Dvorak und Haydn



    Vom Orchester hört man bei Dvorak nicht sehr viel und das ist wohl auch besser so. Aber der Ton Feuermanns ist erstaunlich präsent, macht Spaß das zu hören. Bei Haydn war ich klanglich sogar erstaunt, was aufnahmetechnisch so möglich war zu der Zeit.


    Gruß
    Anti

  • Hallo teleton,
    ich glaube, du hast dich noch nie mit historischen Aufnahmen beschäftigt;anders kann ich mir nicht erklären, wie jemand solchen Schwachsinn schreiben kann.


    Eine CD kann einen Konzertbesuch auch nicht ersetzen, da die Atmosphäre fehlt.


    Gruss Heldenbariton.

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Ludwig van Beethoven
    Diabelli-Variationen op.120


    Artur Schnabel, Klavier
    Beethoven Piano Works Volume 11



    Ich kam über Umwege zu dieser CD. In diesem Forum hörte ich das erste Mal von Michael Korstick und einer von verschiedenen Seiten sehr gelobten Beethoven-Scheibe (Waldstein + Hammerklavier). Ich ergriff dann eine Gelegenheit, diese CD intensiv zu hören, was bei mir in erster Linie Kopfschütteln auslöste. Das war's also nicht. Als dann Korsticks Version der Diabelli-Variationen als 1. CD eines vollständigen Beethoven-Zyklusses herauskam, dachte ich mir, gib ihm eine zweite Chance, und kaufte die CD. Erfreulicherweise war das doch eine ganz andere Sache, aber ich stand der Scheibe zumindest anfangs noch etwas reserviert gegenüber und hielt nach Alternativen Ausschau, ob es denn nicht auch anders gehe.


    Glücklicherweise wurde ich sofort fündig. Brandneu auf dem Markt ist bei Naxos Historical eine Neuauflage von Artur Schnabels Einspielung aus dem Jahr 1937 (Transfer: Mark Obert-Thorn). Meine Hoffnung wurde auch nicht enttäuscht. Eine sehr schöne und befriedigende Aufnahme dieses Werks. Schnabel spielt farbenreicher, ist flexibler in der Phrasierung, erzeugt überhaupt ein größeres Spektrum an Stimmungen, und obwohl er nicht gerade als Komiker am Klavier bekannt war, hört man doch gelegentlich ein wenig den (grimmigen) Humor, den der gute Ludwig Van in dieses Werk hineinkomponiert hat. Gerade dies fehlt mir beim konzentriert arbeitenden Korstick umso mehr, je länger das Stück dauert. Dass Schnabel nicht die ganze Stunde lang das perfekte manuelle Niveau eines modernen Virtuosen durchhält, fällt kaum auf (oder selten). Eine Aufnahme, die sofort gefallen kann, während man sich mit Korstick zusammenraufen muss.


    Die CD wurde noch mit sechs Bagatellen und einem Rondo randvoll gefüllt.


    Der Transfer ist bemerkenswert gut gelungen und das technisch Beste, was ich bisher an Schnabels Beethoven-Einspielungen aus den Dreißigern gehört habe.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich bin absolut der Meinung, daß ein gewisser Fundus alter Aufnahmen zu einer Sammlung dazu gehört. Das 20. Jahrhundert bot vor allem in seiner ersten Häfte eine enorme Vielzahl an Künstlern, nach denen sich die Nachfahren richteten. Diese machten sie entweder zu ihren Vorbildern oder wurden sogar von Ihnen unterrichtet. Es gibt z.B. leider nur recht wenige Aufnahmen von Heinrich Neuhaus, aber wer will dessen Wirkung auf die nachfolgenden Pianistengenarationen bis heute bezweifeln ?


    Ich frage mal anders: wieviele Pianisten oder Dirigenten fallen einem ein, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Weltkarriere begonnen haben ? Das sind sehr viele, denke ich. Und wieviele gibt es (solche, die nicht gerade von der Plattenindustrie aufgebaut wurden), die im Moment den Zenit ihrer Karriere nicht schon hinter sich haben ? Es werden doch immer weniger, oder ?


    Noch drastischer: ohne die Aufnahmen, die seit dem Beginn der Stereozeit zum Ende der 50er gemacht wurden, wäre mir heute ganz schön langweilig !


    Die alten Herrschaften hatte Persönlichkeit, Stil und Macken ! Und die heutigen Interpreten haben hauptsächlich Stromlinienform.


    Übrigens habe ich selber rund 300 Schellacks hier.


    Holger

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

  • Es gibt so einige Aufnahmen aus der Schellackzeit, die für mich unverzichtbar sind.
    Übrigens bei stellenweiser erstaunlich guten Klangqualität.


    So zum Beispiel Albert Sammons Aufnahme des Elgar-Violinkonzertes von 1929, welche für mich einfach nicht zu toppen ist.
    Oder die nach wie vor zu den besten Einspielungen gehörene erste Aufnahme des "American in Paris" von Gershwin, ebenfalls von 1929 und mit Gershwin an der Celesta.


    Ebenfalls für mich äußerst wichtig ist die Gesamtaufnahme mit Rachmaninoff als Interpret seiner Klavierkonzerte.


    Und es gibt natürlich auch Werke, welche noch nie auf CD veröffentlicht wurden und von denen es überhaupt nur historische Aufnahmen gibt.
    Da fällt mir zum Beispiel die interessante und lohnende "Tänzerische Suite" von Eduard Künneke ein, es gibt nur eine Aufnahme von 1938, welche in den 50ern auch mal auf LP herauskam.


    LG,
    Michael

  • Hallo,guten Morgen,
    um den interessanten Thread wiederzubeleben ein paar Anmerkungen:
    ich bin der Meinung,daß es durchaus begrüßenswert ist auch alte bis uralte Schellackaufnahmen wieder zu veröffentlichen,da es sich um unwiederbrindliche Dokumente vergangenen Kulturgutes handelt.
    Daß die Tonqualität hierbei sekundär ist brauche ich nicht zu betonen - wobei ich mich natürlich freue , wenn der Erhaltungszustand der Platten optimal ist. Es ist dabei immer wieder erstaunlich , wie lebendig einige dieser 70 bis 80 Jahre alten Aufnahmen klingen.
    Mein Hauptaugenmerk richtet sich hierbei auf historische Kammermusikaufnahmen - insbesondere Streichquartett. Es fällt mir dabei immer wieder auf , daß die früheren Ensembles wohl ausgeprägtere Individualisten waren als die derzeit musizierenden. Bei alller Bewunderung für die jungen und jüngeren Streichquartette (z.B. Emerson,Artemis,Jerusalem-Quartett,Quatuor Ebene um hier nur spontan einige zu nennen) fällt mir auf,daß sich mit der immer weiter sich steigernden Perfektionierung ein gewisser Einheitsklang herauskristallisiert.Auch hat der "Weltrekordversuch" der Emersons des Schlußsatzes von 59/3 mit Beethoven nicht mehr allzuviel zu tun, obwohl das atemberaubende Tempo natürlich fasziniert.
    Es ist dann schon wohltuend , sich ab und zu einmal das Kontrastprogramm der "Alten" zu gönnen.
    Sicher klingen manche Interpretationen heute äußerst ungewohnt (als Beispiel nenne ich hier op. 131 interpretiert vom Rose-Quartett);manche Aufnahmen aber die z.B. Lener-,Capet-,Budapest-Quartett vorlegen setzen Maßstäbe.
    Die Interpretation von Beethoven 59/2 durch das Calvet-Quartett (ich glaube es wurde 1938 aufgenommen) wurde m.E. bisher nie wieder übertroffen.
    Viele Grüße
    Santoliquido

    M.B.

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