Berichten möchte ich von einem Konzertbesuch am vergangenen Freitag. In der Musikhalle (Laiszhalle) Hamburg spielte einmal mehr das NDR Sinfonieorchster. Diesesmal unter der Leitung des ehemaligen Chefdiregenten der Kölner Oper und des Gürzenich Orchesters James Conlon. Als Solist im ersten Teil Stefan Wagner (Violine); seines Zeichens erster Konzertmeister des NDR SO.
Das Programm bestand aus zwei Werken des 20.Jahrhunderts:
B.Britten, Konzert für Violine und Orchester d-moll op.15 (1939)
D.Schostakowitsch, Sinfonie Nr.5 d-moll op.47 (1937)
Bekannt ist, dass die beiden Komponisten eine enge Freundschaft verband, welche allerdings zur Entstehungszeit beider Werke noch nicht bestand.
Brittens Violinenkonzert gilt als durchaus schwer zu spielen. Es handelt sich wohl eher nicht um ein Stück, mit welchem ein Violinist im eigentlichen Sinne brillieren kann. Sehr herausfordert dürfte die knapp dreiminütige Kadenz im zweiten Satz sein, die attacca in den dritten Satz übergeht. Grundthema des dritten Satzes eine Passacaglia, die variiert wird und am Schluß in einen Choral mündet. Insgesamt kein "fröhliches Stück Musik", welches Britten auch unter dem Eindruck des spanischen Bürgerkrieges geschrieben hat.
Für den Solisten des Abends vermutlich eine nicht ganz einfache Aufgabe, welche Stefan Wagner m.E. aber sehr gut bewältigt hat. Zwar gab es für mein Ohr durchaus die eine oder andere Unsauberkeit bei den z.T. sehr hohen Passagen, aber z.B. die lange Kadenz empfand ich als sehr eindrücklich vorgetragen. Das Orchester einmal mehr sehr transparent.
Zur 5.Sinfonie von D.Schostakowitsch gäbe es natürlich unendlich viel zu sagen ... Nach Abstrafung wg. Formalismus und Dekadenz, vernichtender Kritik an der vierten Sinfonie und nicht zuletzt an seiner Oper "Lady Macbeth von Mzensk" musste der Komponist einerseits ein Stück schaffen, welches ihm die weitere Existenz - in ganz wörtlichem Sinne - in der UDSSR überhaupt ermöglichte und zum anderen durch z.T. sehr subtile musikalische Möglichkeiten klarstellen, dass er sich durch "das System" nicht besiegen lassen wollte. Hierzu gibt es dann die teilweise sehr unterschiedlichen Auffassungen, wie gerade der letzte Satz zu verstehen sei; als Triumph im Sinne der tonangebenden politischen Nomenklatura oder als Befreiungsschlag des Komponisten. All das und viel mehr hierzu ist in der einschlägigen Literatur nachzulesen.
Interpretatorsch haben mich die ersten beiden Sätze und auch der letzte überzeugen können. Insbesondere am Schluß scheint sich Conlon für nicht-triumphale Sichtweise entschieden zu haben. Jedenfalls drang in meinen Ohren das ostinate Streicherthema immer stärker in den Vordergrund, von dem Kurt Sanderling in einem Interview einmal gesagt haben soll, dass dies Schostakowitsch Hinweis darauf gewesen sein soll, dass letztendlich er bzw. sein ich über den von anderer Seite gewollten Triumph gesiegt hat.
Abgefallen ist leider der dritte Satz: Ein sehr eindringliches Largo, welches in seiner Traurigkeit und resignativen Grundstimmung vielleicht sogar das Zentrum der Sinfonie bildet. Hier konnten Dirigent und Orchester m.E. den notwendigen Spannungsbogen nicht halten.
Nichtsdestotrotz gab es am Ende des Abends sehr viel berechtigten Applaus!