Meinungsverschiedenheiten in Klassikforen und ihre Bewältigung

  • Meine Lieben,
    und hiebei wende ich mich auch an die Mitleser.


    Meinungsverschiedenheiten und Wortgeplänkel gehören schon im realen Leben "zum täglichen Brot" -
    aber in Internetforen haben sie eine ganz spezifische Qualität und Dynamik.


    Fragen wir uns einmal, wie solche Meinungsverschiedenheiten zustandekommen, und warum sie oft drastische Ausmaße annehmen können. Ferner, warum es manchmal besser ist sie hinzunehmen als"aufzuarbeiten"


    Entgegen meine sonstigen Art möchte ich VORERST das POSITIVE betonen, bzw in den Vordergrund stellen.
    In einer Zeit, wo viele meinen, klassische Musik sei eine veraltete, sterbende Kunstform ist wohl der oft mit Verbissenheit geführt Kampf für sein musikalisches Credo für seine Interpreten etc, ein zwar trauriger, aber immerhin "schlagender" Beweis dafür, daß Klassik lebt.


    Nun aber zu den von mir eruierten Gründen für Spannungen der Mitglieder untereinander.
    1) Was verbindet die Mitglieder eines Klassikforums
    2)was trennt sie ?


    zu 1)
    Die Liebe zu "klassischen Musik" die ihrerseits eine willkürlich gewählte Bezeichnung für ein Konglomerat von musikalischen Stilrichtungen, deren Gemeinsamkeit sich im gemeinsamen Oberbegriff erschöpft. Vivaldi,Mozart, Nono,Stockhausen - sie alle verbindet nur sehr wenig bis nichts.


    zu 2)
    Hier kann die Antwort schon ausführlicher ausfallen:


    a) die Vorliebe für einen bestimmten Zeitraum
    b) die Vorliebe für bestimmte Interpreten
    c) die Vorliebe für bestimmte Weltbilder politischer Natur, welche manche mit ihren musikalischen Vorlieben im Einklang sehen wollen.
    d) die verschiedene Generation
    e) die verschiedene Erziehung (anarchistisch-antiautoritär,liberal, konservativ, reaktionär, rechtslastig, religiös oder atheistisch)
    f') die verschiedenen Temperamente, von melancholisch über stoisch, cholerisch oder sanguinisch...
    c) die Wichtigkeit welches der Einzelne dem thema, bzw dem Forum einräumt.


    All das kann zu Spannungen führen.
    Wie der einzelen damit umgeht - das ist wieder eine Sache für sich.


    Manche kämpfen mit Lust und haben Spass daran verbale Spitzen auszuteilen. Sie geniessen es und sind enttäuscht, wen der "Gegner" nicht ebenfalls kontert.


    Manche fühlen sich stets angegriffen und neigen zum Rückzug


    Manche sehen es als Demütigung an, "niedergemacht" zu werden. Dementsprechend schar wird dann gekonntert.
    Das Forum als Podium auf welchem (intellektuelle ???) Machtkämpfe ausgetragen werden
    (Das sind die Threads mit den meisten Mitlesern, denn auch wenn man von Klassik so überhaupt nichts versteht - und sich deshalb auch nicht anzumelden getraut - es ist doch immer wieder schön, zu sehen weinn zwei sich "prügeln" - oder - noch besser - wenn jemand versucht aus dem Admin eine lächerliche Figur zu machen. Unterhaltung pur - ohne lästige Fachfragen...


    In solchen Fällen ist dann stets die Frage ob die Moderation einschreiten sollte.


    Die schweigende Mehrheit ist meist dagegen, jede Löschung von Beiträgen wäre dann Zensur !


    Die betroffenen Parteien indes möchten gerne einen regulierenden Eingriff der Moderation/Administration -
    jeweils zu ihren Gunsten - versteht sich


    Dan gibt es jene, die nach "Gerechtigkeit" rufen. Konflikte sollen "aufgearbeitet" werden.
    Dieser fromme Wunsch ist zumeist nicht praktikabel - weil solch eine "Aufarbeitung" egal wie sie gehandhabt wird, zum Verlust zahlreicher Mitglieder führt.
    Daher empfehle ich - und ich praktiziere es in der Regel auch für meine Person so -
    auf persönliche Angriffe (oder als solche empfundene) möglichst nicht zu antworten.


    Es ist nicht so, daß man dann (was viele glauben - und deshalb mit "ungebremster Faust losschlagen") in diesem Fall als der Unterlegene dasteht -denn man muß davon ausgehen, daß ein intelligenter Mitleser - bzw wer auch immer - sich in jedem Falle ein eignes Bild machen kann.


    Man sollte auch nicht erwarten, daß ein Forum eine Gruppe von miteinander befreundeten Leuten ist, wo sich jeder mit jedem verträgt. Es wird immer Leute geben, die einem gegen den Strich gehen -. man kann ihnen ausweichen.....das Forum ist groß genug.


    SACHLICHE Divergenzen indes - ohne Tiefschläge ausgefochten - sind indes das Salz in der Suppe eines Internetforums - zu große Meinungsübereinstimmung ist langweilig...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • qNatürlich bleibt es nicht aus das man auf dem Gebiet der Musik unterschiedlicher Meinung sein kann, das hängt zum größten Teil mit dem musikalischen Hintergrund zusammen, woher man kommt, von welcher Seite man sich der Musik genährt.
    Ob man die Vergangenheit dabei Mitaufgearbeitet hat oder ob für einen die Musik erst mit der Einführung der LP oder der CD anfängt.
    Manchen mögen es naturlistisch bis zum Schrei und anderen legen eher Wert auf eine rein musikalische Interpretation.
    Hier entsteht natürlich Diskussions- und auch Konflikpotential.
    Dennoch sollte man eigentlich davon ausgehen können, daß wir hier alle Erwachsenen genug sein sollten und auch eine dazugehörende Erziehung genossen haben sollten, die das Wissen voraussetzt wie man Konflikte argumentativ lösen kann.
    Ich gebe ganz offen zu, das mir bei manch einem in meinen Augen dümmlichen Kommentar auch schon der Kragen geplatzt ist und ich etwas deutlicher wurde und es tat mir offengestanden hinterher auch nicht leid.
    Dennoch sollte man sich, auch wenn man sich im Internet hinter einem Pseudonym bestens verstecken kann noch einigermaßen in der Gewalt haben, das wir hier nicht im Gossenjargon enden.


    Gruß


    Sven

  • Die Gefahr, hier im Gossenjargon zu enden sehe ich als letztes, werter Sven.


    Das Hauptproblem in einem Forum ist die zu starke gefühksmäßige Identifikation mit dem Geschriebenen.


    Man freut sich z.B. das über eine neue GA der Beethoven-Symphonien diskutiert wird. Kommen dann andere Meinungen, es sind nur Meinungen, wird entweder in einem anderen Thread geschrieben oder oft nur allgemein geantwortet.


    Oder, was mich am meisten aufregt: "Ja, aber der Bernstein, der hat doch die Beste...." Schon finden sich Schreiber, die dem beipflichten und einen Diskurs zu Grabe tragen. Gerade durch solche Beiträge bläht sich der Thread auf, wird unübersichtlich und Neueinsteiger haben oft keine Lust, den ganzen Wust zu lesen.


    Auf der anderen Seite sehe ich es gerade als sinnvoll an, zu einem Thema, was einem wichtig ist, alles zu lesen. Man zitiert dann einfach das, was einem gefällt und schreibt selber super dazu. Klar und übersichtlich.


    Wenn man dann über die Musik nachdenken möchte, einen Diskurs vielleicht anregen, schreibt man einen seperaten Beitrag mit einen deutlichen Überschrift.

  • Du sagst, lieber Thomas Sternberg:


    "Das Hauptproblem in einem Forum ist die zu starke gefühlsmäßige Identifikation mit dem Geschriebenen."


    Das sehe ich auch so und habe deshalb immer wieder, so lange ich jetzt diesem Forum angehöre, dafür plädiert, dass man doch die Sache, um die es jeweils geht, von der Person trennen möge, die sich auf eben diese Sache eingelassen hat, - in welcher Form auch immer.


    Ich musste lernen - und habe inzwischen begriffen - , dass dies nur schwer leistbar ist und deshalb nicht so ohne weiteres verlangt werden kann und darf. Im Grunde ist es ja zunächst einmal etwas Positives, wenn sich jemand mit dem, was er hier "postet" identifiziert und nicht einfach irgendetwas von sich gibt, hinter dem er gar nicht wirklich steht. Die Identifikation der Person mit der Sache ist, was die auktoriale Seite des Sachverhalts anbelangt, um den es hier geht, etwas, das dem Diskurs nicht wirklich schaden muss, - wenn...


    Und das ist nun der entscheidende Punkt, dieses "Wenn". Wenn der Autor eines Beitrags in der Lage ist, im diskursiven Prozess selbst nun Sache und Person auseinanderzuhalten. Und - das der zweite wichtige Punkt - wenn derjenige, der Stellung nimmt und damit in den Diskurs einsteigt, dies ebenfalls tut.


    Konkret heißt dies: Man sollte eine kritische Stellungnahme, die in sachbezogener Weise zu einem eigenen Beitrag erfolgt, nicht als Angriff auf die eigene Person verstehen. Der kritische Stellungnehmer wiederum sollte zwar zur Sache Stellung nehmen - wenn nötig in durchaus kritischer Weise - , aber er sollte die Person des anderen dabei außen vorlassen. Hieße also: Diese nicht in einem Zug mit der Kritik an der Sache mit attackieren oder gar beleidigen.


    Was auch zu dieser Fähigkeit gehört, die personale Identifikation mit der Sache im Diskurs aufheben und in Frage stellen zu können, ist, dass man nicht stur und in penetrant rechthaberischer Weise auf seinem Standpunkt beharrt, auch wenn der sich im Diskurs längst als obsolet erwiesen hat, weil durch Sachargumente widerlegt.


    Das ist eines der größten Übel in der Kommunikation auf der Ebene eines solchen Forums. Ich habe, so lange ich hier jetzt schreibe, noch nicht erlebt, dass einer von seiner zu Beginn des Diskurses vertretenen Meinung abrückt und eingesteht, dass er falsch lag. Auch wenn man sich mit seitenlangen Beiträgen um eine argumentativ-sachliche Widerlegung bemüht hat.


    Hinter all diesen Problemen steckt das, was Du die "zu starke Gefühlsmäßige Identifikation mit dem Geschriebenen" nennst. Wie gesagt: Ich meine, dass die zunächst einmal etwas Gutes ist.


    Aber nur dann, wenn sie nicht als unauflösliches Prinzip gehandhabt wird und als nicht in Frage stellbar verstanden. Dann ist sie in der Tat ein ganz großes Übel und der Feind jedes Diskurses in einem Forum wie diesem.


    Schlimmer noch: Das kann in regelrechte Gehässigkeit in den Stellungnahmen, in ironische Herablassung, ja sogar in regelrechte Feindschaft münden.


    Im Grunde eine Katastrophe!

  • Ich habe, so lange ich hier jetzt schreibe, noch nicht erlebt, dass einer von seiner zu Beginn des Diskurses vertretenen Meinung abrückt und eingesteht, dass er falsch lag.


    Stimmt nicht, lieber Helmut. Ich schätze Deine Beiträge immer, aber hier muß ich Dir widersprechen und Dir sagen, dann hast Du nicht alles gelesen. Ich habe zum Thema "Bierwerbung mit Anna Netrebko" meine anfängliche Meinung schon nach kurzer Zeit korrigiert. Die Beiträge und die Sicht anderer Mitglieder haben geholfen meine Meinung zu überdenken und mir eine andere Bewertung zu erschließen. Nicht sture Rechthaberei sondern auch das Überdenken anderer Meinungen ist u.a. Sinn einer Diskussion.
    Auf einen Beitrag seinerzeit von Wolfram, den ich falsch verstanden und interpretiert habe und daraus resultierend völlig falsch überreagierte, habe ich mich sogar entschuldigt.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Ich bitte um Entschuldigung, lieber Chrissy. Ich habe mich anscheinend wieder einmal nicht präzise genug ausgedrückt. Natürlich tätigte ich diese Feststellung nicht im Bezug auf den ganzen Diskurs hier im Forum. Ich sprach von meiner ganz subjektiven Erfahrung.


    Um so besser, jetzt von Dir hier bestätigt zu bekommen, dass es diese Bereitschaft und Fähigkeit, die eigene argumentative Position in Frage stellen zu lassen und sie gegebenenfalls zu korrigieren, hier unter den Mitgliedern im Forum durchaus gibt.


    Ich hatte das ja auch nicht generell bezweifelt. Ich sprach nur von dem, was ich selbst hier im Forum erlebt habe. Und diese Erfahrungen sind in der Tat so, wie ich sie hier indirekt charakterisierte, - einschließlich der - im Grunde erschreckenden - Möglichkeit, in einem eigentlich sachbezogenen und sachlich intendierten Diskurs auf Ironie und Gehässigkeit in den Stellungnahmen dazu zu stoßen.


    Wenn mein letzter Beitrag so gelesen werden kann, dass diese ganz subjektive Erfahrung Allgemeingültigkeit für den gesamten forialen Diskurs hier beanspruchen sollte, dann habe ich mich schlecht ausgedrückt und bedauere das.
    Was ich gleichwohl meine, ist dieses: Es gibt dieses Problem. Und es ist der Eigenart der Kommunikation in einem Internetforum durchaus inhärent. Das ist ja die Fragestellung dieses Threads.


    Meine diesbezüglichen Erfahrungen beschränken sich zwar auf dieses Forum hier, dennoch sind sie, wie ich glaube, verallgemeinerbar, weil sie struktureller Art sind.
    Die Kommunikation findet in der Regel auf der Grundlage einer umfassenden und bedingungslosen personalen Identifikation mit dem diskursiven Beitrag statt. Und die Fähigkeit, sich - zumindest partiell - im Dialog mit dem anderen von dieser personalen Identifikation zu lösen und zu befreien, erfordert eine diskursive Kompetenz, über die leider nicht jeder verfügt.


    Ein Beispiel, damit das hier nicht so abstrakt bleibt:
    Angenommen, ein Mitglied des Forums liefert zu einem bestimmten musikalischen Werk eine Interpretation, die aus der Sicht eines anderen Mitglieds nicht haltbar ist, weil nicht nur mit dem Notentext nicht vereinbar, sondern diesem sogar widersprechend. Dieses Mitglied versteht diesen Beitrag aber als seine ganz persönliche Interpretation und identifiziert sich damit also.


    Wenn der Kritiker nun also mit Argumenten, die sich auf den Notentext stützen und in gar keiner Weise diese personale Identifikation in die Kritik mit einbeziehen, Stellung zu einem solchen Beitrag nimmt, dann muss man erwarten dürfen, dass der andere eine solche kritische Stellungnahme nicht als Angriff auf seine Person versteht, sondern seinerseits mit Sachargumenten dagegenhält.


    Aber eben nur(!) mit Sachargumenten, - und nicht mit Angriffen auf die Person des Kritikers!

  • Zitat

    Zitat von Helmut Hoffmann: Ich habe, so lange ich hier jetzt schreibe, noch nicht erlebt, dass einer von seiner zu Beginn des Diskurses vertretenen Meinung abrückt und eingesteht, dass er falsch lag

    Lieber Helmut,


    auch ich bin da nicht ganz derselben Meinung. Wenigstens habe auch ich unter Betrag 156 zum Thema "Warum schreibt ihr nicht" Wolfram widersprochen, der dich als anmaßend bezeichnet hatte. Im Beitrag 213 Zu "Welche Anforderungen stellt....", habe ich klargestellt, dass ich keinen Verdacht gegen dich hegte, etwas von anderen in Frage zu stellen, sondern nur ein Zitat von Zweiterbass bekräftigen wollte. Ebenso nenne ich meine Entschuldigung unter Beitrag 94 an Caruso41, dass ich ihn nicht vollständig genug gelesen hatte. Aber soll ich meine Meinung ändern, wenn mich keine Gegenmeinung - die ich durchaus gelten lasse - davon überzeugen kann, dass meine Meinung falsch ist, die sogar von vielen anderen mit gleicher Meinung bestätigt wird (Ich denke da z.B. an meine und die Meinung vieler Mitglieder im Forum zum sogenannten Regietheater)? Hast du dich bisher im Forum von deiner Meinung abbringen lassen? Konntest du dich bisher in einer Angelegenheit, die du vertreten hast, eines anderen überzeugen lassen und hast erklärt, dass deine Meinung falsch war? Musst du das? Wenn wir alle einer Meinung wären, könnten wir hier einen gemeinsamen Chorgesang anstimmen und das Forum abschließen. Ich meine - und das habe ich schon mehrfach betont - solange sachlich Argument gegen Argument gestellt wird, und keine - auch nicht unterschwellige persönliche Angriffe erfolgen, kann jeder ruhig bei seiner Meinung bleiben. Dennoch wird für jeden etwas Bedenkenswertes dabei herausspringen. Und da habe ich - ohne es jetzt nach eventuell aufwendiger Recherche zitieren zu können - auch in verschiedenen Beiträgen den Eindruck gehabt, dass Mitglieder bestimmte Argumente für bedenkenswert hielten, auch wenn sich dadurch vielleicht ihre grundsätzliche Meinung nicht änderte. Ich meine aber auch schon gelesen zu haben, das einige zugaben, in einer bestimmten Richtung falsch gelegen zu haben. Für mich kann ich sagen, dass viele Beiträge - auch wenn die darin geäußerte Meinung nicht immer die meine ist - meinen Horizont erweitern. Man betrachte nur einmal die oft gegenteiligen Meinungen zu Opernsängern. In diesem Thema aber werde ich mich hüten, mich zu äußern, da ich aufgrund meiner Ausbildung nicht in der Lage bin, einen Sänger oder eine Sängerin ausreichend zu beurteilen. HIer könnte ich nur meinem Empfinden nach gehen, und da gibt es für mich hier und da die Erkenntnis, dass mich mein Empfinden über bestimmte Mängel hinweggetäuscht hat. Aber da ich in diesem Thema nicht mitdiskutiert habe, sehe ich auch keinen Anlass, offen zu sagen, dass ich falsch lag.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    ich habe Deinen Beitrag aufmerksam gelesen. Ich widerspreche Dir in keinem einzigen Punkt.


    Ich stoße beim Lesen dessen, was Du anführst, immer wieder auf das Wort "Meinung" . Aber um Meinungen ging es mir in dem, was ich ausführte, gar nicht. Es ging mir um den Umgang mit Sachargumenten. Wenn hier Meinungen aufenandertreffen, ist in der Regel nicht viel auszurichten. Da kann man einfach nur seine eigene Meinung dagegensetzen und abwarten, wie der andere darauf reagiert. Meistens läuft das darauf hinaus, dass so lange Meinung gegen Meinung gesetzt wird, bis einer aufgibt.


    Was mich beschäftigt und nachdenklich, zuweilen auch höchst ärgerlich stimmt, ist die Art und Weise, wie mit dem sachlch argumentierenden Gesprächspartner umgegangen wird. Es kann ihm passieren, dass nicht auf der gleichen, eben der sachlichen Ebene, auf ihn reagiert wird, sondern dass er als Person zum Beispiel mt einem moralischen Verdikt überzogen oder ganz einfach ironisch abgefertigt wird.


    Das Grundproblem ist ja hier in Wirklichkeit ein viel gravierenderes, und das hat der Initiator dieses Threads gar nicht in seiner Liste der diskutablen Aspekte.


    Ich bringe es mal auf eine einfache Formel: "Die "Älteren" unter uns Forianern kennen einander schon viel zu lange. Jeder hat sich von dem anderen inzwischen ein Bild gemacht und bringt dieses bei jeglicher Stellungnahme zum Beitrag des anderen mit ins Spiel. Sehr oft gar nicht mal willentlich, - zuweilen aber doch leider auch. Und damit kommt eine personale Komponente in die Ebene der Sachdiskussion, die ich für höchst bedenklich halte.


    Als ich die Eröffnung dieses Threads las, war mir klar, dass ich - eben dieser "Helmut Hofmann" - hier nur einen objektiv diskutablen Beitrag liefern könnte, wenn ich ihn unter einem Pseudonym abgäbe. Nur dann wäre eine nüchzerne, reflexive Auseinandersetzung mit der Problematik möglich gewesen, die Alfred Schmidt auf eine gleichsam abstrakte Ebene zu heben versucht hat.


    Als "Helmut Hofmann" nehmen mir wahrscheinlich einige das Bemühen um eine objektive reflexive Auseinandersetzung mit der Problematik dieses Threads gar nicht mehr ab. Sie lesen aus meinen Beirägen eine personal-subjektive Komponente heraus, - was auch immer ich hier sagen mag.


    Ich beklage mich darüber aber gar nicht. Ich tue das deshalb nicht, weil ich inzwischen weiß, das dies ein unvermeidlicher Begleiteffekt jeglicher länger währenden Anwesenheit in einem Internet-Forum ist.

  • Lieber Helmut,


    auch ich habe deinen Beitrag aufmerksam gelesen und gebe dir Recht. Allerdings habe ich das Thema anders gelesen, weil es "Meinungsverschiedenheiten und ihre Bewältigung" heißt. Und für mich ist Meinung immer irgendwie mit der Person verbunden. Und Bewältigung bedeutet für mich, dass jeder soviel Toleranz besitzen muss, die Argumente des anderen zur Sache zu akzeptieren ohne seine eigenen Argumente mit persönlichen Angriffen (dazu gehören auch ironische Bemerkungen, die das Argument des anderen herabsetzen oder gar lächerlich machen wollen), Diffamierungen usw. durchsetzen zu wollen. Anders sieht es aus, wenn mir bewiesen wird, dass ich in der Sache falsch lag. Da müsste ich dann so ehrlich sein, zuzugeben, dass ich im Irrtum war. So habe ich das Thema gesehen, wobei ich durchaus auch auf einem Irrweg sein könnte.
    Wie du habe ich mir auch kein Pseudonym zugelegt. Aber auch unter einem Psydonym, dass ja dann in vielen Beiträgen verwendet wird, erkennt man doch sehr bald den Menschen, der dahinter steckt, auch wenn man seinen Namen nicht weiß. Die Problematik, die du ansprichst, dürfte auch da dieselbe sein.
    Übrigens hatte ich meinen Beitrag Nr. 7 gleichzeitig mit deinem Beitrag Nr. 6 geschrieben. Da hatte ich deine Antwort auf Crissys Einwand noch nicht gelesen, die ich erst entdeckte, nachdem ich ihn abgesandt hatte


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da habe ich wohl in die falsche Richtung "gepostet".


    Du hast recht, lieber Gerhard: Das Thema lautet: "Meinungsverschiedenheiten in Klassikforen". Und ich habe eigentlich Maßstäbe angelegt, wie sie im Grunde für einen fachwissenschaftlichen Diskurs gelten. Eigentlich ein Unding, wie ich aufgrund Deines Einwandes inzwischen begreife.


    Vielleicht liege ich ja mit all dem, was ich ,die Kommunikation hier im Forum betreffend, kritisch anzumerken habe, völlig daneben. Ich bin in dieses Forum eingetreten, weil ich einen Ort suchte, an dem ich mich mit anderen über das Kunstlied würde austauschen können. Und diese spezielle Abteilung des Tamino-Forums habe ich lange Zeit überhaupt nicht verlassen. Keine Ahnung davon hatte ich, was da ansonsten noch so kommunikativ tat.


    Als ich dann zum ersten Mal sozusagen um mich blickte, war ich höchst verwundert. Nein, das war sogar ein Schock! Ich hatte ein veritables Internet-Forum betreten, in dem es um weitaus mehr und gänzlich anderes ging, als um die rein fachlich ausgerichtete Kommunikation über eine ganz spezielle musikalische Gattung.


    Wahrscheinlich, so denke ich anlässlich des Nachdenkens über die Thematik dieses Threads, komme ich bis heute nicht mit dieser so ganz eigenen Kommunikationsform eines Internet-Forums zurecht. Daher meine ganz spezifischen kritischen Beiträge. Und daher auch meine Verwunderung darüber, dass man in dieser so ganz und gar virtuellen Welt auf so etwas wie urmenschliche Regungen trifft: Sympathien, Antipathien und Schlimmeres.


    Eigentlich, so denke ich inzwischen, sollte einer wie ich sich auf das konzentrieren, um dessentwillen er hier eingetreten ist: Die Stellungnahme zu rein musikalischen Themen. Das Dumme ist nur, dass diejenigen, die zu diesen Stellungnahmen ihrerseits "Stellung nehmen", dies teilweise mit einer ganz anderen Haltung tun als ich.


    Dieser Beitrag liest sich wie ein persönliches Bekenntnis, ist aber in Wirklichkeit eine Art exemplarisches Dokument im Sinne der Fragestellung dieses Threads.

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  • Lieber Helmut,


    ja, ich glaube, wir beide sind mit unterschiedlichen Erwartungen hier eingetreten. Ich finde es gut, dass dieses Forum verschiedenen Erwartungen Raum gibt. Meine Anregungen zum Eintritt erhielt ich, als ich beim Suchen nach einem bestimmten Operninhalt dieses Forum fand und dann auch in anderen Themen herumstöberte. Dabei fand ich auch Themen, in denen ein reiner Meinungsaustausch stattfand und zu denen ich auch einiges aus meiner Sicht zu sagen hatte. Daneben habe ich mich auch dafür interessiert, dass der Opernführer weiterentwickelt wurde und habe dort schon eine Reihe Beiträge geleistet. Deine Interessen liegen auf einer etwas anderen Ebene, in der ich mich nicht kompetent genug fühle, mitzureden. Dennoch sind auch diese Themen für mich interessant, weil ich, der ich musiklaisch vielseitig interessiert bin, viel Neues und Wissenswertes für mich erfahren habe und auch schon manches eigene Wissen und manche eigene Betrachtungsweise erweitern bzw. revidieren konnte. Aber dort lese ich dann nur mit. Leider kann man nicht alle Themen lesen, denn diese sind - und auch das finde ich an diesem Forum bemerkenswert - sehr vielseitig. Und da ich erst ein gutes halbes Jahr dabei bin, werde ich es wohl nie schaffen, das alles nachzuholen, woran ich interessiert bin. Wir müssen uns sicher beide auf bestimmte Bereiche beschränken.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • So ist das nun mal mit den Meinungsverschiedenheiten...


    Lieber Helmut, lieber Gerhard,


    auch ich bin mit Erwartungen hier eingetreten, die einesteils übererfüllt aber auch andererseits deutlich machten, wo die Grenzen der Erwartungen liegen. Mit über 6000 CD und fast 300 DVD (alles klassisch, versteht sich) im Rücken dachte ich, mitreden/schreiben) zu können. Das trifft aber nur bedingt zu. Das liegt einmal daran, dass es sich hier um ein Forum handelt, das in seiner Vielfältigkeit einmalig ist und zu anderen daran, dass bei rund 800 Mitgliedern das Niveau von nur Musikgernhörern bis hin zu Professionalität reicht. Ich habe fast ein Jahr nur gelesen und mich erst dann entschieden, Alfred anzurufen und beizutreten. Das habe ich bis heute nicht bereut. Aber es war auch ein Lernprozess. Ich will damit sagen, es macht wirklich Sinn, sich genau zu überlegen, wo man Beiträge postet in der Hoffnung, auch ein Feedback zu bekommen. Das Liedforum zB. ist auf so hohem Niveau gestartet und geblieben, dass sich nur ein elitärer Kreis dort tummelt. Trotzdem: Eine große Bereicherung. Ich hoffe nur, dass nach Liszt auch Weber noch drankommt, der ja auch die Musik von über 90 Liedern komponiert hat. Wer beim Sammeln Schwerpunkte gebildet hat, kann nichts falsch machen, wenn er sich zu Schwerpunkten, von denen er meint, etwas zu verstehen, sich hier zu Wort meldet. Bei allgemeinen Themen ist das natürlich völlig anders, hier ist jeder aufgerufen, der meint, etwas sagen zu können, wenn er denn will. Dabei ist es völlig egal, ob man ein religiöser Mensch ist oder nicht. Da ich kaum noch Opern- und Konzertbesuche mache, bin ich natürlich allen sehr dankbar, die bei Live-Aufführungen dabei waren und darüber berichten.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Deiner Feststellung, lieber Bernward, dass das Tamino-Forum "in seiner Vielfältigkeit einmalig ist", stimme ich ja gerne zu, ebenso Deinem Bekenntnis, dass man den Beitritt zu demselben nicht zu bereuen habe.


    Aber wir sollen hier ja nicht von unserem Forum reden. Alfred Schmidt hat die Fragen und Probleme, die in einem inzwischen "versenkten" Thread zutage traten, ganz bewusst auf die Ebene der Akstraktheit gehoben, und das ist zu respektieren. Es geht hier also um die Probleme von Internet-Foren ganz allgemein (wobei ich mich als Taminoaner eigentlich dagegen wehren möchte, mit einem x-beliebigen Internet-Forum auf eine Ebene gesetzt zu werden. Muss aber hier nicht mein Problem sein!).
    Aus diesem Grund möchte ich an dem Motto Deines Beitrags ansetzen:


    "So ist das nun mal mit den Meinungsverschiedenheiten..."
    Ja, so ist das nun einmal. Und "Meinungsverschiedenheiten" sind ja auch nicht wirklich die Quelle der Probleme, die ein Internet-Forum belasten können. Im Gegenteil: Davon lebt es doch eigentlich! Nichts schlimmer, als wenn sich darin lauter nüchterne und trockene Sachbeiträge fänden. Keiner würde es auf seinem Computer anklicken, die Leser blieben weg und damit auch die finanzielle Beteiligung von Wirtschaftsunternehmen an diesem Forum (von der ich nichts verstehe; nur vermute, dass es diese gibt. Wogegen ja auch nichts einzuwenden ist).


    Nein, - nicht die "Meinungsverschiedenheiten" sind das Problem, sondern die Art und Weise, wie sie in den Forums-Diskurs eingebracht werden. Ich stelle mir jetzt gerade mal vor, einer würde mir in einem Beitrag zu meinem Thread in einem beliiebigen Internet-Forum zu dem Thema "Franz Liszt und seine Lieder" vorhalten, ich beurteilte diese Lieder zu kritisch, ginge mit einem Grundverständnis von Kunstlied an diese heran, das von Schubert und Schumann hergeleitet sei und aus diesem Grund dem Liedkomponisten Liszt in gar keiner Weise gerecht werden könne, da sich dieser ja gerade davon absetzen wollte und ganz bewusst etwas Neues schaffen. Im übrigen fände er die Lieder Lizsts großartig, könne gar nicht genug davon hören und fände meine "Herumkritelei" an diesen im übrigen unverständlich.


    Gegen eine solche Meinungsverschiedenheit wäre aus meiner Sicht nicht nur nichts einzuwenden, ich fände sie sogar überaus begrüßenswert, würde sie mich doch zu einer regelrechten, auf die Sache bezogenen und gegründeten, "Stellungnahme dagegen" herausfordern.


    Gesetzt den Fall aber, ein Mitglied des Forums nimmt zu einer Besprechung eines Liszt-Liedes in der Form Stellung, dass an einer bestimmten Stelle eingehakt wird, um zu zeigen, dass der Verfasser eigentlich nicht wirklich kompetent ist, sich auf eine solche Sache einzulassen. Das kann auf eine höchst subtile Weise geschehen: Etwa so dass man die Frage stellt, ob der Verfasser denn über ganz besondere Kenntnisse verfüge, wenn er eine "große Sekunde" eine "normale Sekunde" nenne, wo doch das eigene Musiklexikon zwischen "kleinen", "großen, "verminderten" usw. "Sekunden" unterscheide.


    Eine solche Frage ist eigentlich höchst hinterhältig, weil sie darauf abzielt den anderen vorzuführen. Und so etwas gehört leider zu den "Spielchen", die in Internet-Foren getrieben werden, weil es auch dort, wie auf jedem ganz gewöhnlichen realen Marktplatz einer Stadt, in zuweilen exzessiver und höchst unangenehmer Weise "menschelt".


    So viel als neuen Beitrag zur abstrakten Ebene dieses Threads.