Ist die Klassikszene "oberflächlich" ?

  • Bezugnehmend auf eine Äusserung von Thomas Quasthoff in Zusammenhang mit seinem angekündigten Rückzug als aktiver Klassikinterpret stelle ich die Frage: Ist die Klassikbranche "oberflächlich" ?


    Zitat

    „Außerdem ist mir die Klassik-Branche zu oberflächlich geworden. Man hat den Eindruck, außer David Garrett gäbe es niemanden mehr".


    Ich wusste gar nicht, daß der auch singt - und abgesehen davon spielt der in meiner Klassik-CD-Sammlung keine Rolle - und wird vermutlich auch in Zukunft keine spielen. Dafür habe ich heute eine CD mit Haydn Violinkonzerten erworben, interpretiert von Giuliano Carmignola. Und die war alles andere als "oberflächlich"...


    Es mag in der Tat so sein, daß unsere Zeit kaum Halb- und Ganzgötter hervorbringt - indes ist die Anzahl der Viertelgötter sprunghaft angestiegen....


    Letztlich ist es eine Frage des persönlichen Standpunktes was und wer alles zur "Klassikbranche" gezählt wird....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Oberflächlichkeit ist allerdings in der Idolatrie schon angelegt, die Interpreten als Halbgötter in den Mittelpunkt stellt.
    Ich kenne die genaue Geschichte von Garrett nicht. Was er heute macht, finde ich musikalisch widerwärtig, aber er war als Teenager ein Jungstar mit Vertrag bei der soliden Deutschen Grammophon Gesellschaft. (Und ob Helmut Zacharias vor 50 Jahren was besseres gemacht hat als Garrett heute, ist vermutlich Geschmackssache.)


    Man sollte vielleicht mal überlegen, ob nicht nur die Verehrung lebender (oder ausgestorbener) Legenden (oder Fossilien), sondern auch die schnelle Vernutzung von "Wunderkindern" und anderen Jungstars nicht auch oberflächlich und schädlich ist. Mehr vielleicht als Verpoppung von Klassik, die eh ein anderes Publikum anspricht und die es seit Jahrzehnten schon gibt.


    Er mag ein Sonderfall gewesen sein und sicher nicht der einzige Faktor, aber, wie Garretts Biographie zeigt, hat anscheinend der verglichen mit heute scheinbar solidere Klassikbetrieb vor 15 Jahren hier letztlich jemanden hervorgebracht, dessen Erfolg von seinem Aussehen und dem Spielen des Hummelflugs gegen die Stoppuhr geprägt ist. Man fragt sich doch, warum er bei einem solchen "Traumstart" nicht einer der berühmtesten ernsthaften Geiger geworden ist oder Konzertmeister bei einem Top-Orchester o.ä.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die Klassik-Szene mag oberflächlich sein oder nicht, die Klassik-Branche mag oberflächlich sein oder nicht, in jedem Falle finde ich es oberflächlich, wenn in der Überschrift des Threads gefragt wird:


    Zitat

    Ist die Klassikszene "oberflächlich" ?


    und zwei Zeilen später wie folgt formuliert wird:


    Zitat

    ... stelle ich die Frage: Ist die Klassikbranche "oberflächlich" ?


    Für mich wäre die Abgrenzung so, dass die Klassikbranche aus denjenigen besteht, die mit klassischer Musik ihr Geld verdienen: Schallplattenfirmen, Konzertagenturen, Opernhäuser, die Musiker, die Kritiker usw.


    Zur Klassikszene gehören m. E. aber auch die Konsumenten: Die Festivalbesucher, die Autogrammjäger, die Stehplatzfossilien, die Abonnementinhaber usw.


    Was ist denn nun gemeint?

  • Zitat

    Was ist denn nun gemeint?


    Nun - die Anregung zu diesem Thread bekam ich durch eine Aussage von Thomas Qasthhoff.
    Ich fragte mich, ob dies eine Schutzbehauptung eines frustierten Künstlers am Ende seiner Karriere sei - oder ob er hier treffsicher ins Schwarze getroffen hatte - wobei das eine das Andere natürlich nicht wirklich ausschliesst.


    Und so startete ich den Thread "Ist die Klassikszene oberflächlich ?" indem ich Quasthoff aus dem Gedächnis zitierte.
    Irgendwie war mir dann der Begriff "Klassikszene" zu "trendig" - und ich schaute nach, was Quasthoff denn WIRKLICH gesagt hatte.
    Und siehe da: Er sagte "Klassikbranche" Ich habe den Text daher ausgebessert. Beim Titel hab ich es jedoch vergessen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also mir fällt auf, dass in letzter Zeit hier sehr oft der Name Garrett fällt und das ist natürlich interessant, das ihm so eine Wichtigkeit zugestanden wird. Johannes hat oben Helmut Zacharias genannt. Es gibt garantiert aus jeder Zeit solche Musiker, die eben aus E-Musik Unterhaltung für die Masse machen. Andre Rieu fällt mir ein oder Richard Clayderman. Was ist daran so schlimm? Ich höre so was nicht, finde manches unerträglich, werde aber auch kaum davon belästigt.
    (Nur dass Rieu einmal bei einem Konzert auf dem Tivoli unseren schönen Fussballrasen unbrauchbar gemacht hat, das werde ich ihm nie verzeihen).
    Diese Musiker sind doch gleichzusetzen mit was weiß ich Musicalstars oder Schlagersängern. Gibt es doch haufenweise. Das einzige was uns stört, ist doch, dass diese in der Nähe der Klassik sind. Ich habe aber schon öfter gesagt, ich komme aus einer echten Proletenfamilie und ohne Exzeption und Emerson wäre ich nie zur Klassik gekommen. Warum also nicht. Oder wollt Ihr unter Euch bleiben?
    Und ich weiß auch, dass die Garrettfans und die Klassikszene zwei verschiedene Gruppen sind mit wenig Berührung.


    Und wenn Garrett sagt, dass er als Hauptgrund für das Crossover sieht, Menschen für die Klassik zu begeistern, dann ist das doch auch erstmal kein so schlechter Gedanke?


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Also versuchen wir mal zu definieren, was hier unter "oberflächlich" gemeint ist.
    Dann wird es leichter sein eine EINIGERMASSEN zutreffende Aussage zu machen.
    Im übrigen: Helmut Zacharias sah sich sicher als U-Musiker, nicht als E-Musiker - und er wurde auch so wahrgenommen.
    André Rieu sehe ich vorzugsweise als Entertainer mit Neigung zu "Klassik light". Aber ich gehe davon aus, daß sowohl er, als auch sein Publikum weiß, daß das was er anbietet am ehesten unter "Easy listening" gelegentlich mit einer Prise Klamauk gewürzt - einzureihen ist. Was daran schlecht sein soll, das erschliesst sich mir nicht. - Andere Baustelle.


    D. Garret - dazu fällt mir nichts ein - unsere virtuellen Wege haben sich bis heute nicht gekreuzt.
    Und so soll es auch bleiben.


    Crossover wird oft so vermarktet, alls wolle man damit ein Publikum zur Klassik hinführen.
    In Wahrheit führt man jedoch voerst das Geld dieser Gruppe in seine eigene Brieftasche.....
    Auch das ist nicht verwerflich.


    Klassikpublikum bleibt von diesem Genre jedoch
    weitgehend unbehelligt.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da stellt sich dann aber sofort auch wieder eine Frage, über die es hier andere Threads gibt: Was ist das, die Klassikszene?
    Ich weiß es nciht, gehöre evtl. dazu, weiß ab er auch das nicht. Wie gesagt, ist dies hier ja schön öfter ventiliert worden. Ich bin mal gespannt auf die Definitionen.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ich glaube, David Garrett hat mit der 'Klassik-Szene', die hier in Rede steht, wenig bis nichts zu tun. Unter Mitgliedern einer 'Klassik-Szene' stelle ich mir Menschen vor, die tatsächlich an klassischer Musik interessiert sind. Das Garrett-Publikum ist diesem Segment aber wohl kaum (wenige Ausnahmen mögen diese Regel bestätigen) zuzurechnen.


    Das grundlegende Interesse der Angehörigen der 'Klassik-Szene' gilt also der Musik; in unterschiedlichen Ausprägungen, wie wir sie auch hier im Forum finden: mancher bevorzugt die großen Werke des sinfonischen Repertoires, andere sind Opernliebhaber und wieder andere schätzen das Kunstlied über alle Maßen. Weiterhin würde ich den Menschen, die einer 'Klassik-Szene' angehören könnten, zuschreiben, dass sie sich musikgeschichtlich gebildet haben, dass sie mit unterschiedlichen Interpreten und dem Wissen um Interpretationsmoden wenigstens in groben Zügen vertraut sind. Und bei dem einen oder dem anderen (vielleicht auch bei nicht wenigen) sind auch musiktheoretische Kenntnisse, die ihn zum Partiturenlesen befähigen, vorhanden. Das ist 'Klassik-Szene'.


    David Garrett et al. ist irgendetwas anderem zugehörig, nur nicht einer 'Klassik-Szene'.


    Grüße,


    Garaguly

  • Den hier ständig erwähnten David Garrett kenne ich zwar kaum, bekenne mich aber durchaus als Fan der "Crossover"-Szene (immer mit dem Hintergedanken, dadurch junge Leute der Klassik näherzubringen - so wie ich selbst vor 50 Jahren der Klassik näherkam).



    Mit Helmut Zacharias kann man jedoch Geiger wie Rieu oder Garrett nicht vergleichen - der hatte mehr drauf - von der Klassik über Jazz bis zur U-Musik - nachzulesen hier im Forum auch hier: "Zaubergeiger" HELMUT ZACHARIAS


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Den hier ständig erwähnten David Garrett


    David Garrett ist, so denke ich, so gebrauche ich diesen Namen, ein Synonym für einen bestimmten Musikertypus, der an den Rändern der Klassik fischt, von der Industrie wie ein Popstar vermarktet wird (und Garrett ist wirklich eine Art Popstar) und ein ganz anderes Publikum bedient als das typische 'Klassik-Publikum' (siehe obiger Beitrag).


    Grüße,


    Garaguly

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  • Aber wie gesagt, wir driften wieder einmal vom Thema ab, denn die Genannten sind weder in der Klassikszene, noch in der Klassikbranche daheim.
    Und in der Klassikbranche, wie sie sich mir derzeit darstellt, entdecke ich zwar "Modetorheiten" und "Nachlässigkeiten", doch gab es derlei schon so lange wie die Geschichte der Tonaufzeichnung reicht . - Und vermutlich schon weit früher.
    Ich weiß natürlich nicht, was sich Herr Quasthoff gedacht hat, als er den Begriff von der "Oberflächlichkeit der Klassikbranche" ins Spiel brachte, aber natürlich findet man stets etwas, wenn man es nur sucht - und finden will.Ist hier gemeint, daß man junge Sänger rücksichtslos ins Business stösst, um sie schnell als Superstar präsentieren zu können, und daß man sie dann schon ein paar Monate später fallen lässt, wenn das Publikum sich an ihnen sattgehört (und -gesehen!!) hat?
    Oder prangert er damit die Programmpolitik von Konzertveranstaltern an, die stets nur Mainstream aufs Programm setzen wollen ?
    Oder ist er der Meinung, daß die heutigen Interpreten "zu leichtgewichtig" seien ?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zugegeben fühle ich mich durch meine Antworten an Helmut im Thread zu Thomas Quasthoffs Rückzug aus dem Klassikbetrieb nicht ganz unschuldig an diesem Thread :pfeif:


    Nun, was wir wohl immer noch schuldig sind, ist eine einigermaßen einvernehmliche Festlegung der Begriffe "Oberflächlichkeit" und "Klassikbranche"; ich bin dabei auch mit mir selber bei weitem nicht einig und Herrn Quasthoff können wir ja leider nicht fragen ... . Trotzdem möchte ich - um vielleicht auch ein wenig von dieser m.E. eher fruchtlosen Garrett-Diskussion weg zu kommen - nochmal einen Gedanken aus dem anderen Thread ins Spiel bringen:


    Was nun die Oberflächlichkeit angeht, so frage ich mich, was denn z.B. daran oberflächlich ist,

    • daß immer mehr historische Aufnahmen und Schätze dem Musikliebhaber zugänglich gemacht werden, obwohl außer bei Leuten wie uns mit einer knacksenden, verrauschten 1943er Mono-Walküre sicherlich nicht das große Geld zu machen ist?
    • daß es nach meinem Empfinden immer häufiger Konzertangebote großer Orchester oder Opernhäuser für Kinder und Jugendliche gibt (Familienkonzerte, Kindernachmittage etc.) um diesen die Wunder der Musik näher zu bringen?
    • ...


    Andererseits würde ich folgenden Phänomene als tendenziell oberflächlich bezeichnen:

    • Zunehmend reduzierte Probenzeit für Dirigenten/Orchester bei Symphonie-Konzerten. Welches Orchester würde/könnte(?) sich heute noch auf einen Chefdirigenten à la Celibidache oder Wand einlassen.
    • Quasi als Ausgleich für das Zugänglich machen historischer Aufnahmen der weitgehende Verzicht auf große Studioproduktionen: Ein Solti-Ring wäre heute undenkbar - wobei ich jetzt nicht die Sänger, sondern den Aufwand für eine solche Produktion meine. Auch im symphonischen Bereich z.B. die Frage, warum sind die in letzter Zeit viel diskutierten neuen Beethovenzyklen fast(?) ausnahmslos Live-Mitschnitte?
    • (Achtung, Provokation!) Das unbedingte Haben wollen auch der letzten Gesamteinspielung aller Bruckner-Symphonien zusätzlich zu meinen zehn im Regal vorhandenen - eine "Oberflächlichkeit", der auch ich nicht abhold bin :angel:
    • ...

    Natürlich wird hier das erste Argument das "liebe" Geld sein; Probenzeiten kosten, eine Studioproduktion kostet. Andererseits "Können kommt auch von Wollen" :D



    Ein zweiter Gedanke, der mir im Laufe des heutigen Tages gekommen ist: Die "Klassikbranche" ist so "oberflächlich", wie ich sie haben will! - Natürlich habe ich die Möglichkeit, blind in irgendwelche Star-Konzerte zu rennen, mir bitteschön eine Opern-Aufführung nur dann anzuschauen, wenn Frau Netrebko zusammen mit Herrn Kaufmann singt. Ich kann aber auch die Aufführung der Matthäus-Passion in meiner Kirche nebenan besuchen (die machen sowas, verheben sich natürlich regelmäßig, aber trotzdem haben solche "Laien"-Aufführungen absolute Berechtigung!). Ich kann in ein kammermusikalisches Konzert mit "Neuer Musik" gehen. Ich kann in den Pausen über die Aufführung sprechen und über meine Eindrücke hier im Forum berichten.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Herrn Quasthoff können wir ja leider nicht fragen ...


    Warum eigentlich nicht????

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Gehen wir davon aus, daß unter "Oberflächlichkeit" in der Tat die "Branche" gemeint ist.


    Dann könnte man in der Tat beanstanden, daß Studioproduktionen in der Tan kaum mehr produziert werden und uns Mitschnitte, also "Resteverwertung" für teures Geld angedreht - äh- verkauft - wollte ich natürlich sagen - wird.


    Sänger und Pianisten die irgendwo in Hinterindien einen Concours mit hochtrabendem Namen gewonnen haben, werden uns als "große Stars" - natürlich zum Vollpreis verkauft. Zwei Jahre später - wenns hoch kommt - sind sie vergessen. Derlei kann man bei Budgetlabels in gleicher Qualität billiger haben.


    Man ist davon abgegangen Schlüsselwerke der Klassischen Musik von erstklassigen Interpreten aufzunehmen. Was grade kostengünstig zu haben ist wird genommen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sänger und Pianisten die irgendwo in Hinterindien einen Concours mit hochtrabendem Namen gewonnen haben, werden uns als "große Stars" - natürlich zum Vollpreis verkauft. Zwei Jahre später - wenns hoch kommt - sind sie vergessen.


    Lieber Alfred,


    kannst Du bitte Beispiele dafür nennen?


    Man ist davon abgegangen Schlüsselwerke der Klassischen Musik von erstklassigen Interpreten aufzunehmen.


    Hier wäre die Frage, was ein Schlüsselwerk ist. Haydns opp. 1 und 2 sowie op. 33 sind sicher Schlüsselwerke der klassischen Musik, aber ich vermute, dass Du so etwas nicht gemeint hast, sondern eher die bekannten Sinfonien und Konzerte, die Du in Deinen Konzertführern findest, nicht wahr?


    Aber die bekannten Sinfonien werden doch permanent von erstklassigen Interpreten aufgenommen. Eine Auslese der letzten fünf Jahre:


    Haydn: Minkowski
    Mozart: Mackerreas
    Beethoven: Järvi, Herreweghe, Chailly
    Schubert 9.: Herreweghe
    Schumann: Chailly, Järvi (geht gerade los)
    Bruckner: (momentan nicht viel, vielleicht Jurowski, aber auch in den 60ern und 70ern - war da mehr als Jochum und Karajan?)
    Brahms: Gardiner
    Mahler: Haitink, Macal, Boulez, Gielen, Gergiev, ...


    Eigentlich passiert eine ganze Menge, wenn man aufmerksam hinsieht.

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  • Werte leser,


    über die Motivation einzelner Künstler in die" Pop-Ecke" zu wandern kann man doch nur spekulieren.


    Eine heutige Popkünstlerin, die eine klassissche Ausbildung absolviert hat und eigentlich vor einer erfolgreichen Kariere im Klassikbereich stand, Joan as police woman, hat in einem Interview gesagt: "Warum soll ich Sachen spielen, die andere schon viel besser gespielt haben als ich?"


    Meine Güte, Künstler kommen und gehen, ob sie hoch gepusht werden oder nicht kann doch wirklich nur jemanden interessieren, der alles haben muss, was veröffentlicht wird.


    Eigentlich wichtig ist doch nur, das wir hier in diesem Forum keine Oberflächlichkeit zulassen. Und zwar im Diskurs untereinander.


    Viele Grüße Thomas

  • Ein zweiter Gedanke, der mir im Laufe des heutigen Tages gekommen ist: Die "Klassikbranche" ist so "oberflächlich", wie ich sie haben will! - Natürlich habe ich die Möglichkeit, blind in irgendwelche Star-Konzerte zu rennen, mir bitteschön eine Opern-Aufführung nur dann anzuschauen, wenn Frau Netrebko zusammen mit Herrn Kaufmann singt.


    Lieber Michael,


    diese Aussage finde ich reichlich borniert. Dass Frau Netrebko über eine der schönsten und interessantesten Sopranstimmen der Gegenwart verfügt und Herr Kaufmann einer der bedeutendsten und vielseitigsten Tenöre weltweit ist, scheint an Dir vorbeigegangen zu sein.


    Ausserdem kannst Du sicher nicht so einfach hinrennen und einen Platz frequentieren, wenn deren Auftritte schon Monate vorher ausverkauft sind. Aber natürlich sind die bösen Medien daran schuld, dass derlei "Stars", wie Du sie nennst, die Massen in die Opernhäuser drängen läßt.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Mich stört nur an der Aussage von Herrn Quasthoff, dass er sich erst jetzt aus der Klassikszene zurückzieht. Ich denke mal er wird an dieser Oberflächlichkeit nicht schlecht verdient haben. Und wenn man seine Schäfchen im Trockenen hat , kann man leicht so eine Aussage machen.

  • Hallo Milletre,


    okay, ich habe mich undifferenziert ausgedrückt; jedoch:



    diese Aussage finde ich reichlich borniert. Dass Frau Netrebko über eine der schönsten und interessantesten Sopranstimmen der Gegenwart verfügt und Herr Kaufmann einer der bedeutendsten und vielseitigsten Tenöre weltweit ist, scheint an Dir vorbeigegangen zu sein.


    Über persönlichen Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten, aber tatsächlich bestreite ich die sängerischen Fähigkeiten einer Anna Netrebko oder eines Jonas Kaufmann auch garnicht. Und in wie fern ein Künstler für den Star-"Rummel", den er - berechtigt oder unberechtigt - verursacht, verantwortlich ist, wäre eine eigene Diskussion wert ... Ich würde tendenziell sogar in dubio pro reo, also für "nicht schuldig" plädieren. Trotzdem glaube ich, dass gerade Oberflächlichkeit durchaus eine condition sine qua non für einen Starkult ist. Die meisten von uns werden mit einem kritischen Blick auf sich selber feststellen können, dass man durchaus dazu neigt, die von einem selber verehrten "Stars" eher unkritischer zu sehen. Da nehme ich mich selber auch nicht aus!


    Ausserdem kannst Du sicher nicht so einfach hinrennen und einen Platz frequentieren, wenn deren Auftritte schon Monate vorher ausverkauft sind.


    Na ja, wenn über genügend finanzielle Mittel verfüge oder die richtigen Freunde habe, kann ich das schon. Denn: Irgendwer muss ja auf den 60% der in Bayreuth zwar vorhandenen, aber im freien Verkauf nicht verfügbaren Plätze sitzen ... Ob diese "Irgendwers" dann aus musikalischem Interesse, oder doch eher wegen des Sehens und Gesehen werdens - also vielleicht doch aus reiner Oberflächlichkeit zumindest, was die Musik angeht - dort sitzen, kann ich nicht abschließend beurteilen. Allerdings neige ich hierbei eher zu "schuldig" ...


    Aber natürlich sind die bösen Medien daran schuld, dass derlei "Stars", wie Du sie nennst, die Massen in die Opernhäuser drängen läßt.


    Auch dies habe ich m.W. nicht behauptet und insb. auch weder Frau Netrebko, noch Herrn Kaufmann ihr "Star"-sein vorgeworfen. Und einer dezidierten Festsellung, dass Medien dazu in der Lage sind, aus Menschen "Stars" zu machen, aber auch "Stars" zu vernichten, bedarf es wohl kaum.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Werte Leser,


    noch ein Gedanke zu Quasthoff`s Aussage.


    Vielleicht spricht ja auch die Verbitterung aus ihm, in Erkenntnis der Tatsache, das beim Nachlassen der Stimme man fallen gelassen wird. Er hat für sich erkannt, das er seinen Qualitätsansprüchen nicht mehr genügt. Und die Plattenfirmen haben ihn vielleicht gedrängt, doch noch Aufnahmen zu produzieren.


    Vielleicht hat er einem vermeintlich guten Freund, der in der Branche tätig ist, aber nur auf sein eigenes Portemonaie bedacht war, auch vor den Kopf gestossen, ist menschlich enttäuscht worden.


    Viele Grüße Thomas

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  • Ist die Klassikszene oberflächlich?


    Nach dem, was gestern Abend an Peinlichkeiten vom Dresdener Opernball über den Fernsehschirm flimmerte, würde ich nicht zögern mit meinem JA! :hahahaha:


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Peinlichkeiten vom Dresdener Opernball


    Lieber Rüdiger
    Ganz sicher hast Du recht. Und peinlich ist es mir vor allem, da ich im Forum noch terminlich auf die Übertragung hingewisen habe und quasi Werbung gemacht habe. Zu meiner Ehrenrettung muß ich allerdings sagen, zu diesem Zeitpunkt war kaum etwas über die aktiven Teilnehmer bekannt, außer Rene Pape. Als ich aber im Laufe der Woche mitbekam, daß solch ein "Dummchen" wie diese Katzenberger mit dabei ist, schwante mir schon nichts Gutes. Da fehlte nur noch "Cindy aus Marzahn". Selbst eine Helene Fischer paßt nicht in den Rahmen eines Opernballs.
    Ich habe allerdings auch nicht allzuviel mitbekommen, da parallel etwas anderes Interessantes im TV lief. Nun freue ich mich auf den Wiener Opernball im nächsten Monat.
    Herzliche Grüße und Dir ein schönes WE
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Chrissy, Du kannst doch da nichts für. Es ehrt Dich aber sehr, dass Du Dich gemeldet hast. Danke. :):):)


    Lieben Gruß für ein schönes WE von Rüdiger

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mein lieber Michael,


    so sehr mich das Tamino-Forum durch den Gewinn manch interessanter Neuigkeiten, Neuheiten, ja Freunde bereichert, verstört mich der Umstand, dass häufig anerkannt großartige Künstler oder deren Darbietungen in unqualifizierter Weise niedergemacht werden. Wenn dann noch dazukommt, dass dagegen von mir weit weniger geschätzte "Konkurrenten" in den Himmel gehoben werden (Beispiele gäbe es zur Genüge - das hat aber nichts mit Netrebko oder Kaufmann zu tun, die ich beide schon großartig live erlebt habe), regt sich in mir ein Sensibilitäts-Gen, das mich eingestandenermaßen gelegentlich überreagieren läßt.


    Deshalb bitte ich Dich, meine obige Replik auf Deinen Beitrag nicht persönlich zu nehmen.


    Was Bayreuth betrifft, hast Du sicher recht - in Wien, wo fast jede Vorstellung ehrlich ausverkauft ist (Gottseidank gibt es über 500 (!) Stehplatz-Karten, die durch Anstellen erworben werden können), sieht die Sache schon anders aus.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Hallo Milletre,


    dann sind wir auch schon wieder zusammen; insbesondere, was die Sensibilität gegenüber dem unqualifizierter Hoch- oder Niederjubeln verschiedener Künstler angeht. Vor allem, wenn dies wegführt von einer primär musikalischen Beurteilung, die ja eigentlich der Hauptgegenstand in diesem Forum sein sollte :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • in Wien, wo fast jede Vorstellung ehrlich ausverkauft ist gibt es über 500 (!) Stehplatz-Karten, die durch Anstellen erworben werden können

    Mein lieber Milletre
    Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Es ist mir nach stundenlangem Anstellen überglücklich einmal gelungen. Und dann noch der Eintrittspreis, damals 15 Schillinge, etwa 2,15 DM !!! Unglaublich, aber wahr.
    Herzliche Grüße ins schöne Wien
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Wie schön!!!
    Das mit den Stehkarten kannte ich nur aus Erzählungen alter Menschen, das hat es in Aachen vor jahrzehnten gegeben. Und in Wien ist das immer noch so?
    Das freut mich echt zu hören. Damit habe ich klar bewiesen bekommen, dass es wirklich noch echte Musikliebhaber in de Klassikszene gibt. Finde ich wirkllich eine tolle Information.
    Und ich weiß natürlich noch deutlicher, dass ich in der Provinz lebe. (Ich war noch nie in Wien, aber es zieht mich immer mehr einmal dorthin).
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Lieber Klaus,


    die Wiener Staatsoper muß einen staatlich deklarierten Bildungsauftrag erfüllen. Deshalb ist man bemüht, diese Bildungseinrichtung, was sie ja auch ist, der Bevölkerung zugänglich zu machen. Natürlich gab es des öfteren Diskussionen über eine Verringerung bzw. Abschaffung des Stehplatzes, weil das Haus als Folge des Ringtheaterbrandes über großzüg dimensionierte Sitzreihen im Parterre und zudem einen breiten Mittelgang verfügt, was zur Folge hatte, dass die gesamte Sitzplatzfrequenz nur bei etwa 1400 Plätzen liegt.


    Die Stehplätze befinden sich im Parterre (Mitte) sowie auf Balkon und Galerie (Mitte, Halbmitte und Seite). Die Sichtverhältnisse in der Mitte und Halbmitte sind hervorragend bis sehr gut, ebenso die Akustik, die auf Galerie-Halbmitte ganz ausgezeichnet ist.


    Im Mai/Juni jeden Jahres finden die Wiener Festwochen in sämtlichen Bundestheatern statt, was Dich zu einem Wien-Besuch hoffentlich verleiten könnte.


    Die Staatsoper wird ganzjährig mit Ausnahme der Sommerpause (Juli/August) bespielt, was pro Jahr zirka 300 Vorstellungen bedeutet - ein wohl weltweit einzigartiges Spielplanangebot. In besagter Sommerpause wird das Haus an Fremdproduktionen (Jazz, Musical u.ä.) vermietet.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)