Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sinfonien in den Charts

  • Es werden derzeit verschiedenste Aussagen getroffen über die Akzeptanz neuer Beethoven-Zyklen, begleitet von den üblichen Scharmützeln, ob Dirigent X oder Dirigent Y die wahre Erfüllung böte oder Orchester A oder Orchester B das bessere Orchester für Beethoven sei - zumal in Kombination von Dirigent C, der ja sogar von Klavierkritker D gut gefunden wird.


    Lassen wir doch mal die Zahlen sprechen - am Ende kann ja immer noch die sich unterlegen fühlende Seite das Argument bemühen, dass die meistverkaufte Zeitung auch nicht unbedingt die beste wäre (was ja stimmt). Ich gehe mal gängige Charts auf Gesamtaufnahmen von Beethoven-Sinfonien durch.


    amazon.de - Klassische Musik - Charts - Symphonik - Symphonien:


    Platz 3: Herbert von Karajan, BPO 1961/62 / amazon-Bestsellerrang in Musik 520
    Platz 4: Riccardo Chailly, Gewandhausorchester / amazon-Bestsellerrang in Musik 555
    Platz 5: Christian Thielemann, WPO / amazon-Bestsellerrang in Musik 823 (durchaus ein gewisser Abstand zu Platz 4)
    Platz 19: Leonard Bernstein, WPO / amazon-Bestsellerrang in Musik 3.401
    Platz 20: Leonard Bernstein Symphony Edition (enthält den NY-Zyklus) / amazon-Bestsellerrang in Musik 3.429
    Platz 27: Herbert von Karajan, Philharmonia Orchestra / amazon-Bestsellerrang in Musik 5.702
    Platz 30: Günter Wand, NDR SO / amazon-Bestsellerrang in Musik 4.358 (da wird's fragwürdig ???)
    Platz 38: John Eliot Gardiner, ORR / amazon-Bestsellerrang in Musik 6.119


    Die Einzel-CDs mit Järvi liegen zwischen Platz 25 und 52, wenn ich's richtig gesehen habe.


    jpc-Charts:


    Platz 41: Beethoven/Liszt mit Cyprien Katsaris
    Platz 43: Christian Thielemann, WPO
    Platz 47: Riccardo Chailly, Gewandhausorchester
    Platz 88: Leonard Bernstein Symphony Edition (mit dem NY-Zyklus)



    http://www.amazon.at ... gibt's nicht, wird weitergeleitet auf http://www.amazon.de. Offenbar lohnt sich das Geschäft in felix austria nicht. Auch nicht in Klassik. :hahahaha:



    http://www.amazon.co.uk:


    Platz 1: Bernhard Haitink, London Symphony Orchestra, Rank 498 (das Orchester wurde heute abend von einem prominenten Administrator geschmäht ... )
    Platz 2: Herbert von Karajan, Philharmonia Orchestra, Rank 551
    Platz 5: Riccardo Chailly, Gewandhaus Orchester, Rank 1.039
    Platz 12: Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin, Rank 2.062
    Platz 13: Herbert von Karajan, BPO 1961/62
    Platz 66: Emmanuel Krivine, La Chambre Philharmonique, Rank 6.971
    Platz 75: John Eliot Gardiner, ORR, Rank 8.305
    Platz 84: Herbert von Karajan, BPO, 1977, Rank 9.755


    Thielemann steht noch nicht zum Verkauf, äh, ich meine natürlich seine Aufnahme der Beethoven-Sinfonien.

  • Ich würde auf sowas nicht allzu viel geben.


    Auf .de sind im weitesten Sinne deutsche Orchester vorn, auf .co.uk ein englisches – irgendwie logisch.


    Würde mich nicht wundern, wenn auf .com eine US-Aufnahme oder zumindest mit US-Dirigent vorne stünde. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dazu kommt noch, dass solche Dirigenten mit ihren Ensembles, die nicht einer ständigen Medienpräsenz frönen oder frönten bei vielen Klassikfreunden völlig unbekannt sind: Vänskä, Krivine u.a.


    :hello: LT

  • Diese Charts, lieber Wolfram, zeigen mir, dass ich bei Beethoven mit meinen Vorlieben gar nicht so daneben liege, da ich Karajan/BPO I, Bernstein I, Wand und Gardiner immer mit im Vorderfeld gesehen habe. Einige andere gute, die man ebenfalls hier vermutet hätte, wie Mackerras, Cluytens, Klemperer, Abbado, hatten wohl nicht die nötige Promotion. Die nötige Qualität hätten sie allemal.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tatsächlich ... amazon.com: Leonard Bernstein mit WPO ... Platz 19 ... es folgen Chailly auf Platz 30 und auf Platz 41 André Cluytens, schließlich Gardiner auf 44.


    Da bin ich aber froh, dass ich mir nicht den Mund damit verbrennen muss, dass jeder sein Heimatorchester am besten findet. Wie schon gesagt: Jedem Narr gefällt sei' Kapp'! :thumbsup: - Narrhallamarsch! (Der angeblich auf Themen aus einer Oper von Méhul zurückgeht, die damals in Mainz aufgeführt wurde ... dem wollte ich seit Jahrzehnten schon mal nachgehen ... )


    Also sei Alfred sein Thielemann gegönnt! Er ist in bester Gesellschaft.


    Im Übrigen ist es ja das wahre Multi-Kulti-Projekt: Ein Preuße erzählt den Habsburgern, wie man den Bonner Beethoven richtig spielt. :hahahaha:


    Ich finde es ein gutes Zeichen für eine wahrhaft moderne Gesinnung, dass Alfred dies propagiert! :hahahaha::hahahaha::hahahaha:

  • Zunächst einmal halte ich wenig von solchen Charts. Sie sind oft manipuliert um bei Kunden ein gewisses Konsumverhalten hervorzurufen, bzw zu animieren. Diesen Eindruck bekam ich, als ich einige Titel ganz vorne finden konnten, die an sich um einen Pappenstiel (deutsch: für nen Appl und n Ei) zum Abverkauf angeboten wurden....


    Gehen wird aber mal davon aus, daß ich mich mit dieserr Vermuung irre - auch dann stimmen die Charts nur bedingt.
    So hat mir beispielsweise der Verkäufer von EMI-Wien mitgeteilt, daß es bei Thielemann infolge von Schwierigkeiten bei der Pressung zu Lieferverzögerungen gekommen sei... CDs die nicht lieferbar sind kann man logischerweise nicht verkaufen.



    Zitat

    Also sei Alfred sein Thielemann gegönnt! Er ist in bester Gesellschaft.


    Das trifft nicht den Kern der Sache.
    Mich stört lediglich, daß gute Aufnahmen eines guten Dirigenten aus durchschaubaren Gründen, die mit Musik nichts zu tun haben , torpediert werden - und ich versuche hier wirksam gegenzusteuern.



    Zitat

    Im Übrigen ist es ja das wahre Multi-Kulti-Projekt: Ein Preuße erzählt den Habsburgern, wie man den Bonner Beethoven richtig spielt.


    ES gibt hier kein richtig und kein falsch. Aber in der Tat fanden hier ein Orchester und ein Dirigent zusammen, welche eine Deutung liefern, die einerseits den Ruf des Nostalgischen geniesst - die andrerseits aber auch vor Temperament sprudelt - ganz gegen die angelernte Erwartungshaltung vieler. Das aber ganz ohne überzogene Schroffheit. Es wird einige Zeit dauern, bis ich das "Strickmuster" dieser Interpretationen durchschaut habe und verbal definieren kann. - wenn überhaupt.


    Darf ich den Satz von Wolfram nochmals zitieren und dann -subjektiv- abwandeln ?



    Zitat

    Ein Preuße erzählt den Habsburgern, wie man den Bonner Beethoven richtig spielt.


    Meine Version:


    Zitat

    Ein Preuße erzählt den Berlinern anhand der Wiener Aufnahme , wie Beethoven mit den Berliner Philharmonikern klingen könnte -wenn da ein deutscher Dirigent dauerhaft an der Spitze stünde... ;):hello:


    Ohhh !! :stumm: My God !!! Jetzt habe ich wieder zahlreiche Mitleser geschockt - Aber ich gestehe freimütig - daß das Absicht war !! :hahahaha:



    Zitat

    Ich finde es ein gutes Zeichen für eine wahrhaft moderne Gesinnung, dass Alfred dies propagiert!


    DANKE ! Danke , lieber Wolfram. Du bist einer der wenigen, die das zu würdigen wissen - Ich werde in dieser hinsicht leider oft verkannt ....


    Liebe Grüße aus Wien


    Alfred :hello:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Alfreds Version von Wolframs Zitat: Ein Preuße erzählt den Berlinern anhand der Wiener Aufnahme, wie Beethoven klingen könnte, wenn da ein deutscher Dirigent dauerhaft an der Spitze stünde...

    Mir kommt das so vor, als wenn hier Äpfel mit Birnen verglichen würden. Die Berliner Philharmoniker hatten seit jeher das Chefdirigentensystem, die Wiener Philharmoniker nicht, und in der Tat hatten die Berliner Philharmoniker in ihrer Geschichte mit Ludwig von Brenner, ihrem ersten Chefdirigenten (5 Jahre), Arthur Nikisch (5 Jahre) und Wilhelm Furtwängler (insgesamt 7 Jahre) immerhin drei deutsche Chefdirigenten, wovon der erste und der dritte sogar Berliner waren, und nach diesem dritten hatten sie für 25 Jahre einen ziemlich unbekannten deutschsprachigen (österreichischen) Chefdirigenten, und zumindest die letzten beiden haben ihnen sicherlich hinreichend erzählt, wie Beethoven klingt und wie man ihn richtig spielt.
    Und wenn man dann bei den Wiener Philharmonikern mal hauptsächlich die Dirigenten berücksichtigt, die vor 1933 längere Zeit die Abonnementskonzerte der Wiener dirigiert haben, sind mir als Österreicher nur Josef Hellmesberger, Felix Weingartner und Clemens Krauss erinnerlich, und nach dem zweiten Weltkrieg von denen, die mindestens zwanzig Abonnementskonzerte dirigiert haben, mit Karl Böhm nur ein Österreicher, dazu ein Italiener, ein Inder, ein französischer Amerikaner und zwei Deutsche, wovon der zweite immerhin auch 7 Jahre Chefdirigent der Berliner Philharmoniker war und der Italiener sogar dreizehn Jahre.
    Der hier in Rede stehende Christian Thielemann kann den Berlinern also gar nicht erzählen, wie man Beethoven richtig spielt, weil er ja Chef in Dresden wird und gleichwohl in dieser Eigenschaft in Zukunft auch viel in Österreich zu tun haben wird.


    Aber ich bin sicher, die Berliner Philharmoniker wissen auch so hinlänglich, wie man Beethoven richtig spielt. HvK würde sich im Grabe umdrehen, wenn er diese Diskussion hören würde.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    wie kommst du bei Furtwängler auf sieben Jahre als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker? Er war es doch von 1922–1945 und nochmal 1952–1954 (sagt auch die offizielle Seite der Berliner Philharmoniker), also insgesamt 25 Jahre.


    LG
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wir kommen natürlich auch hier vom Thema ab -ich streue Asche auf mein Haupt - aber das vorzugsweise, weil der Threadtitel eigentlich mit ein paar Listings von Charts abgearbeitet wäre.
    Ich bin davon überzeugt, daß die Berliner Philharmoniker wissen, wie man Beethoven spielt.
    Aber man hat sie internationalisiert, sie haben ihr "Deutschtum" verlernt - vermutlich schon unter Karajan, aber vermutlich am Schlimmsten unter Rattle. (Über Rattle schreiben wir demnächst in einem eigenen Thread - damit er nicht völlig vergessen wird)
    Die "Berliner" waren vermutlich am "deutschesten" (welch ein Wort """ :D ) unter Wilhelm Furtwängler...(?)
    Es erhebt sich jedoch die Frage, ob man solch alte Interpretationsansätze - so überzeugend sie auch sein mögen - mit jenen von heute vergleichen darf (??)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Joseph, du hast natürlich völlig Recht, in einer Art Sehrverlust habe ich den ersten Eintrag aus Versehen 1942-1945 gelesen und da auch weiter gar nicht drüber nach gedacht. Aber da das nun mal so ist, ist es doch das beste Beispiel dafür, dass ein deutscher Dirigent aus Berlin sehr lange den Berliner vorstand und ihnen in der langen Zeit gewiss viel über Beethoven erzählen und mit ihnen erarbeiten konnte, so dass die Berliner schon damals ganz genau wussten, wie man Beethoven richtig spielt. Und das hat dieser "unbekannte" Österreicher dann ja noch vertieft.


    Liebe Grüße


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Alfred: Es erhebt sich jedoch die Frage, ob man solch alte Interpretationsansätze, so überzeugend sie auch sein mögen, mit jenen von heute vergleichen darf (??)

    Mit dieser Frage, lieber Alfred, stellst du vermutlich auch den Interpretationsansatz von Christian Thielemann in Frage, dessen Herangehensweise nach allem, was ich bisher von ihm gehört habe, doch wirklich in der Tradition von Wilhelm Furtwängler verwurzelt zu sein scheint und was ja an sich nichts Negatives ist. Ich denke, dass Wilhelm Furtwängler einer der größten Beethoven-Dirigenten aller Zeiten war, und das hat er sicherlich auch bei den Wiener Philharmonikern unter Beweis gestellt, und ich hätte alle Aufnahmen von Furtwängler, wenn sie nur in Stereo wären. Wenn man von dieser singulären Beethoven-Sicht beeinflusst ist, ist das doch sehr positiv, auch wenn man, wie du sagst, (daraus) eine eigen Beethovensicht entwickelt hat.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mich stört lediglich, daß gute Aufnahmen eines guten Dirigenten aus durchschaubaren Gründen, die mit Musik nichts zu tun haben , torpediert werden - und ich versuche hier wirksam gegenzusteuern.


    Dieses Gefühl hatte ich eher, als wir die Beethoven-Aufnahmen Järvis an anderer Stelle besprachen:


    Überbetonte Rhythmik (bei Järvi hopst das gesamte Orchester im Rhythmus mit) Akzente wo sie nie waren - und Eigenwilligkeiten bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit. Das führt dazu, daß - selbst wenn ich Klassik höre - ich gefragt werde "welch grauenvoller Neutöner" da schon wieder in meinem Player gelandet sei

  • Zitat

    Ich denke, dass Wilhelm Furtwängler einer der größten Beethoven-Dirigenten aller Zeiten war


    NO


    Er war bestimmt einer der Musiker, die es verstanden haben, Beethoven`s Musik individuell auszulegen, in einer Weise, die fasziniert.


    Mehr nicht.


    Er hat Beethoven in die Richtung interpretiert, die er meinte, das Beethoven sie gemeint haben könnte.


    Mehr nicht.


    Das soll auf keinen Fall das künstlerische Vermögen Furtwängler`s herabwürdigen, im Gegenteil, er ist mutig und.... extravagant!!!


    Und diese "Spielart" gefällt mir nicht. Er begibt sich quasi an den Rand der Partitur, balanciert, ist schon fast im Abgrund, hangelt sich aber über Kompromisse wieder aus dieser Falle heraus, mit der Begründung, Beethoven müsse sich geirrt haben....


    Null, nada, kein Verständnis.


    Ich mag den nicht.

  • Zitat

    Ich denke, dass Wilhelm Furtwängler einer der größten Beethoven-Dirigenten aller Zeiten war


    DAS STEHT VÖLLIG AUSSER FRAGE.



    Furtwängler als Kuriosum der Beethovenexegese, als schrullige Randerscheinung abzutun, ist wohl reichlich gewagt und weitgehend unhaltbar.


    Denn eines muss man klarstellen:


    Furtwängler hat nicht etwa irgendwelche Bearbeitungen oder Uminstrumentierungen dirigiert, sondern genuine Beethovenpartituren. Hier wird nichts verfälscht oder entstellt, der Dirigent schöpft lediglich die ihm zustehenden Freiheiten aus.


    Dass Furtwängler dies in sehr hohem Maße tut, ist sicherlich unbestritten, dennoch bleibt es Beethovens Musik. Natürlich ist eine Interpretation, in der Metronomangaben minutiös beachtet werden, erst mal 'näher' an Beethoven. Aber das ist eine Binsenweisheit.


    Doch von Beethoven stammen nicht nur diese in den letzten Jahrzehnten ausgegrabenen, nicht immer vollständigen Zahlen, sondern auch für die damalige Zeit extrem umfangreiche und bildhafte Tempobezeichnungen; mit zahlreichen Beiworten als Präzisierung. All diese Angaben in eine im Zusammenhang des Stückes schlüssige Relation zu bringen, ist aber ein immanent wichtiger Aspekt der Interpretation. Und das gelingt erstaunlicherweise mitunter gerade jenen Dirigenten, die sich nicht so sehr an die Metronomzahlen ketten, ja sogar oft besser als den allzu Partiturtreuen.
    Sehr interessant zu diesem Thema sind etwa Bernsteins Ausführungen zum 3. Satz der Neunten Symphonie. Er verwesit hier ausdrücklich darauf, dass es Adagio molto e cantabile heißt und nicht etwa Adagio e molto cantabile und somit 'sehr langsam' zu spielen ist und nicht nur 'langsam und sehr gesanglich'. Diese Tempobezeichnungen sind natürlich relativ, mithin einer gewissen Ausdeutung unterworfen, dennoch werden den beigefügten Worten Beethovens sowohl Bernstein als auch Furtwängler mit ihren 20-minütigen Adagios durchaus gerecht, insbesondere in der Relation zu den weiteren Sätzen. (Furtwängler lässt das Schlussprestissimo übrigens auch wirklich 'äußerst schnell' spielen)
    Ob hingegen das recht beschwingte Adagio eines Paavo Järvi noch 'sehr ruhig' ist, darf man durchaus anzweifeln. Denn er ist zwar auch in den übrigen Sätzen absolut deutlich schneller als die beiden obengenannten, nicht aber in der Relation, schon gar nicht im Vergleich zum Scherzo (Sehr lebhaft - sehr schnell!!)


    Das wiederum gefällt mir nicht. Aber mein persönliches Geschmacksurteil führt mich nicht dazu, Paavo Järvi von der Liste ernstzunehmender Beethovendirigenten zu streichen.


    P.S.:


    Jenes hier

    Er begibt sich quasi an den Rand [...] balanciert, ist schon fast im Abgrund, hangelt sich aber über Kompromisse wieder aus dieser Falle heraus [...]


    klingt übrigens wie eine sehr treffende Beschreibung von Beethovens kompositorischem Œuvre :hello:

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Der aktuelle Stand. In Klammern die vorgenannte Platzierung.


    amazon.de - Klassische Musik - Charts - Symphonik - Symphonien:


    Platz 3 (3): Herbert von Karajan, BPO 1961/62 / amazon-Bestsellerrang in Musik 537
    Platz 4 (5): Christian Thielemann, WPO 2008-2010 / amazon-Bestsellerrang in Musik 846
    Platz 9 (4): Riccardo Chailly, Gewandhausorchester / amazon-Bestsellerrang in Musik 1.869
    Platz 18 (19): Leonard Bernstein, WPO / amazon-Bestsellerrang in Musik 2.941
    Platz 31 (-): Herbert von Karajan, BPO, 1977 / amazon-Bestsellerrang in Musik 4.882
    Platz 33 (20): Leonard Bernstein Symphony Edition (enthält den NY-Zyklus) / amazon-Bestsellerrang in Musik 5.006
    Platz 46 (30): Günter Wand, NDR SO / amazon-Bestsellerrang in Musik 6.247


    jpc-Charts:


    Platz 17 (43): Christian Thielemann, WPO
    Platz 54 (41): Beethoven/Liszt mit Cyprien Katsaris
    Platz 66 (47): Riccardo Chailly, Gewandhausorchester
    Platz 73 (88'): Leonard Bernstein Symphony Edition (mit dem NY-Zyklus)


    http://www.amazon.co.uk:


    Platz 2 (2): Herbert von Karajan, Philharmonia Orchestra, Rank 692
    Platz 6 (1): Bernhard Haitink, London Symphony Orchestra, Rank 1.113
    Platz 12 (12): Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin, Rank 2.003
    Platz 15 (5): Riccardo Chailly, Gewandhaus Orchester, Rank 2.763
    Platz 16 (13): Herbert von Karajan, BPO 1961/62, Rank 2.770
    Platz 47 (75): John Eliot Gardiner, ORR, Rank 6.022

  • Naja, Thielemanns gute Platzierung sagt nun auch nicht soviel aus. Der Zyklus ist eben neu, gerade erst auf den Markt gekommen.


    Würde man nach lokalen Momentaufnahmen der Verkaufszahlen gehen, würde Thielemann wohl in München gerade einen Jahrhundertrekord aufstellen. Bei Beck ist das in den Tagen der Renner.
    Sachlich eine Summe mehrerer Faktoren: Thielemann-Fans in München, gute Präsentation im Laden, auffällige Verpackung, neuer Zyklus, bald Weihnachten.
    :sleeping:


    Da wären ja noch eher Tamino-interne Charts von Nutzen. Welche Zyklen finden sich am häufigsten in der Sammlung der Mitglieder.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Hallo novecento,


    ich sollte mich nicht zu solchen Beträgen wie dem obigen hinreißen lassen, war aber mal wieder auf youtube und habe Furtwängler "genossen".


    Ich achte deine Meinung und möchte die nicht persönlich angreifen.


    Viele Grüße Thomas