Thomas Sternberg schrieb im Thread:
Ludwig van Beethoven: Sinfonien Nr 1-9 Welcher Zyklus ist der Beste ?
ZitatDie Zeiten der großen, ich nenne sie mal "Individualinterpreten", ist vorbei. Sie werden wohl nie mehr in einer solchen Masse und in einem so kurzem Zeitraum auftreten.
Das halte ich insofern für eine gewagte Aussage, weil gerade derzeit - unter dem Mäntelchen der HIP solche äusserst individuellen Interpretationen stattfinden. Ich weiß, diese Aussage wird wieder einigen Widerspruch hervorrufen, aber es ist schon sehr eigenartig, wie nahe die heutigen Interpretationen an der aggressiven Musik unserer Zeit angesiedelt sind und "unschöne Stellen" geradezu forciert werden
"Was ist denn das grausliches, das Du jetzt schon wieder hörst?" - Die Antwort lautet dan stets Mozart, Schubert oder Beethoven.
Und natürlich ist - bei aller Ähnlichkeit - jede Interpretation noch zusätzlich individuell gefärbt....
Im Augenblick versucht - aus meiner Sicht -fast jeder neue Interpret "Akzente" zu setzen.
Zwar sind ultraschnelles Spiel (was fälschlicherweise oft mit Spannung gleichgesetzt wird) und übertrieben rhythmische Akzente scheinbar bei fast allen heutigen Interpreten vorhanden, jedoch gibt es innerhalb dieses Konsens einen breiten Spielraum, Interpretationen NOCH ungeniessbarer zu machen.
Aber - und hier hat Thomas Sternber recht - der Unterschied zwischen den einzelnen Interpreten zueinander ist DERZEIT kleiner, als er es vor Jahrzehnten war. Hier kommt natürlich - auf einem schrumpfenden Markt - ein weiterer Aspekt ins Spiel:
Einerseits will man auffallen um jeden Preis - andrerseits auf der jeweiligen Modewelle mitschwimmen.
Und die derzeitige Mode - ich meine nicht nur die musikalische - ist - alles auf den Kopf -und in Frage zu stellen - was einst Gültigkeit hatte. Das fängt bei der zwangsverordneten Sparlampe an, welche ein potthässliches Licht liefert, und geht über Fast-Food und Fertigteilbauten - Paperbacks als Ersatz für "wirkliche" Bücher weiter. Ja es gelingt den Meinungsmachern sogar, den Leuten einzureden, wurmstichige unansehliche Äpfel seien "BIO" (und somit teurer) und schlechter Bohnenkaffe sei "Fair Trade"- Dummköpfe aller Länder vereinigt Euch
Was hier wie ein Angriff auf die Gegenwart klingt - und es auch ist - hat nur scheinbar wenig mit klassischer Musik zu tun, denn sie ist - ich habe lange gebraucht dies zu sehen und zu akzeptieren - stets ein Spiegel der Zeit in der sie interpretiert wird. Manche stoßen sich noch heute an "bombastischen" Beethoven-Interpretationen, weil sie ihrer Meinung nach an absolutistische Machtstrukturen erinnern. Dennoch werden solche interpetationen - auch heute noch - und vielleicht in Zukunft noch mehr - immer wieder auftauchen, weil sie nämlich beim Publikum gut ankommen.
Meine Vorliebe indes gilt nicht nur "majestätischen" Interpretationsansätzen - sondern vor allem den "schönen"
Von nichts trennt man sich schwerer, als vom Guten, Perfekten, Schönen.
Herbert von Karajan hat es auf den Punkt gebracht, als er seinen Musikern zurief: "Spielen Sie so schön Sie können."
Denn genau das war der damalige Trend der Zeit: Schwachstellen der Kompositionen waren auszumerzen und überzeugend zu cachieren, das Erhabene, Schöne sollte nicht durch niedriges getrübt werden, das Publikum sollte zufriedengestellt werden.
Diese Interpretationen waren daruf ausgerichtet, das Werk möglichst elagant aufpoliert darzustellen - quasi "übermenschlich" - von jeglichem Irdischen befreit.
Man feierte dies Richtung als Triumph über die unvollkommene Vergangenheit - und war überzeugt den "Stein der Weisen" in Sachen Interpretation gefunden zu haben.
Ich kann nicht in die Zukunft sehen, kommende Entwicklungen voraussagen.
Aber eines ist gewiss:
Es werden neue individuelle Interpreten aufs Podium steigen und uns mitteilen warum sie so - und nicht anders spielen. Und einmal mehr wird man glauben bei den idealen Interpretationen angekommen zu sein...
Unverrückbar bis in alle Ewigkeit
mfg aus Wien
Alfred