Jean Sibelius: Tapiola, Op. 112

  • Neben den Symphonien haben auch Sibelius' sinfonischen Dichtungen Aufmerksamkeit verdient[1], sie sind unzweifelhaft die Essenz dessen, was Jean Sibelius' Werk ausmachte. Tapiola ist sein letztes großes Orchesterwerk (ein Auftragswerk) und eine sinfonische Dichtung von knapp 20 Minuten. Inhaltlich sagt der Text, den Sibelius der Partitur beifügte, alles:


    Da dehnen sich des Nordlands düstre Wälder,
    Uralt - geheimnisvoll in wilden Träumen;
    In ihnen wohnt der Wälder großer Gott,
    Waldgeister weben heimlich in dem Dunkel.


    Eine entsprechende Stimmung schafft dieses Werk auch beim geneigten Hörer.


    Wenn die Rede von Sibelius' wichtigsten Werken ist, wird Tapiola in der Regel genannt. Sie ist sein mir liebstes Orchesterwerk. Bei Tapiola sollte man sich beim Hören darüber bewusst werden, dass das Werk fast ausschließlich (in Ton/Tempo-Variationen) nur das Grundmotiv verwendet, welches nach den ersten Pauken erklingt. Man wird es überall wiederentdecken, wo man es gar nicht erwartete.


    Ich habe schon sehr viele Tapiolas gehört und greife fast ausschließlich zur CD gewordenen Perfektion: Blomstedt mit dem San Francisco Symphony Orchestra aus der GA.



    Teleton schreibt hier im Forum:

    Zitat

    Ganz heisser TIPP in der GA-Box:
    Höre mal TAPIOLA - das ist die beste Aufnahme die Du jemals gehört haben wirst ... und vielleicht hören wirst. Einfach fabelhaft, wie präzise, spannungsreich und zudem mit besten Pauken er das Werk gestaltet. Auch wenn sich das unglaublich anhört - Alleine für Tapiola lohnt die Anschaffung !


    Das sage ich schon seit Jahr und Tag - dem gibt es nichts hinzuzufügen. 8)


    Na ja, fast nichts. Denn ich habe kürzlich eine tolle Entdeckung gemacht: Es gibt noch eine sehr gute Aufnahme. Maazel und die Wiener. Die Tempi sind ähnlich der Blomstedt, die Qualität ist toll (die Aufnahme ist immerhin von 1968!) und die Interpretation gefällt, wenn man die Blomstedt-Aufnahme mag.



    Manches ist bei Maazel noch pointierter, die Pauken "griffiger". Abschließend habe ich mir noch kein Urteil gebildet, aber diese Aufnahme scheint mir auf Augenhöhe mit Blomstedt.


    [1] Mehr Aufmerksamkeit für "Kleinkram von Sibelius" - das wurde hier einmal angefangen: "Kleinkram" von Sibelius I : Karelia Suite op. 11.


    WWW:
    http://inkpot.com/classical/sibtapiola.html (engl., lesenswerte Besprechung des Werks)
    http://de.wikipedia.org/wiki/Tapiola_(Sinfonische_Dichtung)

  • Hallo Tapio,


    Tapiola verdient auf jeden Fall einen eigenen Thread. Danke auch für den Hinweis auf den alten Thread von 2006 "Kleinkram von Sibelius". Da Wort Kleinkram würde ich allerdings durch Sinfonische Dichungen/Werke ersetzen, denn Kleinkram ist das bei weitem nicht bei allen dort genannten Werken !



    Tapiola (1925) empfinde ich als die bedeutenste aller Sibelius-Tondichtungen !


    Das Programm von Sibelius, das er aus der finnischen Mythologie entnommen hat, wurde von Tapio bereits in beitrag 1 zitiert.


    Das Werk ist in der ersten Hälfte relativ ruhig angelegt um dann mit mehreren Höhepunkten in der zweiten Hälfte aufzuwarten.
    Die Erwartungshaltung auf diese Höhepunkte macht das Werk aber auch schon von Anfang an spannend und malt in düsteren Farben sehr ansprechend die düsternis der finnischen Wälder.
    Ich finde das Werk von den ersten Takten an schon spannend und ergreifend.

    :thumbsup: Als absoluter Sibelius-Fan habe ich natürlich eine ganze Reihe an Aufnahmen vorliegen, die einzeln zu haben sind, aber bei mir alle im Rahmen der Sinfonien - GA:


    *** Den Anfang hatte ich mit Karajan/Berliner PH ( EMI, 1976, ADD) gemacht, der mich bereits von Anfang an für das Werk gepackt hat. Sehr gut gelungen mit fabelfaften Pauken. Die EMI-CD von 1977 enthält mehrere Tondichtungen, die Karajan als TOP-Sibelius-Dirigenten ausweisen.
    Die EMI-Karajan-Aufnahme ist gegenüber seiner späteren bei DG vorzuziehen. Die spätere Karajan-Aufnahme bei DG ist viel zu brav ohne Ecken und Kanten und damit langweilig geraten (ich habe diese deshalb auch gar nicht weiter aufgeführt). Wenn man Ashkenazy und Blomstedt dagegen anhört, dann ist alles viel klarer und deutlicher, was letztendlich nur an der fabelhaften Decca-Klangtechnik in beiden Fällen liegt. Fabelhafte Interpretation !



    *** Noch düsterer und geheimnisvoller und mit brachialen Ausbrüchen; nordisch klingend und dem typische Sibelius-Bild näher liegend wäre mein letzter Sibelius-Neuzugang mit
    Segerstam/Helinki PO (Ondine, 1996, DDD), aber nicht immer so klar durchzeichnet wie die Folgende.



    **** Ein audiophiler Leckerbissen mit viel Gefühl und ergreifenden Fortestellen mit TOP-Pauken ist die zu meinen Favoriten gehörende Aufnahme mit
    Ashkenazy/Philharmonia Orchestra (Decca, 1981-83, DDD).
    Die CD mit verschiedenen Tondichtungen ist ein MUSS für Sibelius-Fans und enthält die stärkste Aufnahme von Finlandia.



    ** Lupenrein, aber vom Tempo zu schnell und über die schönen Stellen hinweggehend ist
    Berglund/Helsinki PO (EMI, 1994, DDD).
    14:53 ist einfach zu schnell für dieses Werk (auch wenn ich ansonsten schnelle Tempi bevorzuge) - normal und angemessen sind 19-20Minuten. Ich muss alerdings sagen - man kann sich daran gewöhnen (habe Aufnahme in letzter Zeit öfter gehört !)
    Die EMI-CD ist mit den Vier Legenden aus Kalevala op.22 unter Ormandy gekoppelt - höchst empfehlenswert wegen Ormandy.



    *** Die Järvi-Aufnahme/ Gothenburg SO (DG, DDD) die in der Sinfonien GA mit mehreren Tondichtungen vertreten ist, ist auch stimmig und gut. ;) Angemessener als so manche Sibelius-Sinfonie mit Järvi.



    **** Mein absoluter Favorit, zusammen mit Ashkenazy, bei dem alles stimmt - Ausdrucksgehalt - Stimmung - Detailarbeit - Paukensound - Klangqualität ist, wie von Tapio bereits oben zitiert -
    Blomstedt / San Francisco SO (Decca, 1992, DDD).
    Die Aufnahme ist zusammen mit Valse Triste in der preiswerten Sinfonien-GA enthalten. Ein Klangfest höchster Güte !



    PS.: Ich habe neben den Sinfonien-GA alle Bernstein-Einspielungen von Sibelius-Werken auf SONY und DG.
    Schade das er Tapiola nie eingespielt hat, denn das wäre auch ein "Fest" geworden.
    ______________

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Als dritten Lieblingskomponisten des 20. Jahrhundert benenne ich Jean Sibelius. Besonders angetan hat es mir seine Symphonische Dichtung für Orchester op. 73 (1914) – Aallottaret/ Die Okeaniden (zweite Fassung 1914 fertiggestellt). Das ist ganz feine Tondichtung, mehr noch: vertonte Mythologie. Ich besitze die Einspielung unter Rattle, die ich sehr schätze. Es ist allerdings auch meine einzige. Vielleicht gibt es ja weitere Empfehlungen?


    Die sinfonische Dichtung Die Oceaniden op.73 (1914) mit dem erstaunlichen Zitat von JLang, bei dem er diese Sinfonische Dichtung unter seinen lieblingswerken aufführt, passt noch am besten hin - und den Tapiola-Thread möchte ich auch in Erinnerung bringen.


    Die Oceaniden hatte ich zuerst in einer recht langweilgen Aufnahme unter A.Gibson (Chandos), die dem Werk bei mir keine grosse Beachtung zukommen lassen konnte.
    Die Sibelius-Aufnahmen (allgemein) unter Rattle würde ich aber auch als "zu harmlos ohne Biss" einstufen.


    Ich habe jetzt die beachtliche Aufnahme in der Järvi-GA mit dem Gothenborg SO (DG), als einzige Aufnahme vorliegen, die mich dann bei diesem sinfonischen Gedicht erstmals aufhorchen lies.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Wenn man mit frühem Stereo (1957) und hörbarem Bandrauschen leben kann, kann ich diese wärmstens empfehlen - Beecham Magic.

  • Zitat von teleton

    Die sinfonische Dichtung Die Oceaniden op.73 (1914) mit dem erstaunlichen Zitat von JLang, bei dem er diese Sinfonische Dichtung unter seinen lieblingswerken aufführt, passt noch am besten hin - und den Tapiola-Thread möchte ich auch in Erinnerung bringen.
    Die Oceaniden hatte ich zuerst in einer recht langweilgen Aufnahme unter A.Gibson (Chandos), die dem Werk bei mir keine grosse Beachtung zukommen lassen konnte. Die Sibelius-Aufnahmen (allgemein) unter Rattle würde ich aber auch als "zu harmlos ohne Biss" einstufen.


    Auch wenn es etwas off topic ist, wüßte ich nur zu gern, warum meine Äußerung so erstaunlich ist :)
    Die Hinweise zu den Sibelius Aufnahmen sind ganz wunderbar und erweitern meine Wunschliste einmal wieder gewaltig


    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Hallo JLang,


    ich dachte meine Verwunderung (dies als eines der Lieblingsstücke zu benennen) wäre auch für Dich zwischen den Zeilen lesbar gewesen.
    Die Oceaniden sind ein sehr unbekanntes Werk, dem sich nicht einmal die TOP-Sibelius-Dirigenten (Bernstein, Ashkenazy, Berglund, Barbirolli, Blomstedt, Roshdestwensky) in ihren Sinfonien-GA, oder auf den separeten CD´s mit den Sinfonischen Dichtungen angenommen haben. Einzig N.Järvi (DG) und Vänskä haben es in aktuelleren Aufnahmen aufgenommen.
    Ich bin mir sicher, dass so mancher Sibelius-Liebhaber bei Tamino das Stück nicht einmal kennt. ;) Wird ja keiner bestätigen ! :D


    Bei mir hatte das Stück beim Ersthören auch keinen bleibenden Aha-Effekt ausgelöst. Ich habe es heute in meiner einzigen Aufnahme mit Järvi nach Jahren wieder einmal gehört: Nettes Werk mit Atmosphäre; gefällt mir immer noch; aber als herausragendes Stück eines meiner Lieblingskomponisten, zu denen Sibelius bei mir auch gehört, könnte ich dies nicht benennen - daher meine Wortwahl.



    :thumbup: Aber eines haben wir und besonders Du durch Deinen Beitrag erreicht:
    Das den Oceaniden jetzt mehr Aufmersamkeit geschenkt wird, als das man vorher überhaupt daran gedacht hat ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber teleton,


    daß die Okeaniden nicht so bekannt sind, war mir ehrlich gestanden gar nicht so recht bewußt (vielleicht habe ich daher die Verwunderung zwischen den Zeilen nicht so wahrgenommen) bei mir gehören sie einfach fest zu Sibelius dazu.
    Ich finde dieses Stück so überragend, weil es in mir wie kaum eine andere Komposition konkrete Bilder zu erzeugen vermag, die ich sehr stark mit der nordischen Mythologie verbinde. Das war mein Aha-Effekt, wenn man das so nennen kann. Aber wenn die Okeaniden nun ein wenig bekannter werden, ist es doch wirklich sehr schön (selbst wenn sie nicht jedem gleich zusagen). Järvi werde ich mir natürlich anschaffen, danke für den Hinweis :)


    Mit herzlichem Gruß aus Leipzig
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Järvi werde ich mir natürlich anschaffen, danke für den Hinweis


    Da ich wegen den Oceaniden die Järvi-GA auf dem Tisch liegen habe, stehen natürlich auch einige weitere Sinfonische Dichtungen auf meinem Hörprogramm.
    Da gibt es noch eine ganz unbekannte frühe Tondichtung - Spring Song op.16 .
    Wer wird davon schonmal etwas gehört haben ? Jedenfalls ist das eine "Hammerdichtung" mit Temperament - so etwas löst bei mir Hörspass aus.
    En Saga op.9 ebenfalls eine ganz grosse Järvi-Interpretation.


    *** Da kann ich nur nocheinmal wiederholend sagen:
    So wenig wie mich Järvis Sinfonien-Aufnahmen ansprechen, so herausragend empfinde ich die Aufnahmen der Sinfonischen Dichtungen. Die DG-GA hatte ich mir auch in erster Line wegen des kompletten Vorhandenseins der Sinfonischen Dichtungen zugelegt.


    Das Gothenborg SO zeigt sich als ganz exqusites Klangensembel mit Detailreichtum und Ausdruckskraft, dass auch ihr Nationalbewustsein mit Spielfreude zum Ausdruck bringt (z.Bsp. bei Finlandia). Unterstützt wird der positive Eindruck durch eine durchsichtige TOP-Aufnahmetechnik aus den Jahren 1996 - 2005.


    Tapiola op.112 gehört auch in dieser Aufnahme, neben den bereits in den Vorbeiträgen genannten Favoriten, zu den ganz heissen Eisen. Es ist fabelhaft wie Järvi die Spannungsbögen aufbaut und zu "Gänsehaut"-Entladungen ausspielen lässt. Solche Herangehensweise hätte ich mir auch bei den Sinfonien von N.Järvi noch etwas eindrucksvoller gewünscht ! Aber das Gothenborg SO überzeugt zumindest durch seinen spezifischen Klang auch dort.



    DG, 1996-2005, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Noch zwei Mono-Aufnahmen:


    Atmosphärischer als durch Kusewitzki dürfte der skandinavische Urwald nie mehr evoziert worden sein. Das konstruktive Element wird erwatungsgemäss duch Rosbaud etwas stärker hervorgehoben, ohne dass die Bildhaftigkeit verlorenginge - vermutlich die stärkste Sibeliuseinspielung eines österreichischen Dirigenten "Prä-Karajan".




    Dieser thread mauserte sich ja bereits zu einer Paraokeanidenangelegenheit, daher auch hier noch eine bemerkenswerte Monoaufnahme insbesondere dieses Werkes.


    Zum Ausgleich die Okeaniden effektvoll und mit präsentem Klangbild sowie in einer preisgünstigen Variante, die interpretatorisch zwischen Segerstam und dem eher "noblimenten" Boult vermittelt.