Abgekupfert - Original und zweiter Aufguss

  • Hier geht es um ein heikles Thema, wo es mir schwer fällt einen eindeutigen Standpunkt einzunehmen - beide Lösungswege sind mir unsympathisch. Einen Ausweg könnte ich anbieten - galube aber nicht daß irgendjemand davon Notiz nehmen wird.


    Worum geht es denn überhaupt ?
    Es geht um die Urheberrechte, sprich copyright bei Tonträgern - in unserem Fall um klassische Musik.
    Das Copyright auf Tonaufnahmen liegt in Deutschland und Österreich meines Wissens nach bei derzeit 50 Jahren.
    Danach darf scheinbar jeder andere Hersteller von Tonkonserven die Aufnahme überspielen und unter seinem Namen vermarkten.
    Das war lange Zeit sehr angenehm, weil kaum erhältliche Schellacks wieder zu bekommen waren - oft zu günstigen Preisen.
    Den Originalhersteller tangierte das (von Ausnahmen abgesehen) in der Regel nicht besonders, denn er hatte die alten Aufnahmen in Wahrheit schon längst "abgeschrieben". Die Tonqualität einer 50 Jahre alten Aufnahme erschien derart antiquiert, die Künstler die sie aufgenommen hatten waren vergessen - daß man sich von einer weitern kommerziellen Verwertung kaum Erfolge versprach. Viele Schallplattenhersteller vernichteten aus diesem Grund die alten Bänder bzw Matrizen - der Platz wurde gebraucht....


    Irgendwann gab es dann eine Wende, alte Aufnahmen waren wieder gefragt und die Produzenten überfiel ein gewisses Unbehagen und auch Reue.


    Die Zeit verrann und es änderte sich mancherlei. Vor eingen Jahren wurde die Schwelle erreicht, wo eine STEREOAUFNAHME bereits frei von Rechten war. Somit konnten Abkupferer dem Publikum Aufnahmen anbieten, welche schon ein hohes klangliches Niveau aufwiesen.
    Diese CDs müssen jedoch von einer erstklassig erhaltenen Schallplatte gemacht und klanglich korrigiert werden, da die Mutterbänder ja nur derjenige besitzt, der einst die Aufnahme gemacht hat.
    Das bedeutet, daß der Originalhersteller - so er sauber gearbeitet hat - immer im Vorteil sein wird.


    Die Kehrseite der Medaille ist, daß die Hörer dem Klang keine allzugroße Bedeutung beimessen - und den "zweiten Aufguss" kaufen könnten. Das würde dann unter Umständen zur Folge haben, daß derjenige, der die Aufnahme gemacht hat - die Bänder vernichtet, da sie für ihn ohnedies keinen kommerziellen Wert mehr darstellen - und die schlechtere Kopie "Standard" wird.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Diese CDs müssen jedoch von einer erstklassig erhaltenen Schallplatte gemacht und klanglich korrigiert werden, da die Mutterbänder ja nur derjenige besitzt, der einst die Aufnahme gemacht hat.
    Das bedeutet, daß der Originalhersteller - so er sauber gearbeitet hat - immer im Vorteil sein wird.


    Im Prinzip ja, praktisch habe ich da meine Zweifel. Ich tippe auf eine gewaltige Dunkelziffer, wo die Billiganbieter einfach die CDs der Originalanbieter hergenommen, kopiert und etwas nachbearbeitet haben. Damit hatte man mit sehr wenig Aufwand nahezu die gleiche Qualität. Nur renommierte Labels (wie z.B. Naxos mit seiner historischen Serie) gingen wahrscheinlich immer den "offiziellen" Weg, um nicht rechtliche Probleme mit den Originalanbietern zu bekommen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Interessanter in diesem Zusammenhang sind fast die ganzen Rundfunkmitschnitte, dis auf Tonträgern herumgeistern. Lange Jahre war in dieser Hinsicht Italien das Land der Glückseligen, wo es jede Menge Rundfunkaufzeichnungen von Opern- und Konzertübertragungen auf LP gab, teilweise an Zeitungskiosken. Viele dieser Aufnahmen waren in Deutschland nicht legal (soweit ich weiß) und wurden vor allem als Modernes Antiquarat verkauft. Eingedeckt hatte ich mich aber eher bei Italienaufenthalten. 1993 war dieses Schlupfloch auch dicht, trickreich verlagerte sich etwa die Hans-Knappertsbusch-Gesellschaft nach Kroatien und produzierte dort die "Golden Melodram" Serie mit Knappertsbuschaufnahmen. Bin mal gespannt, wie sich die rechtliche Stualtion diesbezüglich entwickeln wid, da die Rundfunkanstalten mittlerweile auch kapieren, dass sich mit den alten Aufnahmen Geld verdienen lässt und eigene CD-Linien auflegen.


    Bei den historischen Aufnahmen scheint wohl eher die Tonqualität das Kaufentscheidungskriterium zu sein. 4x Betthoven 9 mit Oskar Fried und viermal unterschiedlicher Klang. Die Originalplatten sind Deutsche Grammophon (1927), also wohl der Vorläufer des Gelblabels (über den Zwischenschritt Siemens). Dass von dieser Aufnahme Originalbänder (oder Filme) vorhanden sind wage ich zu bezweifeln.


    Auch bei den stereo-Aufnahmen dürfe die Qualität des Remasters entscheiden, allerdings auch das nichts Neues. Japan war immer schon bekann für besonders saubere Aufarbeitungen von Bändern und exzellente Plattenpressungen. Ein Beispiel aus DM-Zeiten: Bruckner 6 unter Klemperer kostete als Budget-Pressung (EMI-Gemini) 9,90 DM, als normale DElektrola-Pressung 16,90 DM und als EMI-Japan-pressung 29,90 DM. Hab' mir damals die 29,90 DM abgespart.


    Daran, dass Plattenfirmen ihre Bänder zur Aufarbeitung und Edelvermarktung weiterreichen, um bestimmte Märkte zu bedienen (es empfiehlt sich ein Konto bei hmv-Japan zu haben) scheint sich nichts geändert zu haben, siehe etwa Schostakowitsch/Kondraschin beii Melodija vs. Aulos.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • 4x Betthoven 9 mit Oskar Fried und viermal unterschiedlicher Klang. Die Originalplatten sind Deutsche Grammophon (1927), also wohl der Vorläufer des Gelblabels (über den Zwischenschritt Siemens). Dass von dieser Aufnahme Originalbänder (oder Filme) vorhanden sind wage ich zu bezweifeln.

    Natürlich gibt es das nicht. Davon kann es nur Matrizen geben.


    :hello:

    Ciao


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