Gleich vorweg:
Ich bin ein Hörer der ersten Stunde (na ja fast, jedenfalls), der schon in den siebzigern Schallplatten mit dem Collegium Aureum ("Harmonia mundi"- später umgetauft in "Deutsche Harmonia mundi) kaufte - also keineswegs ein Gegnert von Aufnahmen mit "Originalinstrumenten, seien sie nun original oder nachgebaut, wobei ich der Meinung bin eine Stradivari, Amati, Stainer oder Guarneri kann gar nicht nachgebaut werden, sie wird immer "neu" klingen. Aber das ist hier nicht Thema dieses Threads.
Ich wollte hier nur festhalten, daß mich Aufnahmen mit Originalinstrumenten immer schon interessiert haben, und ich ihnen positiv gegenüberstehe. Das Collegium aureum hat mich irgendwie nicht überzeugt, jedoch später "The English Concert" unter Trevor Pinnock, oder die "Akademie für Alte Musik", Berlin. Auch das eher "rabiate" Ensemble "Il Giardino Armonico", vermochte mich zu begeistern - ich bezweifle jedoch, daß das was die machen , historisch korrekt ist. Schwamm drüber.
Plötzlich rutschte das Hauptthema in den Hintergrund und man begann mit "modernen Instrumenten" "historisch informiert" zu spielen. Besonders gut daran zu erkennen, daß jeglicher schöne Klang auf der strecke blieb zugunsten von Strukturen der Werke (ich würde es so sehen, daß man Skelette vom Fleisch befreite - und Skelette sind num mal an sich grauenerregend)
Allmählich rutschten die "Originalklang-Ensembles" in den Hintergrund, sie wurden - von wenigen Ausnahmen mal abgesehen - zahmer und zogen sich auf das für sie geeignete Repertoire zurück, Die späte Wiener Klassik und beginnende Romantik wurde jedoch wieder von "modernen" Orchestern übernommen. Aber was ist daraus geworden ?
"Das ist nicht mehr MEIN Beethoven", sagte schon vor Jahren ein Sitznachbar anlässlich eines Konzertes, wo Rattle mit den Wiener Philharminikern Beethoven Sinfonien einspielte (Dabei fand ich das noch einigermaßen moderat)
Blankes Entsetzen ergreift ich jedoch wenn ich lesen muß. wie manche Neueinspielungen klingen. Überbetonte Rhythmik (bei Järvi hopst das gesamte Orchester im Rhythmus mit) Akzente wo sie nie waren - und Eigenwilligkeiten bis an die Grenze der Wiedererkennbarkeit. Das führt dazu, daß - selbst wenn ich Klassik höre - ich gefragt werde "welch grauenvoller Neutöner" da schon wieder in meinem Player gelandet sei - und ich muß dann leider sagen "Schubert"
Irgendwie erinnert mich die gesamte heutige Orchesterszene (in abgemilderter Form) an das Regietheater: Alles wird verfremdet und umgemodelt - hier allerdings mit unter dem Schutz des Mantels der "Originaltreue"
Ich vermute hier ein "Trojanisches Pferd", das unter dem Vorwand "historisches" anzubieten, die Rhytmik und den Zeitgeist des späten 20. bzw frühen 21. Jahrhunderts hier einschmuggelt. (?)
Ich glaube auch, daß das Klassikpublikum hier (passiven) Widerstand leistet. Es werden ja doch am liebsten die Aufnahmen unter Karajan und Bernstein gekauft - und in Klassikläden auch bevorzugt emfpfohlen......
Klassikforen indes sind eigentlich kein guter Indikator, da hier der Geschmack doch sehr unterschiedlich ist. Denn selbst wenn ich - um meinen Horizont zu erweitern - nicht weil ich mir schöne Musik erwarte, einer Empfehlung des Forums nachgehen will, so bin ich gezwungen über Versand zu kaufen, in den Wiener Klassikläden - und wir haben einige - ist das meiste davon nicht lagernd - weil es nicht verlangt wird. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.....
mit freundlichen Grüßen aus Wien
Alfred