Über den Zenit hinaus: über Treue und Verehrung von Künstlern

  • Lieber William B. A.


    es gibt Künstler die fast einen sakrosankten Status erreicht haben. Solche Sänger sind dann nicht mehr mit normalen Maßstäben zu messen. Egal was sie tun ihre Anhänger bejubeln ihr Idol. Die Stellung hat sich Pavarotti durch seine Leistungen in jungen Jahren geschaffen. Dann verselbständigte sich die Pavarotti-Hype jedoch so sehr, dass er unantastbar wurde. Ich erlebte selbst in der Schleyer-Halle in Stuttgart seinen letzten Auftritt. Er konnte nicht mehr stehen, sang im sitzen. Die meisten Arien wurden nicht zu Ende gesungen. Ein Bild des Jammers, mit wehmütigem Bedauern von uns dreien - aber ansonsten Jubel ohne Ende. Wahrscheinlich ein massenpsychologisches Phänomen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Mein lieber operus,


    dein Bericht über Pavarotti hat in mir traurige Gefühle ausgelöst. Nicht nur, dass er "nur" in seinen Jugendjahren Maßstäbe gesetzt hat, er hat uns auch viele Jahrzehnte große Abende geschenkt.


    Dazu kommt, dass wir Wiener einen Liebling nicht fallen lassen, auch wenn er stimmlich nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie wir die della Casa, den di Stefano, den Bastianini, den Hotter, die Seefried, die Simionato, die Baltsa und viele andere - natürlich auch Pavarotti - von Herzen gefeiert haben, als ihre Karrieren sich dem Ende zuneigten, und als Dank haben diese wunderbaren Künstler landauf-landab immer wieder ihre Verbundenheit zum treuen Wiener Publikum kundgetan.


    Doch zu Kurt Moll: Dieser herrliche Legato-Baß hat auch immer wieder das Publikum zu Recht begeistern können, zumal er uns wunderbare Abende geschenkt hat. Möge er sich bester Gesundheit erfreuen!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Lieber Milletre,


    deine Gefühle kann ich gut verstehen. So ähnlich erging es mir, als ich René Kollo in der Tannhäuser-Aufführung 1994 aus München sah. Obwohl er darstellerisch immer noch sehr intensiv wirkte, war er stimmlich nur noch ein Schatten seiner selbst. Donnoch war ich fasziniert von diesem Mut, sich hier noch einmal zu stellen, und Zubin Mehta und sein Orchester taten ein übriges, um diese Aufführung außergewöhnlich zu machen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo, Ihr beiden Lieben,


    Das ist wahre Verehrung und Liebe zu einem Sänger, dass man auch in schwierigen und schwersten Zeiten vorbehaltlos zu ihm steht. Diese Intensität der Gefühle scheint bei unseren Wiener-Freunden besonders ausgeprägt zu sein. Wen die Wiener einmal in ihr Herz geschlossen haben, dem halten sie offenbar "ewig" die Treue. Die andere Seite der Medaille ist, wer in Wien durchgefallen ist oder sich unbeliebt gemacht hat, der hat es sehr sehr schwer, sich deren Herzen wieder zurück zu erobern.


    Ich meine wir, die ihren Sängerlieblingen bedingungslos die Treue halten, müssen aufpassen, dass wir von kritischeren Geistern nicht als voreingenommen, realitätsfern und parteiisch eingestuft und dafür verurteilt werden. Gerne gestehe ich, dass ich in allen zwischenmenschlichen Beziehungen praktisch immer zu einmal enstandenen Sympathien stehe, die ich dann auch nicht mehr hinterfrage Für psychologisch Interessierte, dies nennt man "kognitive Dissonanz" nach Festinger.
    Ach so Fachbegriffe sollen ja erklärt werden , wie in einem anderen Thread gefordert. "Kognitive Dissonanz" heißt, dass wir dazu neigen, eine einmal getroffene Entscheidung vor uns und anderen zu rechtfertigen und zu verteidigen. Wir nehmen subjektiv schwerpunktmäßig auch nur noch das wahr , was für unsere einmal getroffene Entscheidung spricht und verdrängen gerne alles, was nicht in dieses Weltbild passt. Haben wir beispielweise eine feststehende poltische Meinung hat der Kandidat unserer Richtung von vorne herein einen Sympathievorsprung und höhere Glaubwürdigkeit , während wir jeder anderen Meinung weit kritischer gegenüberstehen.
    So ist das sicherlich auch im Verhältnis zu unseren Sängerlieblingen.
    Herzlicht
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich meine, wir ... müssen aufpassen, dass wir von kritischeren Geistern nicht als voreingenommen, realitätsfern und parteiisch eingestuft und dafür verurteilt werden.


    Wieso? Das ist doch geradezu die Definition für einen echten Opernfan! Warum sich also verleugnen?


    :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Wieso? Das ist doch geradezu die Definition für einen echten Opernfan! Warum sich also verleugnen?

    Einspruch, Euer Ehren, entschiedener Einspruch!
    Ich denke, dass Operus absolut recht hat:


    Ich meine wir, die ihren Sängerlieblingen bedingungslos die Treue halten, müssen aufpassen, dass wir von kritischeren Geistern nicht als voreingenommen, realitätsfern und parteiisch eingestuft und dafür verurteilt werden. Gerne gestehe ich, dass ich in allen zwischenmenschlichen Beziehungen praktisch immer zu einmal enstandenen Sympathien stehe, die ich dann auch nicht mehr hinterfrage Für psychologisch Interessierte, dies nennt man "kognitive Dissonanz" nach Festinger.


    Ich kann doch leidenschaftlicher Fan einer Sängerin und eines Sängers sein und gleichwohl genau hören und kritisch hören - und es tut meiner Begeisterung doch keinen Abbbruch, wenn ich dann auch ehrlich einräume, was nicht gelungen ist!


    Ganz sicher übertrifft mich niemand in meiner Liebe zu Sandor Konya.
    Zumal der junge Sandor Konya (also bis etwa 1958/59) ist für mich der Tenor, den ich in seinem Fach lieber gehört und mehr geschätzt habe als jeden anderen Tenor.
    Aber macht mich das taub?
    Wäre es nicht geradezu absurd, wenn ich ihn als den idealen Rodolfo, Hoffmann, Riccardo oder Don Jose preise aber mich gar nicht traue, wirklich genau hinzuhören.
    Damit würde ich doch indirekt eingestehen, dass ich ihn nicht ernst nehme und nicht einmal wage, ihn an Kriterien und Standards zu messen, die nun mal für die Gesangskunst gelten.
    Deshalb habe ich auch in dem Konya-Thread mal genauer erörtert, warum Konya Ende der 50er Jahre nicht mehr mit seinen hellen strahlenden Hohen Cs prunken konnte.


    Puccini oder Wagner? - oder beides: Der Tenor SANDOR KONYA


    Ist damit Konya als einer der zentralen Tenöre in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschädigt? Nein, wirklich nicht!!!


    Da hat Operus nun wirklich absolut Recht:
    Wer diesen oder jenen Sänger liebt, tut sich und ihm doch keinen Gefallen, wenn er so tut, als gäbe es gar keine Schwächen oder Mängel.
    Den perfekten Sänger gab es nie und wird es nie geben.
    Mein Plädoyer für einen Konya oder meinetwegen Björling oder Pavarotti wird doch nur ernst genommen, wenn ich sagen kann, warum ich ihn so sehr schätze und was an ihm so bemerkenswert und anziehend ist. Und wem schadet es, wenn ich auch sage, dass ich durchaus höre, dass in dieser oder jener Hinsicht Einwände nicht unberechtigt sind - sie mich aber nicht davon abbringen, ihn zu verehren, ja zu lieben?


    Nur so bleibe ich doch im Diskurs der Opern-Aficinados und Melomanen anschlussfähig (wie man das heute in der Diskurstheorie nennt).
    Wenn ich nur meine Verehrung und Liebe ausdrücke, kann ich mich eigentlich mit niemandem mehr austauschen ausser mit anderen, die auch dem Sänger bedingungslos ergeben sind!
    Als Kenner werde ich dann aber bald wohl nicht mehr ernst genommen.


    Caruso41


    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Danke - lieber Caruso für die Unterstützung in der wieder einmal interessanten Diekussion.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus, lieber Caruso et al.
    Da bin ich ganz auf eurer Seite. Wenn ich herausstrich, dass das Publikum seinen Lieblingen die Treue bis zum (oft bitteren) Ende erwies, so heißt dies doch nicht, dass es deshalb eine unkritische Fanmeute ist.


    Für mich als bekennenden Karajan-Fan ist es völlig legitim, auch dessen Schwachpunkte zu benennen, auch wenn ein "harter Kern" der HvK-Anbeter davon nichts hören mag. Was ich allerdings verurteile, sind böswillige substanzlose Phrasen, wie "leider unter Karajan" oder wenn man seine Auffassung von Musikrealisation deshalb verurteilt, weil er z.B. auf Schönklang bedacht ist. Natürlich ist es jedermanns Recht, eine Interpretation zu mögen oder nicht. Aber bitte bei Nichtgefallen, und das gilt für alle ausübenden Künstler, die Kritik nicht bösartig oder arrogant-abwertend zu verfassen, sondern mit substantiellen Argumenten zu begründen - das wäre meine große Bitte.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Natürlich ist es jedermanns Recht, eine Interpretation zu mögen oder nicht. Aber bitte bei Nichtgefallen, und das gilt für alle ausübenden Künstler, die Kritik nicht bösartig oder arrogant-abwertend zu verfassen, sondern mit substantiellen Argumenten zu begründen - das wäre meine große Bitte.


    Da kann ich nur bedingungslos zustimmen!!!


    Allerdings erwarte ich auch von denen, die einen Sänger preisen, dass sie "substanzielle Argumente" bringen
    Leider ist das gerade in der Rubrik "Die berühnmte Stimme - Sängerportrait" überhaupt nicht gängiger Brauch.
    Da werden Panegyriken geschrieben, als seien die Taminos Werbetexter für ihre Idole. (Für unsere Fremdwortallergiker: Im heutigen Sprachgebrauch versteht man unter einer Panegyrik eine distanzlose, lobhudelnde Schmeichelrede. In der Antike war die Panegyrik ursprünglich die aus festlichem Anlass gehaltene - meist sehr prunkvolle - Lobrede, in der natürlich jeder kritische Ton als unpassend gegolten hätte. Aber bald verstand man als Panegyrik schon eher den auf
    Effekte berechneten und das Publikum damit verführenden und letztlich verdummenden Stil.)
    Damit kann ich als Leser wirklich nicht viel anfangen. Das sollten wir den Agenturen und Vermarktern überlassen.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Hallo, Caruso41!


    Wenn ich in die "berühmte Stimme" einen Sänger oder Sängerin in den höchsten Tönen lobe, ist das meine persönliche Ansicht und mein persönlicher Geschmack. Das soll heißen, daß mir dessen oder deren Stimme so zusagt, um sie zu meinen Favoriten zu zählen. Darum äußere ich dazu dort meine Meinung. Jedem ist es überlassen, ob er dem zustimmt oder nicht. Wenn Dir das nicht genügt, kannst Du das ja ignorieren.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

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  • Wenn ich in die "berühmte Stimme" einen Sänger oder Sängerin in den höchsten Tönen lobe...


    Was heisst denn bitte "in den höchsten Tönen"?
    Sind das Töne, in die man nur noch einstimmen kann oder sind das Töne, die auch eine kontrakunktische Intervention zulassen?



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Es gibt stichhaltige Argumente für bedingungslose Treue aber ebenso welche für den Erhalt einer gewissen kritischen Distanz zu einem verehrten Idol. Für mich möchte ich diesen Teil der Diskussion mit einem Beispiel abschließen. Selbst wenn ich ein Kind maßlos liebe muss ich als verantwortungsvoller Vater wenigstens versuchen, meinen Liebling ganzheitlich, also mit seinen Stärken und Schwächen wahrzunehmen. Die Stärken sollten kommunikativ verstärkt und die Schwächen und Fehler wenigsten aufgezeigt und angesprochen werden. Ein Fehler der sogeannten antiautoritären Erziehung war, dass kein Verhaltensrahmen und keine Grenzen aufgezeigt und gesetzt wurden. Das reale Leben zeigt später die Grenzen um so schmerzlicher auf.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ein Fehler der sogeannten antiautoritären Erziehung war, dass kein Verhaltensrahmen und keine Grenzen aufgezeigt und gesetzt wurden.


    Der Fehler der autoritären Erziehung war (und ist?), dass man sich eigener Schwächen nicht bewußt war/ist oder sie sich nicht eingestehen wollte/will. Das Eingestehen eigener Schwächen dem Kind gegenüber - altersmäßig abgestuft - wurde/wird völlig (?) übersehen.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die bisherigen Beiträge waren eine Nebendiskussion im Thread über Kurt Moll. Sie sind interessant genug, dass sie einen eigenen Thread verdienen. In Negativformulierung hatten wir schon mal einen ähnlichen Thread. Die Frage indes stellt sich immer wieder. Auch meine Verehrung für Rudolf Schock verleitet mich nicht dazu, seine Schwächen schönzureden. Das #ndert nichts daran, dass er ein von mir sehr verehrter Säntger ist und bleibt. Auch bei den Instrumentalisten stellt sich die Frage, wenngleich auch anders: kann etwa der verehrte Aldo Ciccolini bei den beiden Klaviierkonzerten Ravels mit Samson Francois mithalten? Ehrlicherweise geb ich zu, dass Ciccolini, so brilliant er die beiden Konzerte spielt, im Ausdruck weder mit Samson Francois, noch mit Monique Haas mithält. Was meiner Verehrung keinerlei Abbruch tut.


    Eine Frage an Milletre: war tatsächlich eine della Casa zu erleben, die über ihren Zenith hinaus war? Meiner Erinnerung nach hat die doch mitten in ihrer Blütezeit aufgehört ("Man nimmt uns Künstler, presst uns aus wie Zitronen und wirft uns dann weg" so in etwa die Begründung für den abrupten Rückzug).


    Die Ausführungen zu Pavarotti streifen noch einen weiteren Anspekt: auch ich durfte einen Pavarotti erleben, der 1990 meilenweit von den Leistungen der Jugendjahre entfernt war. Dennoch war die Domplatte (es war ein open-air-Konzert) zum Bersten voll, die Suiten in dne umliegenden Hotels mit Blick auf den Roncalli-Platz restlos ausgebucht. Das hatte mit der zu erwartenden künstlerischen Leistung gar nichts mehr zu tun. Man erwartete den Star, und der konnte eigentlich machen, was er wollte. Der Applaus war frenetisch.


    Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: es ist gewiss kein Sakrileg, Schwächen von Künstoler aufzuzeigen. Der verehrungs tut's ohnehin keinen Abbruch.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich kann beide Positionen verstehen, aber mir tut es doch weh, wenn ich sehe, dass ein von mir verehrter Sänger abbaut, sodass ich ehrlicherweise sagen muss: hör auf, solange du noch eine Reputation hast. Da dies ein solcher Sänger von sich aus selten sagen wird (man wird ja süchtig nach der Bühne, das weiß ich als ehemaliger Amateurschultheaterschauspieler), müssen das seine Freunde tun. An der Düsseldorfer Oper gibt man solchen Sängern oft ein Gnadenbrot in Form von Nebenrollen, was für mich ein akzeptabler Kompromiss ist.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Eine Frage an Milletre: war tatsächlich eine della Casa zu erleben, die über ihren Zenith hinaus war? Meiner Erinnerung nach hat die doch mitten in ihrer Blütezeit aufgehört ("Man nimmt uns Künstler, presst uns aus wie Zitronen und wirft uns dann weg" so in etwa die Begründung für den abrupten Rückzug).

    Lisa della Casa war nicht mit ihrer Stimme am Ende ,aber ihrer Stimmung. Sie fühlte sich immer gegenüber der Schwarzkopf zurückgesetzt ( kann man alles in der Biogrfie von ihre Mann lesen) und das moderne Theater sagte ihr nicht zu. Sie hatte einige Schicksalschläge zu verkraften und ist, selbst von schwerer Krankheit genesen, mit 90 Jahren wieder einigermassen zugewandt. Vorher jahrelang in Gottlieben eingeigelt.

  • ich durfte einen Pavarotti erleben, der 1990 meilenweit von den Leistungen der Jugendjahre entfernt war.


    1990? Das wage ich, mit Verlaub, zu bezweifeln. Sollte es tatsächlich 1990 gewesen sein... Da war er 55 Jahre alt und noch im Vollbesitz seiner einmaligen Stimme! Vielleicht hatte er "einen schlechten Tag", wenn es denn wirklich 1990 gewesen sein sollte. Noch 3 Jahre vorher gab er hervorragend und unerreicht den Rodolfo in San Francisco in La Boheme, die es als live- Mitschnitt auf DVD gibt. Und im März 1987 feierte man ihn frenetisch in der Deutschen Oper im umjubelten "Liebestrank" mit 120 Vorhängen und damit Weltrekord!
    Ich selbst sah und hörte Pavarotti zum ersten Mal im April 1993 in der Deutschlandhalle in Berlin. Er gab dort einen großartigen Arienabend.
    Am 30. Juni 1994, ein Datum, das ich nicht nachschlagen muß, erlebte ich ihn in der Wiener Staatsoper als Cavaradossi in Tosca. Ein überragender Erfolg und er war im absoluten Vollbesitz seiner Stimme und sang, wie man es sich nicht besser wünschen konnte. Ich weiß inzwischen, daß einige Wiener, Mitglieder unseres Forums, auch in dieser Vorstellung waren. Ich bin mir sicher, sie können und werden das bestätigen.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • 1990? Das wage ich, mit Verlaub, zu bezweifeln. Sollte es tatsächlich 1990 gewesen sein... Da war er 55 Jahre alt und noch im Vollbesitz seiner einmaligen Stimme!

    Es war 1990. Freilich, Open-Air-Konzerte folgen ihren eigenen Gesetzen. Möglicherweise hatte er einen schlechten Tag. Sein extremes Übergewicht führte dazu, dass er gestützt auf die Bühne kam, ein, zwei Arien sang und dann für die Dauer eines Instrumental-Zwischenspiels Pause hatte. Es war wirklich nicht das, was ich mir unter einem Weltstar vorgestellt hatte. Aber was soll's: den Anwesenden war's egal: die feierten Pavarotti. Wie gesagt: Open-Air. Da liegt die Messlatte anders als bei Opernabenden im Theater; der Event-Charakter steht im Vordergrund (ähnlich wie bei diesen schrecklichen Waldbühnen-Konzerten). Und meilenweit von der Jugendform entfernt muß bei Big P. ja nicht unbedingt schlecht heißen. Und möglicherweise war das wirklich nicht sein Tag.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lisa della Casa war nicht mit ihrer Stimme am Ende ,aber ihrer Stimmung. Sie fühlte sich immer gegenüber der Schwarzkopf zurückgesetzt ( kann man alles in der Biogrfie von ihre Mann lesen) und das moderne Theater sagte ihr nicht zu. Sie hatte einige Schicksalschläge zu verkraften und ist, selbst von schwerer Krankheit genesen, mit 90 Jahren wieder einigermassen zugewandt. Vorher jahrelang in Gottlieben eingeigelt.


    Ich glaube, dass Sagitt das Problem richtig anspricht. Casa war wohl sehr unzufrieden und sah sich auch nicht richtig eingesetzt und gewürdigt. In München wurden seinerzeit viele Geschichten kolportiert, die das konkretisierten, die hier aber weiter zu erzählen, etwas fehl am Platze wäre.


    Dennoch würde ich sagen, dass die Stimme der della Casa doch in den letzten Jahren ihrer Karriere deutliche Abnützungserscheinungen erkennen liess. Der Silberklang war nicht mehr so lupenrein und sie war oft gezwungen, an Stellen zu atmen, an denen sie zuvor ihre Bögen weiterspannen konnte und so scheinbar alle Erdenschwere ein für alle male überwand.
    Trotzdem hiel ihr das Münchner Publikum die Treue und feierte sie vielleicht sogar noch enthusiastischer.
    Als sie dann abtrat, gab es nur bedauernde Stimmen und bei den alten Münchner Opernfreunden ist sie bis heute sehr geschätzt!


    Ein ähnlicher Fall ist etwa Elisabeth Grümmer in Berlin gewesen. Sie war ja zwei Jarzehnte lang die führende lyrische Sopranistin erst im Haus an der Kantstrasse und dann im Neubau an der Bismarckstrasse.
    In den letzten Jahren ihrer Tätigkeit konnte man nicht wirklich überhören, dass sie ihren Zenit überschritten hatte. Da schepperten doch manche Forte-Passagen bedenklich. Aber den jungendlichen Klang und die jugendliche Aura ihrer Erscheinung und Gestaltung nahmen nach wie vor für sie ein. Vor allem aber die unbeschreibliche Natürlichkeit und Ehrlichkeit ihres Singens.
    Als sie sich dann entschloss, nicht weiter aufzutreten, wurde sie von einer Abordnung des Stammpublikums bedrängt: es gäbe doch keinen Grund aufzuhören und sie solle bitte weiter singen.
    Grümmer antwortete damals in der ihr eigenen Schlichtheit: Mir ist lieber, die Leute fragen "Warum singt eigentlich die Grümmer nicht mehr?" als wenn sie sagen "Die Grümmer singt ja immer noch!".


    Vor ein paar Jahren habe ich einen Aufsatz veröffentlicht, in dem es u. a. um eine Interpretation des Finales von "Le Nozze di Figaro" ging. In einer Anmerkung habe ich damals geschrieben, ich hätte durch Elisabeth Grümmers Verkörperung der Gräfin mehr über dieses Versöhnnungsgeschehen gelernt als durch alle musikwissenschaftlichen Analysen.
    Interessanterweise bekam ich daraufhin eine ganze Menge Briefe und E-Mails in denen mir eingehend dargestellt wurde, welche Erlebnisse, aber auch welche tieferen Einblicke in die von ihr gestalteten Charaktere die Menschen Elisabeth Grümmer verdanken. So wie ihr wird wohl nur wenigen Sängern auch nach dem Ende ihrer Karriere die Treue und Zuneigung bewahrt!


    Für mich ist Grümmer bis heute in vielen Partien die absolute Referenz. Und dabei habe ich nicht nur ihre Aufführungen aus ihrer Glanzzeit im Ohr sondern auch die Aufführungen der späten Jahre.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Das ist ein echtes Problem sicher, aber wenn man jemand verehrt und er nicht aufhören kann, so tat das meistens meiner
    Bewunderung nur geringeren Abbruch, bin dann halt nicht mehr zu diesem und jenem Sänger gegangen, weil es mir
    seelisch weh tat.
    Mit Elisabeth Grümmer bin ich in Berlin groß geworden und habe Ihre Karriere begleiten dürfen als Hörer und
    hab sie recht gut auch persönlich gekannt!
    Sie hat sicher zum richtigen Zeitpunkt aufgehört, war auch ihr Lampenfieber in den letzten Jahren zu arg geworden!
    Bin auch heute noch ein großer FAN von ihr und ihrer Stimme.
    Meine Meinung jeh größer die Persönlichkeit des Künstlers ist umso besser finden sie auch den Weg in den Ruhestand!
    :):hello:

    mucaxel

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  • Lisa della Casa war nicht mit ihrer Stimme am Ende ,aber ihrer Stimmung. Sie fühlte sich immer gegenüber der Schwarzkopf zurückgesetzt ( kann man alles in der Biogrfie von ihre Mann lesen) und das moderne Theater sagte ihr nicht zu. Sie hatte einige Schicksalschläge zu verkraften und ist, selbst von schwerer Krankheit genesen, mit 90 Jahren wieder einigermassen zugewandt. Vorher jahrelang in Gottlieben eingeigelt.


    Natürlich war die della Casa auch in ihren letzten Wien-Auftritten - ich erinnere mich da mehrerer Ariadnen - noch immer bewundernswert, aber gemessen an ihren Glanzzeiten doch schon merkbar stimmlich reduziert. Der blühende Ton war nicht mehr so strahlend, aber so ist halt der Lauf des Lebens. Dennoch wird sie, die uns so viele unvergleichliche Abende beschert hat, unvergessen bleiben.


    Besonders anrührend war diese Frau, wenn sie nach der Vorstellung ihre behinderte Tochter aus dem Haus getragen hat. Gottlob erfuhr ich von ihr nahestehenden Personen, dass sich deren Zustand merkbar verbessert hat, sie kann schon selbständig gehen und hat auch erfreuliche Fortschritte auf weiteren Gebieten gemacht.


    Hinweisen möchte ich auch darauf, dass geplant ist, eine della-Casa-Ausstellung auf die Beine zu bringen, die von der Schweiz dann voraussichtlich im kommenden Jahr nach München kommen soll, um dann schlussendlich in Wien zu landen. Da man über dieses Projekt noch in Verhandlungen steht, ist das Ganze noch inoffiziell.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Besonders anrührend war diese Frau, wenn sie nach der Vorstellung ihre behinderte Tochter aus dem Haus getragen hat. Gottlob erfuhr ich von ihr nahestehenden Personen, dass sich deren Zustand merkbar verbessert hat, sie kann schon selbständig gehen und hat auch erfreuliche Fortschritte auf weiteren Gebieten gemacht.


    Hallo Milletre, herzlich empfehle ich Dir den sehr anrührenden Film über Lisa Della Casa, der 2008 mehrfach im Fernsehen gezeigt wurde. Darin kommt auch die Tochter zu Wort in einem sehr schönen und sehr persönlichen Interview.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Wien ist anders" - so lautet ein Slogan der Fremdenverkehrswerbung - und ich würde sagen: Das trifft genau den Punkt.
    Ein Künstler sollte jenseits der 50 sein, wenn er in Wien Erfolg haben will. Ich erinnere mich an einen Klavierabend mit Stefan Askenase, der seinen Zenith bereits MEHR als überschritten hatte. Ich meine, daß er sich mindesten 20 Mal an diesem Abend verspielt hatte.
    Aber am Ende des Konzerts bekam er "Standing Ovations"
    Wie das ? ?
    Nun, ich meine - jeder im Publikum hörte seine technischen Mängel, seine alterbedingten "Verspieler"
    Aber, es war allen klar daß hier eine Lebende Legende auf dem Podium stand, ein Sauerr-Schüler, dessen Technik uralt und überholt war - aber gerade aus diesem Grund interessant war. Ein Zeitfenster (ca 1910) hatte sich vor uns aufgetan....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit Elisabeth Grümmer bin ich in Berlin groß geworden


    @ mucaxel


    Ist das wahr? Ich auch ! ! ! !


    Meine erste Opernaufführung habe ich 1953 gehört! Das war die "Entführung".
    Aber so richtig begeistert hat mich erst der zweite Besuch in der Oper: Eine "Boheme" mit Grümmer, Trötschel und Sandor Konya ("als Gast von den Städtischen Bühnen Bielefeld" im Programmheft noch als Alexander Konya angekündigt!).
    Danach war ich oft drei oder vier mal pro Woche in der Oper an der Kantstrasse (Da ich am damaligen Sternschen Konservatorium eingeschrieben war, bekam ich übrig gebliebene Karten für 10 Pfennig! Und Stehplätze kosteten ja auch nur 50 Pfennig!)
    Jede Partie, die Grümmer in Berlin gesungen hat, habe ich vielmals von ihr gehört!


    Ab wann hast Du Oper besucht? Vielleicht haben wir denn auch in den Nächten von Samstag auf Sonntag auch gemeinsam nach Karten angestanden?


    Liebe Grüsse




    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Ganz sicher übertrifft mich niemand in meiner Liebe zu Sandor Konya.


    Vielleicht nicht übertreffen, lieber Caruso, aber Du siehst mich an Deiner Seite. Da gehen wir konform. Bei uns in der DDR gab es Ende der 60- er Jahre die Plattenquerschnitte "Boheme, Aida und Tosca (später auch als Gesamtaufnahme) mit Konya. Ich mochte von Anfang an seine warme, gefühlvolle und auch kraftvolle Stimme (Aida) und er hatte für mich einen wesentlichen Anteil für meine beginnende Liebe und Interesse für die Oper.

    Eine "Boheme" mit Grümmer, Trötschel und Sandor Konya ("als Gast von den Städtischen Bühnen Bielefeld"


    Da war zwar an mich betreffs Oper noch nicht zu denken. Aber auf Dich bezogen, ist es nicht wunderbar, daß Gott dem Menschen ein Gedächtnis gegeben hat? Für mich ist es nun aber schön, wenn jemand wie Du begeistert von solchen Zeiten dankbar berichtet. Mein Vater war Mitte der 50- er Jahre in Bielefeld (wir hatten Verwandtschaft dort) in einer Butterfly. Wahrscheinlich hat er Konya da auch erlebt, aber er wußte es nicht mehr genau.
    Herzliche Grüße und Dir ein schönes WE
    CHRISSY
    PS.: Betreffs Konya im Maskenball, den ich auf Video habe, werden wir irgendwann eine Lösung finden, wenn ich diese Aufnahme mal auf DVD überspielt bekomme.

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Zuerst lieber Sagitt freue ich mich, dass Du nach längerer Sendepause wieder bei uns bist. Könnte allerdings auch sein, dass ich Beiträge von Dir nicht gelesen habe.
    Eine Tatsache ist quasi naturgegeben. Wie der ganze Körper altert, altert selbstverständlich auch die Stimme. Der wissende Sänger wird versuchen und es in vielen Fällen auch schaffen sich auf die neuen Gegebenheiten und den veränderten Klang seiner Stimme einzustellen. Er wird auch kritisch sein Repertoire überprüfen - besser noch lassen - und nur noch solche Partien singen, die er auch mit veränderten und wahrscheinlich reduzierten Mitteln schaffen kann. Zwei Beispiele dafür: Gottlob Frick machte am Ende seiner Karriere die hochgeschätzte Aufnahme des "Parsifal" unter Georg Solti. Er selbst war zweifelnd, ob es nicht besser gewesen wäre diese Rolle einem jüngeren Sänger, z. B. dem damals gerade aufsteigenden Franz Crass zu übertragen. Sir George sagte mir im persönlichen Gespräch, dass dies sein schönster Gurnemanz gewesen sei, weil hier fast ergreifend glaubwürdig ein auch in Wirklichkeit alter Mann die Rolle durchlebte und dies mit gegenüber früher deutlich reduzierter Stimmkraft. Solti spielte sogar mit dem Gedanken, den jungen Gurnemanz mit Crass und den alten mit Frick zu besetzen. Warum dieser reizvolle Gedanke nicht realisiert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Mich freut es noch heute und ist Beleg unserer aktiven Sängerverehrung, dass meine Frau und ich "Lobl" damals zugeraten haben, die Produktion zu machen.
    Zweites Beispiel ist Nathan Milstein. Bei dem berühmten Geiger funktionierte ein Finger nicht mehr. Er gab nicht auf sondern schrieb sich Konzerte auf seine Möglichkeiten um. Das ist kluge Kompensation. Milstein machte dann noch eine bewunderungswürdige Alterskarriere.
    Wir Opernfreunde sollten besonders, wenn wir einen Sänger verehren, diesem genau in diesen schwierigen Übergangszeiten
    - z. B. auch Fachwechsel - durch vermehrte Zuwendung und Ermutigung den Rücken stärken. Wir Kritiker müssen solche Phasen erkennen und dürfen einen Sänger nicht "totschreiben". Im Gegenteil wir sollten auf dieser schwierigen Wegstrecke die Sängerpersönlichkeit besonders liebevoll begleiten. Ein weiteres ausgezeichnetes Beispiel wäre auch der Stimmökonom Carlo Bergonzi.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Es ist schätzenswert, wenn die Verehrung für Künstler auch in deren späten Jahren, wenn die Höhepunkte hinten ihnen liegen, nicht versiegt. Die alte Treue gilt ja immer auch den Leistungen der Vergangenheit. Und man sucht und findet auch ein Stück eigener Jugend dabei. Operus hat das Beispiel Gottlob Frick angeführt, ein sehr gute Wahl. Nun stellt sich für Bässe das Älterwerden nicht so verschärft dar wie bei Sopranen. Frick ist als Gurnemanz auch deshalb so grandios, weil er sein Alter in die Rolle einbringen kann und auch tatsächlich einbringt. Er macht sich nichts vor. Mit der 65jährigen Gruberova als Norma habe ich da schon meine Probleme. Mit Kunst hat das nicht mehr viel zu tun. Auch ihre treuesten Fans können da keine Glanzleistung herbeiklatschen. Die einst bedeutende Caballé wird durch falschen Ehrgeiz wahrscheinlich nur als Unterhaltungskünstlerin, die gern Schlaflieder zum Besten gab, in Erinnerung bleiben.


    Anders die Mödl, die bis zum Schluss umjubelt wurde, aber nicht, weil sie mit fast 90 noch die Isolde sang, sondern weil sie fünfzig Jahre zuvor einmal eine der bedeutendsten wenn nicht die bedeutendste Isolde war - aber nur für eine ganz kurze Zeit. Sie war realistisch wie kaum eine ihrer Kolleginnen, engagierte sich mit den Resten ihre Stimme bis dahin, dass sie statt zu singen eigentlich nur noch sprechen konnte. Sie machte ihrem Publikum nie etwas vor. Ihr Leben diente der Kunst, weil sie wirklich den Werken diente und nicht ihrer Eitelkeit. Das machte ihren Ruhm aus, das haben ihre Anhänger, mich eingeschlossen, immer sehr geschätzt.


    Sänger singen oft zu lange das gleiche Fach. So lange, dass man es nicht mehr hören kann. Mir ist es mit Pavarotti so ergangen. Eine einst von mir hoch geschätzte Sopranistin tritt im Spätherbst ihrer Karriere immer noch mit den Rollen ihre Blüte auf. Als Kaiserin (Frosch) war sie schließlich nur noch eine Karikatur ihrer selbst und wurde zu Recht ausgebuht. Niemand von uns kann Geld nehmen für etwas, was er nicht (mehr) leisten.


    Grüsse von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • So lange, dass man es nicht mehr hören kann. Mir ist es mit Pavarotti so ergangen.


    Lieber Rüdiger
    Leider muß ich Dir recht geben. Es ist tatsächlich schlimm und tut dem Verehrer regelrecht weh, wenn ein Künstler absolut nicht loslassen kann.
    Ich bin bestimmt ein ganz, ganz großer glühender und leidenschaftlicher Verehrer von Pavarotti, den ich für den größten Tenor aller Zeiten halte (meine Meinung und mein Geschmack). Aber ich muß schon sagen, ich fand es überhaupt nicht gut, als er sich nach dem eigentlichen Ende seiner Karriere mehr und mehr mit ein paar Pop- und Schlager- Fuzzis umgab unter dem Thema "Pavarotti & Friends". Mir kam es immer so vor, als wollte er zeigen, daß er unter den "Stimmlosen" immer noch der Beste war.
    Besonders schlimm für mich war aber sein vielleicht letzter öffentlicher Fernsehauftritt in der Carreras- Sendung, die immer im Dezember kommt. Er wurde hinter den Flügel geschoben und sang ein Lied bei dem er kaum noch die Töne traf mit brüchiger, glanzloser Stimme. Danach wurde es noch schlimmer. Gemeinsam mit Carreras sangen sie im Duett und konnten beide nicht mehr singen. Es war eigentlich wirklich nicht zum Anhören. Mir tat es richtig sehr weh, wenn man sein Idol so bröckeln sieht. Ich weiß es noch ganz genau und ich schäme mich nicht es zu sagen, mir traten die Tränen in die Augen und ich wünschte, ich hätte diese Sendung nicht gesehen...
    Trotzdem will ich aber gerne sagen, für mich wird er immer der "Allergrößte, der Grande Tenore assoluto" bleiben und ich bin glücklich und dankbar, daß ich ihn zweimal in besten Zeiten live erleben durfte. Das waren Erlebnisse, die man nie vergißt. Und das macht und zeichnet ja auch einen echten Fan und Verehrer aus, daß man in guten, wie auch in schlechten Zeiten, zu seinem Idol, zu seinen Idealen in Treue steht. Dies gilt auch für andere Dinge. Wenn z. B. meine Fußballmannschaft heute abend verliert, was ich nicht hoffe und auch nicht glaube, bleibe ich trotzdem ihr Fan. (Einmal Dynamo- immer Dynamo!!!)
    Herzliche Grüße und Dir ein schönes WE
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber chrissy,


    ich gehe jetzt etwas (aber nicht ganz) aus dem Thema raus und spiele darauf an, dass du Fan von Dynamo Dresden bist. Ich bin ja von Hause aus Theologe und habe mich viel mit Ersatzreligionen beschäftigt. Und Fußball ist eine davon, und zwar die wichtigste. Ich spreche mehr oder weniger beim DFB und der FIFA von der deutschen Staatskirche und vom Fußball - Rom. Inzwischen gibt es auch Untersuchungen über die Fangesänge, die die Funktion von Chorälen haben. Außerdem gibt es ja eine biblische Treue zum Verein, egal, wie die Spiele sind und ob der Unterhaltungswert gleich Null ist. Die Kirchensteuer in Form von gesalzenen Eintrittspreisen gibt es ja auch.


    Die Ausschreitungen, für die Dynamos Anhänger (aber nicht nur die) berüchtigt sind, werden von den meisten Journalisten als kriminelle Handlungen gestörter Leute auf der moralischen Ebene beurteilt. Da ist ja auch was dran. Ich habe eine ganz andere Theorie, die mir aber erst gestern eingefallen ist und daher noch nicht sehr entwickelt. Man kommt vielleicht weiter, wenn man diese Leute als "Satanisten" bezeichnet. Dafür würde die Gewaltbereitschaft, aber auch die ausgeprägten negativen Rituale sprechen. Rituale, positive wie negative, sind zur Lebensbewältigung unverzichtbar, sie geben Halt und Zusammenhang einer Gruppe.


    Dich, lieber chrissy, werde ich allerdings nicht in diese Schublade stecken, das steht ja mal fest.


    Ich mache es mit dem Fußball anders. Ich bin Anhänger des Frauenfußballs (FCR Duisburg, immerhin Deutschlands drittbester Club, Eintritt 6 €) und des Trash - Fußballs der Bezirksklasse (Eintritt 2€). Hier gibt es nicht das oft langweilige Geschiebe der oberen Klassen, hier tobt das Leben: gelb, rot, Elfmeter, Tore in Hülle und Fülle (0:0 kennen wir gar nicht), Fouls, Platzverweise, Schiedsrichterbeschimpfungen und -angriffe, die sogar dazu geführt haben, dass hier bei drei Vereinen in Mülheim kein Schiedsrichter mehr pfeifen will. Es ist ein bisschen wie in der Oper: in der Provinz kriegst du oft mehr geboten als im Oberhaus.


    Manchmal denke ich da auch über eine Parallele zwischen Regietheater und noch zu erfindendem "Regiefußball" nach.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Dr. Pingel
    Danke für Deinen Beitrag. Wir sind hier bestimmt im falschen Thread (Tritsch- Tratsch wäre besser, aber selbst da fürchte ich Ärger), deshalb nur kurz meine Antwort und zitiere Dich:

    chrissy, ... ich
    spiele darauf an, dass du Fan von Dynamo Dresden bist.

    Ja, ein echter Fan, das ist richtig.

    Die Ausschreitungen, für die Dynamos Anhänger (aber nicht nur die) berüchtigt sind


    Das ist falsch! Das sind keine Anhänger oder Fans, auch nicht bei anderen Vereinen. Das sind Chaoten, Vollidioten, Kriminelle bis hin zum Verbrecher! Mit denen haben echte Fans und Anhänger nicht das Mindeste gemeinsam.

    Außerdem gibt es ja eine biblische Treue zum Verein, egal, wie die Spiele sind


    Das ist richtig, das zeichnet den wahren und echten Fan aus. Genau wie wir es oben bei den Sängern beschrieben haben. Man hat gute und schlechte Zeiten gemeinsam und hält die Treue.

    Die Kirchensteuer in Form von gesalzenen Eintrittspreisen gibt es ja auch.


    Das ist leider auch richtig. Wenn man dann noch die Fahrtkosten von hin und zurück je 110 Km dazu rechnet, kommt schon was zusammen.
    (Gern würde ich mehr schreiben, wäre auch ein interessantes Thema, aber s. meinen Eingangssatz).
    Herzliche Grüße, uns einen schönen Abend (und mir die Freude in den nächsten zwei Std. über einen Auswärtssieg)
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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