Beethoven-Sinfonien und kein Ende – Die Aufnahmen der Polnischen Kammerphilharmonie Sopot unter Wojciech Rajski

  • Liebe Forianer,
    bei meinem heutigen Besuch bei Dussmann in Berlin widmete ich mich einer Einspielungsserie des Labels Tacet, die unscheinbarer nicht sein kann:



    Diese CDs habe ich schon öfter in den Händen gehalten, immer auch verblüfft über den hohen Preis. Nun, heute nahm ich mir die Sinfonien vor. Noch ist der Zyklus des Labels Tacet nicht vollständig: gegenwärtig gibt es nur die Sinfonien 1 bis 8.


    Während Krivines Zyklus durch einen sensationellen Sound in Verbindung mit einer kammermusikalischen Durchleuchtung der Partituren punkten kann, so können die Aufnahmen durch die Polnische Kammerphilharmonie besonders mit einem glänzen: mit einer herausragenden sensationellen SACD-Aufnahmetechnik. Dies sind wahrlich Einspielungen für Klangfetischisten, Klangpuristen und Audiophile! Vergesst Telarc- und andere Aufnahmen, die einen Klang versprechen, der uns dann nur ernüchtert zurücklässt. Nicht hier: man hat tatsächlich den Eindruck, man ist tatsächlich mitten drin im Orchester. Und man wird eingehüllt in einem warmen Klangteppich. So habe ich Beethovens Sinfonien noch nie gehört! Es ist der helle Wahnsinn!


    Zu hören ist ein HIP-orientiertes Musizieren auf modernen Instrumenten. Auch das künstlerische Ergebnis des Ensembles braucht sich nicht hinter den Einspielungen anderer Spitzenorchester verstecken. An mein Ohr gelangte schwungvolle, sehr nuancierte und präzise gespielte Musik. Völlig frei von falscher Heroik, teils ungestüm im Gestus, zupackend und inspiriert, sinfonisch und kammermusikalisch.


    Ich bin verblüfft und immer noch überrascht. - Mein Wunschzettel für 2012 wurde bereits ergänzt!



    :hello: LT


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  • ... man hat tatsächlich den Eindruck, man ist tatsächlich mitten drin im Orchester. ...


    Weil das ja auch die natürliche Position ist, in der man live Musik hört...


    Seltsame Blüten, die die Technik da treibt.


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Theophilus,


    nun, ich habe es mir nicht leicht gemacht, meine Eindrücke zu schildern. Diese gewisse Räumlichkeit des Klanges können ganz herkömmliche SACD-CDs vermitteln - aber was hier zu hören ist, ist einfach grandios: man steckt völlig drin im Konzertgeschehen!



    :hello: LT

  • Nun, wie ich sehe, macht sich hinsichtlich dieser Einspielungen noch immer Skepsis breit. Mit dem Abhören der Schnipsel wird man hier nicht weiter kommen. Das eigentliche Ereignis kann man nur erleben, wenn man sich mit einer dieser Aufnahmen an eine Hörstation begibt...


    Dass nicht nur ich für diese Einspielungen schwärme, bezeugen diese Pressestimmen:


    "Wo soll ich anfangen? Bei der Musik oder bei der Technik? Beide sind gleichermaßen begeisternd!..." (Pizzicato)


    "Nun möchte ich zwar nicht übertreiben, aber ich meine, diese SACD kann ich bedenkenlos JEDEM Leser dieser Website empfehlen, der klassische Musik mag. Ich würde sogar behaupten, dies ist von der Klangtechnik her die wichtigste Einspielung, die ich im Laufe meines Erwachsenenlebens (inzwischen sind’s 30 Jahre) auf Mehrkanal-CD je gehört habe..." (Terence Blain auf SACD. net)


    "Die SACD-Abmischungen machen den Spaß perfekt. Die 'tube only'-aufgezeichnete Stereo-Spur offenbart bereits eine tontechnische Meisterleistung warm und rund, dabei brillant und transparent. Die ungewohnte 'Tacet Real Surround Sound'-Mehrkanal-Fassung umringt den Hörer buchstäblich: Er sitzt mitten im Orchester." (Audio 06/06)


    "So zeigt sich das gut disponierte und frisch aufspielende Ensemble nicht nur spieltechnisch historisch informiert, sondern wirkt auch zwischen den einzelnen Instrumentengruppen ausgewogen; den agilen, nur selten überzogenen Streichern stehen präsente Bläser zur Seite." (FonoForum 12/09)


    "(...) das Besonderere an diesen Aufnahmen ist (...)die Tonaufnahme, die den Surround-Effekt voll ausnutzt, also über die hinteren Lautsprecher nicht nur die Saalresonanz einspeist, sondern Instrumentengruppen. Der Hörer sitzt in der Tat im Orchester und hat Musiker vor, neben und hinter sich. Wer sich diesen ganz besonderen und exklusiven Genuss gönnen will, sollte sich dieses Set zulegen." (Pizzicato)


    "Das ist definitiv eine Referenz unter den höchauflösenden Aufnahmen, sowohl was das Spiel des Orchesters betrifft als auch bezüglich des Klangs. Falls es immer noch jemanden geben sollte, der es wagt zu behaupten, dass normale CDs genauso gut wie hochauflösende Surround-SACDs klingen, der sollte einfach diese Scheibe mit der angemessenen Anlage anhören - ganz besonders das Finale der 5. und der "Sturm" aus der 6. Sinfonie: es gibt keine passenden Worte, um das Gefühl zu beschreiben, mitten im Orchester dabei zu sein. Eine höchst empfehlenswerte Aufnahme, gleichermaßen für das Spiel des Orchesters und mehr noch für den herrlichen Klang - muss man haben!" (Audiophile Audition)


    Selten ist das Beethoven-Erlebnis so direkt wie hier; selbst in grundsätzlich ähnlichen Interpretationsansätzen von Scherchen und Leibowitz bis Harnoncourt und Gardiner bleibt meist eine gewisse, ehrfurchtbasierte Distanz zum Hörer, die Rajskis Ensemble zu überbrücken scheint: Man fühlt sich direkt angesprochen. – Kaum zu fassen, dass ein derart bedeutender Beitrag zur Beethoven-Diskographie dann auch noch in sagenhafter, puristischer Analog- bzw. Röhren-Qualität produziert wurde. Sammeln! (vinylkatalog. de)


    "Die Pastorale mit einem eher überschaubaren Orchester darzubringen, ist gar nicht so abwegig, wie es zunächst scheinen mag. Schließlich lebt sie vor allem durch ihre heiteren und schwungvollen Melodien. So nutzt Wojciech Rajski die Schlankheit des Polish Chamber Philharmonic Orchestras, um Schwere durch eine zauberhafte Leichtigkeit zu ersetzen und statischem Pomp-Klang pure Spielfreude entgegenzusetzen." (Stereoplay 01/2010)


    :hello: LT

  • "[...] umringt den Hörer buchstäblich: Er sitzt mitten im Orchester." (Audio 06/06)


    Genau das würde ich persönlich als massiv störend empfinden. Ich meide derartige Aufnahmen, da sie ein Klangbild wiedergeben, das in der Realität nicht existent ist, außer für den Musiker selbst.
    Ich meine sogar, dass darin eine Verfälschung der instrumentatorischen Feinheiten der Komposition mit einhergeht. Jeder Komponist war sich ja dessen bewusst, dass das letztliche Ergebnis jene Klangmischung sein muss, die in Distanz zum Orchester beim Zuhörer ankommt.


    Wird nun eine Position im Orchester aufgenommen, ist dies in gewisser Weise eine Art "Rohprodukt", welches erst durch die - richtige! - Räumlichkeit den letzten Schliff erhält.



    Derartige Herangehensweisen haben bei Kammermusik ihre Reize, bei Symphonik kann ich damit weniger anfangen.
    Bei einer Mahler-Symphonie wäre das Ergebnis dann wohl ziemliches Chaos...

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Hallo Novecento,


    nun, ich nehme einmal an, dass du keine dieser Einspielungen kennst. Sonst würdest du so etwas nicht schreiben!


    Denn, wenn du diese Aufnahme kennen würdest, dann könntest du sehr schnell feststellen, dass da nichts verzerrt oder gar verfälscht wird. Ich bin in dieser Hinsicht ein sehr feinsinniger Hörer, der überall die Antennen aufgestellt hat und möchte natürlich nicht als angenommener Geiger das so in etwa ankommende Bläserspiel auf mich einwirkend hören. Und so ist es dann tatsächlich auch wirklich nicht!


    Mit "man sitzt im Orchester" ist eigentlich gemeint, die Einzigartigkeit dieser technischen Abmischung, dieses einmalige noch nie so gehörte Klangerlebnis.


    Aber ich bin dir erstmal dankbar, dass wir hier eventuell doch eine Diskussion beginnen.


    :hello: LT

  • Zitat

    Genau das würde ich persönlich als massiv störend empfinden. Ich meide derartige Aufnahmen, da sie ein Klangbild wiedergeben, das in der Realität nicht existent ist, außer für den Musiker selbst.
    Ich meine sogar, dass darin eine Verfälschung der instrumentatorischen Feinheiten der Komposition mit einhergeht. Jeder Komponist war sich ja dessen bewusst, dass das letztliche Ergebnis jene Klangmischung sein muss, die in Distanz zum Orchester beim Zuhörer ankommt.


    Es ist sehr umstritten, ob der Mischklang, der im Konzertsaal den Hörer erreicht, Absicht oder physikalische Unabänderlichkeit ist.
    Herbert von Karajan, der sehr technikgläubig war, schrieb dereinst, als er den Stereoklang der Schallplatte beschrieb, und die Tonaufzeichnung ÜBER (!!) das Originalerlebnis stellte, sinngemäß etwa folgendes :


    "Es ist schon ein großer Fortschritt wenn Sie eine Sinfonie ohne störende Geräusche, welche die Sitznachbarn hervorbringen, geniessen können, ohne Abgängikeit von der Position des Sitzplatzes etc. Sie hören quasi die Musik so, wie ich sie höre, wenn ich das Werk dirigiere !"


    (Aus dem Gedächtnis widergegeben)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die ungewohnte 'Tacet Real Surround Sound'-Mehrkanal-Fassung umringt den Hörer buchstäblich: Er sitzt mitten im Orchester.


    Hörst du so regelmäßig Musik? Eine völlig unnatürlicher klanglicher Eindruck für Freunde technischer Spielereien...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • "... Sie hören quasi die Musik so, wie ich sie höre, wenn ich das Werk dirigiere !"


    Ja, das hat er gesagt, der gute Herbert von Karajan. Und ich habe mich schon öfters gefragt, ob der des öfteren eher flächige Klang seiner späten Aufnahmen (wo er sehr oft klare Forderungen an die Abmischung formulierte) aus diesem Empfinden entsprang. Der Dirigent hört am Pult kaum eine räumliche Tiefe, diese ist mehr eine audiophile Wunschvorstellung.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    man kann ja nur über das schreiben, was man kennt. Ich höre täglich mehrere Stunden klassische Musik. Beim Anhören dieser Rajski-SACDs habe ich keine Unnatürlichkeiten heraushören können!



    :hello: LT

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich meide derartige Aufnahmen, da sie ein Klangbild wiedergeben, das in der Realität nicht existent ist, außer für den Musiker selbst.


    Der Musiker selbst hat auch nicht dieses Klangbild, sondern ein ziemlich schlechtes, da er vor allem seinen Nachbarn hört (oder die Posaune, die hinter ihm sitzt).
    Auch der Dirigent hat nicht dieses Klangbild, da hinter ihm keine Instrumente positioniert sind.
    :hello:

  • man hat tatsächlich den Eindruck, man ist tatsächlich mitten drin im Orchester.


    Meine Güte! Ihr zieht Euch alle an diesem einen Satz von Liebestraum hoch, von dem klar ist, dass er missverständlich formuliert war und das Liebestraum etwas anderes sagen wollte.


    Kann vielleicht mal jemand etwas zu den anderen Aussagen von LT bemerken?

  • Ich kann die Diskussion auch nicht nachvollziehen.


    Wenn ein Orchester musiziert, gibt es halt verschiedene Perspektiven der Beteiligten und der Zuhörer. Da ist nicht die eine natürlich und die andere unnatürlich - sie sind halt nur verschieden. Wenn Liebestraum die auf diesen Aufnahmen eingefangene begeistert, freut mich das für ihn - Punkt. Warum muss man immer über falsch oder richtig diskutieren, geschweige denn streiten???

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Kann vielleicht mal jemand etwas zu den anderen Aussagen von LT bemerken?

    Na gut.

    An mein Ohr gelangte schwungvolle, sehr nuancierte und präzise gespielte Musik. Völlig frei von falscher Heroik, teils ungestüm im Gestus, zupackend und inspiriert, sinfonisch und kammermusikalisch.

    Das ist ja super. Dann ist jetzt damit der Beweis geführt, dass sie auch in Zoppot zeitgemäßen Beethoven spielen können. Und dass es nicht mehr nur eine einzige Chambre Philharmonique gibt. Und - und das wird Alfred möglicherweise leider ärgern - dass mit der Polska Filharmonia Kameralna Sopot sich ein weiteres Orchester der "zweiten Reihe" zu Wort meldet, das meint, neben denen aus Minnesota, Bremen, Zürich und sonstwo außerhalb Wiens mit seinem Beethoven bestehen zu können.


    Aber: Außer dem tollen Aufnahmeklang, was ich persönlich nicht sehr relevant finde - wodurch heben sich diese Aufnahmen denn noch von anderen ab? Schwungvoll, nuanciert, präzise, zupackend, inspiriert, etc. pp. ... so spielen sie doch heute (fast) alle. Soll ich mir diese hier also ausschließlich des Aufnahmeklangs wegen anhören?

  • Lieber Ullrich,


    ich konnte zunächst erstmal meine ersten Eindrücke schildern, die ich beim Durchhören der Aufnahmen gehört habe. Nähere Angaben kann ich erst dann habe, wenn die ersten SACDs bei mir eingetroffen sind.



    :hello: LT

  • Hallo Liebestraum,


    ich kann ja Deine erste Begeisterung für einen räumlichen Klang sehr gut nachvollziehen. So etwas audiophiles schätze ich auch immer sehr und gewiss eindeutig höher als den ganzen Monoschrott ...
    Und ich kann mir gut vorstellen, dass diese SACD´s so plastisch direkt klingen, so wie Du es beschreibst.


    Aber Du hebst mir nun doch zu sehr auf den Klang ab. :?: Genau wie Ulrich interessiert mich, wie es mit der Interpretation aussieht ? Liefert Rajki einen feurigen, straffen und zupackenden Beethoven ? Wie siehst Du den Vergleich mit P.Järvi ? Wie wirkt der gesamtsinfonische Klang ? Oder ist das gar ein "HIP-Gefipse" :D ?


    Ich denke dazu werden wir von Dir noch mehr lesen. :hello: Bis dann !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Liebe Forianer,


    mit dem heutigen Tag beginne ich die einzelnen Sinfonien unter Rajski unter die Lupe zu nehmen:



    Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21
    Künstler:
    Polish Chamber PO, Wojciech Rajski
    Label:
    Tacet, DDD, 2006
    Sound: stereo & multichannel (Hybrid)



    Adagio molto - Allegro con brio -- 8:04
    Andante cantabile con moto -- 7:09
    Menuetto. Allegro molto e vivace -- 4:19
    Finale. Adagio - Allegro molto e vivace -- 5:28
    Gesamtspielzeit: 24:58


    Neben dem technischen Klangerlebnis gibt es noch ein weiteres zu bewundern: Als ich die 1. Sinfonie hörte, dachte ich, Karl Böhm sei wieder auferstanden! Neben der Sprödigkeit und Schärfe in der Interpretation verströmen die Musiker des Polish Chamber Philharmonic Orchestra Sopot einen angenehmen warmen Klang, so wie wir ihn eigentlich ja nur von Böhm kennen. Dies alles ließ mich aufhorchen und ins Schwärmen kommen.


    An den Zeiten sieht man, das Ensemble ist flott unterwegs. Schon im ersten Satz ist neben dem warmen Klang ein straffes, sprödes Musizieren bis hin zu hieb-schneidenden Sequenzen zu hören. Im zweiten Satz gelingen dem Ensemble betörend schöne Momente: alles wird wohklingend ausgespielt. Im dritten Satz werden die Ecken und Kanten klar herausgearbeitet ohne allerdings so herumzupoltern wie es Harnoncourt mit dem Chamber Orchestra of Europe machte. Mir gefällt da Rajskis Ansatz besser. Das ganze Register zogen die Musiker im letzten Satz: alles fließt so ineinander über, so dass man meinen könnte, dass es eigentlich nur so klingen dürfte - und mündet in ein grandioses Finale - auch hier ohne Harnoncourt-Poltereien.


    Fazit: Eine Aufnahme, die mehr als nur hörenswert ist.



    :hello: LT


  • Künstler: Polish Chamber PO, Wojciech Rajski
    Label:
    Tacet, DDD, 2006
    Sound: stereo & multichannel (Hybrid)


    Adagio - Allegro con brio -- 11:30
    Larghetto -- 9:51
    Scherzo. Allegro -- 4:20
    Allegro molto -- 6:05


    Wieder wird flott musiziert, ohne jedoch zu hetzen. 1. Satz: Wuchtig setzt der Tuttischlag ein, es folgt eine diatonisch abwärtsführende Bläserkantilene, die von einem erneuten Tuttischlag und der Wiederholung in den Streichern abgelöst wird. Es erfolgt einer Hinwendung zum dramatischen Moll. Hier verbreiten die gebrochenen Dreiklänge, die Tremoli der tiefen Streicher und chromatisierte Skalen eine opernhafte Stimmung. Dies gelingt dem von Rajski gegründeten und geleiteten Orchester fabelhaft. Man fühlt sich an Mozarts "Don Giovanni" erinnert. Im 2. Satz gelingt es Rajski mit seinem Ensemble Züge einer lyrisch-kantablen Romanze mit der Sonatenform zu verknüpfen, die in ihren Durchführungsteilen erneut einen effektvoll-dramatischen, dynamisch kontrastierenden Ton anschlägt. Im 3. Satz wird der dynamische Kontrast und die instrumentale Vielseitigkeit klar herausgearbeitet. Mit effektvollen Einsätzen von Pauken und Bläsern musiziert das Orchester im 4. Satz. - Grandios!


    Fazit: Vor uns liegt eine famose Interpretation der 2. Sinfonie, die ich nicht mehr missen möchte!



    :hello: LT

  • Hallo Liebestraum,


    würdest Du die Rajski-Aufnahmen jemandem empfehlen, der den Thielemann dem Paavo Järvi vorzieht?
    Deiner Beschreibung nach zu urteilen, gehen Rajskis Interpretationen eher in Järvis Richtung.


    Alle Neune habe ich weder im Kegelklub noch bei Amazon gefunden. Werden die nur einzeln angeboten?
    Warum hast Du übrigens die arme Ludmila verlassen?


    Tja, die Russen haben bei uns einen schweren Stand!


    Viele Grüße
    hami1799

  • Ich besitze nur die 7. in dieser Interpretation.
    Es ist sicherlich gut gemacht, irgendwie ein guter, lebendiger und kultivierter Durchschnitt dessen, was heute als Konsens bei Beethoven gelten kann.
    Aus musikalischen Gründen hätte ich mir die SACD jedoch eher nicht gekauft und kann auch nicht behaupten, dass hier interpretatorisch gesehen die besonders gewichtigen (vielleicht auch in Details durchaus angreifbaren und im Gedächtnis haftenden) Aussagen im Sinne grosser Interpretationen von Furtwängler, Karajan, Bernstein, Harnoncourt, C.Kleiber und ja, bei manchen Sätzen auch Thielemann gemacht werden.
    Es ist sicher kein schlecht gespielter Beethoven, beileibe nicht. Perfekt ist es ohnehin.


    Um meinen Sennheiser HD800 einmal so richtig in Hochform erleben, ist das genau die richtige Aufnahme.
    Die Stereoschicht dieser SACD ist einmalig gut. Technisch gesehen ist es eine fantastisch natürliche und luftige Aufnahme.
    Um von Beethoven wirklich ergriffen und gepackt zu werden, lege ich mir im Zweifelsfall jedoch andere Interpreten auf.
    Würde ich diese anderen CDs nicht kennen, dann wäre ich wahrscheinlich von dieser Interpretation sehr angetan.
    Gegen diese Interpretationen kann ich nicht wirklich etwas finden. Vielleicht könnte man vor einem Crescendo mehr zurückgehen, bevor man lauter wird...solche Dinge kann man hier und da finden. Möglicherweise fehlt die ganz grosse erkennbare Interpretenlinie, der deutliche Stempel des Dirigenten, den man bei Furtwängler, Bernstein, Karajan, Harnoncourt immer sofort bemerkt, auch beim angeblich nur der Partitur verbundenen Böhm.
    Aber man kann es sich gut anhören. Der Vergleich hinkt, aber manchmal denke ich dabei an so manche Mozart-Aufnahme mit Mackeras. Da mag ich dann auch entweder Böhm oder Harnoncourt lieber.


    Die anderen Symphonien dieser Reihe kenne ich nicht, so dass ich mich dazu nicht äussern kann.


    Ich habe auch einmal die Surround-Version ausprobiert. Mir gefiel das nicht...fand es eher irritierend.
    Für eine Einspielung der Kunst der Fuge könnte ich mir so etwas vorstellen, für "normale" Musik jedoch eher weniger.
    Da mag ich es für Surround lieber, wenn von hinten die Hall-Atmosphäre kommt.
    Wer einmal bei Konzerten im Orchester gesessen hat, der weiss, dass das nicht der beste Klang ist. Mir gefällt es am besten einige Meter hinter dem Dirigenten...


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Bleibt noch zu erwähnen, dass die Tontechnik die Instrumente in verschiedenen Aufstellungen aufgenommen hat; im Booklet-Text wird jeweils darauf hingewiesen. Eine Skizze erklärt die Platzierung der Orchestergruppen. Der Entscheid wird mit musikalischen Gesichtspunkten begründet.
    Zum Beispiel: Zitat S. 10 "Die Platzierung unterscheidet sich bei der 7. und 8. Sinfonie geringfügig: In der 7. gibt es mehr Kontrastierendes und sich Ergänzendes zwischen den beiden Geigenstimmen; darum wurden diese weit weg voneinander im Spektrum um den Hörer angesiedelt. In der 8. dominiert mehr die Polarität zwischen Erster Violine und Bassgruppe."


    Das Aufnahme-Equipment ist auch eine Besonderheit:
    Zitat "Die Stereo-Version auf dieser SACD ist die erste Aufnahme der Sinfonien in der "Tube Only"-Technik", einer Spezialität von TACET. Zwei (!) Röhrenmikrophone vom Typ Neumann M49, Röhrenverstärker in der V72-Bauweise, dazwischen passive W85-Regler und gleich anschliessend die Wandler: "Unplugged". So "einfach" und so kurz kann eine Übertragungskette sein. Liebhaber dieser Aufnahmetechnik beurteilen die Hör-Erlebnisse als besonders homogen und - bei aller Brillanz - als nicht kühl."


    Die Philosophie von TACET lautet:
    Zitat "Die Grundidee bei allen hier wiedergegebenen Werken ist immer dieselbe: Es gibt nur einen Zuhörer, und der sind SIE! Auf SIE konzentrieren sich alle Bemühungen der Musiker und des Tonmeisters."


    Für welches Hörerlebnis man sich entscheidet, dieser Entscheid bleibt dem Hörer überlassen. Ich für meinen Teil nehme diese Aufnahmen, sei es in Stereo oder Surround als weitere Bereicherung dankbar entgegen.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Lieber Glockenton,


    du hast es in deinem Beitrag nicht besser beschreiben können: Das sind perfekte Aufnahmen mit einer einmalig guten Stereo-Qualität. Was will man mehr?


    Dass die Aufnahmen keine eigene Handschrift bei der Deutung besitzen, kann ich nicht bestätigen. Wenn du die 7. Sinfonie gehört hast, dann ist dir bestimmt die famose Leistung der Bläser aufgefallen. So warm und so strahlend habe ich das noch nie gehört! Vielleicht hast du die Aufnahme zu selten gehört, vermutlich gleich ade acta gelegt, ohne zu wissen, dass diese Aufnahme durch mehrmaliges Hören gewinnt.


    :hello: LT

  • Hallo Hami1799,


    wenn du meine Beiträge zu den Beethoven-Sinfonien gelesen hättest, dann wäre dir aufgefallen, dass ich mich weder für die Aufnahmen Thielemanns noch für die von P. Järvi erwärmen kann.


    Rajskis Aufnahmen stehen eher für eine klassische Interpretation mit einem warmen Orchesterklang. Natürlich spielt das Ensemble HIP-orientiert, es wird forsch und packend musiziert, hier und da lässt man es auch richtig krachen, aber eben kein Herumpoltern wie bei Harnoncourt.


    Was meinst du damit, dass ich Ludmilla verlassen hätten?


    :hello: LT

  • "TACET Real Surround Sound"
    gefällt mir.
    Cage hat das 4'33" genannt.

    Wer kurzstueckmeisters Beitrag nicht verstanden hat, eine Erklärung. John Cage hat ein Stück herausgegeben, das den Titel 4'33" trägt. Es gliedert sich in drei Teile, die mit TACET überschrieben sind. Die Komposition enthält keine einzige Note.

    Tacet ist lateinisch und bedeutet er/sie/es schweigt. In der Musik wird mit dem Begriff eine Stimme bezeichnet, die nicht zu spielen hat.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo Liebestraum,


    ich dachte, entweder liebt man Thielemann oder Järvi. Offenbar falsch. Nur, Järvi lieben jetzt alle.
    Ich trau mich auch nicht mehr, ihn nicht zu lieben, obwohl er mir zu akademisch erscheint.


    Deine Beiträge habe ich nicht gelesen, werde es aber schleunigst nachholen.


    Zur Ludmila: Die sitzt noch immer bei den Petschenegen oder irgendwo am Dnjepr. Keiner schaut mehr rein in den Thread.
    Ich meinte eben, dass die russiche Oper bei uns (wobei ich mich ausdrücklich ausschließe) nicht das Gelbe vom Ei ist.


    LG
    hami1799

  • Hallo Liebestraum,


    ich dachte, entweder liebt man Thielemann oder Järvi. Offenbar falsch.


    Selbst wenn es so wäre, dass man nicht sowohl Thielemann als auch Järvi schätzen kann, könnte man dennoch (und so habe ich Liebestraum verstanden), beide nicht schätzen. (Zwei einander widersprechende Sätze können beide falsch sein, aber nicht beide wahr. Ich kann bei einer Wahl entweder Politiker x oder Politiker y wählen, nicht beide. Aber ich kann keinen von beiden wählen, sondern einen dritten oder gar kein Kreuz machen.)



    Zitat

    Nur, Järvi lieben jetzt alle.
    Ich trau mich auch nicht mehr, ihn nicht zu lieben, obwohl er mir zu akademisch erscheint.


    Was genau bedeutet hier eigentlich "akademisch"?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tja, was bedeutet akademisch?


    Für mich hat es die Bedeutung von Exaktheit, Nüchternheit, Streben nach Authentizität, jede Sechzehntel hörbar.
    Derartige Begriffe sind natürlich immer diskutabel.


    Thielemann oder Järvi, das war natürlich rein rhetorisch, ich würde auch nicht mehr zwischen Toscanini oder Furtwängler wählen, die Zeiten sind wohl vorbei.


    Meinungen über die Unterschiede sind aber trotzdem interessant und die persönlichen Präferenzen zu diskutieren ebenfalls. Dabei kann man sich fragen, wie es zu diesen kommt.
    Persönlichkeit, Gewöhnung oder akute Stimmungslage? In meiner Vorstellungswelt sind es eben eher die Streicher als die Bläser, die der Pastorale die Stimmung verleihen und jedenfalls auch ein großes Orchester mit modernen Instrumenten. Etwas altmodisch? Sicher, mich ärgert´s ja selber.


    LG
    hami1799


  • Dass die Aufnahmen keine eigene Handschrift bei der Deutung besitzen, kann ich nicht bestätigen. Wenn du die 7. Sinfonie gehört hast, dann ist dir bestimmt die famose Leistung der Bläser aufgefallen. So warm und so strahlend habe ich das noch nie gehört!

    Hallo, lieber LT!


    Da stimme ich gerne zu, die Leistung der Bläser ist sehr gut. Lebendig, luftig und klangschön.
    Aber ist das schon ein Beleg für ein unverkennbar eigene Handschrift des Dirigenten? Oder zeigt es nur, dass er gute Musiker zur Verfügung hat...?


    Tatsächlich habe ich die Aufnahme nach dem erfolgten Kopfhörerkauf ad acta gelegt. Heute hörte ich sie nur aus einem Nebenraum heraus erklingend.
    Die Vorteile der tollen Technik waren also nicht entscheidend. Mir fehlten da noch die eigentlichen grossen Zusammenhänge, die spannenden Entwicklungen aus einem echten Piano heraus. Gerne will ich aber einräumen, dass man es noch öfter und intensiver hören könnte und müsste.


    ich dachte, entweder liebt man Thielemann oder Järvi. Offenbar falsch. Nur, Järvi lieben jetzt alle.
    Ich trau mich auch nicht mehr, ihn nicht zu lieben, obwohl er mir zu akademisch erscheint.

    Also ich liebe seinen Beethoven durchaus nicht und traue mich das auch zu sagen... ;) wenngleich ich seine handwerklichen Qualitäten natürlich bewundere.


    Thielemann mag ich bei diesen Symphonien teilweise, allerdings immer viel lieber als Järvi.
    Referenz bleibt bei den mir besonders wichtigen Symphonien jedoch HvK, siehe der andere Thread.


    In meiner Vorstellungswelt sind es eben eher die Streicher als die Bläser, die der Pastorale die Stimmung verleihen
    und jedenfalls auch ein großes Orchester mit modernen Instrumenten. Etwas altmodisch? Sicher, mich ärgert´s ja selber.

    Da sähe ich keinen Grund zum Ärgern. Man braucht doch nicht Anderen etwas hintermeinen, nur weil sie eine vermeintliche Mehrheit darstellen... ;)
    Schliesse mich diesem Geschmack übrigens an. Es gibt in diesem Bereich nicht nur eine Wahrheit...


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    jetzt, wo die Bayern 7:0 führen, kann ich mich wieder den Nebensächlichkeiten widmen.


    Also Pavo Järvi. Ich denke an die Einleitung zur Vierten. Das ist schon faszinierend, glasklarer und prägnanter Bläserklang; interessant für mich, aber nicht ergreifend.


    Und Thielemann? Da sind die breiten Streicherklänge, die kleinen Ritardandi, die Romantik eben. Viel Gefühl oder die Trickkiste? Die Ritardandi geben vielleicht billige Punkte, aber wenn sie passen?
    Nun ja, Beethoven ist nicht Strawinskij, da ist es erlaubt, zeitweise den Verstand abzuschalten.


    Ich werde mich daher nicht mehr ärgern, außer die Bayern verlieren 7:8.



    Viele Grüße
    hami1799

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