Dvoraks Sinfonie Nr 6 - vergessene Gute-Laune-Musik

  • Offenbar gibt es hier noch keinen Thread über Dvoraks 6. Sinfonie….


    „Im November 1879 baten die Wiener Philharmoniker mit dem
    Dirigenten Hans Richter an der Spitze Dvorak nach dem Erfolg der Slawischen
    Rhapsodie no 3 um eine neue Sinfonie. Der Komponist entsprach dieser Bitte gern
    und innerhalb eines Jahres war die Sinfonie D-Dur op 60 fertig; die Premiere am
    25. März 1881 behielt Dvorak aber den vereinigten Orchestern der Prager Landestheater
    unter Adolf Cech vor. Das neue Werk wurde mit aufrichtige Begeisterung
    aufgenommen; der Furiant musste sofort wiederholt werden und ein ähnlich warmer
    Empfang wurde der Sinfonie im nächsten Jahr auch in England und den USA zuteil.
    Das Werk selbst sowie die Leichtigkeit, mit der es entstand, ist ein Belegt für
    den enormen Einfallsreichtum des Komponisten, der den lebhaften Strom seiner
    musikalischen Ideen nun bereits sicher beherrschte und ihm eine feste und
    originelle Form zu geben wusste. Das Ergebnis ist ein individuell gefärbtes,
    selbstbewusstes und durchweg fröhlich gestimmtes Werk und auch wenn es nie die enorme
    Popularität der drei großen letzten Werke des Klassikers des tschechischen
    Musik erreichen wird, bleibt es doch ein Meilenstein in dessen musikalischer
    Biografie, denn es stellt eine gewisse Synthese von Dvoraks „slawischer“
    Periode dar und ist zudem von einer Musik erfüllt, die den Zuhörer durch ihre
    elementare Fröhlichkeit und bezaubernde Unmittelbarkeit immer wieder aufs Neue
    erfreut“.


    Soweit Jaroslav Holacek im Booklet der herausragenden
    Kare-Ancerl-Einspielung von Supraphon.



    Diese hab ich mir vor einigen Wochen zugelegt und bin – wie derzeit nicht anders zu vermuten – sehr davon angetan. Wirklich eine zauberhafte Musik, die ich persönlich noch vor die späteren Sinfonien 7 und 8 stelle. Ein schwungvoller erster Satz schönster slawischer Musik, ein traumhaftes Adagio, ein mitreißender Furiant im Scherzo und dazu passender Schlusssatz.


    Getoppt wird diese Aufnahme für mich aber durch eine Einspielung der Tschechischen Philharmoniker unter Vaclav Smetacek. Leider kann ich hierzu kein Cover ausfindig machen. Wo Ancerl im Vergleich ein klein wenig erdenschwerer ist (und sich das ein klitzekleines Stückweit nach Beethoven klingt), klingt Smetacek strahlender und fröhlicher – ein Pluspunkt für diese Sinfonie. Herrliche Holzbläser zu Beginn der Sinfonie und im Adagio lassen einen in diese Aufnahme verlieben. Zudem klingt sie ein klein wenig moderner.
    Auch hier: wer die Qualitäten und Möglichkeiten der "alten" Holz- und Blechbläser in Einspielungen der Tschechischen Philharmoniker kennenlernen will, sollte hier zugreifen.


    Beide sind sehr empfehlenswert; die Smetacek-Aufnahme ist allerdings nirgends mehr auffindbar (ich hab aber ja die Münchner Stadtbibliothek).

  • Habe grad interessehalber recherchiert: Besagte Smetacek-Aufnahme scheint wirklich sehr schwer erhältlich. Hie und da findet man sie auf dem Amazon-Marketplace (auch fr, co.uk, com usw. einbeziehen). Seine 3. kriegt man dagegen relativ leicht.


    Sieht wohl dergestalt aus:



    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zwar halte ich die 7. nach wie vor für die beste von Dvoraks Sinfonien, aber mit 8 und 9 kann 6 durchaus mithalten und ich stimme zu, dass sie sehr zu unrecht wenig bekannt ist. (Die 5. ist freilich auch nicht schlecht und noch weniger bekannt.)
    Bei den Ecksätzen sticht ins Auge, wie eng sich Dvorak hier motivisch an Brahms' 2. Sinfonie angelehnt hat.


    Die Aufnahme aus dem Zyklus von Kertesz gefällt mir sehr gut, aber ich kenne die genannten Aufnahmen mit tschechischen Dirigenten nicht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Habe grad interessehalber recherchiert: Besagte Smetacek-Aufnahme scheint wirklich sehr schwer erhältlich. Hie und da findet man sie auf dem Amazon-Marketplace (auch fr, co.uk, com usw. einbeziehen). Seine 3. kriegt man dagegen relativ leicht.


    Sieht wohl dergestalt aus:


    LG
    Joseph
    :hello:

    Dank Dir für den Tip ... der aber bei mir obligatorisch ist. Zu viele
    Schnäppchen würde ich sonst links liegen lassen*. Eine Abbildung der 6.
    war aber leider nirgends greifbar.


    Herzlichst
    Thomas



    *) Gerade heute erst kam Tchaikovskys 5. mit den Tschechischen Philharmonikern unter Lovro v Matacic. Für 0,01 Euro + 3 Euro Versand ... aus England!

  • ...
    Die Aufnahme aus dem Zyklus von Kertesz gefällt mir sehr gut, aber ich kenne die genannten Aufnahmen mit tschechischen Dirigenten nicht.

    Ich hab den Kertez-Zyklus vor einiger Zeit mal durchgehört; sicher nicht die allerschlechteste Wahl. Aber irgendwie widerstrebt es mir, böhmische Musik mit einem Londoner Orchester zu hören. Oder eben aus Cleveland :pfeif:
    Das ist so mein Spleen. 8)

  • Hallo Thomas,


    Bruckner und Mahler klingen mit am besten, wenn sie aus Amsterdam kommen, dann wird man Dvorak aus London auch verschmerzen können... ;)


    Ich will keine Grundsatzdiskussion über wer kann was am besten oder nicht so gut führen, aber es gibt schlimmeres als Dvorak aus London.


    Giulini hat leider die 6. Sinfonie nicht mit eingespielt, aber wesentlich besseres als die Aufnahmen 7-9, eingespielt mit dem London Philharmonic und Philharmonia Orchestra, erschienen bei EMI, wirst Du kaum zu hören bekommen.


    Bei der 6. kann ich, man staunt vielleicht, Colin Davis empfehlen:


    oder, alleine,


    Der "Daily Telegraph" wird zur 6. zitiert mit: "a resplendant sixth... it blazes with Bohemian warmth and vivacity."


    Die beschriebene Wärme, gepaart mit Temperament und Sensibilität, aber ohne Sentimentalität und Oberflächenpolitur, kennzeichnen alle (live) eingespielten Sinfonien.


    Mit Sicherheit sehr gut müßte Vaclav Neumann abschneiden:



    Diese Aufnahmen kenne ich (leider noch?) nicht, wohl aber die der 7.-9. und die sind hervorragend...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Die hier thematisierte Sechste kenne ich - zugegeben - überhaupt nur in zwei Einspielungen:
    - István Kertész/London Symphony Orch. (rec. 12/1965)
    - Václav Neumann/Tschechische Philharmonie Prag (rec. 1982)


    Aus diesem beschränkten Erfahrungshorizont heraus möchte ich sagen: die Václav Neumann-Version mit der Tschechischen Philharmonie von 1982

    ist großartig. Sehr zu empfehlen. Kubelik dürfte im Übrigen auch einen Kauf wert sein:

  • Colin Davis … schon wieder London 8)


    Lieber Norbert,


    Du hast natürlich schon recht, aber in Sachen Mahler ist die Sache m. E. auch bisserl einfacher…


    Dvoraks Musik strotzt ja wie kaum eine andere vor böhmischem Lokalkolorit und das nicht auf
    Grund einer besonderen Instrumentierung oder vorgegebenen Spielwiese. Es entsteht aus sich
    selbst heraus, aus dem Lebensgefühl in der Interpretation und der Tradition der Interpretations-
    praxis. Ich bin kein Musiker und habs jetzt vermutlich recht verquer dargestellt. Vielleicht sinds
    aber auch nur meine deutsch-böhmischen Wurzeln….


    Und ich denke halt, dass sich Dvoraks Musik (ebenso wie Smetana, Janacek, Novak, Fibich, Suk …)
    mit den alten Philharmonikern ganz besonders anhören. Da kommt auch ein Giulini nicht mit
    (dessen Achte ich habe und die sicher hervorragend gespielt ist). Da sind aber m. E. Welten
    gegenüber den von mir Angesprochen. Gar nicht mal was die nackte Präzision im Spiel angeht,
    sondern im besonderen „Gschmäckle“, in der Farbe der Musik. Die fehlt bei Giulini. Auch ein Herr
    Harnoncourt mit seinen RCO kriegt das nicht hin (auch ganz wunderbare Aufnahmen, ohne aber
    hier über Harnoncourt reden zu wollen - das ist sicher ein Sonderfall).


    Augen- bzw ohrenfälligste Beispiele sind der schon erwähnte Beginn der Sechsten - speziell mit
    Smetacek. Eine solche Klangfarbe und Stimmung kriegen nur die Tschechen hin. Oder (OT)
    das Adagio der Achten unter Neumann oder der Tanz- bzw Ländlerteil im dritten Satz der neunten.
    Was Ancerl da anbietet ist einfach göttlich. Und das gehört für meine Begriffe zu dieser Musik.
    Wie gesagt, meine Meinung.


    Die Collins-Aufnahmen wird mich mir jedenfalls mal anhören … Deine Tips waren bislang immer :thumbup:
    Leider ist der Beginn der Sechsten in den Schnipseln nicht zu hören....


    @Swjasoslaw
    Die Neumann-Aufnahme steht auch noch zum Kauf an – momentan ist sie mir zu teuer.

  • Hallo Swjatoslaw,


    Dank Dir. Kommen zwar noch n paar Bucks Versand dazu, aber preiswerter als bei uns ists allemal. Vielleicht krieg ich ne größere Bestellung zusammen.


    Ich hatte mir kürzlich (allerdings in D) eine Neumann-"Mein Vaterland" von Denon gekauft (Konzert der Tschechischen Philharmoniker 1982 in Tokyo) - die klingt hervorragend, sehr seidig. Scheint bei Deinem Vorschlag auch so zu sein. Die Aktion steigen ;)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner

  • Lieber Thomas,


    ich teile Deine Meinung nicht unbedingt, ich kann sie aber nachvollziehen ;) .


    Bei der 6. Sinfonie kann ich nicht vergleichend mitreden, wenngleich über kurz oder lang Ancerl und/oder Neumann meine Sammlung bereichern werden, aber wenn ich z.B. Smetanas "Ma Vlast" in den verschiedenen Aufnahmen mit Rafael Kubelik anhöre, so stelle ich einerseits fest, daß er es selbst geschafft hat, dem Boston Symphony Orchestra ein wenig "tschechische Seele" einzuhauchen, aber andererseits gravierende Klangunterschiede zwischen dem SO des Bayer. Rdfs., dem Boston SO und der Tschechischen Philharmonie in Kubeliks Interpretationen für mich nicht hörbar sind (muß aber auch nicht).
    Es sind alles drei hervorragende Aufnahmen.


    Zitat

    Die Collins-Aufnahmen wird mich mir jedenfalls mal anhören … Deine Tips waren bislang immer :thumbup:
    Leider ist der Beginn der Sechsten in den Schnipseln nicht zu hören....


    Danke für die Blumen ;) .

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Die sechste Symphonie ist nach der neunten meine Lieblingssymphonie von Dvorak. Die Aufnahme aus der Box mit Belohlavek ist natürlich sehr schön, aber obwohl sie durch Dirigent und Orchester eigentlich d i e Einspielung aller Einspielungen sein müsste, ist sie für mich ein bisschen zu schön mit etwas wenig Dramatik (blödes Wort, ein besseres habe ich im Moment nicht ...) gespielt.


    Gestern habe ich sie einmal wieder gehört in der Einspielung von Anguelov mit dem Slowakischen Rundfunk-Sinfonie-Orchester:

    Es ist eine temperamentvolle und frische Einspielung, eine herausragend gelungene Aufnahme in dieser Box. Es war meine erste Gesamtaufnahme auf CD. Deshalb hat sie für mich natürlich einen besonderen persönlichen Stellenwert. Die ersten "CD-Jahre" habe ich Dvorak nur in diesen Aufnahmen gehört.


    Eine empfehlenswerte Einspielung mit Tiefe und Strahlkraft ist diese hier, die in diesem Thread eigentlich unbedingt erwähnt werden sollte:

    Myung-Whun Chung mit den Wiener Philharmonikern. Eine fabelhafte "Achte" ist auch noch mit dabei!


    Zuletzt habe ich die Aufnahme von Kubelik mit den Berliner Philharmonikern gehört:

    Das ist eine starke Aufnahme. Die Bläser haben mir gut gefallen, hier ist einfach alles: die Schönheit und Wärme, aber auch die zupackende Kraft.


    Heute steht für mich noch die Aufnahme mit Mackerras auf dem Plan, auf die ich mich besonders freue ...


    Freundliche Grüße von der Nordseeküste sendet Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Myung - Whun Chung


    Die Sechste von Dvorak verdient eigentlich mehr Beiträge als bisher ........................


    Angeregt durch einen aktuellen Beitrag in "Heute gehört" möchte ich unbedingt auf die Chung - Aufnahme mit den Wiener PH aufmerksam machen.

    Diese wurde im Vorbeitrag von Andrew auch hervorgehoben und ist nun (auch noch ohne Bild) ganz untergegangen.


    DG, 1995 / 1999, DDD


    Zitat von teleton

    Ich habe auch die DG-Doppel-CD, mit den Sinfonien Nr. 3, 7 und 6, 8.

    :| So doll finde ich die Chung-Interpretationen auch nicht, denn da ziehe bei der Siebten auch Dohnanyi (Decca), Levine (RCA) und Szell (Sony) weit vor. Der Achten fehlt das Überschwängliche, wie bei Dohnanyi (Decca) und Karajan / WPH (Decca).

    :) ;) Aber diese Australian Elequence Doppel-CD muss ich trotzdem behalten, denn die :angel: Sinfonie Nr.6 mit Chung ist einsame Spitze. Diese Energie, dieses unglaubliche Vorwärsschreiten. Man was lässt der die böhmische Post abgehen. Nie besser gehört !

    Chung hat man ja eigentlich für die Dvorak-Sinfonien nicht auf dem Schirm ... da denkt man doch eher an Dohnanyi, Szell, oder die Tschechen ...

    :thumbup::thumbup::thumbup: Doch was Myung-Whun Chung hier bei der Sinfonie Nr.6 abliefert ist der Hammer. Besonders der letzte Satz Allegro con spirito ist "Hörspass erster Klasse" .. da verblassen alle anderen mir bekannten Aufnahmen. Der tempramentvolle Parforceritt (im positivsten Sinne), den Chung hier abliefert ist böhmische Megaklasse. Das muss man gehört haben.

    Spielzeit = 11:53 - 10:11 - 7:20 - 10:30



    Ach so, die Kubelik-Aufnahme (DG) der Sechsten, die Andrew im Vorbeitrag abgebildet hat, habe ich am Wochenende gehört: Ja, ganz nett, aber mit Chungs Megaaufnahme nicht vergleichbar. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die Pauken bei Kubelik nicht punktgenau einsetzen oder rhythmisch einfach anders eingebunden werden - irgendwie seltsam ... bei Kertesz (Decca) klingt das sauberer, aber im Vergleich zu Chung ist auch Kertesz zu artig ... klanglich ist die Kubelik-GA ohnehin nicht das Gelbe vom Ei .

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Der tempramentvolle Parforceritt (im positivsten Sinne), den Chung hier abliefert ist böhmische Megaklasse. Das muss man gehört haben.

    Da möchte ich doch deutlich widersprechen, lieber Wolfgang! Ein "Parforceritt" ist nämlich so unböhmisch wie nur was. Chung (er ist der Bruder der Geigerin) ist ein hervorragender Dirigent ohne Frage. Und die Wiener Philharmoniker sind ein super Orchester. Ein Musik machen ist das, was freilich gefallen kann, wenn es - insbesondere Deinem - Geschmack entgegenkommt. :D Nur - das ist dann keine persönliche Geschmacksfrage mehr - ist das alles andere als ein idiomatischer Dvorak - nämlich völlig "unböhmisch". Im Kopfsatz spielen die Wiener unter Chung ästhetisierend - da fehlt die federnde, tänzerische Eleganz der Tschechischen Philharmonie. Für das Scherzo gilt dasselbe, was für viele fetzige und genau deshalb Fehlinterpretationen der Slavischen Tänze zu sagen ist: Böhmisch ist nicht ungarisch: auch im Temperamentvollen muss eben eine Eleganz und Leichtigkeit zu hören sein, die niemals ins Derbe und Knallige abgleitet: das ist böhmische Idiomatik. Die Wiener klingen im Kopfsatz aufgeweicht und dann im Scherzo rustikal "ungarisch". Nein, das können die Tschechen eindeutig "böhmischer" - und also besser! ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Guten Morgen,


    ich habe gerade festgestellt die Nr.6 nur einmal zu haben, sie läuft gerade :



    Habe mir also eine Doppel CD ( 4-6, gebraucht ) von Neumann bestellt. Denke das ist ein guter Kontrast.


    Gruss


    Kalli

  • RE: Chung mit den Wiener PH

    Zitat von Holger

    Nein, das können die Tschechen eindeutig "böhmischer" - und also besser! ^^

    Lieber Holger,


    ich habe mir schon gedacht, dass der Einwand kommt, von wegen "unböhmisch o.ä." Ich verstehe ja aus dener Sicht, wie Du das meinst. Du willst es absolut böhmisch und "werkgerecht" haben.

    Ich finde den Biss mit federnder tänzerischer Eleganz, mit einen fabelhaften Schuss vorwärsschreitender Emotion, die Chung in der Sinfonie Nr.6 einbringt, ganz ausgezeichnet.

    Was nützt mir die von Dir so bezeichnete "böhmische Idiomatik", wenn ich mich dabei eher langweile ?

    8) Was Chung bei der Sechsten bietet ist Gänsehaut pur. So macht diese Sinfonie richtig Freude. :saint:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • ch habe mir schon gedacht, dass der Einwand kommt, von wegen "unböhmisch o.ä." Ich verstehe ja aus dener Sicht, wie Du das meinst. Du willst es absolut böhmisch und "werkgerecht" haben.

    Ich finde den Biss mit federnder tänzerischer Eleganz, mit einen fabelhaften Schuss vorwärsschreitender Emotion, die Chung in der Sinfonie Nr.6 einbringt, ganz ausgezeichnet.

    Was nützt mir die von Dir so bezeichnete "böhmische Idiomatik", wenn ich mich dabei eher langweile ?

    8) Was Chung bei der Sechsten bietet ist Gänsehaut pur. So macht diese Sinfonie richtig Freude. :saint:

    Lieber Wolfgang,


    wenn Du die großen tschechischen Dirigenten der Vergangenheit hörst (Talich (Aufnahme 1938!), Ancerl, Neumann, Kubelik) dann spielen sie den Scherzo-Satz im nahezu identischen Tempo und im Charakter sehr ähnlich - turbulent, aber zugleich tänzerisch leicht, ohne zu überdrehen und zu übertreiben oder an der Temposchraube zu drehen. Das ist offenbar die böhmische Spieltradition! Dagegen wirkt Chung einfach überdreht! Wo man sich langweilt und wo nicht ist halt sehr subjektiv - es hat mit den Hörgewohnheiten und Erwartungshaltungen zu tun, die der Hörer mitbringt. :hello:


    Hier kann ich jedenfalls nichts Langweiliges finden (ab 24:14 Minuten):


    Dvorak - Symphony No. 6 (Ancerl / Czech Phil) - YouTube


    Dagegen klingt das (Chung) für mich einfach nur überhastet und weniger rhythmisch scharf:


    Dvorák: Symphony No.6 in D, Op.60 - 3. Scherzo (Furiant: Presto) - YouTube


    Schöne Grüße

    Holger

  • Da bin ich ganz Deiner Meinung, lieber Holger. Chungs Version hört sich so an, also ob das Video zu schnell ablaufen würde - furchtbar.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Chung und die Wiener Philharmoniker spielen "weniger rhytmisch scharf", konnte ich so nicht festellen, werter Holger.

    Das eine sind Traditionen, das andere subjektive Auslegungen des Dirigenten. Kann und will man die immergleichen Traditionen von gestern hören? Weiß nicht, aber natürlich hat alles seine Berechtigung.

    Myung-Whun Chung würde solche Tempi heute vielleicht auch selber nicht mehr anschlagen, aber zu Zeiten der Aufnahme war es seine persönliche Interpretation und die Wiener Philharmoniker gingen wunderbar mit.

    Am Ende muss es dem Zuhörer gefallen, Tradition hin oder her.


    Und mir hat seine Sichtweise sehr gut gefallen.


    Grüße

    Apollon

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Am Ende muss es dem Zuhörer gefallen, Tradition hin oder her.

    Richtig! Aber es gibt bei Musik auch eine Idiomatik, die zur ästhetischen Substanz des Werkes gehört. Die Wiener Philharmoniker spielen schon sehr gut. Nur das könnte man auch sagen, wenn spritzig leichter französischer Saint-Saens nach schwerblütigem Sibelius klingt. Celibidache z.B. spielt Dvoraks 9. auch nicht unbedingt idiomatisch - Traditionen interessierten ihn reichlich wenig. Dafür gibt er dem Werk aber eine luzide Klassizität, die ihm durchaus gut bekommt. So einen Hörgewinn kann ich bei Chung speziell im Scherzo der 6. aber nicht feststellen. Im schnellen Satz führt das überdrehte Tempo, das er wählt, einfach zu einem Differenzierungsverlust. Das Mitreißende des Tempo-Sogs geht auf Kosten der komplexen rhythmischen Innenspannungen. So höre ich das jedenfalls. Mir ist das einfach zu sehr eine auf den Knalleffekt setzende äußerlich bleibende Wirkungsrhetorik.


    P.S. Und der Satz verliert so seine ästhetische Einheit durch die sich auftuenden Extreme: erst super schnell, und dann ein flächig-gemächliches, so gar nicht mehr rhythmisch pulsierendes Trio. Das ist einfach unausgewogen - und klassische Ausgewogenheit gehört zu Dvorak nicht minder als zu seinem Freund Brahms.


    Schöne Grüße

    Holger

  • 300x300-000000-80-0-0.jpg


    Nun habe ich die Smetácek-Einspielung komplett gehört (sehr gut) und danach noch zumindest in ein paar andere Aufnahmen hineingehört. Dazu partielle Höreindrücke.


    300x300-000000-80-0-0.jpg


    Überraschung für mich Dohnányi, ein Dirigent, den ich sonst kaum auf dem Schirm habe. Seine Einspielung aus Cleveland überzeugt interpretatorisch wie klanglich (sehr präsente Pauken).


    covermokhy.jpg


    Sehr stark auch der tschechische Dirigent Radomil Eliska mit dem japanischen Sapporo Symphony Orchestra. Gefällig großsymphonischer Ansatz.



    Gefallen hat mir auch Inkinens Interpretation mit der Deutschen Radio Philharmonie.


    Ancerls Einspielung kommt im direkten Vergleich mit recht historischem Klang daher (der Hall schluckt viele Details).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das ist die CD von Neuman die ich bestellt habe ( ca. 11€ mit Versand )


    Habe jetzt das Cover gespeichert, kann es aber nicht einfügen......Supraphon wohl aus den 90ern....

  • Ich verstehe und respektiere deine Argumentationen, nur ist mein Ansatz ein anderer. Primär öffne ich mich einer Aufnahme völlig frei von irgendwelchen Vorstellungen (...stimmt auch nicht ganz, weil vieles bereits gehört worden ist und dadurch auch innerliche Klangvorstellungen zwangsweise vorgezeichnet werden), trotzdem versuche ich es.

    Und dann kommt der für mich entscheidende Punkt, spricht es mich an oder nicht.


    Wahrscheinlich gehe ich hier relativ primitiv zugange, nur hilft es mir offen für verschiedene Interpretationsansätze zu bleiben. Extreme gehören zur Musik, sie schärfen den Blick auf "altvertrautes". Alles kann, nichts muss.


    Grüße

    Apollon

  • Da bin ich im Prinzip auch mit Dir durchaus einig. Es gibt ja berühmte Beispiele für Extreme und Exzentrik, die es schaffen, uns einen neuen, ungewohnten Blick zu verschaffen: Gould, Bernstein, Celibidache - um nur drei Namen zu nennen. Da sagt man dann: Eigentlich geht das nicht, aber trotzdem ist es spannend. Sowas habe ich noch ungehört im Regal stehen: Celi mit der Symphonie fantastique. ^^ Nur bei Chung vermisse ich das einfach in diesem Fall, die Erschließung einer neuen Dimension. Nur reißerisch schnell, schnell zu dirigieren und dann wieder sentimentalisierend breit - was bringt uns das? Das berührt mich einfach nicht. Er dirigiert das ja nicht unrhythmisch, da gebe ich Dir auch recht. Nur erinnert mich sein Furiant eher an einen vorüberhuschenden Mendelssohn (Finale der 4. Symphonie). Das Thema von Dvorak verliert so für mich aber diese gewisse originelle Knorrigkeit. Die höre ich nur bei den Tschechen (von denen mir wie Wolfgang auch Kubelik am wenigsten gefällt), sondern auch bei Suitner oder Dohnany etwa. Die gefallen mir ebenfalls sehr gut. :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Dieses Threads wegen habe ich meinen "Hörplan" umgestossen und ebenfalls die 6. Dvorak mit Euch genossen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

    Ich erinnere mich dunkel, als ich vor viiieeelen Jahren mir die hypothetische Frage stellte, ob dieser Dvorak eigentlich nur EINE Sinfonie komponiert habe - und ich mich auf Entdeckungsreise begab. Ich weiß nur mehr, daß mir damals die 6. besonders aufgefallen ist. Erinnerungen verklären manchmal - und so war ich gespannt, wie ich denn heute die Sinfonie empfinden würde. Um es kurz zu machen: Ich war begeistert, und es wird dazu führen, daß ich in absehbarer Zeit -in die eine oder andere Dvorak Sinfonie hineinhören werde - vor allem aber in die 6. in Alternativaufnahmen. Heute habe ich die Aufnahme mit der Tschechischen Philharmonie unter Karel Ancerl gehört (allerdings noch in einer älteren Verpackung) - und ich muß sagen daß ich sie (ohne verglichen zu haben) für schlechthin ideal halte und auch das Klangbild als sehr natürlich empfinde.(Seit ich mit Röhrenverstärkern höre, empfinde ich den Klang vieler Aufnahme als anspringender und musikalischer zugleich - ich bin immer wieder frappiert)

    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja, die sechste Symphonie mochte ich seit dem ersten Hören (ich glaube: Colin Davis im Radio vor vielen Jahren).

    In meinen drei Gesamtpaketen höre ich gerne die Einspielungen von Kubelik und Anguelov (das Cover dieser herausragenden GA habe ich oben vor 6 Jahren gepostet). Belohlavek ist zwar auch eine sehr schöne Einspielung in warmen Klangfarben, aber hier fehlen mir auch ein bisschen die Kontraste. Es ist alles in seinem sehr schönen Gleichklang.


    Chung ist eine wirklich starke Aufnahme, für mich eine der besten dieses Werks.


    Dazu sind in den vergangenen Jahren noch zwei andere gekommen:



    Charles Mackerras mit der Tschechischen Philharmonie, der für die Werke Dvorals, Smetanas, Janaceks usw. wirklich eine glückliche Hand hatte und ungemein fesselnde, klangschöne und lebendige Aufnahmen eingespielt hat. Diese hier gehört für mich unbedingt dazu.


    Phantastisch auch die oben von Joseph II. erwähnte Aufnahme mit Dohnanyi und dem Cleveland Orchestra, der die Sinfonien 6 - 9 aufgenommen hat. Die charaktervollen Pauken wurden schon erwähnt . Wie vieles, was ich mit Dohnanyi kenne ist auch dies eine Aufnahme mit ungeheurer Strahlkraft und gleichzeitig auch Dynamik. Die Einzel-CD ist bei JPC nicht gelistet, aber ich habe sie auch an den üblichen Fundorten gesichtet.


    Die von Alfred empfohlene Aufnahme mit Ancerl lockt mich auch. Auch die Empfehlung der Einspielung von Dausgaard klingt interessant.


    Ich freue mich, dass diese wunderschöne Symphonie hier ins Rampenlicht gerückt wird und bin gespannt auf weitere Empfehlungen.


    Herzliche Grüße von der Nordseeküste, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Von den genannten Aufnahmen kenne ich auch einige. Ich habe die 6. Sinfonie auch im Konzert gehört. Niemals aber hatte ich den Eindruck, dass es sich bei diesem wundersamen Werk um "Gute-Laune-Musik" handele, wie das die Überschrift dieses Threads glauben machen will. :no:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Das ist die CD von Neuman die ich bestellt habe ( ca. 11€ mit Versand )


    Habe jetzt das Cover gespeichert, kann es aber nicht einfügen......Supraphon wohl aus den 90ern....

    Lieber Kalli,


    bei Supraphon hat Neumann die kompletten Dvorak-Symphonien zweimal eingespielt - die ältere Aufnahme ist aus dem 70gern. Sie gibt es jetzt in dieser Box - zusammen mit den unbedingt empfehlenswerten Symphonischen Dichtungen:



    In den 80igern hat Neumann dann den Zyklus nochmals digital aufgenommen. Die Aufnahme finde ich persönlich - auch aufnahmetechnisch, obwohl Supraphon immer vorbildlich ist in dieser Hinsicht! - die schönste. Für mich die unangefochtene Referenz in Sachen Dvorak-Symphonien. Die gab es zuerst auf CD in drei Boxen Symphonien 1-3, 4-6, 7-9, bzw. und 6-9. Die Box, die Du wohl bestellt hast, hatte ich vor Urzeiten im längst nicht mehr existierenden Tschechischen Zentrum in Sofia (Bulgarien) gekauft (da muss ich auch nachher schauen, demnach müsste ich die 6. doppelt haben):


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    Es gibt den digitalen Zyklus der Symphonien auch in einer Box komplett - das müsste die hier sein:


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    In den 90igern hat Neumann dann - bis zu seinem Tod - noch einige Mahler- und Dvorak-Aufnahmen gemacht. Die Zyklen hat er leider nicht mehr vollenden können. Die Aufnahmen sind aber nicht mehr bei Supraphon erschienen, sondern beim Label Exton. Ich habe sämtliche Neumann-Aufnahmen - also auch die drei verschiedenen Dvorak-Einspielungen. Von den Dvorak-Symphonien aus den 90igern gibt es glaube ich nur die Symphonien 7-9, also nicht die 6. - da muss ich heute Abend nochmal in mein CD-Regal schauen:


    3847.jpg


    MI0004293931.jpg?partner=allrovi.com


    Die Zusammenstellung Symphonien 6-9 gab es auch als LP-Box:


    81mIgnhA5pL._AC_UL320_.jpg

    Heute habe ich die Aufnahme mit der Tschechischen Philharmonie unter Karel Ancerl gehört (allerdings noch in einer älteren Verpackung) - und ich muß sagen daß ich sie (ohne verglichen zu haben) für schlechthin ideal halte und auch das Klangbild als sehr natürlich empfinde.(Seit ich mit Röhrenverstärkern höre, empfinde ich den Klang vieler Aufnahme als anspringender und musikalischer zugleich - ich bin immer wieder frappiert)

    Diese Aufnahme, lieber Alfred, fehlt leider in meiner Ancerl-Sammlung. Die Lücke muss gefüllt werden! Welche Röhren-Verstärker hast Du denn?

    Charles Mackerras mit der Tschechischen Philharmonie, der für die Werke Dvorals, Smetanas, Janaceks usw. wirklich eine glückliche Hand hatte und ungemein fesselnde, klangschöne und lebendige Aufnahmen eingespielt hat. Diese hier gehört für mich unbedingt dazu.

    Schön, dass Du mich auf diese Aufnahme aufmerksam machst, lieber Andrew. Die muss auch in meine Sammlung! Mackeras war zwar Australier, hatte aber eine jüdische Frau und studierte deshalb nicht in Berlin, sondern in Prag. Er sprach nicht nur Tschechisch, sondern wurde zum Experten für tschechische Musik, insbesondere Janacek. Er ging in die Archive und traf u.a. Vaclav Talich, der nicht nur ein überragender Dirigent war, von dem Svjatoslav Richter schreibt, er sei einer der größten Dirigenten gewesen, mit denen er zusammengearbeitet hätte (übrigens seine Karriere als Konzertmeister der Berliner Philharmoniker unter Artur Nikisch begann, bevor er Chef der Tschechischen Philharmonie wurde), sondern auch eine zentrale Figur des Musiklebens in Prag, welcher viele Orchester gründete, sich in Tschechien für den damals ungeliebten Janacek einsetzte und vom kommunistischen Regime übel verfolgt wurde (er war kein Kommunist und auch noch katholisch).



    Symphony No. 6 in D major, Op. 60 - Allegro non tanto - YouTube


    Schöne Grüße

    Holger

  • Danke,


    ich habe dann die spätere DDD Aufnahme von Supraphon.......aber wie man das Bild einsetzt.....bin zu blöde......


    Kalli

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