Ich möchte heute einmal das Buch „Leo Fall – Spöttischer Rebell der Operette“ von Stefan Frey vorstellen. Der Untertitel ist dabei eher als Wortspiel zu betrachten als dass er dem tatsächlich beschriebenen Charakter des Komponisten entspricht. Spöttisch, ja, das war er wohl, der Leo Fall. Schon seit den Kindertagen galt er als Ulknudel und bezeichnenderweise fand er seinen Weg zur Operette als Angehöriger eines Berliner Kabarettensembles namens „Böse Buben“. Aber ein „Rebell“ lässt sich daraus noch nicht herleiten; dieser Begriff geht ganz einfach auf Falls erste Operette „Der Rebell“, uraufgeführt 1905, zurück, die sieben Jahre später in „Der liebe Augustin“ völlig umgearbeitet wurde. Und gerade in dieser Neubearbeitung findet sich eine Parallele zu einem wesentlich ausgeprägteren Charakterzug des Leo Fall, nämlich seine Verschwendungssucht.
„Wer will von uns bezahlet sein,
so muss er sich gedulden,
wir leben in den Tag hinein...
und pfeifen auf die Schulden.“
Der Librettist Rudolf Bernauer hat, als er obige Zeilen dem Regenten Bogumil in den Mund legte, sicherlich auch an den Komponisten Leo Fall gedacht, den er schon seit seiner „Bösen Buben“-Zeit in Berlin kannte und der, durch den Erfolg des „Fidelen Bauern“ zu plötzlichem Reichtum gekommen, das Geld schneller ausgab als es einging. Diese „Methode“ führte u. a. dazu, dass Fall ständig genötigt war, neue Auftragsarbeiten anzunehmen, so dass er zeitweilig an drei bis vier Operetten gleichzeitig arbeitete oder zu arbeiten vorgab. Einerseits konnte er dadurch oft seine Termine nicht einhalten und galt als extrem unzuverlässig, andererseits war diese Arbeitsweise der Qualität der so entstandenen Werke häufig auch abträglich. Wesentlich unangenehmer an dieser Charakterschwäche des Komponisten war aber Tatsache, dass sich seine Gläubiger nicht nur „gedulden“ mussten, sonder er sie auch durch Prozesse und Vergleiche um ihr verdientes Geld brachte. Dennoch muss er auch einige sehr liebenswürdige Charakterzüge gehabt haben, denn trotz all dieser Unmöglichkeiten seines Wesens arbeiteten seine ständig unter ihm leidenden Partner immer wieder gern mit ihm zusammen.
Interessant und spannend zugleich ist der Einblick in das Leben und Wirken eines Operettenkomponisten und in die Art und Weise, wie Operetten entstanden sind allemal. Leider lässt das Buch für mich doch auch noch einige Wünsche offen. So ist eine Rezension der Werke durch den Autor zwar vorhanden, könnte aber nach meinem Geschmack bei der einen oder anderen Operette noch ausführlicher ausfallen. Und dann gibt es beispielsweise kaum einen Bezug zu den anderen Operettenkomponisten jener Zeit. Ein Foto zeigt zwar Fall zusammen mit Franz Léhár und Oscar Straus, ob aber und wie diese untereinander verkehrten, darüber wird so gut wie nichts berichtet – ein Umstand, den ich auch in anderen Biographien schon vermisst habe.
Stefan Frey hat dagegen viel mehr Wert auf eine Fleißarbeit gelegt, bei der er auch noch von zwei Co-Autoren unterstützt wurde, nämlich dem Aufspüren von persönlichen Korrespondenzen, Aufführungsberichten, Theaterzetteln usw. Das Buch strotzt geradezu von Originalzitaten. Der Autor hält sich dabei auffällig mit eigenen Einschätzungen zurück und verbindet lediglich ein Zitat durch kurze eigene Textpassagen mit dem nächsten, was das Buch insgesamt nur mühevoll lesbar macht. Dazu noch eine Nebenbemerkung: Hätte unser Baron zu Gutenberg seine Anführungszeichen so oft und so exakt gesetzt wie Stefan Frey, wäre er mit seiner Doktorarbeit wohl durchgekommen.
Uwe