Sibelius: Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 105 – Die Letzte

  • Die 1924 vollendete 7. Symphonie C-Dur op. 105 ist die letzte vollendete Symphonie und eines der letzten Orchesterwerke des finnischen Komponisten Jean Sibelius. Die Uraufführung fand am 24. März 1924 in Stockholm unter der Leitung des Komponisten statt. Erste Skizzen stammen bereits aus dem Jahre 1914. Bei der Uraufführung nannte Sibelius das Werk noch "Symphonische Fantasie Nr. 1" und gestand ihr erst später die Bezeichnung "Symphonie" zu.


    Bereits die äußere Form weist die Siebente als ein außergewöhnliches Werk aus: sie besteht nur aus einem einzigen Satz. Dies war keineswegs von vorn herein geplant gewesen. Zunächst viersätzig, später dreisätzig angelegt, entschloß sich Sibelius erst spät zur Einsätzigkeit. Tatsächlich sollte sie die letzte Symphonie von Sibelius bleiben. Eine 1929 vollendete 8. Symphonie verbrannte der Komponist wieder. In den ihm verbleibenden drei Jahrzehnten kam kein weiterer Versuch zustande, eine neue Symphonie zu komponieren.


    Kritiken:


    "Dies ist der Höhepunkt seines Schaffens. Seine Musik ist eine Konzentration der Essenzen der besten Charakteristiken seiner anderen Sinfonien." – Simon Parmet, Dirigent


    "Die Siebte Sinfonie ist etwas absolut Neues und Revolutionäres in der Geschichte der Sinfonie. Mit der Siebten und 'Tapiola' ging die Ära der Dur-Moll-Tonalität zu Ende – aber wie fantastisch!" – Veijo Murtomäki, Musikwissenschaftler


    "Die 7. formt ein Paar mit der 6., aber dies ist nicht autobiographisch. Das Ego wurde vernachlässigt, und die Dinge sind vom Standpunkt der Menschheit aus gesehen. Der Komponist wendet sein Augenmerk von sich selbst ab, um höhere Kräfte zu erreichen. Die Siebte ist heilige Musik. Dieses Stück ist auch sehr schwer zu spielen." – Osmo Vänskä, Dirigent


    Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Waldhörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken und Streicher


    Die Abschnitte:


    1. Abschnitt, T. 1–92: Adagio
    2. Abschnitt, T. 93–257: Un pochettino meno adagio – poco affrettando – Vivacissimo – rallentando – Adagio – poco meno lento)
    3. Abschnitt, T. 258–526: Allegro molto moderato – meno moderato – dolce e poco a poco più – Vivace – Presto – poco a poco rallentando – Adagio – Largamente – Affetuoso – Tempo I


    Aufnahmen:


    Die Siebente liegt in etlichen Aufnahmen vor, die teilweise auch einzeln, nicht als Teil eines Gesamtzyklus, entstanden.



    Hallé Orchestra
    Sir John Barbirolli
    1966




    Berliner Philharmoniker
    Herbert von Karajan
    1967




    Wiener Philharmoniker
    Leonard Bernstein
    1988




    Philharmonisches Orchester Helsinki
    Leif Segerstam
    2002



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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Sinfonie Nr.7 gehörte bei mir eher zu den seltener gehörten Sibelius-Sinfonien. Eigendlich habe ich die immer gerade dann gehört, wenn ich einen neue GA bekommen habe - und diese dann mit meiner Erstaufnahme Karajan (DG) verglichen.
    Nun habe ich gelesen, dass Taminos, wie WolfgangZ dabei sind, die die 7te sogar am höchsten von allen Sibelius-Sinfonien schätzen. Warum?


    Dieser Beitrag würde auch in den neuen Thread "Immer wieder das selbe Werk?" passen:

    Letzte Woche habe ich die Sinfonie Nr.7 jeden Tag in eine anderer Interpretation genossen.
    :angel: Dabei habe ich dieses grosse Werk für mich verinnerlicht und die Sinfonie auf höchste schätzen gelernt. Eigendlich habe ich die Form, dass alle Satzteile ineinander übergehen immer schon mehr geschätzt, als die sture Sonatensatzform. Aber hier bei Sibelius 7 war mir die Form bisher zu unübersichtlich, zu wenig greifbar. Ich freue mich meine Sichtweise dazu geändert zu haben.
    Ein grosser Abschluss seines sinfonischen Schaffens!


    Folgende Aufnahmen folgten in dieser Reihenfolge:
    Karajan (DG) - Segerstam (Brillant) - Blomstedt (Decca) - N.Järvi (DG) - Barbirolli (EMI) - Roshdestwensky (Melodiya) - Bernstein (DG) - Ashkenazy (Decca) - Bernstein (SONY)


    :| Enttäuscht hat mich nur N.Järvi (DG), der die Siebte total belanglos ohne Höhepunkte runternudelt. Alles bleibt bei ihm auf einem wohlklingenden Teppich, bei einem wunderschönen Sound des Gothenborg SO, der durch Järvis Interpretation leider nichts ansprechend mitreissendes mitbringt. Er läßt den Hörer gelangweilt zurück. Ich hatte mich übrigens schon vor Jahren von seinem BIS-Zyklus getrennt, der zudem vom Klang eindeutig matter war (das ist man von BIS gar nicht gewöhnt !), als seine ansonsten gar nicht so üblen DG-Sibelius-Aufnahmen - nur die 7te überzeugt gar nicht !


    :thumbup: Als herausragend empfand ich nach wie vor Karajan (DG), der Details und Spannungsübergänge fabelhaft ausleuchtet; genauso der etwas kühlere aber mitreissende Ashkenazy (Decca); einen dicken Schuss mehr Emotion bot Bernstein (SONY), der von Tempo noch mehr überzeugte als in seiner späteren DG-Aufnahme, die aber an Emotionen ebenfalls Klasse ist. Die Einschränkungen die farinelli an anderer Stelle für Bernstein allgemein hervorhob sehe ich nicht als negativ, im Gegenteil, sie überzeugen mich! Bei Bernstein (SONY) geht keine Paukenstelle unter.
    Barbirolli (EMI) weis besonders im 1.Adagio fablhaft zu überzeugen, hat aber nicht den ganz so perfekten Klangkörper zur Verfügung, was nicht stört. Packend vom ersten Takt an! Bei Segerstam entdeckte ich gar neue Details und am Schluss des 4.Teils eine Paukenstelle, die Andere verschwinden lassen.
    Roshdestwensky (Melodiya) überzeugt besonders bei den Blechbläsern mit russischem Temprament. Klingt ausgefallener als alle Anderen; scheint keine Vorbilder zu kennen, sondern gestaltet seinen eigenen Sibelius - aber Klasse!
    *** Alle bis auf N.Järvi waren alle auf ihre Art überzeugend.


    Die Sinfonie Nr.7 steht heute für mich in einem völlig neuen Licht da - - - soviel zu "Immer wieder das selbe Werk?"
    Voller Erfolg!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • So akribisch wie teleton und der Kaiser habe ich mich jetzt mit der Siebten noch gar nicht beschäftigt. Die Ergebnisse finde ich sehr interessant.


    Ich habe diese Sinfonie eine Zeitlang oft gehört, ohne groß auf Interpretationen zu achten. Es war dies auch die Zeit, als ich noch wesentlich mehr im Rundfunk gestöbert und auch mitgeschnitten habe. Denn dieser Sibelius wird bemerkenswert oft auch im Konzertsaal gespielt. Und er wurde (wird?) viel gesendet.


    Vielleicht liegt es an der Fremdartigkeit einer weder dualistisch noch entwicklungspsycholgisch konzipierten Musik, die einhergeht mit nicht aufgelöster Harmonik, versteckter Formstrenge bei scheinbarem strukturellen Minimalismus und einer seltsamen melodischen Archaik, wie man sie ähnlich und doch wieder anders bei Janacek (oder bei Jon Leifs) findet. Falls mir jemand folgen mag :D: Wenn Janacek den Sprachduktus seiner Muttersprache einfängt, so Sibelius die Sprachlosigkeit (angesichts einer scheinbar unendlichen und kargen Landschaft vielleicht ...).


    Das mag ein wenig subjektiv und vage metaphorisch sein - aber ich denke, wir werden uns einig, wenn ich behaupte, dass sich auch rein kompositorisch hier weder das romantische Pathos der ersten, zweiten oder fünften noch aber die Verschlossenheit der vierten Sinfonie finden. Eher ist es eine neue Simplizität.


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Seit wenigen Tagen habe ich die (besser klingende) Segerstam-Sinfonien-GA (ONDINE), die mich nicht in allen Punkten ganz zufrieden stellt. Von Klang her eindeutig der Brillant (Chandos)_GA mit dem Dänischen RSO vorzuziehen, die klanglich sehr verhallt ist und nur teilweise klanglich überzeugt (Nr.1 und bes.2 ganz daneben). Segerstam bedient dort das Klischee des Nordischen Komponiusten aus dem hohen Norden noch mehr, als hier 10Jahre später auf ONDINE mit dem Helsinki PO.
    *** Man merkt beim Hören wie verwöhnt man doch bei Sibelius mit detailreicheren und emotionaleren Aufnahmen ist = Ashkenazy - Bernstein - Berglund/Bournemouth !!! Um meine bevorzugte Richtung mit nur 3Aufnahmen (es gibt mehr die ich bevorzuge) deutlich zu machen.
    Bei Segerstam gehen etliche Details im Klangnebel unter. Ihm kommt es weniger auf die Details in der Partitur an, als viel mehr Gefühle und Klangmalerei in Töne umzusetzen. Sicher Geschmackssache, was dem Einen oder Anderen Sibeliushörer mehr liegt.


    Dass ich den Beitrag hier einstelle, hat den Grund, dass Segerstam hier eine der besten (je gehörten) Int der Sinfonie Nr.7 abliefert.
    :angel: Die Siebte scheint ihm ganz besonders am Herzen zu liegen. Mit einer fabelhaft hochemotionalen Hingabe überzeugt Segerstam voll ! Und plötzlich ist (gegenüber einigen anderen seiner Aufnahmen) auch die orchestrale Balance der Aufnahme vorbildlich. Selbst alle Paukenstellen versinken nicht im Nebel, sondern sind präsent.


    Interessant ( aber nicht unbedingt nötig), hier Finlandia mal in der Version mit Chor am Schluss zu hören.
    :thumbsup: Referenzwürdige Aufnahme der Sinfonie Nr.7:



    ONDINE; 2002-2004, 1996(VC), DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zwar kann ich mir hin und wieder durchaus auch idiosynkratische Interpretationen wie die Bernsteins "antun", (erst recht jene von Roshdestwenki, die im Direktvergleich mit Bernsteins Wiener Aufnahme weniger eigenwilliger ist). Berührender sind aber doch jene Einspielungen, in denen sich niemand zwischen Komponisten und Hörer zu drängen scheint. Der Monoklassiker von Kusewizki dürfte an Intensität (das BBC Orchestra spielt um sein Leben) nicht übertroffen worden sein.


    Kurt Sanderling gelingt hingegen die Quadratur des Kreises, der demonstrativen Schlichtheit des Werkes gerecht zu werden und dabei eine subtile, aus der Binnenspannung hervorgehende Intensität aufrechtzuerhalten (und sich, ähnlich Berglund, eng an Sibelius "Notation" zu halten - Bernsteins Weg wirkt demgegenüber dann doch aufgesetzt). Hier ist es sogar von Vorteil, kein Weltklasseorchster auf Selbstbestätigungstrip zu erleben. (Die Doppel-CD enthält u.a. - neben der 15. Sinfonie von Schostakowitsch - eine überragende Borodinsche Steppenskizze sowie eine exzellente Romeo&Julia-Ouvertüre - im letzten Fall glücklicherweise mit einem Weltklasseorchester auf Selbstbestätigungstrip ;) ).




    /VsbBjcYQies