Charles Munch – Ein deutsch-französischer Dirigent von Weltrang


  • Charles Munch, geboren am 26. September 1891 in Straßburg als Karl Münch, gestorben am 9. November 1968 in Richmond, Virginia, war ein bedeutender französischer Dirigent deutscher Abstammung.


    Sein Vater Ernst Münch [1859–1928] war Organist und Chorleiter aus dem Elsaß.


    Zunächst studierte Munch Geige am Konservatorium in Straßburg und 1912 bei Lucien Capet in Paris. In Straßburg war u. a. Hans Pfitzner einer seiner Lehrer.


    Im I. Weltkrieg auf deutscher Seite kämpfend, erlitt er bei Péronne eine Gasvergiftung und wurde in der Schlacht bei Verdun verwundet. Nach Kriegsende kehrte er ins Elsaß zurück und wurde 1920 französischer Staatsbürger.


    Es folgten weitere Studien bei Carl Flesch in Berlin. Munch verfolgte zu diesem Zeitpunkt eine Solistenkarriere und war Professor für Violine am Straßburger und Leipziger Konservatorium. 1923 wurde er Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchesters. Erst 1932 erfolgte sein Debüt als Dirigent mit dem Straram-Orchester. Eine Eheschließung mit der Enkelin eines Gründers des Nestlé-Konzerns [1933] sicherte die Finanzierung seiner weiteren Karriere. Zwischen 1933 und 1940 bildete er sich im Dirigieren bei Alfred Stendrei in Paris weiter.


    Von 1935 bis 1938 war er Dirigent des von Alfred Cortot gegründeten Orchestre de la Société Philharmonique in Paris. 1936 wurde er Lehrer an der École Normale de Musique de Paris. 1938 wurde er zum Direktor der Société des Concerts du Convervatoire de Paris berufen; diesen Posten behielt er auch während der deutschen Besetzung im II. Weltkrieg. 1945 wurde ihm der Orden der Ehrenlegion verliehen, da er eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten abgelehnt und stattdessen die Résistance unterstützt hatte. 1952 wurde er zum Commandeur der Ehrenlegion ernannt.


    Im Dezember 1946 gab Munch mit dem Boston Symphony Orchestra sein Debüt in den USA. 1949 wurde er schließlich zum Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra ernannt, mit welchem er und Pierre Monteux 1952 eine erste Europa-Tournee unternahmen. 1956 folgte eine weitere Tournee durch Europa und die UdSSR. 1962 trat Munch von seinem Posten in Boston zurück und betätigte sich seither als Gastdirigent. Er war 1967 noch an der Gründung des Orchestre de Paris beteiligt und starb im Folgejahr während einer Amerika-Tournee mit demselben Orchester in Richmond, Virginia, im Alter von 77 Jahren an einem Herzinfarkt.


    Sein besonderes Augenmerk lag auf dem französischen Repertoire. Doch widmete er sich auch Komponisten wie Beethoven, Schubert, Schumann, Mendelssohn, Brahms, Tschaikowsky, Dvořák, Mahler und R. Strauss. Sein Dirigierstil war durch Spontaneität, Farbe und Eleganz geprägt. Zeitgenössische Komponisten wie Roussel, Milhaud und Honegger erfreuten sich seiner Unterstützung.


    Er schrieb das Werk Je suis chef d'orchestre [1954].


    Zwischen 1949 und 1962 machte er für RCA zahlreiche Aufnahmen, ab 1954 in Stereo. Die in diesem Zusammenhang entstande Einspielung der 9. Symphonie von Beethoven gilt Kennern bis heute als eine der gelungsten Aufnahmen dieses Werkes. Kurz vor seinem Tod entstanden zudem eine Aufnahme des Berlioz-Requiems für die DG mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sowie einige Ravel- und Honegger-Aufnahmen für EMI mit dem Orchestre de Paris.


    Aufnahmen (Auswahl):



    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Mit den Brahms-Sinfonien Nr. 2 und 4, die aber in der Sammelbox enthalten ist, sowie



    mit Jascha Heifetz und dem Beethovenklavierkonzert möchte ich hier als unbedingt dazugehörig auch noch erwähnen.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute möchte ich in diesem "überlaufenen" Thread :D an den Geburtstag von Charles Münch erinnern, der sich im nächsten Jahr runden wird und habe dafür Mendelssohn ausgesucht:



    Charles Münchs Geburtstag jährt sich heute zum 124. Mal.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Charles Munch, den ich lange Zeit auch eher nur am Rande gestreift habe, war einer der großen Mendelssohn-Interpreten. Zwischen 1957 und 1959 spielte er die "Schottische Symphonie", die "Italienische Symphonie" und die "Reformationssymphonie" für RCA ein. Alle drei sind hochkarätig gelungen. Es lag ihm besonders die Fünfte am Herzen, die er auch häufig auf seine Konzertprogramme setzte.



    Das waren die Einzelausgaben. Mittlerweile findet man sie am günstigsten in dieser Box:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke, lieber Willi, daß Du an den 50. Todestag von Charles Münch erinnert hast.


    Viele seiner Aufnahmen sind mir seit langen Jahren vertraut, die meisten davon wurden bereits in diesem Thread gezeigt.


    Deshalb möchte ich auf eine aufmerksam machen, die bisher, soweit ich es übersehen kann, noch nicht genannt worden ist:
    BERLIOZ: Roméo et Juliette, Op. 17 & Les nuits d'été, Op. 7
    Roméo & Juliette: Margaret Roggero (Mezzosopran), Leslie Chabay (Tenor), Yi Kwei Sze (Bass) & Radcliffe Choral Society (Aufnahme: 9/1953);
    Les nuits d'été: Victoria de los Angeles (Sopran); (Aufnahme: 4/1955, Stereo)
    Boston Symphony Orchestra, Dirigent: Charles Münch.


    Beide Aufnahmen sind großartig, leider wurde "Roméo et Juliette" noch in Mono produziert, während die "Sommernächte" stereophon aufgezeichnet wurden.


    Neben Münchs Leistung möchte ich besonders den wunderbaren Gesang von Victoria de los Angeles hervorheben, die hier eine IMO der besten Interpretationen dieses schönen Zyklus bietet, durchaus ebenbürtig den berühmten Einspielungen mit Janet Baker (EMI) und Régine Crespin (Decca).
    Das Doppelalbum scheint aber z.Zt. nicht lieferbar zu sein.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das Doppelalbum scheint aber z.Zt. nicht lieferbar zu sein.


    Es ist in diese Box prächtige Box eingegangen, lieber Nemorino.


    Ich halte Charles Munch für einen der begnadetsten Berlioz-Dirigenten. Warum schreibst Du ihn eigentlich mit ü?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich halte Charles Munch für einen der begnadetsten Berlioz-Dirigenten. Warum schreibst Du ihn eigentlich mit ü?

    Lieber Rüdiger,


    ja, seine Berlioz-Aufnahmen sind berühmt, fast legendär. Er vereint für meine Begriffe die besten deutschen und französischen Eigenschaften in sich, deutscher romantischer Sinn und französischer Esprit sind bei ihm eine wunderbare Synthese eingegangen.


    Warum schreibe ich ihn mit ü? Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Er wurde 1891 als Karl Münch im damals deutschen Elsaß geboren und nannte sich in späteren Jahren, als er nach dem 1. Weltkrieg französischer Staatsbürger geworden war, gerne "einen Elsässer, als Musiker rein und zutiefst Deutscher, doch vor allem Musiker und Dirigent". Er wirkte auch nach dem Wechsel der Staatsbürgerschaft vornehmlich in Deutschland, in Berlin und Leipzig, wo er von 1926 bis zur Machtübernahme durch die Nazis 1. Konzertmeister des Gewandhausorchesters war. Die Schreibweise "Münch" findet sich in vielen Musiklexika, auch auf einigen (älteren) Plattencover (übrigens wird er auch in Wikipedia "Münch" geschrieben), doch inzwischen hat sich fast allgemein die Schreibweise "Munch" eingebürgert. Ich finde, beides hat seine Berechtigung. Ob Münch oder Munch, er war ein begnadeter Musiker!


    Hier noch zum Gedenktag zwei umfangreiche Boxen, die in diesem Thread noch nicht gezeigt wurden:



    Die linke Box enthält seine sämtlichen RCA-Aufnahmen, es sind 86 CDs! Rechts die erst kürzlich erschienene 13 CD-Box von Warner mit den späten EMI-Produktionen.
    Mir persönlich scheint die RCA-Ausgabe die wichtigere zu sein, nicht, weil viel mehr drin ist, sondern weil sie seine berühmtesten und IMO besten Aufnahmen enthält. Ich persönlich habe ein eher distanziertes Verhältnis zu diesen Riesenkisten, die viel Platz einnehmen und doch manches enthalten, was man wenig oder gar nicht hört.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Die Schreibweise seines Namens ist wirklich ein Thema für sich.


    Den Vornamen Karl scheint Munch bereits nach dem Ersten Weltkrieg (wo er auf deutscher Seite kämpfte) aufgegeben zu haben.


    Auf alten Schellackplatten findet man die Schreibweise Charles Münch allerdings tatsächlich, so etwa hier (vermutlich aus den 1940ern):



    Soviel ich mich entsinne, fiel der Umlaut mehr oder weniger mit seinem Amtsantritt als Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra im Jahre 1949 sukzessive weg. In Amerika wurde er dann immer ohne Umlaut geschrieben, was sich allmählich generell durchsetzte. Hier eine Platte von 1950, wo bereits Charles Munch steht:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ob Münch oder Munch, er war ein begnadeter Musiker!


    Daran ist nicht zu zweifeln. Ich kenne natürlich diese unterschiedlichen Schreibweisen auch. In Aufnahmen von Kantaten Bachs aus dem Jahr 1931 unter Straube in Leipzig wird er noch als Karl Münch (Violine) geführt. Hier eines der von Dir erwähnten alten LP-Cover mit der Schreibweise Charles Münch:



    In jüngster Zeit ist mir diese Form des Namens aber nicht mehr begegnet - außer bei Wikipedia. Und das ist mir egal. Mich würde allenfalls interessieren, wie er selbst über die Sache dachte und wie er sich schließlich schrieb. Auf seinem Grabstein - und das ist für mich immer so etwas wie letzter Hand - steht Charles Munch:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • wie er sich schlielßich schrieb


    Scheinbar ohne Umlaut. Wobei man sich jetzt fragen könnte, von wann dieses Autogramm genau ist. Mir sieht das nach 1950ern oder 60ern aus - also die Zeit, wo er schon in Boston war.


    Hier noch ein Beispiel seiner Unterschrift:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • In Amerika wurde er dann immer ohne Umlaut geschrieben, was sich allmählich generell durchsetzte.


    Das deckt sich mit meinen Beobachtungen. Die Amerikaner werden mit den zwei Pünktchen über dem u sowie nichts anzufangen gewusst haben. In Deutschland läuft man hingegen bei nicht allgemein bekannten Namen Gefahr, daß der Name dann so ausgesprochen wird wie er da steht, und das führt dann zu Mißverständnissen.


    Interessant finde ich allerdings, daß auf der von Joseph in Beitrag # 8 gezeigten französischen Platte Münch steht. Wie schon gesagt, ich halte beide Schreibweisen für korrekt. Wer, wie Münch, 1891 in Straßburg geboren wurde, wechselte in seinem Leben nicht weniger als viermal die Staatsbürgerschaft: 1891 deutsch, 1918 französisch, 1940 deutsch, 1945 französisch. Verrückt, aber auf jeden Fall humaner als Vertreibungen und Umsiedlungen, wie sie später vorgenommen wurden.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).