Robert Schumann: Symphonien – Welcher Zyklus ist der beste? (2011)

  • Lange Zeit standen Schumanns Symphonien im Schatten seiner anderen Werke. Mittelmäßig orchestriert, so der Vorwurf der Spätromantik. Das ging so weit, daß sich Mahler gar anmaßte, sie neu orchestrieren zu müssen. Glücklicherweise gehören diese Vorurteile heute größtenteils der Vergangenheit an, auch wenn etwa Chailly die Mahler-Bearbeitungen in jüngster Zeit aufnahm.


    An Schumann-Symphonien-Gesamtaufnahmen besteht heutzutage kein Mangel, auch wenn von anderen Komponisten noch mehr Zyklen vorliegen.


    Welcher Zyklus aber ist der beste?


    Im Folgenden einige Möglichkeiten für die Krone:



    Cleveland Orchestra
    George Szell
    1958–1960



    (New) Philharmonia Orchestra
    Otto Klemperer
    1960–1969



    Berliner Philharmoniker
    Herbert von Karajan
    1971/72



    Staatskapelle Dresden
    Wolfgang Sawallisch
    1972



    Wiener Philharmoniker
    Leonard Bernstein
    1984/85



    Schwedisches Kammerorchester
    Thomas Dausgaard
    2006/07


    Natürlich gibt es noch andere. Diese dürfen und sollen hier genannt werden. Zu meinen persönlichen Favoriten werde ich mich später noch äußern.


    :hello:


    P.S.: Allgemeine Threads:


    Robert Schumann - Die Sinfonien
    Robert Schumann: Symphonie Nr. 1 B-Dur op. 38 "Frühlingssymphonie"
    Robert Schumann: Sinfonie Nr. 2 C-Dur – Musik, Krankheit und Politik
    Robert Schumann: Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 "Rheinische"
    Robert Schumann: Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120 – Die Revidierte

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph,


    ich danke dir, dass du den völlig inakzeptabelen Gardiner-Zyklus hier nicht aufgeführt hast. Der ist auch von der Klassikbranche hochgepusht worden und hat viele Nachplapperer gefunden, die diesen Zyklus auch noch kauften. - Schumann völlig saft- und kraftlos! :no: :thumbdown:



    :hello: LT

  • Ansonsten gibt es sehr viele sehr gute Aufnahmen des Schumann-Zyklusses.


    An erster Stelle würde ich dabei Szell stellen.


    Nicht zu verachten sind desweiteren: Konwitschny, Karajan, Sawallisch, Bernstein, Sinopoli und aktuell natürlich Dausgaard.



    :hello: LT

  • Für einen Zyklus kann ich mich nicht entscheiden. Nur bei der 4. gibt es eine Aufnahme, der keine andere schon seit Jahrzehnten das Wasser reichen kann: Furtwängler!

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Liebestraum hat völlig zu Recht bemerkt, dass einige Zyklen noch nicht genannt wurden.


    Nikolaus Harnoncourt mit dem COE und John Eliot Gardiner mit dem ORR, beide mit großzügigen Zugaben,


    - Klavierkonzert (Argerich) und Viiolinkonzert (Kremer) bei Harnoncourt
    - Zwickauer Sinfonie / Ouvertüre, Scherzo und Finale / Frühfassung der d-moll-Sinfonie / Konzertstück für vier Hörner und Orchester bei Gardiner



    Roger Norrington mit dem SWR SO Stuttgart. Die dritte und die vierte hatte er aber auch schon mit seinen London Classical Players aufgenommen:



    Robert Zinman kam für seine Schumann-Aufnahmen bei der Kritik nicht ganz so günstig weg wie (teilweise) für seinen Beethoven. Paavo Järvi hat mit den Bremern begonnen, die eine Hälfte gibt es schon:



    Frank Beermann und die Robert-Schumann-Philharmonie haben nach dem Urtext der neuen Schumann-Edition gespielt:



    Ein echter Klassiker - den hätte ich von Joseph allemal erwartet!! - ist die Einspielung unter Kubelik:



    Der Dirigent, der gerade wegen seiner Beethoven-Neuaufnahme in aller Munde ist, hat die Mahler-Bearbeitung der Schumann-Sinfonien eingespielt. Schon da hätte man ahnen können, welches Potenzial dieser Dirigent für Beethoven hat! Riccardo Chailly mit seinem Gewandhausorchester:



    Ich glaube, Bernward ist derzeit der virtuoseste Suchmaschinenbediener im Forum. Vielleicht mag er ja noch Solti, Muti, Levine, Gielen, Wit, Konwitschny, Masur, Märkl e tutti quanti einstellen.

  • Interessanterweise haben mich die Schumann Sinfonien kaum je interessiert, geschweige denn fasziniert.
    Umso mehr sucht man nach einer Einspielung, welche derart überzeugend ist, daß alle Vorbehalte schwinden.
    Bis dato konnte ich hier nichts lesen (von Liebestraums kurzen Statements mal abgesehen) was einer Empfehlung oder Warnung nur einigermaßen nahekommt. Allenfalls eine Aufzählung des derzeit verfügbaren(?) Katalogs.
    Das ist natürlich auch wichtig - trifft aber nicht ins Ziel dieses Threads.


    Was ist eigentlich das Wesentliche einer Schumann-Sinfonie? Womit trifft der Interpret gewissermaßen in Schwarze?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Interessanterweise haben mich die Schumann Sinfonien kaum je interessiert, geschweige denn fasziniert.
    Umso mehr sucht man nach einer Einspielung, welche derart überzeugend ist, daß alle Vorbehalte schwinden.
    ...
    Was ist eigentlich das Wesentliche einer Schumann-Sinfonie ? Womit trifft der Interpret gewissermaßen in Schwarze?


    Wie soll man diese Frage denn beantworten?
    Was ist das Wesentliche einer Brahms/Beethoven/Mozart-Sinfonie? Ich habe mit all diesen "beste Gesamtaufnahme" oft durchaus Probleme, weil es ja um mehrere ganz verschiedene Stücke geht, selbst wenn es hier "nur" vier sind.
    Ich halte es auch für eher selten, dass eine Aufnahme plötzlich die Schatten von den Ohren nimmt, und einem Musik auf einmal gefällt, die man vorher nichtssagend fand. Aber auszuschließen ist es natürlich nicht. Warum haben Dich die Stücke denn nie interessiert? Ist doch ziemliches Standardrepertoire (und keine Moderne-Gefahr)?


    Ich mochte eigentlich von allen Schumann-Sinfonien auf Anhieb mindestens einige Sätze sehr gerne. (Zumindest die 1. und 4. finde ich eingängiger als Schuberts "Große" und sie sind alle erheblich kürzer...) Andererseits habe ich, obwohl etliche Aufnahmen mich auch nicht so intensiv mit den Werken oder Vergleichen befasst, dass mir besonders problematische oder überzeugende aufgefallen wären. (Ich finde auch die instrumentellen Retuschen, die Szell vorgenommen hat, nicht ohne unmittelbaren A-B-Vergleich hörbar.)


    Allerdings brauchte ich lange (und bin bis heute nicht restlos überzeugt), um die Ecksätze der 2. Sinfonie, besonders das Finale zu würdigen. Das ist für mich persönlich die schwierigste, obwohl das Scherzo eines der mich überzeugendsten Sätze dieses Typs nach Beethoven und das Adagio mit den Bach-Anklängen sicher zu den besten orchestralen Sätzen Schumanns gehören. Anders als beim etwas massigen Kopfsatz der 2. ist für mich in diesen beiden Sätzen der Vorwurf der angeblich schlechten Instrumentierung absolut nicht nachvollziehbar. Ich teile die Ansicht von Liebestrank über die Gardiner-Einspielung nicht, es ist aber zu lange her, dass ich sie gehört habe. Jedenfalls sehe ich bei der zweiten vielleicht den größten Nutzen für eine "Aufhellung" durch schlankeren HIP-Klang. Meine erste Aufnahme der 2. war Kubelik/Berliner, die ist jedenfalls auch nicht schlecht. Bernstein/Wien dehnt hier einiges ziemlich ins hyperexpressive, das ist vielleicht eher was für die, die sich Schumann aus der Richtung Bruckner/Mahler nähern.


    Ziemlich unproblematisch sind die beiden tatsächlich zuerst komponierten Werke, die "Frühlingssinfonie" und die 4. Wundert mich eigentlich, dass die nicht zu Deinen favorisierten Sinfonien zählen.
    Die Frühlingssinfonie ist ein vergleichsweise "leichtes" Werk, beinahe "naiv-romantisch", mit Anklängen an Schuberts Große C-Dur und Beethovens 4. Sinfonie.
    Die 4. ist m.E. die überzeugendste romantische "Fortführung" der Idee von Beethovens 5.: Ein thematisch vereinheitlichtes Werk, bei dem hier alle vier Sätze nahtlos ineinander übergehen und dass der "Durch Nacht zum Licht"-Dramaturgie folgt. Ich finde es verwunderlich und bedauerlich, dass Schumann nicht noch einmal solch eine "sinfonische Fantasie" versucht hat, sondern später traditioneller klassizistisch komponierte.


    Die Dritte finde ich wieder etwas schwieriger, weil uneinheitlich. Ein grandioser, mitreißender Kopfsatz, in der Mitte zwischen Eroica und Brahms' 3. (allerdings schwungvoll-optimistischer, nicht so dramatisch), ein volkstümliches Scherzo und dann drei Sätze, die für mich nach wie vor nicht recht zusammenpassen: Ein schlichtes kurzes andante, dann der massive polyphone von Blechbläsern dominierte "Kölner-Dom"-Satz und ein für mich das Banale streifende Finale (Rheinischer Kirmes oder was auch immer).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Bis dato konnte ich hier nichts lesen (von Liebestraums kurzen Statements mal abgesehen) was einer Empfehlung oder Warnung nur einigermaßen nahekommt.

    Als Zyklus sind mir diejenigen von Sawallisch und Bernstein die liebsten. Sawallisch, weil bei ihm mir diese Werke so vorkommen, als würden sie mit so wenig interpretatorischem Eigenwillen wie möglich gespielt. Sawallisch nimmt sich zurück.


    Bei Bernstein bekomme ich von allem etwas mehr. Die langsamen Sätze sind allerdings sehr langsam. Die erste ist sehr mitreißend, vielleicht noch die beste innerhalb dieses Zyklus'.



    Was ist eigentlich das Wesentliche einer Schumann-Sinfonie ? Womit trifft der Interpret gewissermaßen in Schwarze?

    Tja. Was soll man da sagen ... jeder Versuch, dieser Werke mit wenigen Worten zu beschreiben,würde sie klein machen. Hört man die Aufnahmen mit Sawallisch, Bernstein und einem HIPler, so kann man sich sein eigenes Bild machen.


    Wie Johannes habe ich für die 2. Sinfonie am längsten gebraucht, um sie zu mögen. (Karajan dirigierte das Werk mal und sagte nach der Aufführung hinter der Bühne im kleinen Kreis: "Nie wieder!")


    Die 1. Sinfonie finde ich sehr gut zugänglich, der Beiname "Frühlingsinfonie" trifft das frische, zupackende, energetische Moment des Werkes, das in den Ecksätzen sehr gut herauskommt.


    Die 4. Sinfonie ist in ihrer letzten Fassung eher eine sinfonische Fantasie mit vier ineinander übergehenden Sätzen, analog Schuberts Wandererfantasie. Wenn ich sie richtig in Erinnerung habe, auch monothematisch.


    Die 3. Sinfonie sollte Dir eigentlich sehr gefallen (darf ich Dir Giulinis Einspielung bei DG empfehlen?). Ein majestätischer und doch schwungvoller erster Satz, ein feierlicher vierter Satz, ein volkstöniges Finale ... aber Johannes hat das viel besser beschrieben.

  • Was ist eigentlich das Wesentliche einer Schumann-Sinfonie ? Womit trifft der Interpret gewissermaßen in Schwarze?


    Zufällig bin ich am Freitag bei YouTube auf diese Video gestoßen: H.v.Karajan und die Wiener Philharmoniker bei der Probe zu Schumanns 4ter. Ob Dirigent und Orchester mit ihrer Interpretation "ins Schwarze" treffen, mag jeder für sich selber beurteilen. Ich habe es aufgrund eines wg. Schnupfen leicht wattierten Kopfes noch nicht geschafft, mir den ganzen Film anzuschauen; allerdings beschlich mich beim ersten hineinschauen ein wenig das Gefühl, dass es zu diesem Probenmitschnitt ein Drehbuch gab. Die Unterschiede zwischen dem Vorher und dem, nachdem HvK erklärt hat, wie es eigentlich sein soll, scheinen mir für eine letzte Probe vor der Gramophonaufnahme doch zu überdeutlich. - Zutrauen würde es Karajan als jemandem, der wohl ungerne etwas dem Zufall überlassen hat :hahahaha: Nichtsdestotrotz erhält der Zuschauer interessante Einblicke sowohl in Künstler, als auch Werk!


    Schwer vorzustellen, dass soetwas früher wohl auch im Fernsehen gelaufen ist. Heutzutage wäre soetwas wohl leider nur ein Garant für Einschlatquoten unterhalb der Meßgrenze ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die Frage, welcher Zyklus der beste ist, kann so pauschal nicht beantwortet werden. Von den "traditionellen" Aufnahmen sind auf jeden Fall Sawallisch (Schumann ohne fremde Zusätze sozusagen), Bernstein (romantisierend), Karajan (ja, durchaus!), auch Klemperer (extreme Tempi, aber auf seine Art groß) und Szell (klassisch, stromlinienförmig, aber angeblich mit einigen Zusätzen) zu empfehlen. Von den HIP-Aufnahmen sagt mir Dausgaard zu (kenne einen Rundfunk-Mitschnitt der 2.). Gardiner hab ich in der Tat bewußt nicht erwähnt. Alle Fassungen kriegt man auch bei Dausgaard, und da klingt's für meine Begriffe "organischer". Järvi könnte auch interessant sein.


    Lustig, daß ihr die 2. am schwierigsten findet. Günter Wand sagte in seinem letzten Interview, daß die 2. von Schumann (wie auch die 1. von Bruckner) "ein krankes Werk" sei. Vermutlich hat er sie deswegen (leider) nicht aufgenommen. Seine 3. und 4. sind jedenfalls grandios, aber da es hier um Zyklen geht, darf der Name Wand nur sekundär fallen.


    Mir persönlich erschloß sich Schumanns symphonisches Oeuvre viel leichter als Schuberts. Ich kann gar nicht glauben, daß man diese vier (eigentlich sechs: zwei Fassungen der 4. plus "Ouvertüre, Scherzo und Finale" op. 52) tollen Symphonien nicht mögen kann. Der ganz spezielle "Schumann-Ton" ist in jeder vorhanden. Ich liebe den sehr. Das ist so eine ehrliche Frühromantik. Eine Schwäche für den alten Zwickauer hab ich eben. Jedenfalls mag ich Schumann lieber als Mendelssohn, und Schumanns 4. ist für mich die größte Symphonie zwischen 1827/28 und Brahms' 1. und Tschaikowskys 4. Die großen Alten haben oft sogar nur die 4. aufgenommen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • ;) Genau wie Alfred warscheinlich nie nachvollziehen wird, dass ich mich bis heute mit den Haydn-Sinfonien etwas schwer tue, so kann ich meinerseits nicht nachvollziehen, wie man für die Schumann-Sinfonien so wenig Interesse zeigen kann. :D
    Aber so ist das eben mit den Geschmäckern !


    :!: In meiner Sammlung habe ich nur noch die Schumann-GA zurückbehalten, die ich als meine Favoriten bezeichnen würde:
    (Josef hat diese bereits kurz und bündig skizziert. Ich gebe auch nch meinen Senf dazu.)


    Karajan / Berliner PH (DG, 1972)
    Auch wenn ich mich bei einigen wieder in die Nesseln setze: Im Prinzip hätte ich nach dieser in allen Punkten perfekten zupackenden GA nie eine weitere benötigt. Von dieser wurde ich von Anfang an geprägt. Auch Tempi (auch auf der flotten seite) sind stimmiger und damit voller Details, als bei Szell.


    Szell / Cleveland Orchestra (SONY, 1958-60)
    Ich finde Szell schon genial; die sogenannten Retuschen sind vernachlässigbar, da sie die Werke überhaupt nicht klanglich verändert haben (so wie die schrecklichen Mahler-Eingriffe!!!). Aus zwei Gründen sollte man unbedingt eine Vergleichsaufnahmen haben:
    1. Um hören zu können, was bei Szell durch das teils rasende Tempo verschluckt werden würde (wenn man nur Szell kennt).
    2. da die Klangqualität nicht so ganz überzeugend ist, sehne ich auch nach einer neueren Aufnahme.


    Bernstein /New Yorker PH (SONY, 1960)
    Bernstein / Wiener PH (DG, 1985)
    Wenn die Klangqualität bei den alten SONY´s so gut wäre, wie bei seinen DG-Aufnahmen, wäre das mein absoluter Favorit. Tempi stimmig, zupackend, spannend, jugendlich frisch. Die Sinfonie Nr.1 und 4 - bei SONY TOP.
    Da Bernstein hier bei Schumann auf DG zum Glück mal nicht seiner späten Vorliebe alles stark zu dehnen nachgibt, ziehe ich die saftig klingenden DG-Aufnahmen schon wegen der natürlichen Klangtchnik hier sogar vor. Bernstein bleibt im gleichen angemessenen Zeitfenster wie bei den CBS-Erstaufnahmen (nur die langsamen Sätze der 2.und 3. zelebriert er etwas mehr - gut so). :angel: Schumann mit Emotion !


    Levine / Berliner PH (DG, 1992,1988.)
    Im Grunde war ich mit Schumann fertig; die Luschen (z.Bsp.Marriner) hatte ich alle rausgeschmissen. Die Russen gaben mir diesesmal auch nicht das was ich erwartet hatte - sogar Roshdestwensky folglich abgesetzt.
    * Aber wegen der interessanten Kritik kaufte ich mir noch diesen Levine - Zyklus:
    Wer Schumann absolut mit schmackes hören will; man könnte sogar das Wort "bombastisch" verwenden, der liegt hier richtig. Ich hätte Levine so eine Aufnahme vorher gar nicht zugetraut ! Aber es ist sogar seine zweite GA (nach der auf RCA mit dem Philadelphia Orchestra).
    Ich hatte vorher in beide GA reingehört. Da aber bei der späteren auf DG weit mehr brio zu hören war, habe ich diese genommen. Bei ihm geht "die Post ab", die Tempi sind flott, aber gar nicht mal zu schnell (Karajan ist in den Kopfsätzen durchweg noch flotter).
    Auch die Manfred-Ouvertüre ist in einer Megaaufnahme dabei.
    :thumbup: Der aktuelle TOP- Klang und die Pauken sind astrein. Also mir macht diese neuste meiner Schumann-Erwerbungen richtig Spaß !


    Da diese noch keiner abgebildet hat, mache ich den Anfang:




    DG, 1992(1+4), 1988 (2+3), DDD


    Zitat von Josef

    Lustig, daß ihr die 2. am schwierigsten findet. Günter Wand sagte in seinem letzten Interview, daß die 2. von Schumann (wie auch die 1. von Bruckner) "ein krankes Werk" sei. Vermutlich hat er sie deswegen (leider) nicht aufgenommen. Seine 3. und 4. sind jedenfalls grandios, aber da es hier um Zyklen geht, darf der Name Wand nur sekundär fallen.


    Hallo Josef,


    die Sinfonie Nr.2 ist für mich sehr wichtig. Jeder neuen Zyklus, den ich bekomme und bekommen habe messe ich erst einmal an der Qualität der Sinfonie Nr.2 ! ;) Und am Schluss des 4.Satzes gibt es auch das was wir besonders schätzen: Saftig was auf die Pauke !
    Man glaubt gar nicht wie unterschiedlich dieser fabelhafte Schluss interpretiert wird !


    ---------------------------------
    Ich habe auch von einem unserer netten Taminos die bei ihm doppelte Gardiner-Aufnahme mit den Sinfonien Nr.1 und 4 (DG-ARCHIV) erhalten.
    Was mir gut gefällt sind die Pauken, aber der Orchesterklang ist für Schumann definitiv zu dünn, sodass das gewohnte Schumann-Klangbild vollkommen verloren geht ! Da geben sich Dirigenten größte Mühe, den sinfonischen Orchesterklang richtig zu balancieren und fügen noch Verbesserungen ein (Szell) --- und dann kommt Gardi und wirft alles über den Haufen - So nicht, finde ich !
    Von daher auch volle Zustimmung an Liebestraum. Das Konzerstück für 4Hörener auf der CD ist allerdings die einzige gute Bereicherung auf dieser DG-CD.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • ... Jedenfalls mag ich Schumann lieber als Mendelssohn, und Schumanns 4. ist für mich die größte Symphonie zwischen 1827/28 und Brahms' 1. und Tschaikowskys 4.


    Puh, wenn ich daran denke, was es da schon von Bruckner gab (damals praktisch nicht bekannt, gleichwohl existent)...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Gut, Bruckners Erstfassungen der 3., 4. und 5. entstanden in den frühen 1870er Jahren (1873, 1874, 1875). Sagen wir es anders: Schumanns 4. ist für mich die größte Symphonie vom Tode Beethovens und Schuberts bis in den 1870er. Die Öffentlichkeitswirkung von Brahms' 1. 1876 dürfte in der Tat viel größer gewesen sein als bei Bruckner.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Gewiß nicht der beste Schumann-Zyklus, eher das Gegenteil soll jener von Christian Thielemann sein, den er in den späten 90ern für die DG aufnahm. Musikkritiker David Hurwitz hat seinerzeit einen Komplettverriß geschrieben.


    R-7047758-1432548257-9881.jpeg.jpg


    R-9698610-1518386033-3741.jpeg.jpg


    R-8721083-1467320870-5466.jpeg.jpg


    "With this latest atrocity, and despite a promising start with the Second Symphony, Christian Thielemann (the self-styled Great White Hope of German music) completes the most terrible Schumann cycle ever committed to disc, and demonstrates once again that when it comes to the music of his native culture he simply hasn't the slightest idea what he's doing. His contribution consists entirely of "harm". In fact, these performances reach a depth of incompetence that even outpaces the positively galactic ineptitude of his disgusting "Rhenish" Symphony of last year."


    "In sum, Thielemann has indeed managed the impossible--a total artistic disgrace: Eine Gesamtkunstschande, to paraphrase Wagner. If DG thinks they have something special in this guy, they should think again. They're betting on the wrong horse. He belongs in the glue factory."


    Die Tontechnik soll zudem schlechter sein als bei Szells uraltem Zyklus.


    Vielleicht kein Wunder, daß diese Aufnahmen seit Jahren vergriffen sind und nie wieder neu aufgelegt wurden ...


    Hier die kompletten Rezensionen:


    http://www.classicstoday.com/review.asp?ReviewNum=4293
    http://www.classicstoday.com/review.asp?ReviewNum=467

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Puh, wenn ich daran denke, was es da schon von Bruckner gab (damals praktisch nicht bekannt, gleichwohl existent)...


    Und noch zwei- bis dreimal überarbeitet, bis die heute meist üblichen Fassungen herauskamen (in den Urfassungen gab es, soweit ich sehe 00-4 vor 1876). Insofern ist Mitte der 1870er doch ein ganz guter Richtwert für den Beginn des "spätromantischen Sinfonie-Booms", weil sich seit dem auch bei Bruckner ein gewisser Erfolg einstellte, immerhin 20 Jahre nach Schumanns Tod und 35 nach der Komposition der Erstfassung von dessen d-moll-Sinfonie. Legt man die Erstfassung von 1841 zugrunde, ist rein zeitlich Schumanns 4. recht genau in der Mitte zwischen Beethovens 5. von 1808 und Brahms' 1. (1876) Bruckners 3.-4. (je nach Fassung), Tschaikowskys 3./4., Dvoraks 3./4. usw.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Nachdem ich eigendlich mit Gerorg Solti von Beethoven bis Bartok so ziemlich alle sinfonischen Aufnahmen (die mich interessieren) besitze, war es eigendlich verwunderlich, das die Schumann-Sinfonien noch nicht dabei sind.
    Das lag an meinen esten Eindrücken vor Jahrzehnten auf einer Solti-LP mit 2Schumann-Sinfonien, die mir durch das sehr forsche Tempo im Vergleich zu meinen Karajan-Aufnahmen irgendwie befremdlich erschienen. Damals kannte ich auch die Szell-Aufnahmen auch noch nicht.


    Wie sehr sich die alten Eindrücke ändern können, durfte ich dieser Tage mit grösster Begeisterung bei der abgebildeten Schumann-Sinfonien-GA mit den absolut glänzend aufgelegten Wiener PH erleben:


    R-14739936-1580653733-8830.jpeg.jpg


    Decca, 1968/1970, ADD


    Dabei stellte ich fest, dass Solti sehr nah an den mir inzwischen ans Herz gewachsenen Szell-Aufnahmen drann ist. Nur mit dem Unterschied, das die Wiener PH und die Tonechnik das Kunststück fertig bringen, trotz der aberwitzigen Tempi in den schnellen Sätzen nichts zu verschlucken. :thumbup: Was die Wiener PH mit Solti an hörbarer Präzision zu leisten in der Lage sind, hat Weltklasse. Damit möchte ich die Szell-Aufnahmen und das Cleveland Orchestra auf keinen Fall schmälern. Dennoch - Solti und die Wiener machen in allen Punkten mehr Eindruck.
    Während die Sinfonien Nr.1 und 4 mir Solti besser gefallen, als Bernstein mit gleichem Orchester (bei DG), die wirken dagegen trotz aller Fürsprache konservativer, ist die Sinfonie Nr.2 mit Solti der absolute Hammer:
    Noch nie habe ich die Sinfonie Nr.2 mit so einer Energie gehört. Die Streichergruppen sind in absoluter Bestform und legen einen nie gehörten Schmelz und eine Streicherfeuer hin, dass der Atem stockt.
    Die Spielzeiten sind fast mit Szell identisch:
    Szell = 10:41 - 6:40 - 11:07 - 7:54
    Solti = 11:40 - 6:23 - 10:06 - 7:25
    Die Pauken (gerade im grossartigen Finale besonders wichtig) hören sich bei Szell an wie dunkle Donnerbüchsen; während bei Solti edle Kesselkupferpauken mit harten Schlägeln brillant ertönen - Whow ! Gänsehaut pur !


    Die hochgeschätze Sinfonie Nr.3 "Rheinische" mit Solti kommt ebenfalls wunderbar spannend, ohne die lyrischen Passagen zu vernachlässigen. Da fehlt nichts - Megaklasse. 8-) Dennoch komme ich wohl nie mehr davon los - Karajan´s Dramaturgie im Luxussound liegt bei mir wohl ewig vorne.


    Meine letzter Neuzugang der Schumann-Sinfonien war James Levine (DG) - siehe Beitrag 11. Hier waren es die Sinfonien Nr.1 und 4, die mich besonders positiv beeindruckt hatten. :yes: Aber insgesamt würde ich der Solti-GA eine noch grössere Kompetenz für Schumann zusprechen. Zudem sprechen mich die insgesamt flotteren Spielzeiten bei Solti in Richtung Szell, Karajan (der übrigens auch zu den flotten gehört) mehr an, als ich das oftmals bei der wirklich sehr guten Levine-GA empfinde.


    In der Solti-GA ist auf der Doppel-CD noch genug Platz für Overtüre, Schrzo und Finale op. 52, die ich selbst mit Karajan (kannte vorher nur die Eine) nie so zündend empfunden habe. Und dann noch die Julius Cäsar-Ouvertüre op.128, die Solti zu einem grossen vergessen Meisterstück erwachen lässt. Da geht ja richtig die Post ab mit Pauken und Blechbläsern !?! Hier habe ich vorher nur eine lahme Naxos-Aufnahme mit Wildner mit den Schumann-Ouvertüren, bei der mir die Julius Cäsaer - Ouv vorher nie besonders herausragend aufgefallen war...


    Die analoge Decca-Klangqualität bei Solti wirkt auf mich brillanter und besser, als die digitalen Bernstein-Live-Aufnahmen (DG) mit den Wiener PH und ist absolut rauschfrei.
    :jubel: Eine Empfehlung in allen Punkten !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Interessanterweise haben mich die Schumann Sinfonien kaum je interessiert, geschweige denn fasziniert.
    Umso mehr sucht man nach einer Einspielung, welche derart überzeugend ist, daß alle Vorbehalte schwinden.

    Genauso geht es mir und ich habe heute beim Umräumen mit Entsetzen festgestellt, dass ich von Schumann gut fünf oder sechs Dutzend CDs mit Kammermusikwerken, Klaviermusik und natürlich Liedern habe; aber die Sinfonien nur in einer uralten und klangtechnisch entsetzlichen Aufnahme von vor 25 Jahren. Ich brauche dringend einen Tipp!

  • aber die Sinfonien nur in einer uralten und klangtechnisch entsetzlichen Aufnahme von vor 25 Jahren.


    nur in einer uralten und klangtechnisch entsetzlichen Aufnahme von
    ... ich habe jetzt erwartet, eine Aufnahme aus den 40er Jahren oder so, aber:
    von vor 25 Jahren
    mal rechnen: das ist 1987.
    8o

  • Sie kann ja klanglich entsetzlich sein, das liegt dann aber nicht am Aufnahmedatum. ;)
    Wie oben schon einmal gesagt, halte ich es für eine große Ausnahme, dass eine spezifische Interpretation die Schuppen von den Augen bzw. Stopfen aus den Ohren nimmt (jedenfalls nicht bei Repertoire, das in zig soliden Aufnahmen vorliegt). Aber ein Kandidat wäre natürlich Gardiner oder eine andere HIP-Lesart, bei denen man jedenfalls kaum den Eindruck der zu dicken Instrumentation hat. Aber wie ebenfalls schon gesagt, fand ich Schumanns Sinfonien von Beginn an größtenteils recht zugänglich, im Ggs. zu einigen anderen hier.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Es gibt viele sehr gute Schumann-Zyklen. Etliche wurden im Verlauf des Threads vorgestellt. Man macht als Anfänger weder mit Bernstein, Karajan, Sawallisch noch mit Levine falsch. Auch Solti wurde ja jetzt sehr lobend erwähnt. Klemperer ist m. E. sehr interessant, aber tlw. extrem langsam (2.), was nicht jedem liegen dürfte. Klanglich sind das alles absolut adäquate Aufnahmen. Leider haben einige der größten Dirigenten nicht alle Schumann-Symphonien aufgenommen, man denke an Knappertsbusch (nur 4.), Furtwängler (nur 1. und 4.), Giulini (nur 3.), Toscanini (nur 2. und 3.), Wand (nur 3. und 4.) und Celibidache (2., 3., 4.), die aber als Ergänzungen sehrwohl lohnend sind.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich bin mit Gardiner vollauf zufrieden.
    :)
    Mich hat aber durchaus auch bei Karajan, unter dem ich 2 oder 3 der vier zuerst kennenlernte (als ich von HIP noch nichts wusste), keine dicke Instrumentierung gestört.

  • Ich habe nur die Einspielung von Masur, die ja offensichtlich für so schlecht gehalten wird, dass man sie nicht einmal erwähnt. Mir gefallen die Interpretationen aber recht gut.


    R-10599416-1500698587-9187.jpeg.jpg

  • Zur Zeit haben wir bei TAMINO über den Dirigenten Thomas Dausgaard aktuell einige Beiträge zu verzeichnen.
    Für mich hat sich Daugaard eher bei skaninavischem Reperoire als weitestgehend ordentlich (aber ohne Aha-Effekt) erwiesen. Sein Repertiore soll nach seinen eigenen Worten von Bach bis zur Moderne reichen.


    Es wurde unter anderem (von garaguly) von einem "Super-Schumann" geschrieben.
    Eine Kritik von Sagitt lässt mich aber sehr daran zweifeln. Da bin ich mir sicher, dass Dausgaard bei Schumann mir eher nicht liegen dürfte:


    Zitat

    Dausgaard möchte Schumann interpretieren, als wäre es Kammermusik.
    Für einen Hörer der WDR-Sendung zwischen Rhein und Weser, der mit dem Motiv der Rheinischen gross geworden ist und dieses Motiv jeden Tag hörte, eine Herausforderung. Der Rhein erscheint in der Interpretation von Dausgaard nicht als breit dahinfliessender Fluss, sondern eher ein frischer, sehr quirliger Bach. Hätte ich nur diese Interpretation von Dausgaard, wäre ich unzufrieden. Wenn ich den breiten Rhein ,die mächtige Strömung fühlen möchte, greife ich eben zu Bernstein.


    Das werde ich auch, denn Bernstein, Solti und Karajan nehmen Schumann so wie er ist, als grosser Sinfoniker und nicht als Kammermusiker in seinen Sinfonien.

    Die Schumann-Verstümmelung durch Mahler (Chailly-Aufnahmen), die langweiligen spannungslosen Marriner-Aufnahmen haben mir gereicht. Das ist kein Schumann ! Und nun noch die Sinfonien mit einem Schwedischen Kammerorchester ...


    Bin gespannt, wie ihr das seht / hört !?!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die o.g. Thielemann-Aufnahmen muss ich versuchen, irgendwie im Netz vorzuhören. Bei einem derart kapitalen Verriss stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Einspielungen mir gefallen könnten.
    Ich bin mir da nämlich nicht so sicher, ob ich dem Kritiker rechtgäbe, denn manchmal kann so eine Kritik mehr über den Kritiker als über den Interpreten aussagen.


    Wenn man die vier Schumann-Symphonien so gut wie möglich hören will, glaube ich ähnlich wie Johannes Roehl, dass eine Mischung verschiedener Interpretationen möglicherweise doch dichter ins Schwarze trifft.


    Meine Favoriten sind:


    Nr 1. Bernstein - strahlend und energetisch (WPO)


    Nr. 2. weiss ich nicht, kenne das Werk noch nicht so gut


    Nr.3. ganz klar Wand, wärmer im Klang, und m.E. mit noch besseren Lösungen in den Details (z.B. Bläser) als die auch gute Bernsteinaufnahme. Tolle Ideen und viel Richtiges im Grundansatz auch bei Harnoncourt, doch bei Wand wird die Geschichte noch natürlicher "wie von selbst" erzählt.


    Nr. 4. Harnoncourt mit dem BPO, nicht COE, denn da spielen sie zwar sehr engagiert, aber doch eine andere Frühversion, die mir im Vergleich mit der "normalen", die Harnoncourt in Berlin mit dem BPO live spielen liess, nicht so schlüssig vorkommt, was den dramaturgischen Fluss anbelangt.
    Zudem gibt es bei der BPO-Aufnahme einen grossorchestralen warmen Klang, während das COE eben auch klanglich in Richtung "Chamber" wirkt. Eigenheiten der Harnoncourt-Interpretation, z.B. der sehr aufwühlende und fetzige 3. Satz (mit dem dann folgenden Kontrast zum sehr weichen Zwischenspiel) werden von den Berliner integrierter und ausbalancierter gespielt, was eine tolle Kombination ist (ähnliches gilt für die deutlichen und bewegten Artikulationsbögen der Streicher Satz 1 Anfang, die zu den liegenden Pedalakkorden der Bläser spielen: mit den Berlinern wirkt die an sich sehr gute Idee harmonischer realisiert als beim COE)


    Auch sehr gut ist hier Wand, der für mich hier noch vor dem mir manchmal etwas hölzern-plakativ vorkommenden Bernstein kommt ( was nur im unmittelbaren Vergleich auffällt). Auch aufnahmetechnisch hat im direkten Vergleich die Wandaufnahme leichte Vorteile.


    Die Vierte kenne in Probe und Aufführung auf DVD auch mit den Wiener Symphonikern und Karajan (recht alt, schwarz-weiss und schon recht historischer, eigentlich für mich tontechnisch kaum akzeptabler Klang)
    Dennoch mag ich auch diese Aufführung sehr, die schon damals den typischen Klangstrom-Karajanstil erkennen lässt. Es ist ein völlig anderer Ansatz als wie bei dem auf der inneren musikalischen Logik der bewegten Geste und der verständlichen Phrasierung aufbauenden Harnoncourt. Dennoch überzeugt es mich auch, weil Karajan hier seine eigene, in sich gereifte und schlüssige Interpretationswelt ebenfalls auf hohem Niveau musiziert,selbst wenn der Blick in die Partitur anderen mehr rechtzugeben scheint. Den ersten Unisonoton etwa lässt er mit sehr grossem Gewicht und bewusst etwas unscharf einsetzen. Das kann man gut vertreten, vor allem innerhalb der dazu passenden Parameter seiner darauffolgenden Gestaltungslogik. Es wird klar, dass sich hier ein Portal zu einer ernsthaften und tragischen Einleitung öffnet.


    Wenn der Ansatz von der Faktur des Werkes und seiner innewohnenden musikalischen Grundgesetze her vertretbar und in reichem Masse ausgestaltet werden kann, dann kann es bei einer guten Realisierung so wirken, dass es so und nicht anders sein soll.
    Es ist interessant, dass ich diesen Eindruck -selten genug- bei mehreren Aufnahmen haben kann, aber die 4. Schumann-Symphonie lässt m.E. hier sowohl den Wandschen goldenen Mittelweg des Erzählens, den Karajanschen Klangstrom als auch die bewegte Harnoncourtsche Gestik zu, vor allem wenn ein Orchester wie das BPO spielt.


    Die von mir empfohlene Harnoncourt-Aufnahme ( bei der auch etwas von Mendelssohn und Schubert enthalten ist) ist zeitweilig schwer zu bekommen. Ich habe sie zum Glück gebraucht bei Amazon gefunden. Ich kann sie ernsthaften Musikliebhabern und Musikern sehr ans Herz legen, die anderen auch.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Wegen Glockentons überzeugendem Beitrag (im Beethoven 5 - Thread) zu P.Järvi´s neuer Aufnahme der Schumann-Sinfonien habe ich diese auch bestellt.
    Ich kann mir zwar derzeit nur schwer Vorstellen, dass P.Järvi meine Schumann-Favoriten Szell, Solti, Bernstein und Karajan in ihrer grossorchestralen Sichtweise erreichen kann. Aber nach allem , was ich an äusserst positiven Kritiken zu diesem LIVE-Zyklus gelesen habe, scheint dass ein ganz wertvoller Neuzugang zu sein:


    Schauplatz der Aufnahmen ist das Pier2 , eine ehemalige Werfthalle im Hafen von Bremen. Wo sonst Rock und Popkonzerte stattfinden, erarbeiten Orchester und Dirigent die vier Symphonien von Robert Schumann und präsentieren diese romantischen Meisterwerke einem jungen Publikum.


    Glockentons wichtigen Beitrag dazu möchte ich hier unbedingt anfügen:


    *** Ich habe mich für die DVD-Ausgabe entschieden. Hier ist eine separate DVD dabei, die eine eineinhalbstündige DOKU mit Orchesterproben und den Umstände dieser Aufnahmen in eindrucksvoller Weise zeigt. Die Bildregie soll auch gegenüber dem Beethoven-Zyklus 2010 nochmal stark verbessert worden sein, was Lichtdesign und Bildführung angeht. Die Energie von Orchester und Dirigent ist noch einmal deutlich besser eingefangen worden.




    C Major (Naxos Deutschland GmbH), 2012, DVD DTS 5.1

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton,


    jetzt hoffe ich aber schwer, dass Dir diese Aufnahme der Schumann-Symphonien mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen auch wirklich gefällt - sonst bin ich hinterher der Schuldige... ;-)


    Ich finde auch die interessanten Wortbeiträge des Dirigenten und einzelner Musiker sehr gut. Es ist so gemacht, dass ein Musiker mit der Partitur vor der Nase damit etwas anfangen kann, aber eben auch der "Nur-Musikhörer" kann die Aussagen sehr gut nachvollziehen.


    Wegen des Bonusmaterials wäre es nicht nötig gewesen, die DVD zu nehmen, denn dieses ist auch auf der Blue-ray enthalten.
    Allerdings kaufte ich die letzte bei JPC vorrätige Blue-ray :baeh01: und bei Amazon waren sie so merkwürdig teuer.


    Es klingt nicht so, wie wenn der Bernstein die Wiener Philharmoniker zu grossorchestral-ekstatischen Ausbrücken hinreisst - allerdings kann man sich von dieser Klarheit, von diesem beseelten und gleichzeitig die Partitur transparent und verständlich machenden Musizieren aus Bremen auch sehr einnehmen lassen.
    Die Zurückführung der dynamischen und übrigens auch agogischen Bandbreite auf ein mehr "anständiges" , von der Partitur gedecktes Mass kann mich gerade bei Schumann überzeugen. Sehr viel Romantik, Hingabe und con brio ist dennoch enthalten.


    Merkwürdigerweise finde ich diesen transparenten Ansatz bei Brahms dann wieder gar nicht so passend.
    Harnoncourt ist diesem Gedankengang der Zurückführung der Ausdrucksmittel auf ein normales Mass mit den Berlinern und dem COE gefolgt und Gardiner hat es klanglich noch bei weitem extremer mit einem Orchester auf alten Instrumenten umgesetzt. Besonders diesem letzten Klang kann ich nichts abgewinnen.
    Der Brahms braucht m.E. die Wärme und Dynamik des grossen Symphonieorchesters, wenngleich ihm ein kammermusikalisches Miteinander und eine gesteigerte Transparenz guttun kann, wie man es von der Rattle-Aufnahme der Brahms-Symphonien berichten kann, die beide Aspekte zu verbinden weiss.


    Schumanns Satztechnik ist jedoch von der Brahmsschen sehr verschieden. Zudem vermeidet es Järvi bei diesen Aufführungen grelle und forcierte Klangbilder. Es wirkt vielmehr natürlich fliessend - auf mich.


    Ich denke, lieber teleton, Du wirst den Kauf nicht bereuen :-)


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich denke, lieber teleton, Du wirst den Kauf nicht bereuen :-)


    Auf keine Fall, lieber Glockenton,
    inzwischen habe ich meine DVD´s erhalten/gehört und bin absolut begeistert.
    Bei Schumann bin ich besonders empfindlich, wenn da Aufdnahmen stark von meinen geprägten Gewohnheiten abweichen. Ganz besonders schlimm empfand ich dies bei den "Mahler-Verstümmlungen" mit Chailly.
    Auch hier war ich zunächst im Zweifel, ob die Besetzungsstärke der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen für die Schumann-Sinfonien ausreichen würde.


    Ich habe, wie immer bei neuem Schumann-Sinfonien-Aufnahmen, mit der Sinf.Nr.2 angefangen und war hingerissen über die detailreiche Vielfalt, die die Bremer und P.Järvi bringen. Die Details aller Orchestergruppen sind ohne jedes eingedickte Orchesterbild voll da. Ganz famos auch hier wieder der Pauker, der über den Pauken ein Regal mit den verschiedensten Paukenschlägelstärken hat, die genau passend eingesetzt werden. Mein "Schumann-Bild" wird voll erfüllt. Auch die nicht so volle Besetzung vermag eine Dramatik zu inzenieren, dass es einfach packend wird.
    Ich wollte zuerst nur die 2te hören - ich bin hängen geblieben. Inzwischen habe ich alle 4 Sinfonien gehört und satzweise mehrfach.


    Auch das von P.Järvi gewählte Tempo liegt im Schnitt zwischen Szell und Karajan um dazu ganz grob eine Eingrenzung zu formulieren. Also für meinen Geschmack und mein Schumann-Bild genau ins "schwarze" getroffen.



    Ich hatte mich nicht für die DVD-Version entschieden, weil ich dachte, dass das Bonusmaterial nicht auf den BluRay dabei ist, sondern weil die DVD -Version bei mir universeller (auf allen Anlagen) einsetzbar ist. ;) Ausserdem bei Medimops (neu) megapreiswert. :thumbup: Und der DTS 5.1-Klang ist ja nun wieder absolut traumhaft gelungen.
    Die Bildregie und die Bildqualität (/auch auf DVD) ist wirklich Klasse gelungen.


    :angel: Dies ist eine famose Ergänzung zu meinen bisher favorisierten Schumann-Aufnahmen auf CD. Ein klarer Kandidat für den BestBuy 01.Q/2014.
    :!: Das sind die Werke, von denen man gerne mehrere Aufnahmen haben muss !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ein klarer Kandidat für den BestBuy 01.Q/2014.


    Lieber teleton,


    na, wenn das so ist, dann bin ich ja beruhigt :)


    Mir sagt diese Blue-ray wie schon erwähnt auch sehr zu. Ob man da noch die SACDs sich holen sollte, weiss ich noch nicht. Wenn es nicht der gleiche Live-Mitschnitt ist, dann wird es wohl etwas anders sein, wohl auch hinsichtlich der Aufnahmetechnik, die ja bei jedem neuen Aufnehmen durch den anderen Raum und die notwendigerweise nicht genau gleiche Mikrofonierung zwangsläufig ein etwas anderes Klangbild ergeben sollte.
    Ob es sich hier aber um Studioaufnahmen mit vielen Schnitten (wie bei den Beethoven-SACDs) handelt, habe ich aus Zeitgründen noch nicht herausfinden können.


    Wenigstens könnte man eine Anschaffung der Aufnahmen, zusätzlich zu dem was man schon so hat, erwägen - sicher bin ich mir da noch nicht.
    Ich müsste vielleicht auch einmal die vorhandenen Ausschnitte mit den entsprechenden Stellen der Blue-ray vergleichen, aber für solche Aktionen habe ich momentan gerade keine Zeit.


    Gruss
    Glockenton


    PS.: Ich besitze die Schumann -Symphonien in den Fassungen der Herren Bernstein, Wand, Harnoncourt (die Vierte auch in der "normalen" Fassung mit den Berliner Philharmonikern), Karajan (Nr. 4) und nun Järvi. Jeder hat so seine Meriten...

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    teleton: Ich kann mir derzeit nur schwer vorstellen, dass P. Järvi meine Schumann-Favoriten Szell, Bernstein, Solti und Karajan in ihrer großorchestralen Sichtweise erreichen kann.

    Wir wissen ja beide, lieber Wolfgang, was Järvi und seine Bremer in Sachen Beethoven geleistet haben, und ich hatte das Vergnügen, ihn vor einigen Jahren beim SHMF in Kiel mit Schumanns Vierter erlebt zu haben, außerdem vor der Pause Mendelssohns Violinkonzrt mit Hillary Hahn und als Zugabe Beethoven: das Allegretto aus der Achten. Schon damals hat mich jeder Ton des Konzerts restlos begeistert, und ich hatte auch schon mehrfach mit dem Gedanken gespielt, die Schumann-GA anzuschaffen. Jetzt nach deinem und Glockentons begeisterten Berichten kann ich ja gar nicht mehr anders- schon bestellt, allerdings in Übersee, gegenüber Georgsmarienhütte eine Einsparung von 16 Euronen, und ich bin mit dem Lieferanten sehr zufrieden.
    Ich habe zwar auch Szell und Bernstein als erste Wahl in meiner Sammlung, dazu Konwitschny, Sawallisch, Levine, Marriner, und sehr gute Einzelaufnahmen von Günter Wand, Celi. Da wird sich Järvi gut machen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ein fast vergessener Zyklus der Schumann-Symphonien stammt von August 1956 (Walthamstow Town Hall, London) unter der Leitung von Sir Adrian Boult. Es könnte sich sogar um den ersten in Stereo handeln. Das Label First Hand hat die Aufnahmen tontechnisch hervorragend aufbereitet anhand der Originalbänder. Wie schon bei Brahms überrascht Boult auch hier. Ein sehr vorwärtsdrängender, paukenstarker, blechbläserbetonter Interpretationsstil, und doch majestätisch-elegant. Boult baut packende Rubati ein und liefert eine ganz neue Sicht auf diesen fast schon todgehörter Werke. Die Tonqualität ist wirklich unglaublich gut. Absolut empfehlenswert. Hörtipp: Bei Spotify kann man kostenlos alles anhören.


    Spielzeiten:


    Symphonie Nr. 1: 11:21 - 6:10 - 5:00 - 8:25
    Symphonie Nr. 2: 9:00 - 6:28 - 7:04 - 8:04
    Symphonie Nr. 3: 7:34 - 5:58 - 5:17 - 5:27 - 5:04
    Symphonie Nr. 4: 10:36 - 4:50 - 5:08 - 8:04

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner