Rezensionen von Interpretationen - nach welcher Methode ?

  • An der Überschrift zu desem Thread habe ich zu lange gefeilt - drum ist sie mißlungen
    Es geht um die Frage wie ihr euch einen Eindruck von der Interpretation einer Sinfonie macht
    ("Rezension" ist vermutlich in diesem Zusammenhang das falsch Wort ?)


    Es gibt hier verschieden Möglichkeiten, von denen jede ihre ihre speziellen Vor- und Nachteile hat.
    (die an dieser Stelle noch nicht aufgezählt werden)


    1) Man hört eine Aufnahme komplett durch - und lässt sie ganzheitlich auf sich wirken - Ohne Vergleichsmöglichkeit
    Allein der subjektive Gesamteindruck zählt.


    2) Man hört eine Aufnahme komplett durch - und lässt sie ganzheitlich auf sich wirken
    Anschliessend hört man eine andere Aufnahem des selben Werkes mit Referenzstatus
    und beobachtet, welche unterschiedlichen Emotionen die beiden Aufnahmen hinterlassen.


    3) Man vergleicht einzelne Sätze oder Schlüsselstellen daraus - und sucht die Unterschiede,
    stellt die Wirkung der einzelen Interpretationsansätze fest.....
    Hier können bis zu 4 Aufnahmen hintereinander verglichen werden....


    Ich meine, jeder Hörer, jder Kritiker hat hier seine eigenen Strategien entwickelt
    Wie ist die Eure ? -vermutlich gibt es weitere Möglichkeiten der Beurteilung.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred






    Ohne Vergleichsmöglichkeit
    Allein der subjektive Gesamteindruck zählt.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kommt drauf an. Wie man nach 1 etwas zur den relativen Qualitäten einer Aufnahme sagen soll, ist mir nicht ganz klar. Wenn man sie überhaupt bewertet, vergleicht man doch wohl entweder mit einem Modell, das man von dem Stück vage im Kopf hat oder man sagt einfach nur, wovon man besonders beeindruckt war. Auch dabei kann man natürlich auf bestimmte Stellen besonders achten. Wenn ich mich irgendwie zu einer Aufnahme äußern oder sie bewertend einordnen will, mache ich mindestens letzteres.
    Wenn es nur darum geht, ob einem etwas gefällt oder nicht, ist das sicher ausreichend.
    Wenn man in Kommunikation mit anderen treten will oder auch nur herausfinden will, was genau einem nun an einer Interpretation gefällt, muss man m.E. versuchen, genauer zu beschreiben und das geht m.E. etwas leichter im Vergleich. (Man kann natürlich auch mit der Partitur vergleichen, aber da wird man oft Feinheiten nicht so leicht bemerken. Für mich als Nichtmusiker mit nur oberflächlichen Kenntnissen ist es immer nötig, die Musik auch zu hören. Das Hervortreten bestimmter Stimmen oder unterschiedliche Spielweisen bestimmter Passagen wird daher erst bei unterschiedlichen Interpretationen deutlich.)


    Meiner Erinnerung nach habe ich beim Vergleich der drei 5. von Beethoven immer das Stück komplett gehört und alle drei entweder an einem Tag oder innerhalb von zwei Tagen. Vielleicht habe ich auch zusätzlich noch mal einen Einzelsatz verglichen. Jedenfalls habe ich schon mehr beim Hören auf bestimmte Dinge geachtet, wie die, zu denen ich mich dann im posting geäußert habe.


    Obwohl ich der Ansicht bin, dass man für ernsthafte und aussagekräftige Vergleiche satzweise vorgehen sollte (wenn man nicht ein sehr gutes Erinnerungsvermögen hat und sich aussagekrägtige Notizen unterwegs machen kann), mache ich so etwas normalerweise nicht. Ausnahme war mal das adagio aus Beethovens 9., wozu ich mich ebenfalls geäußert habe. Und vielleicht auch beim Haydn-Projekt, weiß ich nicht mehr genau, da es da ja darum ging, zu den Werken selbst was halbwegs Brauchbares zu schreiben.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Alfred schrieb:

    Es geht um die Frage wie ihr euch einen Eindruck von der Interpretation einer Sinfonie macht
    ("Rezension" ist vermutlich in diesem Zusammenhang das falsch Wort ?)


    Es geht also nicht unbedingt um die relative Qualität einer Aufnahme, und auch nicht darum, den Eindruck zu verbalisieren.

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  • 1) Man hört eine Aufnahme komplett durch - und lässt sie ganzheitlich auf sich wirken - Ohne Vergleichsmöglichkeit. Allein der subjektive Gesamteindruck zählt.


    Hier finde ich problematisch, dass es schwierig sein könnte, den "subjektiven Gesamteindruck" eindeutig zuzuordnen: Liegt es am Werk oder an der Interpretation, dass mir etwas (nicht) gefällt? - Ich behaupte mal: Die erste Matthäus-Passion, die erste Dvorak 9, das erste Tschaikowsky KK1 usw. usw. wird man, wenn die Interpretation nicht völlig daneben ist, immer großartig und überwältigend finden.


    2) Man hört eine Aufnahme komplett durch - und lässt sie ganzheitlich auf sich wirken. Anschliessend hört man eine andere Aufnahem des selben Werkes mit Referenzstatus und beobachtet, welche unterschiedlichen Emotionen die beiden Aufnahmen hinterlassen.


    Das ist schon hilfreicher, wobei ich hier unbedingt nach der Referenzaufnahme nochmals die "neue" hören würde.


    3) Man vergleicht einzelne Sätze oder Schlüsselstellen daraus - und sucht die Unterschiede, stellt die Wirkung der einzelen Interpretationsansätze fest..... Hier können bis zu 4 Aufnahmen hintereinander verglichen werden....


    Warum nur vier?


    Das mit den Schlüsselstellen ist aber ein sehr wichtiger Hinweis. Hört man nacheinander mehrere Interpretation eines Werkes, so stellt man schnell fest, dass große Teile sich sehr ähnlich anhören (vielleicht mit Ausnahme des Tempos und der Schärfe der Artikulation, bei Werken bis ca. 1840 vielleicht noch Besetzungsgrößen), und dass es andere Stellen gibt, an denen man sofort A und B auseinander halten kann: Wie wird dieser Tempowechsel genommen? Ist dieser Bläserakkord scharf oder weich?


    An sich spricht nichts gegen die von Alfred genannten "Methoden".


    Wenn man wirklich etwas zur Interpretation sagen will, ist es natürlich gut, das Werk "ohne" Interpretation in Augenschein nehmen zu können - sprich: Man sieht mal in die Partitur. Dazu muss man weder transponierende Instrumente noch alte Schlüssel beherrschen, drei Stunden Blockflötenunterricht oder Mitsingen in einem Chor in der Jugend usw. usw. reichen vollkommen aus. Dann sieht man schon: Hat der Komponist dieses Langsamerwerden gewollt - oder ist es eine Zutat vom Dirigenten? Warum knallt die Trompete so hervor, wo doch nur "mf" steht? Warum spielen die Streicher ein dichtes Legato, wo der Komponist doch eine recht differenzierte Artikulation vorgeschrieben hat?


    Das heißt, man setzt noch vor der Interpretation an: Macht der Dirigent überhaupt das, was der Komponist wollte, oder weicht er ab? (So ähnlich wie im Regietheater: Wenn es heißt "Festsaal im Palais von XY" und eine U-Bahn-Station zu sehen ist, dann stimmt es ja auch nicht - auch, wenn es noch so gut gemeint ist und neue Aspekte des Werkes offenbaren mag.)


    Dann kann man sich immer noch Dinge ansehen, bei denen der Dirigent auch etwas zu entscheiden hat. Zum Beispiel bei der Tempowahl - Allegro moderato steht da. Was macht er nun - mehr "Allegro" oder mehr "Moderato"?


    Und dann kann man immer noch mal auf den allgemeinen Eindruck hören - etwa: "Der Dirigent beachtet zwar nicht das 'Allegro vivace', doch dadurch erhält die Musik eine sonst nicht zu hörende Größe und Majestät, auch die Sechzehntel in den Kontrabässen bei Ziffer X kommen viel deutlicher heraus ...".


    Wie gesagt: Bis dahin bewegt man sich eigentlich immer noch im von Johannes angemahnten Bereich des Nachvollziehbaren.


    Und mit der Zeit kommt man schon auf die "Schlüsselstellen". :hello:

  • Ich genieße es, kein System zu haben!
    Mal gehe ich so an eine Aufnahme und das nächste Mal vielleicht ganz anders!


    Aber ganz wichtig finde ich in jedem Falle, die gründliche Beschäftigung mit der Partitur selbst! Auch wenn man sie noch ganz gut im Kopf hat, gilt : Möglichst vorher reinschauen oder aber mitlesen! Da folge ich ganz und gar Wolfram!


    Auch das Heranziehen von anderen Einspielungen des Werkes finde ich wichtig! Darauf kann ich eigentlich nie verzichten. Möglichst sollte dann die Vergleichsaufnahme schon ganz gehört werden. Das ist natürlich bei Schumanns Mondnacht leichter als bei Mahlers 2. Sinfonie.
    Deshalb kann es auch Sinn machen, Teile zu vergleichen!
    Da ich mich sehr für Gesangskunst begeistere, vergleiche ich dann auch schon mal einzelne Phrasen. Wie singen die verschiedenen "Referenz"-Tenöre etwa in Puccinis Bohème das "poichè v'ha preso stanza la speranza!" und wie wird der Tenor der neuen Aufnahme damit fertig? (Nur so nebenbei: bei einem solchen Vergleich werden Pavarotti-Freunde staunen, zu welchem Ergebnis man da kommt!!!)
    Oder - das habe ich gerade gestern mal geprüft -: wie werden die Soprane unserer Tage und die Soprane früherer Zeiten mit den heiklen Koloraturen der Trovatore- Leonora bei "Com'aura di speranza aleggio in quella stanza" fertig? (Wieder nur so nebenbei: ich wusste gar nicht, dass Leontyne Price gerade jetzt ihren 80. Geburtstag feiert und meine Freunde und ich kamen übereinstimmend dennoch zu dem Ergebnis, dass ihre Salzburger Aufnahme von 1961 eine der allerbesten ist, die von der Arie je gemacht wurden!)
    Bei solchen Vergleichen macht die Beschränkung auf eine kleine Zahl von Vergleichaufnahmen überhaupt keinen Sinn. Wir haben bespielsweise gestern 30 Aufnahmen der Leonora-Arie herangezogen. Und selbst das waren nur die, die nach unserer Erinnerung besonders gelungen sind.


    Manchmal gönne ich mir auch das Vergnügen, eine Aufnahme, die ich gerade erstanden habe, ohne jede Vorbereitung zu hören und - wenn möglich - einfach nur zu genießen. So habe ich kürzlich Jukka Pekka Sarastes Aufnahme von Mahlers 9. Sinfonie gekauft, aufgelegt und genossen - ohne viel zu studieren oder zu vergleichen. Und trotzdem bin ich sicher, dass dies eine der schönsten und gelungendsten Aufnahmen des Werkes ist, die je gemacht wurden! Irgendwann werde ich das vielleicht mal im verghleichenden Hören überprüfen. Aber jetzt brauche ich das erst mal noch nicht!


    Liebe Grüße allen, die Musik nicht einfach nur "laufen lassen" (etwa während sie hier lesen und posten) sondern hören, wirklich hören!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Bei mir kommt alles vor. Bei 1) habe ich immer eine andere Aufnahme zumindest im Hinterkopf und vergleiche insofern nach dem Gedächtnis. Für Variante 2) fehlt oft die Zeit, so daß es bei 3) bleibt, d. h. partieller Vergleich von mir besonders wichtigen Stellen. Es kommt vor, daß eine Aufnahme, wo mir wesentliche Stellen nicht so gelungen vorkommen, kaum mehr gehört wird, selbst wenn es an sich eine gute ist. Das Bessere ist des Guten Feind. In letzter Zeit tendiere ich auch dazu, solche "zweite oder dritte Wahl" wieder zu verkaufen, mache mir aber meistens zumindest eine Kopie für eventuelle spätere Vergleiche.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Meine Lieben
    Ich danke für die rege Beteiligung, und Euer Engagement.
    Ich werde versuchen auf einige Statements zu antworten, ohne dauf zu bestehen "recht" haben zu wolle,


    Ich habe übrigens auf EINE Option verzichtet, bzw habe ich sie nicht erwähnt. Diese wäre, einen Aufnahme anhand der Partitur abzuhören und Abweichungen minuziös genau zu vermerken. Anschliessend erfolgt dann die Rezension, bzw der Hörbericht. Rezension enthält immer so etwas wie Zensur (gemeint ist in der Art von Schulnoten) im Hintergrund, Hörbericht betont mehr, dasß es sich um eine subjektive Wahrnehmung handelt, die keinen Anspruch auf die 100% Wahrheit erhebt.
    Dieses genannte System kann lediglich beschreiben, wie sehr sich der Interpret an die Partitur gehalten hat, die Wirkung auf den Hörer enthält dieses Verfahren jedoch nur bedingt.


    Zitat

    Ich genieße es, kein System zu haben!
    Mal gehe ich so an eine Aufnahme und das nächste Mal vielleicht ganz anders!


    Das ist nicht nur zulässig, sondern oft sogar sinnvoll - es fragt sich immer, was man denn eigentlich herausfinden möchte.


    Denn die Ergebnisse der verschiedenen Verfahren sind durchaus unterschiedlich


    Zitat

    Bei solchen Vergleichen macht die Beschränkung auf eine kleine Zahl von Vergleichaufnahmen überhaupt keinen Sinn.


    Ich will dem nicht generell widersprechen, aber eine kleinere Auswahl vorselektierte Aufnahmen erleichtert manches doch sehr. Was nützt es, wenn ich den Marathonlauf bestehe, 30 verschieden Aufnahmen zu vergleichen - und der Leser /Hörer etc . steigt einfach aus, geht nicht mehr mit ?


    Zitat

    Das ist schon hilfreicher, wobei ich hier unbedingt nach der Referenzaufnahme nochmals die "neue" hören würde.


    Absolut d`accord - Mein sollte nicht glauben durch welches Wechselbad der Eindrücke man da getrieben wird.....


    Aber auch das bewusste SOLO Abhören - ohne Vergleich also - vermag zu vermitteln, ob eine Aufnahme eindrucksvoll ist - oder nicht. Die Chance, eine noch bessere Aufnahme zu hören ist damit (fürs erste) vertan - aber andrerseits wird man nicht wischen den Interpretationen hin und hergerissen.


    Zu den anderen Verfahren (jedes hat Vor - und Nachteile) werde ich mich - so noch Interesse an diesem Thread besteht - zu einem späteren Zeitpunkt äußern....


    mit freundlichen Grüssen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich neige ähnlich wie Joseph zu Methode 1 und einer modifizierten Methode 2, bei der ich nicht anschließend eine weitere Referenzaufnahme zum Vergleich heranziehe, sondern an vorher gehörte Aufnahmen denke und entsprechende Stellen in Gedanken mit der aktuell gehörten vergleiche.
    Besonders sogenannte "Gänsehautstellen" wie die grandiose Streichersteigerung in der Mitte des Larghetto aus Beethovens Zweiter haben es mir da angetan, oder die Coda aus dem Finale der Neunten oder der Schluss des Gloria aus der Missa Solemnis oder der Schluss des Credo aus Haydns "Nelson-Messe" oder, oder, oder.
    Aber auch Stellen, die ganz gegen meine Erfahrungen ausfallen wie "Alla marcia" aus dem Finale der Neunten interessieren mich sehr. Und dann freue ich mich immer, wenn maßstäbliche Dirigenten die Stellen so spielen, wie ich sie mir vorstelle.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich möchte, bevor ich mich den anderen Methoden zuwende, was frühestens morgen oder übermorgen geschehen wird - die speziellen Rahmenbedingungen erörtern, die für die Methode 1 erforderlich sind.
    Wolfram wies zu Recht darauf hin, daß man von der ersten Aufnahme stets geprägt sein wird - von ausnahmefällen mal abgesehen.
    Wenn man diese These akzeptiert (was ich tue) dann wird klar, daß Methode 1 - so verlockens es sein mag - NICHT von jemandem angewandt werden sollte, der erst eine einzige Aufnahme kennt !!
    Vielmehr sollte er im Hinterkopf mehrere Aufnahmen "kennen" - und zwar nur so weit - daß er intuitiv sagen kann: Hier liegt eine Aufnahme vor, die mich beeindruckt - oder nicht. Der "Background" ist all das bisher gehörte.


    Diese Methode ist ziemlich "unwissenschaftlich, sehr subjektiv - aber sie macht beim Zuhören Spaß und tötet nicht die Begeisterung an der Aufnahmen, durch allzu beckmesserische Analyse.
    Mit anderen Worten: Eine Aufnahme wird zum Vergnügen gehört, und die oberflächlichen Eindrücke, dann schriftlich festgehalten......


    Diese Technik eignet sich jedoch NICHT gut zum Beschreiben eines Werkes beim "Ersthören"


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Rezensionen von Interpretationen - nach welcher Methode?


    Methode hin, Methode her. Wer vom Beethoven-Zyklus 35 GA besitzt und noch diverse Einzelaufnahmen, der soll mir mal sagen, wann er zum letzten Mal die Sinfonie Nr. X mit dem Orchester Y unter dem Dirigenten Q gehört hat und wie lange das her ist. Wenn mir nur noch die letzten Hörsitzungen in Erinnerung sind, weiß ich doch nicht, was und wann und mit wem ich die Aufnahme vor 10 Jahren gehört habe. Järvi, Herreweghe, Mackerras, Krivine, Thielemann und Chailly sind relativ neu. Aber wann habe ich zum letzten mal die Aufnahmen mit Walter, Klemperer, Bernstein und Karajan gehört, um nur einige zu nennen. All diese Aufnahmen zu einem vergleichenden Test zu führen, sind nicht einmal große und mit Profis besetzte Radaktionen der Fach-Zeitschriften in der Lage. Konkrete Rahmenbedingungen müssen schon her, denn ein Vergleich mit Aufnahmen, die forianer gar nicht besitzen, wäre aus meiner Sicht vergeudete Zeit.
    Das tue ich mir auch nicht an.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hallo Freunde,


    jedes Musikstück muss zunächst erstmal in sich aufgehen.


    Jede Symphonie Beethovens hat von Anfang bis Ende eine wohldurchdachte Struktur, die sich halb aus dem Bauch heraus erschließt und zum anderen durch das bewußte Erkennen von Elementen wie Tonleitern, Soli der Instrumente, nur zum Beispiel, die Vielfalt in der Musik Beethoven`s ist so groß, das man sich regelrecht verlaufen kann.


    Wie entwickle ich jetzt ein Bauchgefühl?


    Indem ich möglichst viele Interpretationen höre, gaaaanz verschiedene, aber immer als ganzes, lasse das auf mich wirken, habe dabei aber immer meine Referenz im Kopf, es läuft eine Dualität zwischen dem gerade Spielendem und dem Gespeicherten ab.


    Das entspannt, sagenhaft.


    Natürlich wird hinterher nochmal die Referenz ghört, die ersten Eindrücke quasi nochmal überprüft. Dann kommen die auch die Feinheiten zu Tage, wie ist der Eiinsatz der Instrumente, was macht die Interpretationen unterschiedlich.


    So macht mir Vergleichshören Spass. Und durch dieses Vergnügen lerne ich die Kompositionen immer besser kennen, learning by doing.


    Viele Grüße Thomas

  • Hier liegt eine Aufnahme vor, die mich beeindruckt - oder nicht. Der "Background" ist all das bisher gehörte.


    Verstehe ich nicht - wieso brauche ich einen Background anderer Aufnahmen, um sagen zu können, dass mich diese Wiedergabe beeindruckt hat? Offensichtlich braucht man diesen Background nicht.

    Zitat

    Diese Methode ist ziemlich "unwissenschaftlich, sehr subjektiv - aber sie macht beim Zuhören Spaß und tötet nicht die Begeisterung an der Aufnahmen, durch allzu beckmesserische Analyse.


    Ohne Partitur ist jede dieser "Methoden" völlig "unwissenschaftlich, sehr subjektiv".

    Zitat

    Mit anderen Worten: Eine Aufnahme wird zum Vergnügen gehört, und die oberflächlichen Eindrücke, dann schriftlich festgehalten......


    Ich verstehe nicht, wie man auf die Idee kommt, wenn man eine Aufnahme anhört wären die Eindrücke oberflächlicher als wenn man zwei Aufnahmen anhört.
    :no:


    Aber - was ich mich vor allem frage: Was soll hier "Methode" heißen - was soll das ganze? Hier sieht man, dass der Thread-Titel doch ernst gemeint sein dürfte: Wir spielen Jury. Da spiele ich aber nicht mit. Ich kaufe mir EINE Aufnahme, und wenn ich damit zufrieden bin (weil sie MIR zusagt, nicht, weil sie die BESTE ist) brauche ich keine mehr. Wenn jemand meint, er verstünde das Werk erst, wenn er mehrere Aufnahmen hat, dann verdächtige ich ihn, das Werk auch mit 30 Aufnahmen nicht zu verstehen.
    :baeh01:

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  • Vergleichshören von Aufnahmen macht doch unheimlich viel Spass.
    Mit der Zeit hat man abgespeichert, welche Aufnahmen es sind, die begeistern. Ansonsten frische ich die Gedanken durch Punkt 2 und auch Punkt 3 (gem Beitrag 1) nochmal auf.


    Punkt 1, das man nur eine Aufnahme kennt und subjektiv bewertet, kommt eigendlich bei weniger eingespielten Werken vor.
    ** Beispiel:
    Die Casella - Sinfonien Nr.1 und 3 (NAXOS). Hier gibt es gar keine Vergleichsmöglichkeiten. Am Spiel des Orchesters und am kontrapunktischen Geflecht kann ich hier eindeutig sagen: Da ist noch wesentlich mehr und perfekteres drinn, was diese Partitur an Inhalt hergibt. Das sind eindeutig nur mittelmässige Einspileungen, die gar keine Qualität haben mich für diese Werke zu prägen. Zum Kennenlernen der Sinfonien sind diese NAXOS CD´s von Casella OK.
    Bestätigt wurde mein Eindruck durch die Casella-Sinfonie Nr.2, die ich auch in der La Veccia-Aufnahme (NAXOS) zuerst hatte, durch die fabelhafte Interpretation mit Noseda (Chandos). Krasser und begeisterungswürdiger kann ein Vergleichsunterschied kaum sein ! Auf der Chandos CD kann man sich überzeugen wie perfekt und mitreissend das gleiche Werk auch klingen kann und muss.


    Bei Beethoven war ich früher eindeutig durch Karajan geprägt.
    Aber wieviele Aufnahmen habe ich im Laufe der Zeit und gerade in den letzten 5Jahren gehört, die mich trotz Prägung dann noch mehr "vom Hocker rissen" ? Da nützte auch die beste Prägung nichts mehr ..... aber es ist zweifellos so, dass ich Karajan im innersten als Bezugspunkt abgespeichert habe. An seinen Aufnahmen der 5. und 7. ist auch schwer heran zu kommen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Verstehe ich nicht - wieso brauche ich einen Background anderer Aufnahmen, um sagen zu können, dass mich diese Wiedergabe beeindruckt hat? Offensichtlich braucht man diesen Background nicht.


    Natürlich nicht. Aber Besonderheiten einer Interpretation ergeben sich eben in erster Linie als Unterscheidung zu anderen. Oder eben als Unterscheidung zu einem Bild, das man sich selbst gemacht hat. Bei Nichtmusikern entsteht ein solches Bild mindestens zum Teil aber aus Interpretationen, die man gehört hat.


    Zitat


    Aber - was ich mich vor allem frage: Was soll hier "Methode" heißen - was soll das ganze? Hier sieht man, dass der Thread-Titel doch ernst gemeint sein dürfte: Wir spielen Jury. Da spiele ich aber nicht mit. Ich kaufe mir EINE Aufnahme, und wenn ich damit zufrieden bin (weil sie MIR zusagt, nicht, weil sie die BESTE ist) brauche ich keine mehr. Wenn jemand meint, er verstünde das Werk erst, wenn er mehrere Aufnahmen hat, dann verdächtige ich ihn, das Werk auch mit 30 Aufnahmen nicht zu verstehen.


    Das Werk versteht man nicht unbedingt "besser", aber man kann eine bestimmte Interpretation des Werkes besser einordnen. Und es ist auch nicht unplausibel, dass unterschiedliche Interpretationen verschiedene Facetten eines Werks unterschiedlich gut herausbringen. Daher kann man schon ein vollständigeres? Bild erhalten. Es gibt hier sicher viele Beispiele.
    Spontan fällt mir zB der Mittelsatz aus Beethovens Sonate op.31/1 ein. Mir scheint dieses Stück parodistische Züge zu haben, zumindest im Ansatz wird hier mit extremen Figurationen ein verspielter Stil der damaligen Oper? oder Salonmusik? karikiert. Guldas Spielweise passt m.E. dazu, er spielt sehr zügig, dabei aber eher trocken und nüchtern. Schnabel scheint den Satz dagegen als einen ernsthaften seelenvollen langsamen Satz zu nehmen. Ich tendiere zwar zu der ersten Haltung, aber ich wage nicht zu behaupten, dass die zweite verkehrt ist. Mir ist auch nicht klar, wie man in diesem Falle allein aus der Partitur erkennen können sollte, was "richtig" ist. Vielleicht soll der Satz auch zwischen diesen beiden Aspekten changieren.


    Als Joachim Kaiser sich noch Mühe gegeben hat, nämlich in dem Buch zu den Beethovensonaten (selbst wenn das auch etliches an wolkigem Geschwafel enthält) hat er mehrere recht spezifische Beispiele gefunden, in denen eine Interpretation ein ganz neues Licht auf einen Satz oder eine Passage wirft, bis hin zu sehr "objektiven" Sachen wie dem Herausarbeiten von Nebenstimmen usw. (Meins habe ich nicht daher, ich weiß nicht, was er dazu schreibt).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Also, ein Hauptmovens fürs Vergleichshören ist für mich immer der Klang gewesen. Ich bin audiophil ...


    Da hört man dann so nebenbei auch ein paar Unterschiede der Interpretation.


    Ich will mal einen Vergleich anstellen: Ihr legt ein Hörbuch ins CD-Fach und lest dazu das echte Buch mit. Ihr hört: Alles ist richtig, hier ist vielleicht etwas ausgelassen usw. Ihr hört nicht die Modulation der Stimme, und schon gar nicht ihre Kraft zur Veranschaulichung. Die Phrasierung.


    So ist Partiturhören. Man hört nichts. Oder das Entscheidende nicht.


    Um wirklich etwas zu hören, sollte man die Augen schließen und den Gedanken an die Partitur vergessen. Also ist Alfreds Methode 1 sehr wichtig. Man kann doch auch Interpretationen von Stücken beurteilen, die man noch gar nicht kennt, oder? Indem man hört, was passiert. Oder man hört eine Stelle, bei der man in Gedanken immer schon weiterblättert, plötzlich ganz aufmerksam, weil sie wie nie ausgesprochen war (und die meisten Dirigenten auch schon weitergeblättert hatten).


    Audiophiles Vergleichen bezieht sich notwendig auf sehr kleine Passagen (wegen dem Akustik-Gedächtnis, das sehr eng focussiert ist). Auch Interpretationen sind am besten unter der Lupe nebeneinanderzustellen. Aber das birgt die Gefahr, daß man die größeren Zusammenhänge aus dem Auge verliert. Es gibt die Pointillisten und die Architekten, die Atmosphäriker und die Dramatiker. Die Klangauskoster und die Mitreißer. Fast so schlimm wie Partiturlesen sind unbewußte, aber im Ohr verfestigte Erwartungen. Manche wird man nie wieder los.


    Man kann sich auch nicht zur Aufmerksamkeit zwingen (ich kann das jedenfalls nicht). Gute Interpretationen wecken immer von selbst meine Hinhörbereitschaft (und ich höre Musik anfangs, zum Kennenlernen und wegen der intricaten Details, ganz gern aus dem Nebenzimmer, nicht den Boxen vis à vis - zugegeben, meine Wohnung ist überschaubar und meine Anlage perfekt). Nichts ist schlimmer als ein Mix aus Verkrampfung, falschen Erwartungen (inkl. der, doch wieder enttäuscht zu sein) und der Langeweile, die beim Musikhören dadurch entsteht, daß man innerlich gar nicht bereit ist, sich auf das Stück einzulassen.


    Musik ist ja auch irgendwie erotisch - und man sollte in Stimmung sein.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ich erlaube mir nur eine Notiz zu diesem Thread, - "Notiz" deshalb, weil ich kein diskursiver Teilnehmer bin und sie deshalb nicht in allen Einzelheiten verfolgt habe.


    Johannes Roehl hat Joachim Kaisers Buch über die Beethoven-Sonaten und ihre Interpreten erwähnt. Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man hier vorsichtig sein muss, wenn man sich über Joachim Kaiser äußert - und der Seitenhieb von Johannes Roehl ("selbst wenn das auch etliches an wolkigem Geschwafel enthält") bestätigt mich darin.


    Aber etwas möchte ich anmerken, das Thema hier betreffend: Man kann an diesem Buch sehr schön studieren, wie Interpretationsvergleiche angelegt sein müssen, damit sie dem Leser wirklich etwas bringen. Ohne permanente Bezugnahme auf den jeweiligen Notentext taugen sie nicht viel, weil Urteile über die Werkangemessenheit einer Interpretation - und das ist ja das maßgebliche Kriterium - dann der Begründung entbehren und damit für den Leser nicht nachvollziehbar sind.


    Wenn - um die von Johannes Roehl erwähnte Beethoven-Sonate op.31, Nr.1 aufzugreifen - Kaiser auf die Interpretationen des Durchführungsteil des ersten Satzes eingeht, dann legt er die Notenpassagen vor, auf die er sich bezieht. Und wenn er sagt: "Unter seinen (Wilhem Bauhaus´) Händen antizipiert der Satz hier die gleißend hellsten Explosionen der Waldstein-Sonate, so kann der Leser das an dieser Stelle mit Blick auf die Noten nachprüfen.


    Dann fragt Kaiser sich (und lässt die Leser an dieser Frage teilhaben): "Warum soll das Ende der Durchführung aus dem ersten Satz unserer G-Dur-Sonate op.31 Nr.1 weniger glänzend und geheimnisvoll sein? Die harmonischen Schritte sind einander ähnlich." Und das wird jetzt wieder mit einem Notenbeispiel belegt. Danach führt er weiter aus: "Interpreten, die an diesem Höhepunkt auch nur ein wenig erlahmen, die ihn nicht rückhaltlos engagiert darzustellen versuchen, bleiben der Musik etwas schuldig."


    Mit Verlaub: Besser - weil durch den Leser nachvollziehbar - kann man vergleichende Interpretation nicht machen. Der Leser bekommt nicht nur die Meinung des Rezensenten geliefert, er bekommt dazu auch die Kriterien, auf die sich diese Meinung stützt. Und diese Kriterien werden aus der musikalischen Faktur hergeleitet, sind also sachlich fundiert und nicht einfach genuin subjektiven Ursprungs.
    Womit die Rezension Hand und Fuß hat.

  • Farinelli benennt indirekt den schizophrenen Akt, den man beim Interpretationsvergleich versucht, wenn man seine Hörerlebnisse kommunizierbar aufbereiten möchte.


    Man muss sowohl auf den "großen Bogen" hören als auch auf die Details.


    Passt das Ende zum Anfang? Fühlt sich das Stück am Ende schlüssig und "rund" an (sofern das Werk so angelegt ist)? Wie läuft die Spannungskurve - gibt es neben einer äußeren eventuell eine innere, und sind deren Höhepunkte simultan oder voneinander verschieden? Aber eben auch: Werden die Vorgaben der Partitur beachtet? Tonhöhen sollten selbstverständlich sein (bei Sibelius 4 mit Karajan 1953 nicht einmal das), was ist mit Dynamik und Artikulation? Bemüht sich der Interpret, eine schlüssige Interpretation unter Beachtung der Vorgaben zu finden, oder richtet er sich das Werk nach seinen Vorstellungen ein und übergeht manches gewünschte Detail?


    Manchmal muss man beide Anforderungen, die makroskopischen wie die mikroskopischen, gegeneinander ausspielen. Furtwängler und Kempe vermitteln den "Ring" tendenziell als großen dramatischen Bogen, Keilberth und Solti arbeiten tendenziell die Details stärker heraus. Da muss man entscheiden: Ist beides gutzuheißen, oder jeder Weg nur bis zu einem gewissen Grad? Was wollte der Komponist?


    Es gibt diese Interpretationen, die die Erlebnisse im Mikrobereich offenbaren, doch der "große Bogen" mag auf der Strecke bleiben (Andrew Manze mit Corellis op. 5?). Und umgekehrt - Furtwängler mit Beethoven. Und dann gibt es Interpretationen, die beides haben (Celi mit Debussy).


    Ich will mal einen Vergleich anstellen: Ihr legt ein Hörbuch ins CD-Fach und lest dazu das echte Buch mit. Ihr hört: Alles ist richtig, hier ist vielleicht etwas ausgelassen usw. Ihr hört nicht die Modulation der Stimme, und schon gar nicht ihre Kraft zur Veranschaulichung. Die Phrasierung. So ist Partiturhören. Man hört nichts. Oder das Entscheidende nicht.


    Na, das finde ich übertrieben ... ich höre doch die Modulation der Stimme auch dann, wenn ich mitlese ... vielleicht sogar noch mehr, weil das Ohr vom reinen Verstehen des Sinnes entlastet ist - den liefert schon das Auge.
    :hello:

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  • Und wieder ein Einschub von mir, der sich NICHT mit den Mothoden 2, 3 und vier befasst, sondern allgemeines ins Spiel bringen soll.
    Immer wieder wurde (meiner Meinung nach zu Recht !) behauptet, dass auch EINE einzige Aufnahme eines Werkes, bzw das "Ersthören" genüge - um zu beurteilen ob eine Aufnahme eindrucksvoll sei - oder nicht.
    Allen jenen, die entweder sehr jung sind - oder sich Mehrfachinterpretationen eines Werkes schwer oder nicht leisten können (oder nicht leisten WOLLEN !!) sei dies als Trost mitgegeben. Dies stimmt vor allem, wenn das Werk derart qualitativ hochwertig ist, wie das bei einer Beethoven Sinfonie nun mal der Fall ist. Jede "Durchschnittsaufnahme" ist in der Lage einen Hörer zu begeistern. Beethoven ist gegen Fehlinterpretation relativ unempfindlich.


    Interessanterweise ist man hier oft (zumindest meiner Meinung nach) mit einer Durchschnittsaufnahme besser beraten, als mit einer sehr persönlichen Lesart, weil dem Werk keine bestimmte Richtung "aufgezwungen " wird.Man bekommt gewissermaßen eine "Neutralversion" davon....


    Man könnte aus dem Gesagten schliessen, daß - so betrachtet - eigentlich jeglicher Interpretationsvergleich - völlig sinnlos sei. Als Betreiber eines Forums welches sich vorzugsweise - wenngleich nicht ausschließlich - mit Interpretationsvergleichen befasst, kann ich das natürlich nicht bejahen. Vor allem weil Interpretationsvergleiche jede Menge Spaß - aber auch Erkenntnisgewinn bedeuten kann......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich will mal einen Vergleich anstellen: Ihr legt ein Hörbuch ins CD-Fach und lest dazu das echte Buch mit. Ihr hört: Alles ist richtig, hier ist vielleicht etwas ausgelassen usw. Ihr hört nicht die Modulation der Stimme, und schon gar nicht ihre Kraft zur Veranschaulichung. Die Phrasierung.


    So ist Partiturhören. Man hört nichts. Oder das Entscheidende nicht.


    Das finde ich einen sehr nützlichen Hinweis!


    Ja, so kann man sich wirklich mit der Konzentration auf den Text der Partitur die Ohren für das Wunder einer Interpretation verstopfen!



    Na, das finde ich übertrieben ... ich höre doch die Modulation der Stimme auch dann, wenn ich mitlese ... vielleicht sogar noch mehr, weil das Ohr vom reinen Verstehen des Sinnes entlastet ist - den liefert schon das Auge.



    Aber Wolfram stimme ich auch zu: man kann auch gerade überrumpelt werden davon, dass eine so harmlose Notenfolge so magisch klingen kann.


    Ich lese sehr viel in Partituren und ich lese auch oft mit, wenn ich Aufnahmen höre.
    Meiner Erfahrung nach kommt es immer darauf an, worauf ich eigentlich aus bin, wenn ich meinen Kopf in die Partitur stecke!
    Ich kann ja nie alles ausblenden, was ich über das Werk - woher auch immer - schon gelernt habe und ich kann frühere Hörerfahrungen nie verdrängen oder vergessen.
    Sicher ist die Partitur ganz wichtig für das Hören, Verstehen und Beurteilen von Aufführungen. Aber sie ist beileibe nicht der einzige Bezugspunkt. Und sie kann es nicht sein.
    Es lohnt sich, einmal Aufführungspartituren grosser Dirigenten genau zu studieren.
    Da begreift man sofort, dass ein musikalisches Kunstwerk noch lange nicht fertig ist, wenn der Komponist die Partitur fertiggestellt hat.
    Das Kunstwerk entsteht erst durch die ausführenden Musiker und wird erst im Kopf und im Herzen der Hörer wirklich!


    Deshalb ist mir jedes Argument suspekt, dass darauf angelegt ist, die Richtigkeit einer Interpretation zu beweisen und dabei strikt den Notentext als alleiniges Beweismittel einführt.
    Aber ohne Kenntnis der Partitur bin ich doch nur sehr begrenzt dazu in der Lage, eine Interpretation zu beurteilen.
    Anders gesagt: der Wert meines Urteils wäre recht begrenzt!


    Aber muss ich denn eine Interpretation wirklich beurteilen?
    Kann ich sie nicht einfach hören und genießen?
    Ich möchte mir diese Option nicht nehmen lassen. Gerade kürzlich habe ich in einem Konzert erstmals die 17. Sinfonie von Mieczyslav Weinberg gehört und ich war sehr beeindruckt von dem Werk und von der Aufführung durch Oyvind Gulberg Jensen. Eine Partitur des Werkes hatte ich noch nie in der Hand und doch traue ich mir zu, etwas zu Werk und Interpretation zu sagen. Aber das ist natürlich dann eine andere Äusserung als wenn ich mich - beispielsweise - zu Schmanns 4. Sinfonie und einer Aufführung des Werkes durch Paavo Järvi äussere.
    Was will ich damit sagen?
    Eigentlich möchte ich nur vor einer Fixierung auf diese oder jene Methode warnen (und schon gar vor einer weiteren "Verfeinerung des methodischen Vorgehens) und einfach zur Offenheit einladen.
    Wie gesagt:
    Die Frage danach, wie eine Komposition aufgeführt und wie sie gehört und beurteilt werden muss , greift wohl zu kurz, wenn sie nicht darauf rechnet, dass in der Komposition ein offenes Potential an ästhetischen Optionen und an Sinn enthalten ist, von dem sich erst in der Aufführung der Partitur durch die Musiker und im Hören jedes einzelnen Zuhörers etwas offenbart.


    Einen schönen Tag noch wünscht


    Caruso41



    (Dies ist mein 600. Beritrag im Forum.
    Vielleicht ist er deshalb so grundsätzlich geraten?)





    :!:

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • und im Hören jedes einzelnen Zuhörers etwas offenbart.


    :jubel:
    Hallo Caruso 41,
    diesen Satz würde ich gerne in den Thread "Wieso und wodurch..." kopieren.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo Caruso 41,
    diesen Satz würde ich gerne in den Thread "Wieso und wodurch..." kopieren.


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Lieber Zweiterbass!


    Das kannst Du herzlich gerne machen, wenn Du meinst, dass der Gedanke in die dort geführten Debatten passt.
    Ich habe sie nicht verfolgt, da ich doch nicht so viel Zeit habe, alle Beiträge in allen Threads zu lesen.
    Da die Überschrift andeutete, dass es um die "Erzeugung von Gänsehaut" gehen soll, habe ich mich nicht wirklich angesprochen gefühlt.
    Sollte ich da gelegentlich doch mal reinschauen?


    Wie sagt Loge so schön: "Bedenken will ich's. Wer weiß was ich tu!"


    Liebe Grüsse aus dem kalten Norden


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • da ich doch nicht so viel Zeit habe, alle Beiträge in allen Threads zu lesen.


    Lieber Caruso41,


    dies trifft auch auf mich zu. Die Threads, welche ich auf keinen Fall verpassen will (was mich nicht interessiert ist "off limits" - auweia!? - so ein dummer Verschreiber) habe ich in meine Abos aufgenommen.


    Viele Grüße aus dem noch kälteren? Franken (sua Sauhundskäldn!)
    zweiterbass
    Nachsatz: Keine weitere Abschweifung von mir zum Thema, sonst gibt's "blaue Schrift" von???

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  • Wie sagt Loge so schön


    Lieber Caruso41,


    nun muß ich doch wortbrüchig werden (hoffentlich ohne Folgen):


    Welchen Loge"nschließer" meint Du bitte und in welchem Opern/Musentempel?


    Entschuldige bitte diese möglicherweise unbedarft wirkende Frage. Vielleicht ist es die Folge der extremen Kälte, bei der die Gehirne von Franken einfrieren - was da wohl wo einfrieren kann? - auf diese Fragen sind nur ernstgemeinte, seriöse Antworten erwünscht/erlaubt!


    Ich grüße Viele,
    zweiterbass

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  • Welchen Loge"nschließer" meint Du bitte und in welchem Opern/Musentempel?


    Such mal auf einer Freien Gegend auf Bergeshöhen. Da macht sich eine ziemlich illustre aber auch irgendwie verkommene Gesellschaft auf den Weg über eine höchst gefährliche Brücke in einen Neubau über dessen Finanzierung ich hier lieber nichts sagen möchte, weil das dann doch zu weit von Alfreds Frage abbringen würde...


    Aber ich warte ja - wie anderswo schon angemerkt - auf den Thread, in dem ich meine Lieblings-Logenschließer auflisten darf!


    Da sich für die hier zu erörternde Frage ja wohl niemand weiter interessiert, beginnt sicher bald jemand den ersehnten Thread!


    Herzlichst


    Caruso41


    :jubel:

    ;) - ;) - ;)


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  • Ich bin ganz betrübt, lieber Zweiterbass, dass unsere Abschweifung wohl die Weiterführung der doch interessanten Diskussion nicht einfach nur unterbrochen sondern leider auch abgeschnitten hat. Immerhin war sie trotz des merkwürdig queren Titels doch auf einen guten Weg gekommen!


    Vielleicht gibt es eine neue Chance?


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Dieser thread ist wieder einmal ein Beispiel, wie ich durch das Forum gezwungen werde, sonst unbewusste oder nachlässig gehandhabte Praktiken genauer zu reflektieren und dann zu ändern oder bewusst und mit mehr Verstand weiter zu betreiben. Wolfram und Kurzstückmeister haben mir hier wichtige Hinweise gegeben.
    1. Ich stelle immer wieder fest, dass ich bei bestimmten Musikstücken und Opern auf eine ganz bestimmte Aufnahme "sozialisiert" bin. Wenn es gut geht, ist das auch die beste oder sie ist immerhin sehr gut. Aber manchmal muss ich mich davon lösen. Z.B. war es für mich schwierig, anzuerkennen, dass Gerd Albrechts Aufnahme von "Osud" (Janacek) besser ist als die sonst von mir favorisierte Mackerassche Aufnahme. Anders ist es bei Schumanns 4. Da bin ich immer enttäuscht, wenn es nicht so klingt wie bei Furtwängler, vor allem in der Einleitung.
    2. Ich sammle Stücke und keine Intepretationen. Beispiel: "Die Kluge" mit Lucia Popp (ich glaube, die Eichhorn-Aufnahme). Da brauche ich nur die. Natürlich hört man sich die anderen auch an, aber sehr oft verschenke ich die dann wieder, selbst wenn da Elisabeth Schwarzkopf singt. Es gibt ja hier Sammler, die dann 20x Rigolettos im Fach stehen haben. Das ist mir ganz unverständlich. Aber bitte: ich kritisiere das auf keinen Fall, es ist ein anderer Typus von Muskhörer. Der Vorteil meiner Methode scheint zu sein, dass man sich intensiver durch die ganze Musikgeschichte hören kann.
    In der Soziologie heißt das "Reduktion von Komplexität", und das ist hier immer ein geheimes (!) Thema in vielen threads.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Na, das hoffe ich doch auch - wäre ja etwas "komisch", wenn das ein Grund sein sollte; das würde ja bedeuten, man versteht keinen Spaß/Scherz?


    zweiterbass


    Nachsatz: Hat sich mit dr.pingel gekreuzt und damit erledigt.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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