Welchem Hörertyp gehört Ihr an?

  • Nach Adorno gibt es die folgenden Hörertypen:


    1. Der Experte.
    Für den Experten ist strukturelles Hören die adäquate Art der Wahrnehmung von Musik. Er denkt in Formen und Architekturen, erkennt Beziehungen zwischen Tönen, Motiven und Themen und kann die Logik eines Werks verstehen. Den Sinnzusammenhang eines Werkes sieht er in diesen formalen Gegebenheiten. – Eine seltene Spezies.


    2. Der gute Zuhörer.
    Adorno: „Auch er hört übers musikalisch Einzelne hinaus; vollzieht spontan Zusammenhänge, urteilt begründet, nicht bloß nach Prestigekategorien oder geschmacklicher Willkür … Er versteht Musik etwa so, wie man eine Sprache versteht, auch wenn man von der Grammatik und Syntax nichts oder wenig weiß, unbewusst, der immanenten musikalischen Logik mächtig.“ – Eher selten.


    3. Der Bildungshörer oder Bildungskonsument.
    Er hat Kenntnisse über Musik, aber vor allem biografische. Adorno: „Er ist unfähig zum strukturellen Hören. Er konsumiert nach dem Maßstab der öffentlichen Geltung des Konsumierten. [ … ] Er ist der Mann der Würdigung.“ Er gebärdet sich massenfeindlich und elitär, hat eine reaktionär-konservative Ideologie, gehört zum gehobenen Bürgertum.


    4. Der emotionale Hörer.
    Er ist weniger starr als der Bildungshörer. Er beruft sich auf die „Gefühlswerte echter Musik“ (Adorno). Musik dient ihm zur Befriedigung von Trieben, er verhält sich eher antiintellektuell.


    5. Der Ressentiment-Hörer.
    Er ist gekennzeichnet durch Protest gegen den Musikbetrieb seiner Zeit und wendet sich der Vergangenheit zu. Beispiele sind Bachverehrer, Renaissance-Liebhaber, Hörer von Gregorianischen Chorälen.


    6. Der Hörer von Musik als Unterhaltung.
    Der häufigste Typ. Die Musikindustrie orientiert sich an ihm: Nivellierte Einheitskost. Musik dient ihm zur Zerstreuung und als Reiz. Adorno: “Die Struktur dieser Art des Hörens ähnelt dem Rauchen.“


    7. Der gleichgültige, unmusikalische, antimusikalische Hörer.
    Folge eines Defekts in früher Kindheit.


    Alle diese Typen kommen nach Adorno nicht in Reinform vor, aber Anteile des einen oder anderen Typs gibt es in vielen von uns.


    Wozu würdet Ihr Euch zuordnen?

  • Na, da würde ich doch für mich sagen:
    Eine Mischung aus 2. + 4., mit mehr Anteilen von 4.


    Nachsatz: Werden da auch Noten vergeben, wie gut/schlecht die Selbsteinschätzung stimmt? (Ein Scherz!)

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich hab es mir schon gedacht, das Zweiter Bass sich so einschätzt: eine Mischung aus 2 und 4; darin bin ich mit ihm einig - wie in so vielem. Als Begründung gebe ich mal: meine Lieblingskomponisten sind Heinrich Schütz (von dem ich viel gesungen habe) und Leos Janacek. Für unsere Mischung von 2 und 4 sind sie auch absolut ideale Komponisten, weil sie immer klare Strukturen haben, aber immer stark emotional sind.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Zitat

    5. Der Ressentiment-Hörer.
    Er ist gekennzeichnet durch Protest gegen den Musikbetrieb seiner Zeit und wendet sich der Vergangenheit zu. Beispiele sind Bachverehrer, Renaissance-Liebhaber, Hörer von Gregorianischen Chorälen.

    Ich entscheide mich eindeutig für Nr. 5. :thumbup: in Reinform !


    Gründe für 5:
    Ich bin u.a. auch Bach-Beethoven-Mahler-Junkie.


    Habe Protesthaltung gegen den Musikbetrieb der Gegenwart, weil die große Präsenz der aufgeblasenen und mit sich zufriedenenen Musik vom Erfolgskomponisten Richard Strauss mir echt auf den Senkel geht ....


    ...während die meisterhafte klassische (z.B. Neue Wiener Schule) und großartige zeitgenössische Moderne (z.B. Nono, Carter, Claude Ballif, Barraque, Betsy Jolas, Brian Ferneyhough, B.A. Zimmermann, Rene Leibowitz, Elisabeth Lutyens, Giselher Klebe, Skalkottas, Artur Schnabel.. usw.) viel zu wenig gespielt werden.


    Fetzige Außenseiter wie z.B. Pfitzner, später Wellesz, E. H. Meyer, bzw. Humperdincks Königskinder, Zemlinskys Kleider usw. werden in unverschämter Weise ignoriert.


    Und pflege durch Erfahrung erworbene Ressentiments gegen Mucke von z.B. Britten, Orff, Hindemith, Rutter, Adams, Glass, Messiaen, Walton, Vaughan Williams, Penderecki, Poulenc, Trojan, Tan Dun, Honnegger....usw..
    :hello:

  • Ich vermute mal es wird sich keiner trauen die Nr. 6 und 7 zu nehmen. Wobei ich mich als erster oute und die Nr. 6 nehme, aber hauptsächlich während ich arbeite. Ansonsten überwiegen bei mir auch die Nr. 2 und 4.

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  • Hallo, miteinander!

    Zitat

    Und pflege durch Erfahrung erworbene Ressentiments gegen Mucke von z.B.
    Britten, Orff, Hindemith, Rutter, Adams, Glass, Messiaen, Walton,
    Vaughan Williams, Penderecki, Poulenc, Trojan, Tan Dun,
    Honnegger....usw..

    Das ist aber unerfreulich viel, Meister Amfortas! :P


    Wobei ich die Ressentiments gegen Rutter und vor allem Glass gerne teile ... Ich könnte sogar begründen, warum.


    "Honnegger" kenne ich so nicht, nur anders. ;) Was hast Du gegen ihn - gegen Messiaen, Vaughan Williams oder gegen Poulenc? Strauss kann ich (bisweilen) schon verstehen.


    Ansonsten halte ich auch mich für eine Mischung aus Zweier- und Vierer-Hörer und im Stillen hoffe ich, dass bisweilen ein wenig Einser mitschwingt. Drei (typisch Adorno) muss man nicht immer vermeiden müssen, fünf und sechs kann man wohl nicht immer, da besonders abendlandaffin ( :D ...).


    Noch apropos Typ drei: Ich sehe keinen Zusammenhang, eher einen Widerspruch zwischen dem Konzept "Mann der Würdigung" und der "Massenfeindlichkeit", es sei denn, eines der beiden Konzepte erscheint nur geheuchelt. Sonntagsreden gedeihen wohl nicht im Sinne persönlicher Aussage, sondern sind zu allererst adressatenkompatibel.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Ich vermute mal es wird sich keiner trauen die Nr. 6 und 7 zu nehmen. Wobei ich mich als erster oute und die Nr. 6 nehme, aber hauptsächlich während ich arbeite. Ansonsten überwiegen bei mir auch die Nr. 2 und 4.

    also dann bekenne ich mich auch teilweise zu Nr. 6. :thumbup: Denn in jedem Werk, was mir zusagt ist das Moment an Unterhaltung, an Unernst, an Spielerischen nicht wegzudenken, selbst wenn es zuweilen zu einem Grenzwert zusammen geschmolzen ist: z.B. H-Moll Messe, Bachs Sonaten und Partiten für Solovioline (in diesen Violinenwerken ist sogar sehr viel fetzige Unterhaltung dabei) , B.A. Zimmermanns Soldaten ....etc..

    Zitat

    Das ist aber unerfreulich viel, Meister Amfortas! :P
    Wobei ich die Ressentiments gegen Rutter und vor allem Glass gerne teile ... Ich könnte sogar begründen, warum. Honnegger" kenne ich so nicht, nur anders. ;) Was hast Du gegen ihn - gegen Messiaen, Vaughan Williams oder gegen Poulenc?

    ...ist in meinem Fall vielleicht eher Geburts- als Charakterfehler.


    z.B. Messiaen: eine Zeitlang mochte ich seine Chronometrie (eine tolle Boulez-Aufnahme). Dann habe ich irgendwann seine Oper Saint François d'Assise mir reingezogen. Mich hat dieser stinklangweilige, armselige Orchestersatz derart geärgert und erbost, dass ich seither nicht in der Lage bin, eine Note von Messiaen zu hören...
    bei Poulenc ging mir das ähnlich mit den Dialogues des Carmélites. Nur hatte ich glücklicherweise vorher noch nie was von Poulenc mir reingezogen.... wobei wir dann wieder bei Typ Nr. 5 landen

    Zitat

    Strauss kann ich (bisweilen) schon verstehen.

    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    :hello:

  • Ich bin mir nicht sicher, ob Adorno hier mehr in polemischer, als in objektiv-soziologischer Absicht, einteilt....


    Jedenfalls sind seine Hürden für den Experten extrem hoch. Der muss ein Stück wie ein Streichquartett von Schönberg oder Webern praktisch beim ersten Hören strukturell erfassen. Ob Adorno das selbst gekonnt hätte, weiß ich nicht. Jedenfalls können das selbst professionelle Musiker nur selten in der von Adorno geforderten Weise.


    Auch der gute Zuhörer, der wir wohl alle sein wollen (und hoffentlich zum guten Teil auch sind), scheint mir eine sehr eigentümliche Kategorie. Jemand der die "musikalische Logik" beim Hören erfassen kann, wenn auch nur partiell, wird in aller Regel eine gewisse Erfahrung sowohl im eigenen Musizieren als auch in der "Grammatik", nämlich Rhythmik, Harmonielehre usw. haben.


    Warum der Bildungshörer prinzipiell unfähig zum strukturellen Hören ist (vielleicht eher unwillig?), ist mir auch nicht ganz klar.


    Ein Element von 5 hat fast jeder, den ich kenne. Und wenn es das Ressentiment des ultraweiten Geschmacks ist...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Jedenfalls sind seine Hürden für den Experten extrem hoch. Der muss ein Stück wie ein Streichquartett von Schönberg oder Webern praktisch beim ersten Hören strukturell erfassen. Ob Adorno das selbst gekonnt hätte, weiß ich nicht. Jedenfalls können das selbst professionelle Musiker nur selten in der von Adorno geforderten Weise.


    Auch der gute Zuhörer, der wir wohl alle sein wollen (und hoffentlich zum guten Teil auch sind), scheint mir eine sehr eigentümliche Kategorie. Jemand der die "musikalische Logik" beim Hören erfassen kann, wenn auch nur partiell, wird in aller Regel eine gewisse Erfahrung sowohl im eigenen Musizieren als auch in der "Grammatik", nämlich Rhythmik, Harmonielehre usw. haben.


    Hallo,
    da wird von Dir etwas hineininterpretiert, was in 1. + 2. tatsächlich nicht steht. Warum?
    Mit einer solchen Erweiterung wird die Selbsteinschätzung zur Farce - und wo bleibt Deine Einschätzung - ist nat. Deine Privatsache.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • da wird von Dir etwas hineininterpretiert, was in 1. + 2. tatsächlich nicht steht. Warum?


    Ich habe bzgl. 1 nichts "reininterpretiert", sondern die Hörercharakterisierung Adornos vor Jahren schon einmal ausführlicher gelesen. Ich weiß nicht mehr genau, was sein Beispielstück gewesen ist, aber es war Kammermusik von Schönberg oder Webern. Und der Anspruch scheint überzogen, weil es Aussagen von z.B. Schönberg (in einem Briefwechsel mit Kolisch) gibt, die klarmachen, dass dieser nicht einmal von den Musikern, die seine Musik spielten, erwartete, dass sie sie vorher minutiös analysieren. Und das verlangt Adorno mehr oder minder in Echtzeit.


    Bei 2 versuche ich mir einen Reim auf das zu machen, was Wolfram zitiert hat. Mag sein, dass da Information fehlt und deshalb die Spannung, die ich konstatiere, so nicht besteht.


    "Er versteht Musik etwa so, wie man eine Sprache versteht, auch wenn man von der Grammatik und Syntax nichts oder wenig weiß, unbewusst, der immanenten musikalischen Logik mächtig"


    Wenn die Sprachanalogie funktionieren soll, muss dieser Hörer, wenn ihm die expliziten Kenntnisse der musikalischen Grammatik und Syntax weitestgehend fehlen, sehr begabt und in einem sehr musikalischen Umfeld aufgewachsen sein.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Fein, dass Du die Hörcharakterisierung von Adorno schon ausführlich gelesen hast. Das ist aber nicht die Grundlage von Wolframs Beitrag und seiner Aufforderung zur Selbsteinschätzung; wenn er Dein Verständnis vorausgesetzt hätte, hätte er es schreiben müssen, was er getan hätte, wenn er dies vorausgesetzt hätte.


    Du hättest Deine Einschätzung in Verbindung mit Deiner Kenntnis vornehmen und dabei auf Dein abweichendes Verständnis der Kategorien hinweisen könnnen; aber so ist Dein Beitrag m. E. wenig hilfreich und führt zur Verwirrung.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • also wenn sozusagen von 1 bis 7 der Anspruch, das Niveau und das Expertentum fällt, bin ich eindeutig eine Mischung aus den Typen 8 bis 10 !!

  • Immer wieder wenn ich den Namen Adorno höre regt sich in mir ein gewisser Widerwille. Diese Mann tut, als habe er die Weisheit mit dem Löffel gegessen...
    Aber seis drum:


    Zitat

    3. Der Bildungshörer oder Bildungskonsument.
    Er hat Kenntnisse über Musik, aber vor allem biografische. Adorno: „Er ist unfähig zum strukturellen Hören. Er konsumiert nach dem Maßstab der öffentlichen Geltung des Konsumierten. [ … ] Er ist der Mann der Würdigung.“ Er gebärdet sich massenfeindlich und elitär, hat eine reaktionär-konservative Ideologie, gehört zum gehobenen Bürgertum.


    Da ist schon ein bisschen von mir drin, aber es muß immerhin erwähnt werden daß hier manches überhaupt nicht passt.


    "Er konsumiert nach dem Maßstab der öffentlichen Geltung des Konsumierten"
    das ist zum Beispiel ganz falsch, Boccherini, Salieri, Vranicky, Kozeluch und Cannabich sind in der "öffentlichen Geltung" nicht besonders gut positioniert.....


    Zitat

    6. Der Hörer von Musik als Unterhaltung.
    Der häufigste Typ. Die Musikindustrie orientiert sich an ihm: Nivellierte Einheitskost. Musik dient ihm zur Zerstreuung und als Reiz.


    Ja genau - für mich haben Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert, Verdi, Rossini, Bellini, Pacini und Donizetti, sowie Lortzing, Dittersdorf und Offenbach diese Ohrwürmer nivellierter Einheitskost geschrieben......


    Herr Adorno hat ja auch selber sowas geschrieben, was er als Musik bezeichnet, dürfte sich aber nicht um nivellierte Einheitskost handeln, da man sie kaum wo angeboten bekommt.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien :thumbsup:


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Beethoven-Junkie ist schön. Passt zu mir .


    Ich wäre gerne 2. Aber die Trauben hängen für mich zu hoch. Ich muss mir strukturelle Zusammenhänge erhören, spontan läuft da bei mir nichts.


    Ist ja auch nicht schlimm. ich freue mich einfach, das Beethoven mir die Musik um die Ohren haut und ich mich mit ihr beschäftigen kann.


    Was soll das Wort antiinterlektuell in 4?


    Sehr abschätzig, oder?

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  • Zitat

    Immer wieder wenn ich den Namen Adorno höre regt sich in mir ein
    gewisser Widerwille. Diese Mann tut, als habe er die Weisheit mit dem
    Löffel gegessen...

    Adorno ist in der Tat mit Vorsicht zu genießen. Über seine dümmlich-bornierte Verachtung für Jean Sibelius ("schlechtester Komponist aller Zeiten") braucht man gar nicht erst zu reden.
    Auf der anderen Seite hat er schon früh die Bedeutung von Mahler,Wagner und Berg erkannt ("Musikalische Monographien").
    Georg Solti verdankt Ihm nach eigener Aussage den entscheidenden Hinweis auf Mahlers Musik, und er dirigierte in seiner Frankfurter Zeit seine erste Mahler-Sinfonie.


    Im Grunde gefällt mir die obige Einteilung von Adorno, weil sie provokant und auch etwas polemisch ist, dabei sehr geistreich, kenntnisreich und scharfsinnig.
    Ich weiß gar nicht, wo ich mich da genau einordnen sollte. Die Typen Nr. 1 - 4 sind mir jedenfalls alle schonmal in mir aufgefallen.
    Provokant sind natürlich die Nr. 5 - 7. Adorno scheint diese Leute zu verachten. Kann ich sogar verstehen.



    Agon

  • Eine nette provokante Geschichte (dazu noch wahr) über Adorno findet ihr in der Rubrik "Satire" in meinem Beitrag "Fraktale 11". Was seinen Typ 1 betrifft: solch einen Menschen möchte ich gar nicht kennenlernen. Auch sein Beispiel, die Hörer von Renaissancemusik als Sonderlinge abzuqualifizieren, liegt ziemlich daneben. Palestrina, Lechner, Melchior Franck, Tallis und die übrigen Polyphoniker zu hören und zu singen, dazu gehört mehr sogar als sich Haydn, Mozart und Beethoven einzuverleiben.
    Adorno hat ja auch komponiert. Was ich da gehört habe - da kann man nur von einer unerwiderten Liebe zur Musik sprechen.
    Ansonsten gibt es hier in den Beiträgen ein wunderbares understatement. Ich kenne ja jetzt sehr viele Taminos von unterschiedlichen Beiträgen - da ist Typ 2 schon die Regel.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Irgendetwas aus 2, 3, 4 und 6. Kommt auf die Musik und Stimmung an.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Herr Adorno hat ja auch selber sowas geschrieben, was er als Musik bezeichnet, dürfte sich aber nicht um nivellierte Einheitskost handeln, da man sie kaum wo angeboten bekommt.....

    Genau so ist es. Keine nivillierte Einheitskost. z.B. da sind vorzügliche Streichquartette, ein geiles Streichtrio aus den 40gern und ganz fetzige Orchesterstücke.. und noch Lieder ... alles in der Tradition der Neuen Wiener Schule geschrieben, dessen gedanklicher, in kritischer Solidarität verbundener, Mitkämpfer er war.
    :hello:

  • Mir geht es wie Joseph II. Nach dieser eigenen Einschätzung muß ich in jedem Falle die 1), die 5) und die 7) völlig ausschließen. Ansonsten fühle ich mich je nach Gefühls- oder Stimmungslage bei 2) bis 4) und die 6) gut aufgehoben.


    Dr. Pingel schreibt zu Adorno:


    Zitat

    Adorno hat ja auch komponiert. Was ich da gehört habe - da kann man nur von einer unerwiderten Liebe zur Musik sprechen.


    Da mir von seinen Kompositionen nichts bekannt ist, scheint es mir nach diesem Statement angebracht, meine Finger auch davon zu lassen...

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Mich kann man auch in kein Schema pressen. Ich tendiere wie einige meiner Vorschreiber zu 2 bis 4. Das ist von der jeweiligen Stimmungslage und Tätigkeit abhängig. Da ich in jedem Raum eine Stereoanlage stehen habe, kann ich praktisch immer Musik hören, mal laut, mal leiser. Wirklich intensiv höre ich erst abends nach des Tages Lasten. Da ziehe ich mich öfter in mein Studio zurück, da höre ich dann wirklich auf drei Anlagen wechselnd meine jeweiligen Lieblingsstücke mit Genuß. Also noch einmal: Die Lösung wäre für mich 2 bis 4.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Wer ist Adorno, da halte ich es lieber mit Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900): Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum!!! Hörertyp? Schei..egal !


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hörertyp? Schei..egal !


    Lieber Bernward,


    natürlich steht es Dir frei, diese Meinung zu vertreten. Warum auch nicht.


    Ich versuche lediglich, etwas systematischer zu verstehen, wie sich die tiefe Ablehnung einiger Musikfreunde gegen zeitgenössische Musik und anregende Inszenierungen begrifflich fassen lässt. Ich verstehe diesen Widerspruch nicht: Da gibt es Freunde der Musik, die viel wissen und kennen und vieles lieben, die aber die Musik ablehnen, die in ihrer Zeit entsteht und die Themen und den Geist ihrer Gegenwart aufnimmt.


    Diese Haltung ist mir völlig unverständlich, ja fast unheimlich. Was wäre, wenn wir nur Literatur bis - sagen wir - Storm, Keller, Fontane und C. F. Meyer läsen? Was, wenn unsere philosophischen Grundlagen bei Nietzsche und Schopenhauer endeten? Was, wenn wir uns so kleideten wie es um 1900 herum üblich war und auch den Hygeniestandard jener Zeit hätten? Man würde uns nicht ganz für voll nehmen, nicht wahr?


    Die Musiksoziologie Adornos bietet mir da erste Gehhilfen in einem Gebiet, das mir ein wenig unheimlich ist. Da wird eine Typologie angeboten, die - wie jede Typologie - unvollständig und lückenhaft ist, aber grundsätzliche Dinge durchaus zu erklären vermag. Natürlich ist das nur ein erster Schritt.

  • Lieber Wolfram!
    Es war nicht bös' gemeint. Dann würde ich sagen von 1 - 6 von jedem etwas, von einem mehr, vom anderen weniger. Aber eine klare feste Zuordnung zu nur einer Ziffer ist nicht möglich und wäre mir auch zu wenig.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Ich versuche lediglich, etwas systematischer zu verstehen, wie sich die tiefe Ablehnung einiger Musikfreunde gegen zeitgenössische Musik und anregende Inszenierungen begrifflich fassen lässt. Ich verstehe diesen Widerspruch nicht: Da gibt es Freunde der Musik, die viel wissen und kennen und vieles lieben, die aber die Musik ablehnen, die in ihrer Zeit entsteht und die Themen und den Geist ihrer Gegenwart aufnimmt.


    Ob da diese Typologie etwas hilft?
    Die Bescheidenen nehmen halt 3-6, diejenigen, die nicht wirklich erkennen, welche Ansprüche Adorno stellt, oder diejenigen, die sich selbst überschätzen 1-2. 7 meldet sich hier nicht an.
    Ob man nun Haydn oder Nono lieber hört, ist dabei relativ unwichtig.
    Im Gymnasium glaubte ich noch, auch 2 zu sein. Inzwischen wäre ich womöglich offiziell 1, bin aber eher nicht unter 3.


  • .


    Ich versuche lediglich, etwas systematischer zu verstehen, wie sich die tiefe Ablehnung einiger Musikfreunde gegen zeitgenössische Musik und anregende Inszenierungen begrifflich fassen lässt. Ich verstehe diesen Widerspruch nicht: Da gibt es Freunde der Musik, die viel wissen und kennen und vieles lieben, die aber die Musik ablehnen, die in ihrer Zeit entsteht und die Themen und den Geist ihrer Gegenwart aufnimmt.


    Diese Haltung ist mir völlig unverständlich, ja fast unheimlich. Was wäre, wenn wir nur Literatur bis - sagen wir - Storm, Keller, Fontane und C. F. Meyer läsen? Was, wenn unsere philosophischen Grundlagen bei Nietzsche und Schopenhauer endeten? Was, wenn wir uns so kleideten wie es um 1900 herum üblich war und auch den Hygeniestandard jener Zeit hätten? Man würde uns nicht ganz für voll nehmen, nicht wahr?

    Ich glaube, dass es sich hier nicht um ein Problem der Zeit, sondern der Qualität handelt. Die meisten Taminos hier kennen die Musikgeschichte rauf und runter und haben sich zum Beispiel gegen die Neue Wiener Schule entschieden, weil sie sie für eine Sackgasse halten. Wer hat denn zur Zeit Schönbergs noch komponiert? Janacek, Hindemith, Britten, Strawinski, Prokofieff, Schostakowitsch, Bartok! Und wo sind sie? Auf allen Konzertprogrammen der Welt, selbst bei kleineren Orchestern, für sie früher eine Nummer zu groß waren. Und wo ist die neue Wiener Schule? Am Rand oder in der Sackgasse! Sie hat sich einfach nicht durchgesetzt, wobei es jedem unbenommen ist, das trotzdem zu hören. Der Vergleich mit der Literatur führt zu den gleichen Ergebnissen. Wo ist Böll heute (Nobelpreisträger)?

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich möchte dazu sagen, dass es mir oft leid tut, wenig von Musik zu verstehen. Das ist sehr hinderlich, insbesondere bei der "neuen Musik", wo es dann (mir) sehr schwer wird, Zusammenhänge oder Ähnlichkeiten zwischen den oft so verschieden - oder manchmal auch ähnlich - klingenden Strömungen zu erkennen, was jedoch sehr wünschenswert wäre, wenn ich hier etwas vorstellen möchte. Leider kann ich über "klingt wie" und "gefällt mir" und "im Beiheft steht" nicht weiter hinaus. Das frustriert und macht wortkarg. Aber vielleicht hat es auch sein Gutes: ich kann unbedarft Staunen, und das ist für einen richtigen "Experten" sicher schwieriger.
    Ich habe beobachtet, dass Personen mit profunden musikalischen Kenntnissen anders hören und anders schätzen, und darum denke ich die Grundunterteilung der Hörer müsste anhand der Fachkenntnisse erfolgen. Oder auch nicht. Das "Hören" ist nämlich so eine Sache: ich höre mal so, mal so, je nach Befinden. Mal lockt das "Avantgarde Minderheitenprogramm", mal scheue ich es und schwelge z.B. in Boccherinis Streichquartetten. Nebenbei bemerkt kann ich mich zum Anlass auch für sagen wir mal die Swans, Einstürzende Neubauten, oder Depeche Mode, und auch ganz unbedarfte nette Liedchen begeistern.
    Vielleicht ist die Grundfrage: Braucht man Musik, oder braucht man sie nicht? Ich kenne einige mit bester Klavierausbildung - und die ziehen dann ohne ihr Klavier um und vermissen es nicht einmal! Und ich, ein Ignorant und Stümper, brauche meins.


    so steht´s um mich
    Julius

    Julius

  • Ich glaube, dass es sich hier nicht um ein Problem der Zeit, sondern der Qualität handelt. Die meisten Taminos hier kennen die Musikgeschichte rauf und runter und haben sich zum Beispiel gegen die Neue Wiener Schule entschieden, weil sie sie für eine Sackgasse halten.


    Lieber Dr. Pingel,


    ich bin nicht sicher, ob es wirklich nur ein Qualitätsthema ist.


    Warum sollte Schönbergs 3. Streichquartett op. 30 (12tönig) qualitativ schlechter sein als entsprechende Werke von Britten oder Hindemith?


    Aber - und damit sind wir beim Thread-Thema - : Ich behaupte, dass diese Musik einen Hörer vom Adorno-Typ 1 oder mindestens 2 braucht und auf dessen Hörwahrnehmung angewiesen ist. Denn die Strukturen und Architekturen, das Formale des Stücks, die sind nicht weniger gelungen als in einer Sinfonie von Beethoven oder in einem Streichquartett von Brahms.


    Nur sind die wenigsten bereit, sich der Mühe zu unterziehen, das geniale formale Werk zu erkennen, um es entsprechend seiner Kunst wertschätzen zu können, und noch weniger sind vom Adorno-Typ 1, so dass sie das alles auf Anhieb erkennen würden.


    Wer eine behagliche Melodie, ein mitreißendes Thema erwartet, wird bei Schönbergs op. 30 enttäuscht. Wer Formen und Strukturen haben will, wird überreich beschenkt. Für Bach-Fugen-Liebhaber ist diese Musik eventuell leichter zugänglich.


    Bei Bartok gibt es wenigstens in der Regel so etwas wie einen interessanten Rhythmus, an den man sich klammern kann. Bei Hindemith gibt es so etwas wie Melodien und "schöne Klänge". Bei Schönberg liegen die Schönheiten oft im Formalen. (Wobei ich z. B. die "Herzgewächse" op. 20 hochgradig sinnlich finde und die "Erwartung" op. 17 erst recht.)

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