Präferenzen, Referenzen und Besitzerstolz oder Muss ich die 30. Aufnahme eines Werkes auch noch haben...

  • Liebe Freunde,


    seit einigen Tagen habe ich mich wohl gedanklich wieder auf den Boden der Realität zurück befördert. Anlass war: die sich aufstapelnden neu erworbenen Beethoven-Sinfonien-Aufnahmen. Dass kein Weg an Krivine, Dausgaard und Rajski vorbeigehen wird ist schon klar. Aber da war dann auch gleich wieder das verlockend günstige Angebot der Gesamtaufnahme der Sinfonien unter Leinsdorf. Auch mit Solti liebäugelte ich schon. Solti ist durchaus verzichtbar. Ich habe letzte Woche die Sinfonien bei Dussmann durchgehört.


    Sicherlich hat jede Beethoven-Sinfonie-Aufnahme schöne Momente. Aber andererseits ist mir auch keine einzige völlig misslungene Aufnahme bekannt.


    Ich denke, jeder sollte in sich gehen und für sich entscheiden, ob es diese Aufnahme nun durchaus sein muss. Wenn wir einmal bei den Beethoven-Sinfonien bleiben und davon ausgehen, dass in jedem noch vor uns liegendem Jahr eine neue oder lange nicht zu bekommende Gesamteinspielung auf dem Markt erscheint, dann könnten wir allein mit den Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sinfonien ein ganzes Zimmer tapezieren. Was will ich sagen? - Es ist nicht nur ein finanzielles Problem, sondern durchaus auch ein Platzproblem. Aber selbst, wenn man alle CDs digitalisiert - wann soll man sich das alles anhören? Dazu kommen noch die vielen DVDs...


    In mancher Hinsicht habe ich jetzt die Notbremse gezogen...


    Z.B. bei Sibelius: da habe ich jetzt Barbirolli, Karajan (DG), Davis (BSO / Philips), Ashkenazy (Decca). Das reicht für meine Begriffe.


    :hello: LT

  • Ach ja, das gleiche Mysteriosum verfolgt mich auch. Ich frage mich auch, warum ich immer wieder neue Aufnahmen von Werken kaufen muss, von denen ich längst die Top-Aufnahmen besitze. Ganz zu schweigen davon, all diese Aufnahmen je anhören zu können.
    Andererseits habe ich nur mit einem Neu-Kauf das Gefühl, auch in meiner musikalischen "Weiterbildung" wirklich weiterzukommen. Ich habe schon einmal geschrieben, daß durchaus ein Werk anderst klingen kann, je nach Interpretation des Dirigenten. Bei Opern kommen ja noch die Sänger dazu.


    Daher bleibe ich auf den Fall "in Bewegung" und kaufe Neues dazu. Irgendwie will ich einfach nicht stehenbleiben, was meine Ansammlung von Aufnahmen betrifft :thumbup:

  • Es gibt schon eine Reihe von threads mit ähnlicher Thematik.
    Ich habe schon lange entschieden (entscheiden müssen), dass ich meistens nicht einmal die 5. Einspielung eines Werks benötige. Bei Sinfonien von Beethoven, Brahms, inzwischen auch von Bruckner oder Mahler ist es m.E. illusorisch mit der Flut von Neuerscheinungen und Wiederveröffentlichungen Schritt halten zu wollen. Sofern man überhaupt noch was anderes hören will. Da inzwischen der Gebrauchtmarkt mehr oder minder zusammengebrochen ist, man also auch nur mit großen Verlusten CDs kaufen und bei Nichtgefallen wieder verscherbel kann, bin ich, zumindest im Prinzip noch zögerlicher bei Neuanschaffungen. (Zumal ich das Aussortieren auch als mühevoll empfinde.)


    Zumal meine Interessen auch etwas breiter gefächert sind, als das sinfonische Standardrepertoire. Gerade höre ich die Rekonstruktionen von zwei Mozart-Fragmenten (Ein Kopfsatz aus einer Sinfonia concertante für Vl. Va., Vc. und ein Konzert f. Violine/Klavier), die ich vor gut 20 Jahren um das damalige Mozartjubiläum mal im Radio oder als MC-Kopie gehört hatte und die ich vor ein paar Wochen dann auf CD wiedergefunden habe (leider eine eloquence Billigausgabe ohne Kommentar zum Forschungsstand). Muss man das gehört haben? Wohl nicht, ebensowenig hätte ich vermutlich eine weitere Aufnahme der bekannten Vl/Va-Concertante benötigt. Aber für mich momentan interessanter als die 10. GA der Beethovensinfonien.


    Und bei den Standardwerken gehe ich zunehmen eher auf ausgewählte für die Rezeptionsgeschichte wichtige historische Aufnahmen, anstelle auf die neuesten oder die Wiederveröffentlichungen der 1960er.


    Nur um "mitreden" zu können, kaufe ich keine Aufnahmen mehr.
    Es gibt Fälle (zB einige Händel-Oratorien), in denen alle vorliegenden Aufnahmen (teils gravierende) Schwächen aufweisen. Hier sucht man vielleicht noch nach einer "besseren". (Ich habe drei Einspielungen von "Israel in Egypt", Gardiner/Philips hat den besten Chor, aber sehr mäßige Solisten, Mackerras hat einen semiprofessionellen Chor und ist nicht ganz HIP, aber von den dreien die besten (wenngleich nicht immer ideale) Solisten, Parrott hat die dreiteilige Fassung, die behalte ich deswegen. Bei "Samson" scheint es nicht mal eine einzige zu geben, die auch nur so gut wie eine von diesen nicht-idealen wäre...)


    Klar, kann auch bei Beethoven oder Mozart eine Neuaufnahme neue Aspekte herausbringen. Aber bei den meisten Standardwerken erwarte ich hier zum einen keine Offenbarungen, zum anderen bin ich meist zufrieden mit dem, was ich schon kenne.
    Natürlich kann man sich auf einmal näher für ein Stück interessieren (bei dem man bislang mit einer oder zwei Einspielungen zufrieden war) und neugierige auf alternative Interpretationen werden

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich wiederhole mich hier. Finde meine Aussage allerdings gut genug, um sie zweimal zu posten: Es ist einfach so, dass ich mich z.B. für Bruckner sehr begeistere. Ich kenne natürlich alle Symphonien. Und manchmal empfinde ich nach den ersten Takten so ein Gefühl "Schade, kenne ich zu gut". Nun ist es leider so, dass die HOffnung auf die nächste neue Brucknersymphonie äußerst gering ist, also suche ich im Bestehenden nach einem diffusen "Mehr". Und schon hat schon wieder eine CD.
    Nun gibt es tatsächlich einige Werke, wo sich die verschiedenen WErke ausreichend unterscheiden, aber ich habe auch eine Menge CDs, deren Unterschiedlichkeit marginal ist. Und wenn ich höre, dass jemand mehr als 500 Aufnahmen der 8. von Bruckner hat (!), so glaube ich nicht, dass das noch rational zu begründen ist.


    Und jetzt hole ich noch den Hammer raus: Ich finde, dass es im Forum zu viel um die Unterschiedlichkeit verschiedener Aufnahmen geht, als um den Zauber und die Eigenarten des eigentlichen WErkes. Ich bin immer wieder in einen Thread geraten über ein Stück, das ich mag, und nach einigen MInuten des Lesens wandte ich mich ab mit dem Gefühl, nicht mitreden zu können, weil ich einfach jede Menge der möglchen Einspielungen einfach nicht kannte. Das Werk selbst schien mir in den Hintergrund zu rücken.


    Eine Auswirkung davon scheint mir zu sein, dass wir viel mehr über Dirigenten als über Komponisten schreiben. Gibt das zu denken?
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Es ist so wie mit diesem Thread:
    In anderer Form hat es ihn schon mehrfach gegeben.
    Aber immer wieder besteht das Bedürfnis, das Thema zu erörtern und es melden sich immer wieder Leute, die eas dazu zu sagen haben.Und so entstehen, trotz aller thematischen Ähnlichkeit immer wieder neue Argumente, neue Sichtweisen und neue Threads....
    Ähnlich ist es mit den Aufnahmen von Beethoven Sinfonien (welche hir nur als Beispiel dienen sollen - jedes andere bekannte Werk kann dan deren Stelle treten). In geradezu gespenstischer Anzahl kommen immer eirder neue auf den Makt - und (fast) alle finden ihr Publikum: Man m möchte neue Sichtweisen kennenlernen, vergleichen und (im Falle des Tamino Klassikforums) auch darüber diskutieren können.
    Zudem ersetzt die Anschaffung immer neuer Aufnahmen in gewisser Weise die Realität: Man geht ja auch nicht 20 Mal ins selbe Konzert mit demselben Künstler (wobei hier gegenüber dem Tonträger - der statisch ist - doch eine gewisse Abwechslung gegeben wäre).
    Ich überlege, wie meine Teilnahme an Tamino heute aussähe, wenn ich vor 30 Jahren mit dem Kauf von Neuaufnahmen (ich nehme wieder die Beethoven-Sinfonien als Beispiel) aufgehört hätte:
    Da wären etliche Beethoven Sinfonien unter Karajan (1962), einiges unter Karl Böhm, zwei oder drei Fricsay-Aufnahmen und dann je ein oder zwei Sinfonien unter Jochum, Giulini und Bruno Walter, ditto eine unter Gardiner...


    Das wars dann schon (einige habe ich sicher vergessen)


    Könnte ich mit dieser Sammlung heute noch hier mitdiskutieren ? Vermutlich ja - aber doch ein wenig eingeschränkt.-


    Ich habe natürlich nicht zu sammeln aufgehärt - und in den letzten zwei Jahren ist diese Sucht wohl ein wenig ausgeartet.
    Aber wer wollte auf Norrington (I und II) auf Rattle, Zinman (und sei es , nur um zu nörgeln), Kegel,Bernstein, Wand, Thielemann, Krivine, Sawallisch, Klemperer, Celibidache, Konwitschny (nein NICHT der Regisseur, sondern sein Vater, der Dirigent) schon verzichten (Wieder wurden einige vergessen oder nicht erwähnt, die in meiner Sammlung sind - nicht immer komplett - aber immerhin)


    Rechenbeispiel:Wer 40 Jahre seines leben jede 2. Woche eine Aufnahme einer Beethoven-Sinfonie hört, der kommt auf 1000 Aufnahmen !!! Das wären, bei einmaligem hören 110 Zyklen - Soviel zur Zeit. In der Pension, nehmen wir an, wir erleben sie 15 Jahre lang (hoffen aber auf viel mehr) kommen noch etliche weitere hinzu - die Tagesfreiteit ist ungleich grösser...


    Letztlich sollten wir versuchen uns von dem zeitgeistigen (bzw zeitungeistigen) Gedanken zu lösen, alles müsse rational eingeteilt werden. Diesen Gedankengang haben vorzugsweise jene entwickelt die uns auspressen wollen wie Zitronen.
    Ich habe unlängst die Werbung eines Geschäftes gelesen, die da (sinngemäss) heisst:


    Niemand braucht unsere Produkte....
    Aber jeder freut sich drüber.....


    So sehe ich das auch mit meiner CD.Sammlung...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Und jetzt hole ich noch den Hammer raus: Ich finde, dass es im Forum zu viel um die Unterschiedlichkeit verschiedener Aufnahmen geht, als um den Zauber und die Eigenarten des eigentlichen WErkes. Ich bin immer wieder in einen Thread geraten über ein Stück, das ich mag, und nach einigen MInuten des Lesens wandte ich mich ab mit dem Gefühl, nicht mitreden zu können, weil ich einfach jede Menge der möglchen Einspielungen einfach nicht kannte. Das Werk selbst schien mir in den Hintergrund zu rücken.


    Um ein Werk richtig einzuschätzen, musst Du aber auch eine überdurchschnittlich gute Aufnahme besitzen.


    Bei mir ist es so, dass ich bei den Komponisten, die ich ganz besonders schätze auf der suche nach "meiner Aufnahme" bin. Habe ich diese gefunden, wird es für Neuaufnahmen oder Andere, die empfohlen weden sehr schwer mich zu erreichen.


    Bei Beethoven, Schotakowitsch und Sibelius, auch Tschaikowsky habe ich eine Ausnahme gemacht, die zu einer Menge neuen weiteren Erkenntnissen geführt hat. Bei Sibelius hatte ich meine Favoriten - da war dann auch nicht mehr soo viel ...


    Aufnahmen die mir nicht gefallen, bleiben nicht in meiner CD-Sammlung !


    :!: Man muss verglelichen um zur "Richtigen Aufnahme" zu gelangen, mit der man auch zufrieden ist.
    Keiner kann mir erzählen, dass man nur eine Aufnahme braucht um ein Werk wirklich kennenzulernen.


    :hello: Klaus, wir känne uns auch gerne im Manfred-Thread über die Manfred-Sinfonie unterhalten ... da gäbe es viel zum Inhalt und den Fassungen mit und ohne Orgel !!!
    Bei Mahler

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Um ein Werk richtig einzuschätzen, musst Du aber auch eine überdurchschnittlich gute Aufnahme besitzen.


    Was macht die denn aus?


    Die klare Erkennbarkeit der Komposition in allen Facetten eines Kammerorchesters mit all ihrer Problematik oder der "Großinterpretationsansatz " eines "Deutungsinterpreten" mit einen großsymphonischen Orchester und den dazugehörigen Kompromissen?


    Was heißt überhaupt ein Werk einschätzen: Im Vergleich zu anderen Komponisten oder im Quervergleich zu Interpretationen, die einem, aus dem persönlichen Geschmack heraus, nicht gefallen ?

  • Lieber Alfred,


    ich meinte mit meinem Thread auch nicht, jetzt irgendwie aufzuhören neue Aufnahmen zu kaufen, sondern viel mehr, dass jetzt beispielsweise gerade eine neu aufgelegte Gesamtaufnahme der Beethoven-Sinfonien unter Leinsdorf günstig auf dem Markt erscheint, wo man meint, dieses Angebot ist so günstig, dann kauft man halt noch diese Gesamteinspielung dazu.


    Ich wollte damit sagen, dass ich mit den Leinsdorf-Aufnahmen auch geliebäugelt habe, das Vorhaben dann aber doch unterbunden habe, genau wie mir das mit Konwitschny, Kletzki, 2x Masur, 2x Solti, 2x Abbado, 2x Mackerras, de Vriend, Pletnev, Thielemann, Herreweghe, Järvi gelungen ist.


    Bei anderen Aufnahmen führte eben kein Weg vorbei: Krivine, Dausgaard und Rajski - die musste ich haben.


    So wird es mir hoffentlich auch zukünftig gehen, dass ich nur Aufnahmen kaufe, von denen ich auch innerlich überzeugt bin - und nicht weil sie gerade eben günstig zu haben sind.


    Natürlich gilt das auch für sämtliche andere Aufnahmen, aber die Beethoven-Sinfonien boten sich besonders an, das Problem näher zu beleuchten...



    :hello: LT

  • Ich denke, jeder sollte in sich gehen und für sich entscheiden, ob es diese Aufnahme nun durchaus sein muss. Wenn wir einmal bei den Beethoven-Sinfonien bleiben und davon ausgehen, dass in jedem noch vor uns liegendem Jahr eine neue oder lange nicht zu bekommende Gesamteinspielung auf dem Markt erscheint, dann könnten wir allein mit den Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sinfonien ein ganzes Zimmer tapezieren.


    Das finanzielle Problem, das Zeitproblem und das Platzproblem sind wohl allen bewusst.


    Aber vielleicht wird die Frage des Threads zu statisch betrachtet.


    Nehmen wir einen Klassikfreund des Jahres 1988, der etliche Beethoven-Zyklen in seinem Regal hat: Karajan I, II und III (gegen den digitalen hat er sich schon entschieden), Klemperer, Bernstein/WPO, Toscanini, Konwitschny, Wand, dazu etliche Einzel-Aufnahmen von Furtwängler, Weingartner, Mengelberg, Scherchen, C. Kleiber, E. Kleiber, Giulini.


    Dieser Klassikfreund könnte nun doch mit Fug und Recht - so die Behauptung eingangs des Threads - auf alle weiteren Beethoven-Aufnahmen verzichten.


    Doch dann müsste er sich (anno domini 1988') gegen Norrington, Hogwood, Goodman, Harnoncourt, Gardiner, Brüggen, Järvi, und Chailly entscheiden.


    Würde er da nicht Wesentliches zum Thema "Beethovens Sinfonien" verpassen?


    Ich meine, die zeitlich-dynamische Komponente darf nicht vergessen werden. Würden heute "Ringe" und "Meistersinger", "Don Giovanni" und "Zauberflöten", "Aidas" und "Otellos", "Toscas" und "Turandots" in derselben Häufigkeit und Qualität wie Beethoven-Zyklen erscheinen, würde ich sie mir auch kaufen. Aber da sieht es eben nicht ganz so erfreulich aus, darum greife ich zu Beethoven.


    :hello:

  • Aber ist es denn wirklich so, dass die Vielfalt immer weiter befriedigend ist? Gibt es da nicht so eine Cluster-Bildung, d.h. die und die Aufnahmen bewirken bei mir etwas sehr ähnliches und wenn ich überlege, welche will ich hören, ist es dann eigentlich doch egal?
    Ich denke ja.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Er würde schon was verpassen, aber ob etwas "wesentliches" weiß ich nicht. (Hogwood und Norrington und teils Brüggen hätte er 1988 schon haben können.) Irgendwas verpasst man außerdem immer. Denn in der Zeit, in der er sich auch noch Hogwoods Sinfonien angehört hat, hätte er irgendeine andere Musik anhören können usw.


    Wer nicht beliebig viel Platz hat und sich noch für was anderes interessiert als Beethovensinfonien der könnte freilich dynamisch auch so verstehen, dass (ungefähr) für jede neu angeschaffte CD der Werke eine alte als obsolet deklariert werden muss und aussortiert wird. Er hätte zB immer etwa 50 CDs mit Beethovensinfonien, aber über 20 Jahre hinweg nicht immer dieselben.


    Die Frage ist halt, ob man ein gewisses Spektrum an Interpretationen haben möchte oder eine Bibliothek mit dem größten Teil der Diskographie. Letzteres scheint mir im Falle Beethovens nur bedingt erstrebenswert, weil einfach zu umfangreich. Aber wer den Platz hat, kann das natürlich gerne tun. Es ist nichts Verwerfliches dran. Andere Leute sammeln Bierdeckel, die kann man nichtmal anhören

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)


  • Was macht die denn aus?


    Tja, gemeint ist wohl einfach, dass man feststellt, dass einem Aufnahme X besser gefällt als viele andere.



    Zitat

    Was heißt überhaupt ein Werk einschätzen: Im Vergleich zu anderen Komponisten oder im Quervergleich zu Interpretationen, die einem, aus dem persönlichen Geschmack heraus, nicht gefallen ?


    Der persönliche Geschmack bildet sich ja, indem man unterschiedliche Werke und ggf. unterschiedliche Aufnahmen kennenlernt. Natürlich kann man Zuneigung verspüren ohne irgendein anderes Werk gehört zu haben und viele Aspekte kann man auch ohne Vergleich beurteilen. Aber Geschmack als Differenzierungsvermögen fällt nicht vom Himmel und geht doch nur vor einem Hintergrund.


    Ich kann feststellen, dass mir Beethovens 5. gefällt, ohne ein anderes Musikstück gehört zu haben. Aber dass sie mir besser gefällt als Tschaikowskys 5. oder dass mir Kleibers Aufnahme des Werks besser gefällt als Norringtons kann ich erst feststellen wenn ich die Alternativen kenne (und eine Zeitlang mit ihnen "gelebt" habe). Ich kann auch dazu kommen, dass mir beide gleichermaßen gefallen usw.

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  • Er würde schon was verpassen, aber ob etwas "wesentliches" weiß ich nicht. (Hogwood und Norrington und teils Brüggen hätte er 1988 schon haben können.)


    Lieber Johannes,


    vielen Dank für die vielen kleinen Korrekturen, die Du meinen Beiträgen in jüngster Zeit angedeihen lässt!


    In der Tat waren Hogwood und Norrington im Jahre 1988 schon verfügbar. Ich müsste das Stichjahr meiner Betrachtung also vorverlegen. :hello:

  • Hallo,


    ich habe das an anderer Stelle schon gepostet:
    Kann eine Aufnahme in allen Kriterien absolut zufrieden stellen?
    So sehr ich z. B. Fischer-Dieskau bei Liedaufnahmen schätze - auch bei ihm gibt es Schwächen, in der Interpretation, im Stimmcharakter für das spezielle Lied, in der Aufnahmetechnik (für die er nichts kann) - allerdings für mich nie in der Intonation - was für mich sehr wichtig ist, weshalb ich über seltene kleine Schwächen, wegen der makellosen Intonation, hinweghöre.
    Und wenn das "Dulcissima" in der Carmina Burana nicht passt, dann muss für mich der Chor und das Orchester schon makellos sein um über eine (kleine!)Schwäche an dieser Stelle hinweg hören zu können. Als Chorsänger bin ich bei Choraufnahmen logischerweise besonders kritisch.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler


  • vielen Dank für die vielen kleinen Korrekturen, die Du meinen Beiträgen in jüngster Zeit angedeihen lässt!


    In der Tat waren Hogwood und Norrington im Jahre 1988 schon verfügbar. Ich müsste das Stichjahr meiner Betrachtung also vorverlegen. :hello:


    Die Frage wäre halt, ob die Wahl des Zeitpunkts für das Arguments nicht ganz unwichtig ist. Deswegen war das keine bloße Spitzfindigkeit meinerseits. Es schien Dir ja u.a. darauf anzukommen, dass im Szenario jeglicher HIP-Beethoven ignoriert worden wäre, nicht bloß ein dutzend seither erschienene Neuaufnahmen. Wenn das aber der zentrale Punkt ist, dann könnte man zB die Neuaufnahmen seit ungefähr 2000 getrost ignorieren und sich auf das, was man schon hat bzw. auf andere Musik konzentrieren.


    Ich finde ziemlich einleuchtend, dass man "mehr" verpasst, wenn man zB überhaupt nie den HIP-Zugang (oder einen maximal kontrastierenden wie zB Furtwängler) bei Beethoven kennengelernt hat (wiewohl man wieder mehr verpasste, wenn man Bach nur Un-HIP kennte), als wenn man, sagen wir, von Norringtons, Gardiners, Hogwoods nur eine gehört hat und nicht alle.
    Und wie gesagt stellt sich die Anschlussfrage, ob ich alles, was ich mir mal anhöre, auch besitzen und jahrelang im Regal stehen haben muss.
    Ich finde es durchaus rational, zB entweder nur eine (oder nur n) HIP-Einspielung anzuschaffen oder selbst wenn man so fanatisch ist, dass man alle neuen wenigstens mal gehört haben will, alle bis auf eine (n) wieder auszusortieren.

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  • Zitat

    Ich finde ziemlich einleuchtend, dass man "mehr" verpasst, wenn man zB überhaupt nie den HIP-Zugang (oder einen maximal kontrastierenden wie zB Furtwängler) bei Beethoven kennengelernt hat (wiewohl man wieder mehr verpasste, wenn man Bach nur Un-HIP kennte), als wenn man, sagen wir, von Norringtons, Gardiners, Hogwoods nur eine gehört hat und nicht alle.


    Völlig korrekt.


    Und hier greift doch gerade auch unser Forum: Zu differenzieren, die Unterschiede deutlich machen, aber auch das andere gelten lassen und nicht einfach in Allgemeinplätzen abzutauchen.


    Es nutzt niemanden, wenn man ohne Unterschiede jede jemals veröffentlichte Aufnahme einer Symphonie Beethoven`s in den Himmel lobt. Jede Interpretation hat ihre Stärken und Schwächen. An uns liegt es, sie deutlich zu machen, als Entscheidungshilfen für Leute, die nicht planlos kaufen wollen.

  • Ich finde es durchaus rational, zB entweder nur eine (oder nur n) HIP-Einspielung anzuschaffen oder selbst wenn man so fanatisch ist, dass man alle neuen wenigstens mal gehört haben will, alle bis auf eine (n) wieder auszusortieren.


    Na ja, wir hatten es vor einigen Wochen an anderer Stelle: Auch innerhalb der "großen Schubladen" wie etwa "HIP" oder "vor 1950" gibt es schon arge Unterschiede in der Herangehensweise.


    Du hattest damals völlig zu Recht daraufhin hingewiesen, dass man bei Beethoven Furtwängler und Weingartner nun wirklich nicht über einen Kamm scheren könne. Ebenso meine ich, dass Welten zwischen der Temporaserei eines Norrington (1. Beethoven-Zyklus) und dem vergleichsweise gesitteten Ansatz von Hogwood liegen. Wobei Harnoncourt eine verblüffend andere Sicht präsentiert, die von beiden ungefähr gleich weit entfernt ist. Man höre Beethovens 2. mit den drei genannten und man wird sofort verstehen. Welche von den dreien ich da aussortieren sollte - keine Ahnung. Bin vielmehr froh, dass ich alle drei im Zugriff habe.


    Streaming würde helfen, zumindest das Platzproblem zu lösen. Dafür schafft es neue Probleme, weil man dann Datensicherung auf professionellem Niveau betreiben muss, wenn man nicht riskieren will, dass beim Festplattencrash (oder wegen einer an falscher Stelle herunterfallenden Wasserflasche) Tausende von Euronen virtuell zerstört werden - mit realen Konsequenzen.


    Und Rationalität ist nun das Letzte, was ich hier heranziehen würde. Ich habe große Teile des Tages damit zu tun, Dinge rational durchzuführen und zu hinterfragen oder zu begründen, warum so und nicht anders. Da finde ich es toll, mal einen "unrationalen" Mahler mit Bernstein zu hören oder auch mal völlig irrational zu Monteverdi zu greifen.


    Muss ich wirklich rational begründen, warum ich Beethoven gerade lieber mit Klemperer als mit Gardiner hören möchte? Gott bewahre ...


    :hello:

  • Wobei Harnoncourt eine verblüffend andere Sicht präsentiert, die von beiden ungefähr gleich weit entfernt ist.

    Das ist bei ihm meistens so, weshalb ich bei bedeutenden Werken - und nur von denen gibt es ja diese Fülle von Einspielungen- immer in Erwägung ziehe, auch eine Interpretation von ihm zu haben.
    "Seinem" Brahms Requiem - welches ich übrigens im Herbst als Pianist der 4-händigen Version selbst mitaufführen werde- kann ich bescheinigen, dass ich von bestimmten Aspekten und vor allem sehr spezifischen, nur dort so zu hörenden Details einiges lernen kann, weshalb ich den Kauf aus "dienstlichen" Gründen nicht direkt bereue, aber in diesem Fall und zu meinem jetzigen Erkenntnisstand ausnahmsweise meine, dass die Anschaffung nicht zwingend gewesen wäre.Mein Brahmsbild ist das einfach nicht....da sehe ich eher zu Abbado, Rattle oder auch Guilini auf.



    Bei Bruckner habe ich intensiv vorher gehört und mich dann gleich bei der 4. Symphonie für den späten Celibidache, Böhm und Rattle entschieden, d.h. hier habe ich in einer Bestellung für eine mir unbekannte Symphonie gleich in drei verschiedenen Interpretationen erstanden. Harnoncourt musste in diesem Fall für mich jedoch diesmal nicht dabei sein.


    Je "früher" aber das Material wird (also z.B. ab Beethoven zurück in die Vergangenheit) desto wichtiger wird es mir aber, auch eine Harnoncourt-Version zu besitzen.
    So wie ich es sehe liegt das daran, dass eine der wichtigen Stärken Harnoncourts die Herausarbeitung der rhetorisch- gestischen Aspekte der Klangrede ist, was ja bei der Musik von Frühbarock bis Beethoven das eigentliche innere Wesen derselben ausmacht.
    Hier hat er einen sehr eigenen, allerdings logisch auch nachvollziehbaren Dialekt in der Aussprache (Artikulation, Dynamik, Phrasierung) gefunden, den ich aus vielen Gründen schätze. Seine starke musikantische Emotionalität, mit der er da meistens herangeht, zählt auch zu seinen Stärken; allerdings kann diese Intensität zusammen mit einem gelegentlichen -zumindestens von manchem Zuhörer so empfundenen Drang zum "Zeigenwollen" hier und da zu Überzeichnungen führen, die eine Interpretation an eine Grenze bringen, bei der der Gesamteindruck trotz guter Detaillösungen kippen kann.
    In dieser, eher negativen Richtung wird er aber, in jeweils unterschiedlichen Aspekten, von einigen anderen, jüngeren HIP-Musikern leider "übertroffen".


    Wenn man sich die x-te Einspielungen eines Werkes zulegt, dann wird das m.E. nur bei den grossen, bedeutenden Werken, also der sogenannten Standardliteratur möglich und wohl auch nur hier halbwegs sinnvoll sein. Grosse Werke zeichnen sich eben auch durch diesen Reichtum an möglichen und oft auch legitimen Deutungen aus.


    Um endlich einmal von diesen 9 Symphonien jenes Weltmeisters des Wohnungswechsels ausnahmsweise wegzukommen:
    Bei mir häufen sich die Einspielungen der h-moll Messe von J.S.Bach, die ja ebenfalls - auch sehr zurecht- so ein überragendes Werk ist, an dem sich viele einfach versuchen müssen, manche auch mehrfach.
    Es fing mit Leonhardt an, dann Harnoncourt II (die mit dem Arnold Schönberg Chor), Herreweghe II, Koopman, Suzuki und Veldhoven.
    Das sind zwar "nur" 6 Einspielungen, aber ich kenne sie auswendig und bin auch froh, sie zu haben.
    Unverzichtbar sind dabei für mich Leonhardt, Suzuki und Veldhoven, wie immer aus unterschiedlichen Gründen.
    Ob damit in Sachen h-moll Messe wohl Schluss ist? Nein, denn Herreweghe hat ja eine neue Aufnahme herausgebracht, die vielvesprechend im Sinne hoher Spiel- und Gesangskultur klingt und zumindest seine vorherigen Versionen noch an natürlicher Lebendigkeit zu übertreffen scheint.


    Und vermutlich wird auch irgendwann eine vor nicht allzu langer Zeit in Wien mitgeschnittene h-moll Messe Harnoncourts herauskommen(der ORF sagt, dass er aus urheberrechtlichen Gründen den Mitschnitt nicht herausgeben darf), die ich dann auch noch - aus obigen Gründen- bestellen muss, selbst wenn ich jetzt schon weiss, dass ich über bestimmte Sachen, die ich nicht so mag hinweghören muss, wie z.B. ein stark besetzter Chor und Solisten mit dramatisch opernhaftem Timbre.


    Meiner Erfahrung nach lässt man zwar bei häufig gekaufen Werken ( bei mir auch Bachs Motetten, Weihnachtsoratorium, Kantaten) die CDs meistens im Schrank stehen und wirft sie nur sehr selten über ebay wieder weg. Allerdings kristallisieren sich doch oft im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ein bis zwei sehr gute Lieblingsaufnahmen heraus, zu denen man dann aus guten Gründen immer wieder greift.
    Weil man das aber im Vorfeld nicht weiss, "muss" man wohl, wenn es bezahlbar bleibt, bei bestimmten Lieblingswerken mehrere Aufnahmen kaufen.
    Ich bezweifle jedoch, dass es 30 und mehr sein müssen. Haben die denn alle ihren ganz eigenen, unverwechselbaren und unverzichtbaren Ansatz, und hat man als Nicht-Rentner überhaupt die Zeit, die sich alle anzuhören?
    Hier könnten ja auch die Sammler der "Winterreise" im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied von singen.
    Für mich würden da 6 Einspielungen reichen, wobei ganz gewiss Fischer-Dieskau und Schreier dabei wären.
    Bei mir gibt es auch eine Befürchtung, dass ich mir "heilige" Werke (wie eben auch so manche Beethoven Symphonie) durch das Hören zu vieler verzichtbarer CDs irgendwann abnutze, so dass diese Stücke von ihrer starken Wirkung etwas einbüssen.
    Aus ähnlichen Gründen lässt man als Musiker ja gerne auch bekannte Stücke ein paar Jahre liegen um dann später zu entdecken, dass das Unterbewusstsein in der Zwischenzeit für eine klarere Sicht, für ein besseres Verständnis der Musik gesorgt hat.


    Es gibt übrigens noch eine Nebenwirkung des Sammelns vieler Interpretationen:
    Irgendwann kenne ich das Stück aus verschiedenen Blickwinkeln und durchs Hören mit und ohne Partitur so gut, dass sich immer stärker eine eigene Vorstellung, wie es denn zu machen sei, ausprägt. Dann ist man mit gar keiner Einspielung mehr ganz zufrieden.
    Die Lösung wäre dann: Selber machen....was bei Symphonien oder einer h-moll-Messe für mich eher unrealistisch wäre, bei einem Schubert-Abend jedoch nicht.


    Das Gefühl des emotionalen Mitgerissenwerdens ist viel stärker, wenn man z.B. nur eine Interpretation kennt, der man sich mit Haut und Haaren ganz hingibt, was sehr schön sein kann. Bei mir sind das die Ouvertüren Meistersinger und Tannhäuser, jeweils unter Karajans Leitung.
    Wenn ich im Radio zufällig etwas anderes höre, drehe ich es ab, weil ich es nicht anders hören will. Karajans Stil und glänzender Klang verbindet sich mit dem Charakter der Wagnerschen Musik meinem Geschmack nach derart ideal, dass ich es genau so haben will, weil es mich gerade so vom Stuhl reisst, oder auch die berühmten Schauer über den Rücken laufen lässt.


    Und darauf kommt es doch schliesslich auch an, nicht wahr?


    :hello:


    Glockenton


    P.S.: ich kaufe nur Aufnahmen, die ich meiner Meinung nach wirklich haben "muss". Aus sammlerischen Vollständigkeitsgründen kann ich nicht kaufen, weil mir dazu mein Geld zu schade wäre. Trotzdem habe ich schon recht viele CDs, und ca. 75% stellen sich dann auch im Nachhinein noch als berechtigte "Muss-Käufe" heraus...glaube ich.

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Es ist interessant wie verschieden Menschen doch agieren, bzw empfinden.
    In Bezug auf Kaufstop im Jahre 1988 (das Jahr spielt hier keine Rolle, ist nur als Variable zu sehen) hat Wolfram - in seltener Übereinstellung mit mir - jenen Standpunkt bekräftig, den ich schon in Beitrag Nr 5 vertreten habe, daß ein Kaufstopp zu einer Beeinträchtigung des musikalischen "Weltbildes" führt. Setzen wir das Jahr 1952 als Kaufstoppjahr an, dann wäre solch eine Sammlung schon sehr historisch.....


    Zitat

    und wenn ich überlege, welche will ich hören, ist es dann eigentlich doch egal?


    Es mag vielleicht egal sein, wenn ich unter all meinen Aufnahmen eine Lieblingsaufnahme erwähle, die ich dann immer wieder spiele. Geanau das mach ich indes NICHT. Ich höre auch gerne Aufnahmen von weniger berühmten Interpreten oder weniger geliebten. Nur so kann man sich von einem Manko bei Tonaufzeichnungen bewahren, nämlich der Erstarrung.


    Man dirigiert bei der Lieblingsaufnahme dann schon mit, misst jedes Live-konzert daran und wartet dort auch af die Knacker,
    möchte nach dem 3 Satz die CD wechseln etc..... Aber das sind nur die oberflächlichen Defekte, die man davonträgt.....


    Mein Betreben war NIE, unbedingt die "Beste" Aufnahme eines Werkes zu besitzen, sondern eine die mir gefällt, und in der Regel kaufe ich oft gleichzeitig Alternativaufnahmen - einfach weils Spaß macht....


    Die extem selektive Kaufpolitik, welche manche hier betreiben, führt in der Tat zu einer einseitgen Klassiksammlung.
    Denn für Newcomer ist hier nur selten Platz, wer kauft schon eine Aufnahme eines 20 jährigen Jungpianisten (auch wenn er etliche Wettbewerbe gewonnen haben mag) - wenn sich der gegen Brendel., Arrau, Pollini, Haskil, Kempff, Backhaus, Buchbinder oder Gulda behaupten muss? Wie gesagt unter der Prämisse, daß man das entsprechende Werk (nehmen wir die "Waldsteinsonate" nur EINMAL oder höchsten ZWEIMAL in die Sammlung nehmen will....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nein, man muss seine Präferenzen natürlich nicht rational begründen. Aber es wäre m.E. irrational sich zu verschulden, um "genügend" CDs kaufen zu können. Und auch, so viele CDs zu kaufen, dass man sie nicht (in Ruhe) hören kann. Und auch unabhängig von Geld und Platz (was letztlich auch nur eine Geldsache ist) stellt sich mir eben durchaus die Frage nach dem musikalischen und künstlerischen Mehrwert der 20. oder 30. Version auf Konserve für das eigenen Bild eines Werkes.


    Natürlich kann man den nie ausschließen. Aber ich kann nicht alles hören und muss manche Entscheidungen nur aufgrund von Rezensionen oder kurzen Klangschnipseln treffen. (Daher habe ich zB Hogwoods, auch wenn es sie manchmal für EUR 20 oder so gibt, nicht gekauft) Krivine oder Chailly hätten mich auch gereizt, aber momentan fehlen mir Lust und Zeit dafür, daher habe ich erstmal gelassen. Zumal ich noch etliche ungehörte Beethoven-CDs im Regal sitzen habe... Und wenn ich die Muße zum Vergleichen hätte, würde ich auch CDs zum Verschenken oder Verkaufen aussortieren, von denen ich vermute, dass ich sie nie mehr hören werde, weil sie mir einfach nicht besonders gefallen bzw. nicht wesentliches über die Aufnahmen, die ich eh schon habe, hinaus bieten.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Es kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: Nämlich der "archäologische".


    Es kann doch sein, dass sich jemand dafür interessiert, wie "der Weingartner das gemacht hat" (der Klemperer, der Knappertsbusch, der Konwitschny, der Krivine).


    Da geht es nicht so sehr darum, das eigene Beethoven-Bild zu komplettieren, sondern um das Kennenlernen von Zugängen.


    Etwa so, wie wenn ich ein Ärztebesteck aus der Zeit der alten Römer im Museum bewundere - ich will mich deswegen ja nicht damit operieren lassen, aber interessant ist es schon.


    :hello:

  • Zitat

    Es kann doch sein, dass sich jemand dafür interessiert, wie "der Weingartner das gemacht hat" (der Klemperer, der Knappertsbusch, der Konwitschny, der Krivine).
    Da geht es nicht so sehr darum, das eigene Beethoven-Bild zu komplettieren, sondern um das Kennenlernen von Zugängen.
    Etwa so, wie wenn ich ein Ärztebesteck aus der Zeit der alten Römer im Museum bewundere - ich will mich deswegen ja nicht damit operieren lassen, aber interessant ist es schon.


    Allmählich wird es unheimlich.
    wieder ein Punkt bei dem ich mit Wolfram übereinstimme.
    Aber damits nicht gar so harmonisch wird, eine weitere Sichtweise:


    Entgegen dem Ärztebesteck der Alten Römer, welches heut unverwendbar ist (was ich zumindestens hoffe) sind alte Aufnahmen - je nach Alter und Güte - scheinbar wieder zum Leben zu erwecken. Ein Zeitfenster macht den Besitzer solcher Aufnahmen in gewisser Weise zum "Herrn der Zeit", oder vielleicht sogar zum Herrn über "Zeit und Raum"Aufnahmen verleihen den Interpreten zumindest einen Hauch von Unsterblichkeit, bzw Unvergänglichkeit.


    Und ewas weniger pathetisch betrachtet, macht mich meine Sammlung unabhängig von jenen, die gerne gewisse Interpreten und Komponisten in den Orkus verbannen würden ......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Allmählich wird es unheimlich.
    wieder ein Punkt bei dem ich mit Wolfram übereinstimme.


    "Die ich (an-)rief, die Geister, / Werd' ich nun nicht los."


    Und ewas weniger pathetisch betrachtet, macht mich meine Sammlung unabhängig von jenen, die gerne gewisse Interpreten und Komponisten in den Orkus verbannen würden ......


    Auch da stelle ich volle Übereinstimmung zwischen uns fest! Was bin ich froh, wichtige Konwitschny-Inszenierungen auf DVD zu haben, so dass ich diese Meisterwerke intelligenten Regietheaters immer wieder neu bewundern kann!


    :hello:

  • Im Falle der Beethovensinfonien besitze ich Aufnahmen (nicht immer Gesamtaufnahmen und sicher nicht alle gründlich angehört) mit Weingartner, Furtwängler, Toscanini, E.Kleiber, Klemperer, Mengelberg, Abendroth, Scherchen, Fricsay, Markevitch, Leibowitz, Karajan, Bernstein, Cluytens, C.Kleiber, Norrington, Harnoncourt, Brüggen, Gardiner, Zinman, Fey, Gielen, Wand, Barenboim, Mackerras, Schuricht, Munch, Morris, Mengelberg, Järvi, Maazel und vermutlich noch ein paar einzelne, die in irgendwelchen Boxen stecken, so dass ich sie gerade übersehe. Das sindüber 30 Dirigenten und die Aufnahmen stammen aus der Zeit von ca. 1930 bis in die frühen 2000er (Järvi 3+8, Fey). Davon sind ungefähr 8 GA oder beinahe-GA, d.h., dass eine oder zwei Sinfonien fehlen (zB habe ich keine 6. mit Toscanini, bei Bernstein keine 1+6, bei Weingartner keine 1+2). Gehört habe ich außerdem Kegels GA und noch einige Einzelaufnahmen.
    Ich glaube gern, dass es auch noch tolle Aufnahmen mit Konwitschny, Böhm, Jochum, Solti, Hogwood, Krivine, Thielemann, was weiß ich noch gibt. Aber ich glaube nicht, dass mich Offenbarungen erwarten und ich sehr viel verpassen würde, wenn ich keine einzige neue Beethovenaufnahme mehr anschaffen würde. Ich würde die in erster Linie anschaffen, um "mitreden" zu können.


    Wenn ich nun diesen Wahnsinn (denn daran grenzt es bereits) in derselben Weise bei anderer Musik, die mich interessiert und die seit den 1920ern breit dokumentiert ist also zB Beethovens Klavier- und Kammermusik, Brahms-Sinfonien, Chopin, treiben würde, könnte ich vermutlich kaum noch andere Musik (zB Bach, Händel, Haydn, Schubert, Schumann usw.) als die genannte mehr hören. Daher habe ich in solchen Bereichen typischerweise "nur" 5-7, selten zweistellige Anzahlen von Aufnahmen.

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  • Irgendwie geht es hier ja auch um des Kaisers Bart...
    Natürlich versucht man bei geliebten Stücken immer noch eine bessere Aufnahme zu finden. Andererseits kann die Sammelei Züge annehmen, die dann nicht mehr rational zu erklären sind.
    ABer hier ein Beispiel aus meiner Bekanntschaft: Er sammelt digital Aufnahmen von Popmusik. Dann hat er sich irgendwann mal hingesetzt und gerechnet. Da kam er drauf, dass wenn er alle noch nicht gehörten Stücke hören würde, Tag und Nacht nichts anderes machte und keine Neuen Aufnahmen mehr machte, dann müsste er 147 Jahre alt werden. Momentan erwägt er, von seinem gesamten Schatz Sicherungskopien zu machen.... 8o:hahahaha:

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • D.h. er hätte ca. 80000+ ungehörte? Stunden Musik oder mehr, wenn er jetzt Mitte 40 ist. Das kommt mir doch extrem viel vor.


    Wenn ich damit rechne, dass man locker 10-20 CDs pro Woche hören kann (jeden Werktag 1-2 und am Wochenende 5-10), also grob 500-1000 CDs pro Jahr (ohne Neuanschaffungen und Wiederholungen), bräuchte ich ca. 4-8 Jahre um meine vermutlich ca. 4000 CDs komplett durchzuhören. Das ist viel, aber nicht unmöglich. Und natürlich kann man je nach Arbeit, Pendeln, Freizeit usw. evtl. doppelt so viel Musik hören wie in meinem Beispiel.
    Und ich habe auch einige hundert CD, die ich eher aus "lexikalischen" oder Vollständigkeitsgründen habe, und bei denen es nicht schlimm ist, wenn ich sie niemals oder nur einmal anhöre. Irgendwas verpasst man immer.

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  • Das ist extrem viel!
    Er hat stets irgendwelche Aufnahmegeräte am Laufen. Leiht sich andauernd volle Festplatten um die zu kopieren....

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • als cd-sammler sind wir von der totalen perversion des permanenten downloads und festplattenüberquellens ja noch etwas entfernt.
    dennoch kaufe ich zuviel auf vorrat - deshalb wird's nix mit der absichtlichen anschaffung von alternativaufnahmen (außer, eine gefällt nir nicht).

  • Ich glaube gern, dass es auch noch tolle Aufnahmen mit Konwitschny .... gibt.

    Das kannst Du nicht nur glauben, lieber Johannes, da kannst Du sicher sein. Solltest Du mal eine Aufnahme irgendwo zum Schnäppchenpreis entdecken, kannst Du beruhigt zuschlagen. Du, als Kenner und Experte, wirst diese Anschaffung garantiert nicht bereuen (s. auch die Bewertung von William). Und nicht nur die Sinfonien, auch die Chorfantasie ist hervorragend.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • als cd-sammler sind wir von der totalen perversion des permanenten downloads und festplattenüberquellens ja noch etwas entfernt.
    dennoch kaufe ich zuviel auf vorrat - deshalb wird's nix mit der absichtlichen anschaffung von alternativaufnahmen (außer, eine gefällt nir nicht).


    Ich scheine an mir auch folgendes zu bemerken: Je mehr ich besitze, desto weniger Freude habe ich an einzelnen Sachen. Die Auswahl zwischen all den Sachen macht oft keine Freude. Und manches wird wie Arbeit. So habe ich jetzt vor mir liegen 3 Boxen mit allen Sibeliussynfonien. Die würde ich jetzt alle gern mal hören, jeweils jede 3 mal. ABer dafür bräuchte ich ein paar Tage Urlaub. Es könnte echt sein, dass ich mehr Freude an der Musik hätte, wenn ich nur eine Box besäße. Denn alle sind ja sehr gut.
    Außerdem kenne ich es sehr gut, dass ich weniger aufmerksam höre, wenn ich noch ein paar ungehörte CDs da liegen habe.
    Also meine Erfahrung ist, dass Sammeln nicht nur gut ist.
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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