Was macht Mozart zu Mozart?

  • Wolfram - den ich sehr schätze - was nicht auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte - nutzt jede Gelegenheit die Formulierung meiner (zugegebenermaßen oft flapsigen) Threadtitel massiv zu kritisieren - und zudem meine Kompetenz in Frage zu stellen.
    Seis drum - zum obenstehenden Threadtitel hat mich er inspiriert - und ich hoffe daß der Thread sich dieser Inspiration würdig erweisen wird.


    Vorerst das Originalzitat in (fast) voller Länge:


    Zitat

    Die Frage ist tatsächlich: Warum hat sonst niemand eine Oper, die sich mit dem "Figaro" messen könnte, eine Sinfonie, die sich mit den letzten dreien Mozarts messen könnte, ein Streichquartett, das sich mit den sechs Haydn-Quartetten messen könnte, komponiert? Andersherum: Was macht Mozart zu Mozart? Wir werden es (gottseidank) vermutlich nie ganz beantworten können. Aber "hört sich an wie ..." finde ich schrecklich plump. Das ist nicht die Frage nach der Differenzierung, sondern die Aussage "für mich hört es sich genauso an".


    Beginnen wir beim Kritikpunkt des Threadtitels

    Zitat

    Aber "hört sich an wie ..." finde ich schrecklich plump.


    Mag sein - deshalb hiess der betreffende Thread ja NICHT
    "Opern die WIE Mozart klingen"
    sondern
    "Opern die NACH Mozart klingen"
    (sprachliche Wiener Spitzfindigkeiten - soll heissen "der Klang ERINNERT an Mozart" etc etc)


    Aber das ist nicht das Thema dieses Threads.
    Es geht vielmehr um die Behauptung, daß im Umfeld Mozarts niemand eine Oper schreiben konnte, bzw geschrieben hat, die dem Figaro das Wasser reichen konnte. - Später widmen wir uns dann auch noch den Sinfonien - und wenns sein muß auch den Streichquartetten - die sind allerdings nicht so mein Spezialgebiet.


    Ich fürchte allerdings, daß sich nur wenige bis niemand getrauen wird, hier ernstlich zu widersprechen. Vielleicht können wir aber zeitgenössische Kritiken zitieren oder Aussagen von Mozart, seinem Vater, oder Zeitgenossen finden.
    Der riesige Abstand von Mozart zu seinen Zeitgenossen wird in letzter Konsequenz erst in unserer Zeit so gesehen, die Belege oder besser gesagt Indizien, daß ich hier recht habe mögen zwar spärlich vorhanden sein, zudem ziemlich versteckt sein - aber es gibt sie.
    EIN unwiderlegbarer Pluspunkt Mozarts ist mit Sicherheit, daß KEIN Zeitgenosse solch eine Vielfalt von Genres abdeckte - und dies alles auf höchstem Niveau....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wolfram - den ich sehr schätze - was nicht auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte


    Lieber Alfred,


    das ist mal wieder völlig undifferenziert auf Stammtischniveau formuliert! :hahahaha::hahahaha::hahahaha:


    Dein Engagement schätze ich und Dein Händchen als Forenleiter bewundere ich. Aber nur heimlich. :hello:


    Im übrigen macht es mir Spaß, tatsächliche oder vermeintliche Autoritäten zu demaskieren. Aber das hat nichts mit Dir zu tun.

  • Prof. Dr. Karl Böhm, "Mozart gehört meine große Liebe" soll das einmal so formuliert haben:


    Er begegnet nacheinander


    Bruckner - Böhm zieht den Hut und grüßt ihn
    Beethoven - Böhm zieht den Hut und und verneigt sich und grüßt ihn
    Mozart - Böhm fällt auf die Knie und betet ihn an.


    So könnte es gewesen sein.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Kommen wir zur Frage, ob Mozart auf dem Gebiet der Oper ebenbürtige Gegner hatte.
    Aus heutiger Sicht natürlich nein. Aber zu Mozarts Lebzeiten wurden Salieri und Cimarosa durchaus als gleichwertig angesehen.
    Da Ponte spielte die beiden Kontrahenden gegeneinander aus, in dem er jedem versprach das "bessere" Libretto zu liefern.
    Was wir von Da Ponte wissen lässt uns annehmen, daß er sich schamlos auf die Seite des vermeintlich besseren geschlagen hätte, wenn es in seinen Augen einen Gewinner und einen Verlierer gegeben hätte....


    "Il Matrimonio Segreto", die Uraufführung war im Februar 1792, also kurz nach Mozarts Tod, übertraf an Beliebtheit kurzfristig -wenn wir zeitgenössischen Berichten glauben wollen, sogar jene des "Figaro"
    Die "Maschinenoper" Zauberflöte war auf Grund ihres "schlechten Librettos" von der Kritik verrissen worden,
    Don Giovanni in Wien durchgefallen, und Cosi fan Tutte wurde wegen des "frivolen" Librettos abgelehnt......


    Mozart als alles überstrahlender Stern ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts...


    mit freundlichen Grüssen
    Aus Wien



    Zitat

    Dein Händchen als Forenleiter bewundere ich. Aber nur heimlich


    wirklich geschickt verborgen ;) - Alfred :hello:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • EIN unwiderlegbarer Pluspunkt Mozarts ist mit Sicherheit, daß KEIN Zeitgenosse solch eine Vielfalt von Genres abdeckte - und dies alles auf höchstem Niveau....


    Den Pluspunkt kann ich unumwunden zugestehen; allein die Nachdrücklichkeit des "KEIN" würde ich angesichts der im Hoboken-Verzeichnis angeführten Werke eines gewissen anderen Komponisten doch etwas differenzierte sehen ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Das Lebensalter der Beiden dabei auch berücksichtigt?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Vielleicht können wir aber zeitgenössische Kritiken zitieren oder Aussagen von Mozart, seinem Vater, oder Zeitgenossen finden.


    Eine berühmte Aussage von Haydn über Mozart, meines Wissens zu der Zeit ausgesprochen, als Mozart die sog. Haydn-Quartette dem Widmungsträger überreichte (bzw. mit ihm und anderen durchspielte):


    Haydn zu Leopold Mozart: "Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und überdieß die größte Compositionswissenschaft."


    Mozart wird hier als der größte Komponist bezeichnet.
    Begründet wird dies mit "Geschmack" und "Wissenschaft".


    (Übrigens ist dies ein schöner Berührungspunkt zum Thread "Welche Anforderungen stellt klassische Musik an den Hörer?" Ich meine: Dieselben - Geschmack und Wissenschaft.)

  • Die "Maschinenoper" Zauberflöte war auf Grund ihres "schlechten Librettos" von der Kritik verrissen worden, ...


    Ja und? Was soll dieses Hin- und Herlavieren zwischen Erfolg und Kritikerbeurteilung? Die Zauberflöte war von Anfang an ein Publikumserfolg, der sich in der Folge noch steigerte, so dass Schikaneder mit den Gewinnen ein neues Theater bauen konnte (Theater an der Wien). Derartiges können wohl nur wenige Opern vorweisen...



    Zitat

    ...und Cosi fan Tutte wurde wegen des "frivolen" Librettos abgelehnt......


    Ja, aber erst im 19. Jahrhundert! Die Così hatte durchaus das Zeug dazu, auch zu Mozarts Lebzeiten ein Erfolg zu werden, wenngleich dieses intime Werk beim breiten Publikum nie einem Figaro oder Don Giovanni Konkurrenz machen kann. Sie hatte aber das besondere Pech, dass nach vier oder fünf Aufführungen Joseph II. starb und alle Theater wegen Staatstrauer für mehrere Monate geschlossen wurden. Von dieser Zäsur konnte sie sich erst 150 Jahre später endgültig erholen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    ich nehme jetzt Alfreds Frage mal anders, nach dem, was Mozart gleich als Mozart erkennen lässt. In einem Seminar habe ich gelernt, dass seine musikalischen "Seufzer", halbe und Viertelnoten, die einen Notenwert auseinanderliegen, sich in fast allen Werken des Meisters finden lassen und - ganz abgesehen von seiner Genialität, ein Wiederekennenswert ist. Ist das richtig?


    tukan

  • Lieber Tukan,


    ohne jetzt Statistiken über die Verwendung von Seufzermotiven bei verschiedenen Komponisten vorlegen zu können - eigentlich ist das spätestens mit dem Hochbarock (wahrscheinlich schon viel früher) musikalisches Allgemeinvokabular. Ein paar Beispiele:


    J. S. Bach: Messe h-moll, Thema des ersten Kyrie - voller Seufzer, dito der Anfangsmotiv des "Et in unum", dito das Crucifixus, WK I, Fuge h-moll - voller Seufzer, Präludium c-moll (BWV 546) für Orgel, Anfangsmotiv, ...
    Beethoven, Marcia funèbre der Eroica, 1. Thema; Sonate As-Dur op. 26, Variationenthema des 1. Satzes - voller Seufzer, Fuge des Streichquartetts cis-moll op. 131 - voller Seufzer
    Wagner, Tristan, Liebestod - voller Seufzer
    Brahms, Sinfonie 4, 1. Satz, 1. Thema - eine ganze Seufzerkette
    ...


    Ohne viel zu suchen - habe mir einfach ein paar Stücke durch den Kopf gehen lassen, die mir ganz gut bekannt sind. Ich meine, da müsste man zumindest das Phänomen viel präziser benennen. Also mit Zahlen.

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  • Ich stelle nun mal eine freche Behauptung auf und die wäre, daß wir Mozarts Werke vor allem deshalb eindeutig zuschreiben könne, weil wir WISSEN, daß Sie von ihm sind.
    Das wird vermutlich Proteste auslösen - aber genau dazu ist diese Aussage ja gemacht.
    Ich möchte sie zu belegen versuchen:


    Das Kind Mozart hat einige Klaviersonaten von Johann Christian Bach zu Klavierkonzerten verarbeitet - und prompt landeten sie im Köchelverzeichnis (sind heute aber allenfalls noch im Anhang vermerkt)


    Die Oper "Der wohltätige Derwisch" enthält Musik von diversen Komponisten, unter anderem von Mozart. Es ist aber bis heute noch nicht genau feststellbar, wie hoch Mozarts Anteil an diesem Werk war, bzw welche Teile von ihm stammen....


    BEi Mozarts "Sinfonie Nr 37 - KV 444" handelt es sich um Michael Haydns Sinfonie Nr 25 mit einer Einleitung von Mozart...


    Zudem gibt es weitere Werke mit zweifelhafter Zuschreibung, die ich im Augenblick jedoch nicht parat habe - ich müsste erst recherchieren..


    Soo einfach dürfte also eine eindeutige Zuschreibung nicht möglich sein - insbesondere bei "Gelegenheitswerken"....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Problem dieser Argumentation ist, dass Fehler der Vergangenheit ("Sinfonie Nr. 37 ein Werk Mozarts") als Beleg für eine grundsätzliche Unmöglichkeit herhalten müssen ("man kann ja gar nicht genau ... "). Das ist natürlich logisch nicht haltbar.


    Ich würde auch nicht behaupten wollen, dass Mozart zu allen Zeiten und in allen seinen Werken unverwechselbar wäre. Seine frühen Sinfonien mag ich deutlich weniger als die frühen Sinfonien Haydns. (Wobei Haydn seine frühen Sinfonien um das Jahr 1760 entstanden, da war Haydn 28 Jahre alt. Mozart hatte im Alter von 28 noch sieben Jahre zu leben.)


    Aber die "Spitzenwerke Mozarts" (müsste ich genauer definieren, in jedem Falle gehören dazu: Sinfonien 35-41 ohne 37, KKe ab 14, die sieben großen Opern, die letzten zehn Streichquartette, die vier letzten Streichquintette, Kegestatttrio, Klarinettenquintett und -konzert) sind wohl durchaus identifizierbar.

  • Angesichts des Riesenoeuvres sind bei Mozart, von dem komplizierten Sonderfall des Requiem abgesehen, meines Wissens nur wenige und dann meist frühe oder randständige Stücke strittig. Ein vergleichsweise prominentes Beispiel ist die Bläser-Concertante, wozu es schon einen thread gibt. Die wahrscheinlichste Vermutung ist hier wohl, dass das Material von Mozart stammt, aber nicht die heute überlieferte Form.
    Das mag natürlich auch philologischer Zufall sein, weil man eben fast immer zuverlässige Autographen oder Abschriften hat und nicht rätseln oder komplizierte Stilvergleiche anstellen muss.


    Ich glaube aber, dass es von der vagen Zuschreibung "hoher Qualität" abgesehen, doch auf für mich als Laien erkennbare stilistische Eigenheiten gibt.
    Mozart war in vielen Werken ein außerordentlich ehrgeiziger Komponist. Aufgrund seiner Begabung und frühzeitigen Ausbildung hätte er wohl mit wenig Mühe auf sehr hohem Niveau komponieren können, ohne sich groß anzustrengen (und es mag auch Werke geben, bei denen das der Fall war.)
    Er hat das aber meistens nicht gemacht, sondern extrem ambitionierte Projekte verfolgt und sich an den größten Vorbildern "abgearbeitet": u.a. am besten Instrumentalkomponisten der Zeit, Haydn, an Gluck in der ernsten Oper, später auch an Bach und Händel.
    Das schon genannte Musterbeispiel sind die Haydn gewidmeten Quartette, die ihn nach eigener Auskunft mühevolle Arbeit abverlangt haben. Ohne das als absolutes Qualitätsurteil zu nehmen, übertreffen diese Werke die "Vorbilder" Haydns op.33 erheblich an Umfang, an satztechnischer Dichte (wenn auch nicht immer in Ökonomie und motivischer Arbeit) und zeigen darüberhinaus in einzelnen Sätzen eine beinahe opernhafte Leidenschaft (KV 421 oder einige langsame Sätze)


    Einige Jahre später setzt Mozart noch einen drauf und schreibt mit den Streichquintetten, besonders KV 515 und 516, Werke, die sogar fast alle Sinfonien dieser Zeit an Gewicht und Umfang übertreffen. Wiederum ist davon das g-moll-Werk von einer radikalen Expressivität, die ziemlich einmalig dasteht. Ähnliches gilt für die vier letzten Sinfonien. Oder man nehme das sinfonische Gewicht, das einige der Klavierkonzerte, besonders KV 466, 467, 482, 491, 503 aufweisen. Zwar kenne ich nur vereinzeltes, aber mir ist kein Werk eines Zeitgenossen bekannt, das in der Konzertform ähnliches bringt. Und diese "Tiefe" findet sich schon in zwei ziemlich frühen Werken, KV 271 und der Violine/Viola-Concertante


    Was viele Werke Mozarts auszeichnet, ist eine außerordentliche Klangsinnlichkeit, mitunter Üppigkeit. Man nehme schon frühe Werke wie den Mittelsatz des G-Dur-Violinkonzerts mit dem betörenden Effekt der Flöten (statt Oboen) oder die gedämpften Streicher im andante der A-Dur-Sinfonie KV 201. Oder erst recht die Bläserserenaden oder die reifen Klavierkonzerte, von denen manche beinahe halbe Bläserkonzerte sind, so ausführlich und farbig werden diese Instrumente eingesetzt. Oder eine Kombination wie das Kegelstatt-Trio. Dem Namen nach ein Gelegenheitswerk, aber in der klanglichen und formalen Originalität einzigartig. Ich könnte mir vorstellen, dass Mozart gerade solche Aufgaben reizten (wie anscheinend auch die satz- und kompositionstechnischen des großen Streichtrios KV 563)


    Von den Opern gar nicht anzufangen. Ich bin gewiss kein Opernexperte. Aber ich glaube eine (nicht die einzige) Qualität der Opern liegt darin, dass hier ein großer *Instrumental*komponist alle seine Mittel auf die Opernmusik anwendet, ohne dabei den Theaterinstinkt zu verlieren. Die große klangliche Fantasie (schon in der Entführung, einem scheinbar leichten Singspiel, diese Form hat Mozart auf eine völlig andere Ebene gehoben, zumal wenn man die Zauberflöte auch noch in diese Gattungstradition setzt), die Sicherheit im musikalisch-dramatischen Aufbau (sonatenformähnliche Entwicklungen in Finali) und nicht zuletzt auch die melodische Erfindungsgabe. Etwas überspitzt und von Einzelwerken (wie Fidelio, evtl. auch Weber und Berlioz) abgesehen, ist der nächste Komponist, in dessen Opern das Orchester ein ähnliches Gewicht hat wie bei Mozart Wagner!


    Ein lohnendes Buch, in dem sich "Annäherungen" an die Besonderheiten Mozarts versucht werden, ist Georg Kneplers, stellenweise eher für Fortgeschrittene, aber vieles auch für Laien nachvollziehbar:



    Es ist zwar ziemlich lange her, dass ich das gelesen habe, aber es ist hochinteressant und zeigt an recht konkreten Beispielen, wie Mozart sich vom "Allerweltsstil" seiner Zeit abhebt und wie er seine ästhetischen Ideen (die sich teils in Briefen finden, wie etwa auch die berühmte Passage, dass Leidenschaft nicht bis zum Ekel? ausgedrückt werden sollten)) umsetzt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Also, um das mal ganz einfach und ohne großen musiktheoretischen Hintergrund zu sagen: die drei da Ponte- Opern sind wohl mit das Größte (keine Angst, meinen Janacek lasse ich jetzt mal außen vor). Aber dass die "Entführung" besser sein soll (von den Jugendopern gar nicht zu reden) als "Il matrimonio segreto" von Cimarosa, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Das ist Konvention oder falsche Heldenverehrung. Und um die Sache auf die Spitze zu treiben: die haydnschen und mozartischen geistlichen katholischen Werke können der protestantischen Kirchenmusik von Schütz, Bach und Consorten das Wasser nicht reichen.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Also, um das mal ganz einfach und ohne großen musiktheoretischen Hintergrund zu sagen: die drei da Ponte- Opern sind wohl mit das Größte (keine Angst, meinen Janacek lasse ich jetzt mal außen vor). Aber dass die "Entführung" besser sein soll (von den Jugendopern gar nicht zu reden) als "Il matrimonio segreto" von Cimarosa, leuchtet mir überhaupt nicht ein.


    Das hat in der Form doch auch niemand behauptet, oder? Ich (der ich den Cimarosa gar nicht kenne) zumindest habe nur gesagt, dass Mozart das Genre "deutsches Singspiel" mit der Entführung und erst recht mit der Zauberflöte (die, selbst wenn sie nicht so heißt, in diese Tradition gehört) auf ein völlig neues Niveau gehoben (und damit historisch die deutsche Oper bei Beethoven, Weber usw. erst möglich gemacht hat. Erreicht hat er das u.a. durch die Einbeziehung von ganz fremden Elementen, so ist die Martern-Arie der Konstanze (oder die beiden der Königin in der Zauberflöte) im Seria-Stil, sprengt eigentlich den Singspiel-Rahmen usw.



    Zitat

    Und um die Sache auf die Spitze zu treiben: die haydnschen und mozartischen geistlichen katholischen Werke können der protestantischen Kirchenmusik von Schütz, Bach und Consorten das Wasser nicht reichen.


    Auch das stand nicht an, zumal der Vergleich mit etwa 150 Jahre älteren Werken wie von Schütz, in einer völlig anderen Stilistik und Tradition, m.E. nicht besonders sinnvoll ist. Die Unterschiede sind einfach zu groß.

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  • Genaugenommen, Johannes, hast du inhaltlich natürlich Recht; ich habe hier nur etwas in den Ballon eines übergroßen Mozartkultes, der nicht nur in diesem thread manchmal gepflegt wird, etwas hineinstechen wollen. Die überragende Bedeutung Mozarts sollte man nur dort ansetzen, wo sie berechtigt ist. Und das ist sie nicht auf allen Feldern.

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  • Bei der geistlichen Musik würde ich Dir insofern zustimmen, dass hier wohl nur die beiden unvollendeten Werke (c-moll-Messe und Requiem) wirklich herausragen. Die ganze Sparte hat natürlich Ende des 18. Jhds. nicht mehr den Stellenwert wie bei Bach oder gar Schütz (und die Salzburger Kirchenwerke Mozarts unterlagen noch weiteren äußeren Beschränkungen). Aber diese beiden Stücke und die späten Messen von Haydn werden gemeinhin nicht nur im Kontext der Zeit als außerordentliche geistliche Werke angesehen

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  • Zitat

    dr.pingel: Die überragende Bedeutung Mozarts sollte man nur dort ansetzen, wo sie berechtigt ist.

    Da bin ich der gleichen Meinung. Besonders auf einem Feld halte ich Mozarts Zeitgenossen Haydn für bedeutender, ja für am bedeutendsten überhaupt, das ist das Feld der Messkompositionen. Kein anderer Komponist hat m.E. in solcher Fülle überragende Messen komponiert wie Haydn( Harmoniemesse, Paukenmesse, Nelsonmesse, Theresienmesse, Schöpfungsmesse, Heiligmesse u.a.). Sicherlich darf man aber auch mutmaßen, dass Mozart auch auf diesem Feld noch Bedeutendes hätte leisten können, wenn er länger gelebt hätte. Haydn ist mehr als doppelt so alt geworden. Was wäre gewesen, wenn Mozart nur das Requiem vollendet hätte. Wenn er die c-moll-Messe vollendet hätte, hätte sie einen Umfang wie Beethovens Missa Solemnis gehabt. Aber das sind nur Mutmaßungen. Was Mozart zu Mozart gemacht hat, sind die Gebiete, auf denen er Maßstäbliches geleistet hat, wie z.B. auf dem Gebiete der Klaviermusik und der Oper, aber auch in der Weiterentwicklung der Sinfonik.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Das von tukan eingeworfene "Charakteristik statt Wertung" scheint mir mehr als berechtigt. Wir alle wissen, dass man in puncto Bewertung der Qualität / Genialität eines klassisches Musikwerks eher selten unter zehn passionierten Hörern einen Konsens erzielt. Es mag bei Mozart etwas einfacher sein als im Durchschnitt. Dennoch ist generell das Problem: Wir hören subjektiv allzu verschieden.


    Die Charakteristik eines Werks hingegen richtet sich nach objektiven Kriterien wie z.B. Ornamentik, (Leit-)Motivik, Fugentechnik, Satzaufbau etc.
    Bei Mozart, speziell in der Klaviermusik, fällt mir spontan ein ganz regelmäßiges Charakteristikum ein, das man tatsächlich bei keinem anderen - mir bekannten - Komponisten findet: Ich nenne es, für mich privat, immer den "Mozart-Triller". Das Besondere, Mozart-Typische, ist die Bass-Begleitung der linken Hand in der Dominante, die in gleicher Länge im Vortakt vorbereitet wird und üblicherweise - ebensowie der Triller der rechten Hand - 1 ganzen Takt dauert.
    Bsp. wären: Klaviersonate C KV 545, I., T.24/25., Klavierkonzert G KV 453, I., T.162/163.

  • Das Genie Mozarts hebt sich von seinen Komponisten-Kollegen seiner Zeit ab. Haydns anerkennendes Urteil über die musikalische Grösse von Mozart ist bekannt. Das, was uns an mozartschen Werken phasziniert, scheint mir so einfach nicht zu beantworten. Bei allen bekannten Parametern, mit denen man ein musikalisches Werk beurteilt, bleibt ein unerklärlicher Rest, den ein Kunstwerk ausmacht und uns ergreift. Die im Beitrag 19 erwähnte Verknüpfung von Qualität und Genialität mit dem Urteil der Musikhörer aufgrund eigener Vorlieben greift mir in der Beurteilung der Werke Mozarts zu kurz. Das Augenmerk auf Charakteristik statt Wertung zu legen ist in diesem Thread angebracht, um die Grösse und den Stellenwert Mozarts würdigen zu können.


    Ich führe einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Mozart gewährt uns an wenigen Briefstellen Einblick in sein musikalisches Denken im Kompositionsprozess. (Spannend wäre es zu sammeln, wie andere Komponisten Musik zu Papier bringen.) Im Falle von Mozart ist dies bemerkenswert, weil die Parallelität von Niederschrift und Komponieren im Kopf für Mozart wohl der Normalfall darstellte. Der musikalische Laien staunt über eine solche Aussage:


    "... hier schicke ich dir ein Praeludio und eine dreystimmige fuge,
    - das ist eben die Ursache warum ich dir nicht gleich geantwortet, weil ich -
    wegen des mühsammen kleinen Noten schreiben nicht habe eher fertig werden
    können. - es ist ungeschickt geschrieben, - das Praeludio gehört vorher, dann
    folgt die fuge darauf. - die ursache aber war, weil ich die fuge schon gemacht
    hatte, und sie, unterdessen daß ich das Praeludium ausdachte, abgeschrieben ..."


    (W.A. Mozart, Präludium und Fuge in C-Dur, KV 383a)
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Das Genie Mozarts hebt sich von seinen Komponisten-Kollegen seiner Zeit ab. Haydns anerkennendes Urteil über die musikalische Grösse von Mozart ist bekannt. Das, was uns an mozartschen Werken phasziniert, scheint mir so einfach nicht zu beantworten. Bei allen bekannten Parametern, mit denen man ein musikalisches Werk beurteilt, bleibt ein unerklärlicher Rest, den ein Kunstwerk ausmacht und uns ergreift.


    Sofern uns ein Werk von Dittersdorf oder Vanhal ebenfalls ergreift, ist das freilich nicht unbedingt ein Unterschied zwischen Mozart und Dittersdorf...



    Zitat

    Ich führe einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Mozart gewährt uns an wenigen Briefstellen Einblick in sein musikalisches Denken im Kompositionsprozess. (Spannend wäre es zu sammeln, wie andere Komponisten Musik zu Papier bringen.) Im Falle von Mozart ist dies bemerkenswert, weil die Parallelität von Niederschrift und Komponieren im Kopf für Mozart wohl der Normalfall darstellte.


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Ulli hier irgendwo schonmal zu diesem Komplex geäußert hat. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass Mozart meistens Werke komplett im Kopf ausarbeitete und dann erst hinschrieb. (Es sind nicht viele, aber durchaus Skizzen erhalten.)


    Mit "Abschreiben" war im Normalfall nicht das zu Papier bringen einer im Kopf fertigen Komposition gemeint, sondern die Reinschrift bzw. Instrumentation oder komplette Ausarbeitung eines üblicherweise schon schriftlich vorliegenden Entwurfs. Hier scheint Mozart allerdings multitaskingfähig gewesen zu sein. Aus einem anderen Brief scheint hervorzugehen, dass er das Rondo des Klarinettenkonzerts zwischen Kaffee und Billardspiel instrumentiert hat.
    In etlichen Klavierkonzerten gelten die Klavierstimmen als tendenziell unvollständig, weil Mozart nur eine Art Gerüst für sein eigenes Spiel notierte, dass er dann in der Aufführung ergänzte. (Aus Zeitgründen dürfte das nicht selten vorgekommen sein. Beethoven soll die Premiere seines 3. Klavierkonzerts aus einer skizzenhaften Stimme, die dem Notenumwender hieroglyphisch erschien, "auswendig" gespielt haben, weil er nicht zur Reinschrift gekommen war.)

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  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Ulli hier irgendwo schonmal zu diesem Komplex geäußert hat. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass Mozart meistens Werke komplett im Kopf ausarbeitete und dann erst hinschrieb. (Es sind nicht viele, aber durchaus Skizzen erhalten.)

    Es gibt dazu im Haus der Musik in Wien eine gute Darstellung. Also was die Technik anbelangt so kann man das eigentlich auch sehr gut - zum. bei mehrstimmigen Werken - an den skizzierten Teilen des Requiems nachvollziehn wo er zunächst nur die Hauptstimmen (im Falle des Requiems die Gesangsstimmen) und Bass niedergeschrieben hat. Ich denke das waren oftmals die Schritte jeweils eine Stimme je nach Priorität von Anfang bis Ende niederzuschreiben. Was die Kopfarbeit anbelangt so gibt es da denk ich weniger konkrete Aussagen in Briefstellen (sofern ich das jetzt im Kopf habe) sondern eher Aussagen von Zeitgenossen die ihn dabei beobachteten. Die Ouvertüre vom Don Giovanni soll er ja innerhalb einer Nacht vollendet haben, das würde bedeuten er hätte bei dem Umfang garnicht viel Zeit um da einige Versuche und Skizzen zu machen. Sicher kam das bei manchen Werken auch vor, aber ich glaube schon das die Kopfarbeit ein sehr wesentlicher Faktor (viel mehr als zB bei Beethoven) in seinem Kompositionsprozess war.


    Die größte Konkurrenz war ja übrigens bzgl. Opernschaffen damals der Vicente Martin y Soler wo es ja gegenseitige Zitate gab und der auch mit Una Cosa Rara den Figaro nach bescheidener Spielzeit verdrängte.


    Was die Thematik anbelangt das es ein paar Werke gibt die Mozart nicht genau zuzuordnen wären, so handelt es sich dabei meist um Werke seiner Kind- und Jugendzeit bzw. die in dieser Zeit in Frage kommen also demzufolge Mozart noch nicht so weit entwickelt war um sich so eindeutig von seinen meisten Zeitgenossen abzuheben wie zu seiner Wiener Zeit (und gerade aus dieser Zeit stammt ja die Mehrzahl seiner besten und beliebtesten Werke) Somit relativiert sich das wieder.


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Vielleicht zu diesem Thema ein etwas andersartiger Beitrag:



    Vor wenigen Tagen habe ich mit meinem zwei Monaten alten Sohn Felix am Arm die c-moll Messe (!) von Mozart angehört und er hat sofort gelacht und gegluckst vor Freude. Eine ähnliche Reaktion hatte er zuvor auf Mozarts Violinsonaten gezeigt. Auf die Musik meiner Hausgötter Bach, Haydn und seines Namenspatrons Felix Mendelssohn reagiert er indes praktisch gar nicht. Ob das die Frage "was macht Mozart zu Mozart" beantworten kann sei dahingestellt, aber Zufall scheint mir das auch nicht zu sein.