2011 - Mozarts Klaviersonaten und ihre Interpreten auf "Originalinstrumenten"

  • Liebe Mozartgemeinde


    Über Mozarts Klaviersonaten ist bereits viel geschrieben worden, über die allgemeine (einst oft angezweifelte) Qualität,, den Stellenwert, die Schwierigkeit der emotionell richtigen interpretation, den (angeblich) niedrigen technischen Schwierigkeitsgrad und auch über die Einschätzung gegenüber Haydn und Beethoven, sowie die Bedeutung in Mozarts Gesamtschaffen – und man ist hiebei in diversen Publikationen im Laufe der Jahrhunderte zu durchaus unterschiedlichen Einschätzungen gekommen.


    Es gibt auch bei Tamino-Klassikforum bereits einen Thread zum Thema Mozarts Klaviersonaten – aber der hier startende hat einen anderen Schwerpunkt, er soll sich nämlich ausschliesslich mit den unterschiedlichen Interpretationsansätzen von Aufnahmen auf HISTORISCHEN FORTEPIANOS (oder deren Nachbauten) befassen, wobei VEREINZELT Vergleiche mit „modernen Aufnahmen“ akzeptiert werden können.


    Es geht aber auch um den Klang von Nachbauten historischer Instrumente und ob sie sich stark voneinander unterscheiden, was ihre Vorteile gegenüber den historischen Originales sein mögen – und was ihre Nachteile.


    Es sollte hier stets an Hand von im Handel vorhandenen Tonbeispielen argumentiert, bzw geurteilt werden.
    Da ich davon ausgehe, dass nur wenige Forianer etliche Vergleichsaufnahmen von speziellen Klaviersonaten auf historischen (und nachgebauten) Instrumenten haben, habe ich hier auf 3 Aufnahmen verlinkt, welche unter anderem alle den ersten Sattz der Klaviersonate Nr 10 beeinhalten. Natürlich kann man hier noch keine „Rezension“ darüber schreiben“, aber es est ein einfacher Weg zumindest ansatzweise zu hören wie unterschiedlich ein und derselbe Ausschnitt einer Mozart Klaviersonate klingen kann – auch wenn hier angeblich Originalklang – und HIP –Spieltechniken eingesetzt werden……


    Aber auch das "In Zweifel ziehen" des Bemühens um "authentischen Mozartklang ist hier gestattet, zum einen inwieweit er überhaupt realisierbar sei, zum anderen, ob er überhaupt angestrebt werden sollte.


    Gern werden ja Mozart Klaviersonaten auf den instrumenten von Anton Walter gespielt, aber es gibt noch andere zeitgenössische Instrumente, auf denen Mozart selbst gespielt hatte.




    Obenstehend finden sich drei CD Cover von Aufnahmen auf historischen Instrumenten (bzw. Nachbauten) , wo jeweils Mozarts Klaviersonate Nr 11 mit enthalten ist.


    Es ist äusserst interessant in den ersten Satz hineinzuhören und Vergleiche zu ziehen, sowohl von der Interpretation , als auch vom Klang des jeweiligen Instruments.


    Bedauerlicherweise musste ich auf drei weitere, sehr interessante Einspielungen verzichten, weil die Soundsamples l entweder nicht den entsprechenden Ausschnitt (Beginn des ersten Satzes von KV 330) bereitstellten (Zitterbart - Bräutigam)
    oder sie von mir im Katalog nicht mehr zu finden waren (Badura-Skoda für Astree auf einem Pianoforte von Schantz)


    Es mag aber sein, daß während der Laufzeit dieses Threads einiges wieder aufgelegt wird, oder aber, daß Tamino-Mitglieder über Aufnahmen berichten könne, die sie besitzen, die aber derzeit im Handel nicht verfügbar sind......


    Weitere Tonbeispiele mit Vergleichsmöglichkeiten werden bei entsprechendem Interesse folgen.


    mfg aus Wien


    Alfred


    Mozart, Wolfgang Amadeus: Die Klaviersonaten
    Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate in C-dur KV 330
    Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate a-moll KV 310
    W. A. MOZART: Klaviersonate D-Dur KV 284 (205b) "Dürnitz"

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da ich davon ausgeh, dass nur wenige Forianer etliche Vergleichsaufnahmen von speziellen Klaviersonaten auf historischen (und nachgebauten) Instrumenten haben, habe ich hier auf 3 Aufnahmen verlinkt, welche unter anderem alle den ersten Sattz der Klaviersonate Nr 10 beeinhalten. Natürlich kann man hier noch keine „Rezension“ darüber schreiben“, aber es est ein einfacher Weg zumindest ansatzweise zu hören wie unterschiedlich ein und derselbe Ausschnitt einer Mozart Klaviersonate klingen kann – auch wenn hier angeblich Originalklang – und HIP –Spieltechniken eingesetzt werden……


    Bei Lubimov werden aber nicht (angeblich) HIP-Techniken eingesetzt, oder?
    Ich habe folgende 3 Einspielungen per Schnipsel vergleichsgehört, da ich eine Gesamtaufnahme suche:


    (wohl aus )


    Also: 10. Sonate, erster Satz.
    Lubimov gefällt mir tatsächlich am wenigsten, das wirkt vergleichsweise gestelzt und auseinanderfallend.
    Oort ist etwas manieriert
    Brautigam siegt
    :D
    (und ist leider am teuersten)
    :(

  • Zitat

    Original von KSM:
    Bei Lubimov werden aber nicht (angeblich) HIP-Techniken eingesetzt, oder?


    Oder !!


    Zitat

    Produktinfo
    Der 1944 geborene Alexei Lubimov ist einer der bedeutendsten russischen Pianisten der Gegenwart. Sein Repertoire umfasst Erstaufführungen der Werke von John Cage, Terry Riley, Gubaidulina und Pärt genauso wie er sich einen Namen als kenntnisreicher Barock-Experte. Für Erato spielte Lubimov die gesamten Klaviersonaten Mozarts auf einem originalgetreuen Hammerklavier ein. Die gesammelten Aufnahmen, die seine intelligente Lesart der russischen Tradition ebenso widerspiegeln wie die tief empfundene Liebe zu den Grundlagen der westlich / klassischen Musikkultur erscheinen jetzt in einer Box mit rund 400 Minuten Spielzeit.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da steht aber nichts über Historisch Informierte Praxis.
    Da steht nur, dass das Klavier historisch ist.
    Insbesondere der Hinweis auf die russische Schule klingt nach nicht-HIP.


    Die Liste seiner Auftrittspartner ist allerdings gemischt, auch mit HIP.

  • Ich kann letztere Aussagen nicht überprüfen, überlasse das also einem anderen Tamino - zu einem späterem Zeitpunkt.
    Inzwischen schreitet Christian Bezuidenhouts Gesamtaufnahme für harmonia mundi fort. Vor wenigen Tagen ist Folge 3 erschienen

    welche zusätzlich zu den Sonaten Nr 12 und 13 auch die 8 Variationen über "ein Weib ist das herrlichste Ding "aus Schaacks "Der dumme Gärtner" enthält (KV 613)..


    Aus der Produktinfo:

    Zitat

    Oswald Beaujean brachte in der ZEIT die Besonderheit von Bezuidenhouts Mozartspiel auf den Punkt: "Bezuidenhout nimmt Mozarts Klaviermusik so blutig ernst wie nur wenige große Pianisten vor ihm. […] Er räumt mit dem Grundsatz auf, Mozart sei von vornherein anders zu spielen als Beethoven. […] Mit herrlich fließenden Tempi, ständigen Licht- und Farbwechseln erzählt er Geschichten: von zurückhaltenden und scheuen, von selbstbewussten oder melancholischen, von anmutigen und kecken Wesen. Gefällig oder harmlos, wie wir Mozarts Klaviermusik so gerne serviert bekommen, ist hier nichts mehr."


    Immerhin die Aussage eines führenden Kritikers. Aber die hätte es in meinem Falll nicht gebraucht. Nachdem ich bereits von Folge 1 und 2 begeistert war habe ich im Rahmen meiner Quartalsbestellung dies CD geordert.


    mfg aus Wien
    Alfred



    2012 - Mozarts Klaviersonaten und ihre Interpreten auf modernem Flügel

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ich lausche mit größtem Vergnügen dieser Box, die Brilliant Classics im Laufe der Jahre immer wieder in anderer Verpackung neu aufgelegt hat. Bart van Oort ist ein ganz ausgezeichneter Virtuose auf historischen Instrumenten, der den Nachbauten der Walter-Pianofortes eine große Palette von Klangfarben und Anschlagsnuancen entlockt. Der feine, silbrige, gläsern-kritalline Klang, der so ganz anders klingt als moderne Flügel, wird hier niemals dünn und spröde, sondern klingt immer fein ziseliert und dennoch voll und reich. Ganz besonders angetan haben es mir die vierhändigen Werke, wie zum Beispiel die Sonate in C für vier Hände KV 521, die hier kongenial von Ursula Dütschler miteingespielt worden ist. Die Melodien perlen nur so daher, und auch verträumte, zarte Momente lassen den Zuhörer Raum und Zeit vergessen. Mozart soll das vierhändige Cembalo - Spiel auf dem Schoße Johann Christian Bachs sitzend kennengelernt haben. Der Kammermusikführer (s. Link) führt aus:
    Mozarts Interesse an der Gattung blieb zeitlebens von einer Voraussetzung abhängig: einem fähigen Mitspieler wie Johann Christian Bach oder noch besser: einer fähigen Mitspielerin. In den ersten drei Sonaten der Jugendzeit war dies seine Schwester Nannerl, später in Wien waren es begabte Schülerinnen. Für eine solche, nämlich Franziska von Jacquin, ist auch die Sonate C-Dur, KV 521, entstanden. Die Tochter des Wiener Botanikprofessors von Jacquin und ihr ebenso musikalischer Bruder Gottfried zählten in der Zeit um Don Giovanni zu Mozarts engsten Freunden. Für Franzsika hat er u.a. das sog. “Kegelstatt-Trio” komponiert.
    Die C-Dur-Sonate, KV 521, übersandte er Ende Mai 1787 an Gottfried von Jacquin mit den mahnenden Worten: “Die Sonate haben sie die Güte ihrer frl: Schwester nebst meiner Empfehlung zu geben; – sie möchte sich aber gleich darüber machen, denn sie seye etwas schwer.”


    http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/2136


    Geslöschtes Cover von Moderation durch gleichwertiges ersetzt - CD aber ist gestrichen MOD 001 Alfred

  • Wieder einmal lausche ich mit größtem Vergnügen Bart van Oorts Spiel, und möchte gleichzeitig eine youtube-Aufnahme verlinken, um vielleicht Interesse zu wecken und eine Lanze für ihn zu brechen. DIese quicklebendige, muntere, klangschöne Einspielung ist es sicher wert, dass man sich mit ihr befasst, und vielleicht macht die den Schritt vom modernen Flügel zum historischen Instrument etwas leichter. Van Oort spielt auf den CDs einen Walter-Nachbau (etwa 1800). Hier klingt nichts spröde oder blechern, sondern silbrig glänzend, glockenhaft perlend und hell leuchtend.


  • Von Bart van Oort habe ich von Mozart alle Aufnahmen die in der Mozart GA (170 CDs) enthalten sind, mit diesem Label:



    Wenn ich wieder zu Hause bin (wir fliegen am Sonntagmorgen um 6 Uhr ab Funchal), dann werde ich mal wieder reinhören und meine Eindrücke hier mitteilen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    da bin ich bereits sehr gespannt auf Deine Eindrücke und wünsche DIr eine gute und sichere Heimreise. Ich höre auch in letzter Zeit wieder verstärkt van Oort, Bilsom und Schoonderwoerd und finde es zunehmend spannend, mich in diese klanglichen Welten zu versetzen.


    liebe Grüße

  • Ich kann letztere Aussagen nicht überprüfen, überlasse das also einem anderen Tamino - zu einem späterem Zeitpunkt.
    Inzwischen schreitet Christian Bezuidenhouts Gesamtaufnahme für harmonia mundi fort. Vor wenigen Tagen ist Folge 3 erschienen

    Christian Bezuidenhouts Aufnahme der Klaviersonaten ist mittlerweile abgeschlossen und gefällt mir gut. Er spielt mittlerweile einige seiner Klavierkonzerte ein und bereitet mir auch hier echte Freude.



    Ich möchte aber eine gerade erschienene Aufnahme der Sonaten vorstellen. Der amerikanische Pianist und Musikwissenschaftler Robert Levin spielt die Sonaten auf dem Hammerflügel Mozarts ein. Er hat zusätzlich noch einige kleine Sonatenfragmente ausgegraben, über deren Wert jeder Hörer selbst entscheiden mag ....


    Neben dem Originalinstrument zeichnet diese Ausgabe aber ein intensives Beschäftigen mit den damaligen Spieltechniken aus, so dass manche Sonate einen doch noch überraschen kann. Levin improvisiert auch .... und komponiert Unvollendetes zuende :)



    Hier spricht er übers Komponieren



    hier in Kurzform


    und hier über den Hammerflügel



    und hier hören wir ihn auf einem historischen Flügel mit Fantasien von CPE Bach, W.A. Mozart und L.v. Beethoven. Viel Fantasy .... Er gestaltet das als Lecture.


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  • Es ist erfreulich, daß Robert Levin wieder Aufnahmen macht. Vor etlichen Jahren nahm er einige Mozart Klavierkonzerte auf (unter Hogwood) die allesamt gestrichen sind.

    Ebenso eine eine 2005 gemachte Aufnahme von 3 Klaviersonaten für Deutsche Harmonia Mundi. Stolz prangt da "VOL 1" von einer VOL 2 und darüber hinaus hab ich nie was gehört.


    Daß diese 2005 gemachte Aufnahme bereits 1990 bei jpc erschienen ist (siehe Ankündigung) ist offensichtlich ein Phänomen, das im Bereich der Zeitreisen zu suchen ist.....

    Die Neuaufnahmen scheinen (ich kenne nur die Democlips) etwas forscher gespielt, als die 2005er Aufnahmen

    Für mich ist Robert Levin - neben dem unvergesslichen Paul Badura Skoda - die höchste Kompetenz in Sachen Mozart - und somit akzeptiere ich auch seine Rekonstruktion unvollendeter Werke.


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Wo das Spiel der 18 mozartschen Klavier-Sonaten (plus Fantasie c-moll KV 475) auf Originalinstrumenten in Diskussion ist, wird man an der Aufnahme von Arthur Schoonderwoerd nicht vorbeikommen können. Er hat sie auf Hammerklavier, Tangentenflügel und Clavichord eingespielt. Die 6er-Box erschien 2013, Aufnahmejahre 2011/2012


    Die Aufnahmen des Labls Accent sind längst vergriffen. Leider.

    Wer sich nach einem antiquarischen Exemplar der 6er-Box umschaut, kann fündig werden.


    Vielleicht erbarmt sich das Label Accent und wagt eine Wiederveröffentlichung.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928





  • Bei dieser ECM Aufnahme gibt es nichts zu meckern. Das schleckt keine Geiss weg. Immerhin spielt Robert Levin die Klaviersonaten auf Mozarts Hammerklavier. Wer würde diesem Instrument mangelnde Wahrhaftigkeit absprechen wollen? 8)


    astewes hat 2022 bereits auf die Box hingewiesen: 2011 - Mozarts Klaviersonaten und ihre Interpreten auf "Originalinstrumenten"


    "Im Sinne größtmöglicher Authentizität wird die Gesamtheit der Sonaten auf Mozarts historischem Hammerklavier eingespielt, dessen begrenzte Breite von rund 100 cm in Kombination mit zahlreichen weiteren Besonderheiten in der Konstruktion einen individuellen, hölzern-warmen Klang erzeugen, der die Charakteristika der Mozart-Sonaten mit besonderer Transparenz zur Geltung bringt. Das Klavier wurde von Anton Gabriel Walter, vermutlich im Jahr 1782, gebaut und zeichnet sich, wie der Mozart-Experte und Mozarteum-Direktor Ulrich Leisinger im CD-Text erklärt, »durch einen obertonreichen, silbrigen Klang und – im Vergleich mit dem modernen Konzertflügel – durch überraschend deutliche Basstöne aus.« Mozart benutzte dieses spezielle Hammerklavier ab 1785."


    Es dürfte jenes Instrument sein, das Mozart aus seiner Wohnung zum Ort der Uraufführungen seiner Klavierkonzerte tragen liess.


    Robert Levin spielt die Wiederholungen wie Schoonderwoerd mit Veränderungen. So muss es sein. Die Kenner werden die Abweichungen sofort erkennen.


    "Der Pianist führt die Gepflogenheiten im Umgang mit Wiederholungen auf Carl Philipp Emmanuel Bach zurück, der sich in der Vorrede zu seinen Sonaten mit veränderten Reprisen (1759) ausführlich zur Praxis der Wiederholungen äußerte und damals feststellte, dass »das Verändern beym Wiederholen heut zu Tage unentbehrlich« sei und »man solches von jedem Ausführer erwartet.« C. P. E. Bach war ein großer Einfluss auf Mozart, und Levin behandelt seine Klaviersonaten entsprechend, indem er sich nicht nur auf kleine Verzierungen im Diskant beschränkt, sondern Veränderungen vornimmt, die das gesamte kompositorische Gefüge betreffen. So werden die Wiederholungen mit großer Freiheit ausgeschmückt, mit abgeänderten Details in der Melodie, der Begleitung und, je nach Anlass, der Harmonie, und sogar mit kurzen Interpolationen (zusätzliches Material, das zwischen den musikalischen Phrasen eingefügt wird)."

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  • Wer würde diesem Instrument mangelnde Wahrhaftigkeit absprechen wollen? 8)

    Die Stilblüte des Monats! ^^ ^^ ^^ Jetzt hat das olle Hammerklavier auch schon Subjektivität. Wenn es wahrhaftige Instrumente gibt, dann gibt es natürlich auch unwahrhaftige Instrumente. Klar, was ein unwahrhahrhaftiges Inastrument ist: Der böse moderne Konzertflügel. Er ist unwahrhaftig, weil er ein Hammerklavier sein will aber nicht kann, sprich: Er ist nur ein uneigentlicher Hammerflügel. :jubel:


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Robert Levin spielt die Wiederholungen wie Schoonderwoerd mit Veränderungen. So muss es sein.

    So kann es sein. Es muss überhaupt nichts.

    "Der Pianist führt die Gepflogenheiten im Umgang mit Wiederholungen auf Carl Philipp Emmanuel Bach zurück, der sich in der Vorrede zu seinen Sonaten mit veränderten Reprisen (1759) ausführlich zur Praxis der Wiederholungen äußerte und damals feststellte, dass »das Verändern beym Wiederholen heut zu Tage unentbehrlich« sei und »man solches von jedem Ausführer erwartet.«

    Als C. Ph. E. Bach das schrieb, war Mozart drei Jahre alt. Aufführungspraktische Gepflogenheiten haben sich im 18. Jhdt. oft sehr schnell geändert und waren sogar zur selben Zeit (nicht anders als heute) unterschiedlich. Levins Varianten finde ich übrigens zum größten Teil gelungen, und er selbst findet das natürlich auch. Aber warum beschränken sich solche Leute nicht einfach darauf, das zu machen, von dem sie überzeugt sind, sondern müssen immer noch aller Welt verkünden, dass sie allein im Recht sind? Das sind sie nicht, sie haben eine Stimme unter vielen. Gäbe es diese Erscheinung nicht schon länger, könnte man darin glatt eine Parallele zu ähnlich fundamentalistischen Positionen im heutigen politischen Diskurs sehen.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Lieber Dr. Holger Kaletha


    Aus Sicht des Philosophen akzeptiere ich die Rüge. Nur befinde ich mich nicht in einem Seminar einer solchen Fakultät und lege nicht jedes Wort auf die Goldwaage.


    Wenn Wahrhaftigkeit eine vom Individuum sowohl kognitiv wie emotional verantwortete Haltung nach Streben nach Wahrheit beinhaltet, hast du selbstverständlich recht, wenn das einem Hammerklavier nicht zugestanden werden kann.


    Ich verändere meinen Satz zu:


    "Wer würde der Interpretation des Pianisten auf diesem Instrument mangelnde Wahrhaftigkeit vorwerfen?"


    Jetzt passt es.


    Übrigens behandelt dieser Thread das Thema Originalinstrumente. Dazu gehört das Hammerklavier bzw. Fortepiano.

    Für den Klang auf modernen Instrumenten müsste man einen neuen Thread eröffnen.


    Lieber ChKöhn


    Ich bin Subjekt und beanspruche meine subjektive Urteilsfähigkeit. Aus meiner Sicht muss es so tönen. Jedem Rezipienten lasse ich seinen Standpunkt. Tatsache ist: Mozart kannte den Klang eines modernen Flügels nicht. Es muss Spekulation bleiben, wenn mozartsche Sonaten auf den Hochleistungsapparaten der Gegenwart gespielt werden. Die von Carl Phillip Emanuel Bach (1714-1788) in seiner Publikation geäusserten Aussagen stehen Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) sicherlich näher als die heutige Meinung, wie es 250 Jahre später auf einem modernen Instrument klingen könnte.


    Es geht den Interpreten der historisch informierten Aufführungspraxis wie wie jedem die Historie Untersuchenden nicht um Rechthaberei sondern das Erkunden der ursprünglichen Intentionen der Komponisten.


    LG moderato

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Aus meiner Sicht muss es so tönen.

    Aus meiner nicht. Also muss es nicht ;).


    Tatsache ist: Mozart kannte den Klang eines modernen Flügels nicht.

    Ja, aber was folgt daraus? Ich finde die ganze Diskussion darüber, ob Mozart (oder Bach oder Beethoven oder...) den Klang eines modernen Flügels abgelehnt, akzeptiert oder begeistert begrüßt hätte, im Grunde nutzlos, weil die Antwort, egal wie sie ausfällt, keinerlei Verpflichtung begründet, dem zu folgen. Interpretatorische Entscheidungen sind frei, aber nicht willkürlich. Jede im Großen wie im Kleinen getroffene Entscheidung fordert Konsequenzen bei anderen Entscheidungen. Eine einzelne Entscheidung ist immer nur innerhalb dieses Systems richtig oder falsch. Warum sollte das ausgerechnet für die Entscheidung der Instrumentenwahl anders sein?


    Es geht den Interpreten der historisch informierten Aufführungspraxis wie wie jedem die Historie Untersuchenden nicht um Rechthaberei sondern das Erkunden der ursprünglichen Intentionen der Komponisten.

    Das mag ja sein, aber eine Verpflichtung, den "ursprünglichen Intentionen der Komponisten" zu folgen, besteht nun mal nicht (jedenfalls nicht, wenn man künstlerisch und nicht moralisch argumentiert). Wer das will, kann das tun und, wer etwas anderes will, kann das auch tun. Gelingen oder misslingen kann beides.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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    (Theodor W. Adorno)

  • Aus Sicht des Philosophen akzeptiere ich die Rüge. Nur befinde ich mich nicht in einem Seminar einer solchen Fakultät und lege nicht jedes Wort auf die Goldwaage.

    Lieber Moderato,


    ich habe über die Stilblüte geschmunzelt, die aber natürlich nicht zufällig passiert.... :

    Wenn Wahrhaftigkeit eine vom Individuum sowohl kognitiv wie emotional verantwortete Haltung nach Streben nach Wahrheit beinhaltet, hast du selbstverständlich recht, wenn das einem Hammerklavier nicht zugestanden werden kann.


    Ich verändere meinen Satz zu:


    "Wer würde der Interpretation des Pianisten auf diesem Instrument mangelnde Wahrhaftigkeit vorwerfen?"

    Das ist ja eine rhetorische Frage, die davon lebt, dass sie etwas scheinbar Selbstverständliches bekräftigt, wo das Gegenteil oder der Gegensatz formuliert wird, nur um zu zeigen, dass es unmöglich ist. Worin besteht denn die Wahrhaftigkeit? Darin, dass der Pianist glaubt, er könne nur wahrhaftig auf einem historischen Instrument spielen? Das mag sein, eine solche (subjektive) Wahrhaftigkeit muss aber nicht der (objektiven) Wahrheit entsprechen, nämlich, dass der "wahre" Mozart nur auf einem Hammerflügel erklingen könne. Man könnte ja auch sagen, dass die Wahrhaftigkeit gar nicht das Instrument betrifft, sondern die Auseinandersetzung mit der Musik. Dann hat sie aber nichts mit dem verwendeten Instrument zu tun. Wenn man aber die Wahrhhaftigkeit mit dem Spiel auf dem historischen Instrument verbindet, entsteht der Eindruck, dass ein Pianist, der auf einem modernen Konzertflügel spielt, nicht in gleicher Weise wahrhaftig sein kann und die rhetorische Bekräftigung eben das meint. Wenn man das nun nicht meint, macht eine solche rhetorische Frage aber einfach keinen Sinn, denn dann hat die Wahrhaftigkeit des Klavierspiels nichts mit dem verwendeten Instrument zu tun. Also was will die rhetorische Frage besagen?

    Tatsache ist: Mozart kannte den Klang eines modernen Flügels nicht. Es muss Spekulation bleiben, wenn mozartsche Sonaten auf den Hochleistungsapparaten der Gegenwart gespielt werden.

    Damit kann ich ehrlich gesagt nichts anfangen. Erst einmal wurde in dieser Epoche auf verschiedensten Tasteninstrumenten gespielt - also solche Sonaten auch auf einem Cembalo. Schon von daher ist kaum einleuchtend, warum der instrumentenspezifische "historische" Klang nun besonders authentisch sein soll. Zumal man sich grundsätzlich fragen muss, ob die Prämisse nicht einfach falsch ist, dass ein Komponist für ein bestimmtes Instrument, dass damals historisch zufällig zur Verfügung stand, überhaupt komponiert hat. Paul Bekker hat - sehr gut nachvollziehbar finde ich - in Bezug auf Beethoven die These vertreten, dass Beethovens Klangvorstellung so etwas wie ein Klangideal sei, sich also auf gar kein konkretes Instrument bezieht. Wenn man diesen Standpunkt vertritt, dann ist das Spielen auf einem konkreten Instrument daran jeweils zu messen, ob und wieweit es diesem kompositorischen Klangideal entspricht. Und diese Entsprechung ist dann auch überhaupt keine Frage der historischen Richtigkeit, weil das Klangideal nichts Zeitliches und Zeitgebundenes ist, wie es für Idealitäten überhaupt gilt.


    Und nur noch eine kleine philosophische Anmerkung: "Authentizität" ist anders als "Wahrheit" eine Erlebniskategorie. Was als subjektiv authentisch erlebt wird ist immer das, was ein aktuell lebendes und erlebendes Subjekt als authentisch erfährt. "Authentisches 18. Jhd." ist deshalb im Grunde ein hölzernes Eisen, weil es keine historische Authentizität gibt und geben kann. Was wir meinen, was im 18. Jhd. authentisch gewesen sei, ist immer nur eine Projektion von dem, was wir heute als authentisch empfinden.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Zumal man sich grundsätzlich fragen muss, ob die Prämisse nicht einfach falsch ist, dass ein Komponist für ein bestimmtes Instrument, dass damals historisch zufällig zur Verfügung stand, überhaupt komponiert hat.

    Das schönste Gegenbeispiel bei Mozart sind wohl die beiden Stücke für selbstpielende Musikautomaten "Orgelstück für eine Uhr" KV 608 und "Adagio und Allegro für ein Orgelwerk in einer Uhr" KV 596: Beides großartige, komplexe, anspruchs- und ausdrucksvolle Kompositionen, zu denen das "Originalinstrument" im Wachsfiguren- und Kuriositätenkabinett des Grafen Deym in Wien einen geradezu lächerlichen Kontrast bildet. Wolfgang Hildesheimer schreibt in seiner Mozart-Biographie dazu: "Bedeutende Musik für eine Spieldose, eine beinah tragikomische Konstellation, jedenfalls ein 'Triumph des Geistes über die Materie'".

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • Die ganze Diskussion ist in vielerlei Hinsicht hochinteressant und sag viel über die jeweiligen Diskutanten, bzw deren Standpunkte aus.

    Und vor allem über die Erwartungshaltung.

    Ich werde wieder abschweifen - aber nur scheinber.


    1968 kam eine Aufnahme mit Werken von Johann Sebastian Bach auf den Markt: "Switched on Bach"

    Ein Rezensent schrieb damals, es sei hier der Beweis von der Universalität und Zeitlosigkeit der Musik Bachs erbracht, sie sie quasi unzerstörbar. Anfan dieses Jahrtausends wurde andernort diese Aufnahme als Paradebeispiel dafür genannt, wie man Bach mittels elektronische Wiedergabe zerstören, kann sie sei synthetich (was ja stimmt) und emotionslos. Bei interesse : Gern eine neuer Thread dazu - aber hier soll dies nur als BEISPIEL dienen.

    Selbstverständlich ERWARTET man, einen WEITGEHENF "autentischen" Klang, wenn man Klaviersonaten von Mozart auf dessen originalen Flügel gespielt hört. Das ist indes natürlich nur eine Illuson, denn es hängt auch viel vom Interpreten ab. Man stelle sich Glenn Goul vor,hätte man ihn auf Mozarts Walter Flügel losgelassen ...(IGITT!!!)

    Das ist natürlich bei den Mozart Spezialisten wie Paul Badura-Skoda und Rober Levine nicht zu befürchten, auch nicht das Gegenteil - wo einst bei Bach und Vivaldi man sich nicht getraut hat irgendwelche Emotionen mit ins Spiel zu bringen, was diese Interpretationen eingenartig hölzern und akademisch klingen liessen - geradezu erstarrt

    weil die Antwort, egal wie sie ausfällt, keinerlei Verpflichtung begründet, dem zu folgen

    Das ist - sorry - IMO ein sehr linker, freidenkerischer Ansatz , dem ich weder folgen kann noch will

    Selbstverständlich gibt es viele Dinge, die nicht verboten oder verpflichtend sind - aber - zumindest in der besseren Gesellschaft -sind es ungeschriebene Gesetze, de gelegentlich auch mal gebeugt - aber nur selten gebrochen - werden dürfen.

    Wer ungeschriebene Gesetze bricht, verstösst über Tabus. Die Folgen sind im einzelnen nicht vorhersehbar.

    Bei Freiheiten die wir (oft nur scheinbar) zugestanden bekommen, ist es äusserst wichtig, sie NICHT auszunutzen

    Zurück zum Thema

    Mozart am modernen Flügel kann durchaus besser klingen als am historischen Klavier (tut es in der Regel auch)

    ist aber historisch inkorrekt

    Bei Beethoven wissen wir ungefähr, daß er ein Kämpfer für die Erneuerung des Klaviers war (schon wegen der Lautstärke und seine fortschreitenden Taubheit - aber nicht nur deshalb) Bei Mozart wissen wir es nicht.

    Bach hingegen war äusserst flexibel und passte sich den jeweils am Aufführungsort vorhandenen Bedingungen an.

    Bei Robert Levin als Interpreten haben wir den Idealfall, wo sich ein wissenschaftlicher Hintergrund mit gutem Geschmack und Gespür für Mozart vereint

    Daher sind seine Aufnahmen (auch schon jene der Vergangenheit) stets Sternsunden der Interpretation


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "Bedeutende Musik für eine Spieldose, eine beinah tragikomische Konstellation, jedenfalls ein 'Triumph des Geistes über die Materie'".

    Auch wenn ich dem innerlich beipflichten möchte, gibt es dazu ein Erlebnis aus meiner Vergangenheit, Ich arbeitete damals in einem Fotogeschäft der Innenstadt (Rotenturmstraße, einer Filiale von "Foto City") In jenen Tagen wollte jede Forima allen möglichen elektronischen Dreck ins Programm nehmen um die Gewinne zu optimieren. Dabei waren auch Billigsdorfer Keyboards mi´r 2 oder 3 Oktaven Tonumfang dabei, richtige Spielzeuge.

    Wir waren gerade mit dem Auspacken geschäftigt - und ich mit abfälligen Bemerkungen - da betrat ein Stammkunde, der Pianist Hans Kann das

    Geschäft:

    "Was habt ihr denn da schönes ?" - "ach nichts, das ist nur...."

    Weiter kam ich nicht, denn mit leuchtenden Augen, wie ein Kind, begann er zu spielen - und konnte sich kaum von diesem Krempel lösen.....

    Ich habe damals eine Menge gelernt.....:)


    Mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das schönste Gegenbeispiel bei Mozart sind wohl die beiden Stücke für selbstpielende Musikautomaten "Orgelstück für eine Uhr" KV 608 und "Adagio und Allegro für ein Orgelwerk in einer Uhr" KV 596: Beides großartige, komplexe, anspruchs- und ausdrucksvolle Kompositionen, zu denen das "Originalinstrument" im Wachsfiguren- und Kuriositätenkabinett des Grafen Deym in Wien einen geradezu lächerlichen Kontrast bildet. Wolfgang Hildesheimer schreibt in seiner Mozart-Biographie dazu: "Bedeutende Musik für eine Spieldose, eine beinah tragikomische Konstellation, jedenfalls ein 'Triumph des Geistes über die Materie'".

    Klar, solche Beispiele gibt es natürlich. Aber das ist auch nicht das, was Paul Bekker meint. Ein Trompetenstück ist für Trompete geschrieben ja, ein Stück für ein Tasteninstrument für ein Tasteninstrument. Nur Beethovens Idealismus hat sich kompositorisch eben nicht an den faktischen Grenzen des Machbaren und Realisierbaren orientiert, sondern gerade daran, sie entgrenzend aufzuheben, dem Spieler also mehr oder weniger Unspielbares zugemutet und auch dem Instrument etwas abverlangt, was es im Grunde nicht oder kaum leisten kann. Genau deshalb zieht das historisierende Argument nicht, dass der moderne Konzertflügel Möglichkeiten bietet, welche die historischen Instrumente nicht hatten.


    In der Zeitschrift "Pianist", 2022 Heft 4, gibt es einen Artikel über Robert Levin und seine Aufnahme der Mozart-Sonaten. Dort wird Levin mit dem Satz zitiert:


    "Die Saiten waren damals dünner, die Töne verklingen schneller, und das Instrument spricht mehr, als es singt."


    Mehr sprechen als singen - Levins Aussage trifft den Kern des Problems - nämlich das eigentlich ästhetische: Das Spiel auf dem historischen Instrument ist besonders dafür geeignet, die rhetorischen Dimensionen seiner Musik hervorzuheben. Aber Mozart ist eben auch ein Komponist der Empfindsamkeit und kein Barock-Komponist. Das Empfindsame und Gesangliche wird deshalb letztlich auf dem modernen Konzertflügel erst adäquat realisiert.


    Genau das wird deutlich, wenn man sich das Andante amoroso von KV 281 erst himmlisch gespielt von Vladimir Horowitz anhört und dann ernüchternd und geerdet Levin auf dem historischen Instrument:




    Bei Horowitz kommen ästhetische Qualitäten dieser Musik heraus, die das historische Instrument einfach nicht vermitteln kann: die eigentliche Schönheit eines empfindsamen, hoch sensibel farbigen Spiels. Ich respektiere natürlich Levins Aufnahme. Er holt aus dem historischen Instrument heraus, was sich herausholen lässt. Aber wirklich lieben kann ich diese Musik nur bei Horowitz. Und da stellt sich die Frage: Warum sollte man auf ein solches fascinosum verzichten? Wegen einer vermeintlichen historischen Wahrheit bzw. "Wahrhaftigkeit"? Es gibt ein schönes Video, wo sich Martha Argerich und Sophie Pacini den Horowitz-Mozart anhören und aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Martha Argerich äußert sich ungefähr so: "Unglaublich, so habe ich das noch nie gehört." :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Und da stellt sich die Frage: Warum sollte man auf ein solches fascinosum verzichten?

    Das SChön an der Sache ist, daß Du auf dieses Fascinosum garnicht verzichten musst.

    Die Tonträgerindurstrie hat in ihrer uneigennützigen Art völlig selbstlos den Boden aufbereitet für Interpretationen aller Art auf Instrumenten aller Art

    -es gibt als kein ENTWEDER - ODER sondern ein UND


    Dazu gibt es zahlreiche Alternativen, von deinen ich nur EINE hier vorstelle:


    Mozart Klaviersonate KV 311 in einer spektakulären Aufnahme

    Ich wage die Behauptung, wer sie je gehört hat, der wird sie nie vergessen.

    sie bleibt lebenslang im Ohr, Du wirst vermutlich immer wenn Du eine Mozart Klaviersonate hörst den lieblichen Klang

    des Akkordeon mithören !!


    Ein begeisterter Hörer auf youtube schreibt völlig zutreffend:

    Zitat

    Fantastic performance, and a truly fantastic musician! I myself had the honor of studying with man several years ago!

    Da stellt sich die Frage nach der Wahl des Flügels überhaupt nicht mehr :baeh01::baeh01::baeh01:


    beste Grüße aus Wien, der Musikhauptadt der Welt

    Alfred:hello::saint:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "Wer würde der Interpretation des Pianisten auf diesem Instrument mangelnde Wahrhaftigkeit vorwerfen?"

    Ich. Und ich versuche das gleich weiter unten zu begründen.



    Robert Levin spielt die Wiederholungen wie Schoonderwoerd mit Veränderungen. So muss es sein. Die Kenner werden die Abweichungen sofort erkennen.

    Man erkennt jedenfalls deutlich, ab wann wir nicht mehr Mozart, sondern Levin hören. Die Frage dabei ist: will ich ausgerechnet bei Mozart (und nicht etwa bei Geminiani, Marcello oder Mr. Handel) und ausgerechnet auf einer sich beim erneuten Abspielen exakt wiederholenden Aufnahme hören, was für Diminutionsideen ein Robert Levin hat? Ist Mozarts Musik so wie Handel Adagio e staccato so komponiert, dass die Phantasie des Solisten herausgefordert wird?



    Bei Handel beantworte ich die Frage mit ja, bei Mozart mit nein. Im Gegensatz zu den meisten Barockkomponisten ( nicht Bach, nicht die französischen) haben Leute wie Haydn oder Mozart den ganz überwältigenden Anteil der zu spielenden Noten ausgeschrieben.

    Wenn man vor allem auf einer zwangsläufig festgelegten Aufnahme bei den Wiederholungen sich große Freiheiten erlaubt, dann bekommen die Veränderungen für den Hörer einen obligatorischen Charakter.

    So werden die Wiederholungen mit großer Freiheit ausgeschmückt, mit abgeänderten Details in der Melodie, der Begleitung und, je nach Anlass, der Harmonie, und sogar mit kurzen Interpolationen (zusätzliches Material, das zwischen den musikalischen Phrasen eingefügt wird)."

    Reharmonisieren und das Einfügen eigenen musikalischen Materials bei Mozart? Wenn der Improvisator W.A. Mozart das tatsächlich machte, dann wird es vermutlich auf dem Niveau des Komponisten Mozart gewesen sein. Wer sonst möchte von sich behaupten, dass er etwas schreiben oder gar improvisieren kann, was auf dem Niveau Mozarts wäre? Herbert Tachezi machte so etwas bei Handel, hat sogar eine schöne eigene Fuge an einer Stelle gespielt, an der Handel nur schrieb "hier eine Fuge auf der Orgel spielen". Es klingt tatsächlich nach Handel. Nun war Tachezi ja nicht nur Continuospieler und Solist im Concentus musicus Wien, sondern auch Professor für Komposition und Improvisation. Doch das nur nebenbei. Bei Handel klingt es überzeugend, weil sein Stil und seine Art zu Komponieren dazu auffordert. Bei Mozart jedoch möchte ich an solche Dinge doch mehr als ein dickes Fragezeichen setzen. Niemand kann auf Mozarts Niveau schreiben oder improvisieren.


    Muss das also sein? Nein, auf keinen Fall. Ich finde sogar: es sollte besser nicht sein. Man sollte vielmehr aufpassen, nicht in die Falle des Verschlimmbesserns zu tappen.


    Gäbe es diese Erscheinung nicht schon länger, könnte man darin glatt eine Parallele zu ähnlich fundamentalistischen Positionen im heutigen politischen Diskurs sehen.

    ...und in eben diese Richtung geht auch jene..... sagen wir doch einigermaßen erstaunliche Aussage, dass eine neue Aufnahme mit einer vermeintlich "korrekteren" Ausführung der Vorschläge die vorhergehenden Aufnahmen obsolet mache.


    Es geht den Interpreten der historisch informierten Aufführungspraxis wie wie jedem die Historie Untersuchenden nicht um Rechthaberei sondern das Erkunden der ursprünglichen Intentionen der Komponisten.

    Auch das bestreite ich.

    Wenn man sagt "so wie ihr das auf dem Steinway, Bösendorfer, Bechstein, Yamaha etc. gemacht habt oder macht, entspricht es garantiert nicht den ursprünglichen Intentionen des Komponisten; aber so wie wir es hier machen, vor allem was die Wahl der Instrumente anbelangt, kommen wir jeden Fall jenen Intentionen näher als ihr", dann ist das auf jeden Fall Rechthaberei. Man gesteht zwar scheinbar tolerant den "modernen" Interpretationen ihre Berechtigung im Sinne einer demokratischen Vielfalt zu, aber man sagt gleichzeitig, dass man es selbst doch zumindestens weniger falsch spiele, dichter an der "Wahrheit" wäre. Immerhin wären ja "die Fakten" eindeutig, wie z.B. der Fakt, dass Mozart den modernen Flügel ja nicht kennen konnte.


    Jetzt kann man die Pilatus-Frage stellen: Was ist Wahrheit?


    Die Antwort darauf steht nicht in einem für die Mozart-Zeit schon wieder veralteten Buch von C.P.E.Bach und die Wahrheit wird auch nicht durch einen Hammerflügel representiert.

    Meine Antwort auf die Frage: die Wahrheit steht in der Partitur Mozarts. Je mehr man in der Zeit zurückgeht, desto mehr stellen die Noten nur so eine Art Gerüst dar ( siehe Handel-Beispiel oben) - das weiß ich wohl. Aber bei einer Partitur Mozarts sind auf jeden Fall folgende Dinge garantiert enthalten: Melodie, Harmonie und Rhythmus, dazu einige Eintragungen zur Artikulation und zum Tempo. Wer Musik wirklich kann, sensibel ist und von mir aus auch über Kenntnisse zum Phrasieren etc. dieser Epoche verfügt, für den wird sich in etwa ein musikalisches Bild über die expressiven Intentionen des Komponisten ergeben.


    Es ist eine kleinliche Begrenzung von überaus begabten Musikern und Komponisten (wie Mozart) zu postulieren, dieser kannte ja nur das Hammerklavier und konnte dementsprechend nur in den Dimensionen und Begrenzungen dieses Instruments denken.

    Ich behaupte: ein Komponist wie Mozart dachte weniger "in Hammerklavier", sondern viel mehr in Musik. Er hat eine ganze Oper im Kopf fertigkomponiert, um sie dann später irgendwann aufzuschreiben, wie er es in einem Brief an seinen Vater einmal erwähnte.


    Die musikalische Intention eines Komponisten und damit auch Mozarts kommt zunächst einmal hierdurch zum Vorschein:


    Der melodisch-gestische Ausdruck entsteht durch das Hintereinandersetzen von Tönen (ist eigentlich von der Harmonie nicht wirklich zu trennen, weil eine Melodie sich ja auch im expressiven Charakter einer bestimmten Skala bewegt); der harmonische Ausdruck dadurch, dass man die Intervalle gegeneinander schwingen lässt und der rhytmische Ausdruck (= Bewegungen über einem Grundpuls) entsteht eben durch die verwendeten Rhythmen. All diese Elemente erzeugen im Musiker und im Hörer Emotionen und Bewegunen, sowohl innerlich als auch körperlich.

    Durch die Kombination dieser drei Elemente Melodie, Harmonie und Rhythmus entsteht Musik, vereinfachend gesagt.

    In einer Partitur stehen zu aller erst diese drei Elemente. Ich möchte das einmal als "abstrakte Musik" bezeichnen.

    Natürlich kann es sein, dass man beim Improvisieren/Spielen mit einem bestimmten Instrument auf bestimmte Ideen kommt, auf die man auf einem anderen Instrument nicht gekommen wäre. Das ändert aber nichts daran, dass es zunächst um eben diesen abstrakten musikalischen Ausdruck aus Melodie, Harmonie und Rhythmus geht. Der eigene, durchaus auch unvollkommene Gesang liegt dem Ursprung der musikalischen Idee m.E. am nächsten. Es hat einen Grund, warum vor allem Pianisten beim Interpretieren oder Improvisieren mehr oder weniger merkbar mitsingen/mitbrummen.


    Dann überlegt sich unser Komponist, mit welchen Vehikeln (=Instrumenten) man diese Ideen am effektivsten zum Hörer transportiert. Ein ganz bestimmter Instrumentenklang ist da keineswegs ein Fetisch, auch wenn es den musikhistorisch Informierten gar nicht so gefällt.


    Natürlich kann man von der Faktur her erkennen, ob etwas für eine Flöte, eine Violine oder ein Tasteninstrument geschrieben wurde. Hätte aber z.B. Bach gewisse Sätze aus seinen Cembalokonzerten (die höchstwahrscheinlich von verschollenen Konzerten für Oboe, Violine oder Violinen stammen...) nicht als Vorspiele für Kantaten mit konzertierender Orgel wiederverwendet, dann wäre der Aufschrei der radikalen HIP-Freunde wahrscheinlich groß, wenn jemand es heutzutage wagte, jene Musik auf der Orgel statt auf dem "richtigen" Cembalo zu spielen.

    Nun hat er es aber selbst so gemacht, weswegen der Aufschrei vermutlich ausbleibt.


    In Mozarts Klavierkonzerten erkennt man nun als Musiker zwei Dinge sehr deutlich:

    1. die Motive wandern dialogisch oft zwischen rechter Hand des Pianisten und gewissen Solisten des Orchesters hin und her, bzw. ein vollgriffiger Klaviersatz steht ahmt den Tutti-Satz des Orchesters ebenfalles dialogisch nach.

    2. die Melodien der rechten Hand erinnern den Pianisten oft an Opernsängerinnen, vor allem dann, wenn man Mozarts Opern kennt.


    Was erkennt man nun daraus? Mozart wünschte sich eine hohe kantable Qualität, die sich eben durch die kompositorische Struktur seiner Kantilenen geradezu zwingend ergibt. In seinen Konzerten werden diese Figuren, Melodien und Motive von singenden Instrumenten wie den Holzbläsern oder von Violinen übernommen. Es ist unwahrscheinlich, dass Mozart ein kurzes Peng oder Zang gegenüber einem feindifferenzierbaren Sustain eines modernen Instruments vorzöge, denn er hat seine Klaviermusik so geschrieben, dass sie nach geradezu nach cantabile ruft.


    Paul Bekker hat - sehr gut nachvollziehbar finde ich - in Bezug auf Beethoven die These vertreten, dass Beethovens Klangvorstellung so etwas wie ein Klangideal sei, sich also auf gar kein konkretes Instrument bezieht.

    Ja eben, genau so. Vielleicht hat jemand auf YouTube einmal gesehen, wie große Pianisten/Pianistinnen sich einen baugleichen Flügel z.B. bei Steinway aussuchen. Sie gehen von einem musikalischen Ideal aus und bewerten den konkreten Flügel danach, wie gut man damit dieses inmaterielle Ideal in die materielle Welt bringen kann. Wünsche ich mir eine weiche Begleitung in der linken Hand, zu der die rechte Hand eine schön singende Melodie zelebrieren kann (durchaus mit der Klangvorstellung Flöte, Sänger, Oboe....), dann suche ich mir eben jenes Instrument unter den an sich schon hervorragenden Steinways aus, mit dessen Hilfe ich diese musikalischen Vorstellung am natürlichsten realisieren kann. Je besser z.B. die Mechanik ist, desto leichter fällt es, bestimmte Differenzierungen, die man sich rein musikalisch vorstellt auch zu realisieren.


    Nun habe ich mir einmal das Allegro der Sonate Nr. 1 7 Bb-Dur, K 570 angehört, sowohl mit Levin, als auch mit Uchida und Pires. Wahrscheinlich werden alle zutiefst geschockt sein, dass mir Uchidas Version am besten gefällt, was auch etwas mit ihrer Musiker-Persönlichkeit zu tun hat.

    Aber halten wir uns an die Fakten, d.h. an das, was tatsächlich zu hören ist: Levin setzt häufiger mit eindeutig kleingliedrigeren Artikulationsabsichten ab. Gleich am Anfang verweilt er agogisch auf bestimmten Tönen länger zu Lasten der darauffolgenden Töne. Solche Dinge machte man im Barock vor allem auf dem Cembalo, aber auch etwas weniger stark auf der Orgel. Mit diesen Dingen, die Mozarts Musik m.E. schon nicht mehr in dieser Stärke braucht, versetzt er die Musik in die Vergangenheit vor Mozart.

    Man kann es mögen - ich mag es nicht.


    Dann kommen eben die Kantilenen und die Alberti-Begleitungen der linken Hand. Für mich klingt bei ihm die linke Hand zu laut, während die rechte eigentlich entlang der musikalischen Ideen ein besseres Kantabile aufweisen müsste. Das geht jedoch aufgrund der Begrenzungen des Instruments nicht. Ich füge gerne anerkennend hinzu, dass Levin sehr virtuos spielen kann, dass er musikalisch mehr überzeugt als Schoonderwoerd und auch sein Instrument wesentlich angenehmer klingt.

    Aber im Vergleich mit Uchida oder Pires haben diese Interpretationen für mich das Nachsehen. Wenn ich mir die musikalischen Ideen Mozarts anhöre, dann finde ich, dass Uchida und Pires diesen Intentionen tatsächlicher näher kommen.

    Zudem ist auch diese Sonate durchaus z.B. als Harmoniemusik vorstellbar, also für Holz-und Blechbläser plus einem Kontrabass.

    Ich höre das geradezu in dieser Besetzung, gerade am Anfang.


    Mir ist eine deutsche Filmkomponistin bekannt, die in Hollywood durchaus erfolgreich arbeitet. Sie fängt meistens mit einer Idee auf dem Klavier an.

    Dann überlegt sie sich, wie man diese Idee orchestrieren kann. Da gibt es dann für ein und dieselbe Klavieridee sehr unterschiedliche Stile der Orchestrierung.

    Ich erzähle es deshalb, weil ich finde, dass man als Interpret dieser Klaviermusik sich durchaus solche Dinge vorstellen kann, ja vorstellen sollte. Das schöne am modernen Klavier ist ja, dass es alles mögliche sein kann, dass man sich sehr viel vorstellen und es dann auch sehr differenziert umsetzen kann.


    Manchmal ist dann für meinen Geschmack sogar die "imaginäre" Klavierversion schöner als die von einem Komponisten später geschriebene Instrumentierung. Hier denke ich vor allem an Brahms f-moll für zwei Klavier (gibt es auf Drängeln von Clara Schumann in einer Version mit Klavier und Streichquartett) und die Haydn-Variationen (die Brahms später orchestrierte), auch für zwei Klaviere, jedenfalls wenn man sie mit den Kontarskys oder auch mit Matthies/Köhn kennt.


    Höre ich jedoch ein Hammerklavier, dann höre ich nur ein Hammerklavier. Es steht zwischen der Musik und dem Hörer, weil es meiner Ansicht nach noch kein ausgereiftes Instrument war.


    LG:hello:

    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Höre ich jedoch ein Hammerklavier, dann höre ich nur ein Hammerklavier. Es steht zwischen der Musik und dem Hörer, weil es meiner Ansicht nach noch kein ausgereiftes Instrument war.

    Dagegen spricht allerdings, daß es immer wieder Interpreten von heute gibt, die sich für dieses Instrument entscheiden - und sie auch ihr ganz spezifisches Publikum finden.

    Ich gestehe, daß ich Bach (gilt NICHT für Mozart) erst mit historischen Instrumenten schätzen gelernt habe - Heute ist das für mich belanglos.

    Es werden nicht nur "Hammerklaviere" irgendeiner Art nachgebaut, sondern geordnet nach einstigen Herstellern und dann nochdazu nach Baujahr - es werden also gezielt ganz bestimmte Instrumente nachgebaut. Wobei ich mich frage ob diese Nachbaut noch immer Holzrahmen benutzen oder doch schon solche aus Stahl, was man ja üblicherweise weder sehen noch hören kann. Aber das kann ich zur Not noch erfragen.


    Niemand kann auf Mozarts Niveau schreiben oder improvisieren.

    Das würde ich nicht bejahen - aber einerseits, weil ich hier das Thema nicht entgleiten lassen will - und andrerseits, weil mich diese Aussage interessiert - werde ich in den nächsten Stunden genau mit diesem Titel starten - un bitte um zahlreiche Beteiligung.:hello:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Reharmonisieren und das Einfügen eigenen musikalischen Materials bei Mozart? Wenn der Improvisator W.A. Mozart das tatsächlich machte, dann wird es vermutlich auf dem Niveau des Komponisten Mozart gewesen sein. Wer sonst möchte von sich behaupten, dass er etwas schreiben oder gar improvisieren kann, was auf dem Niveau Mozarts wäre? Herbert Tachezi machte so etwas bei Handel, hat sogar eine schöne eigene Fuge an einer Stelle gespielt, an der Handel nur schrieb "hier eine Fuge auf der Orgel spielen". Es klingt tatsächlich nach Handel. Nun war Tachezi ja nicht nur Continuospieler und Solist im Concentus musicus Wien, sondern auch Professor für Komposition und Improvisation. Doch das nur nebenbei.

    Ebenfalls nur nebenbei: Auch Robert Levin ist Komponist und hat neben der Komposition eigener Werke auch unvollendete Werke von Bach und Mozart vervollständigt.

    Bei Handel klingt es überzeugend, weil sein Stil und seine Art zu Komponieren dazu auffordert. Bei Mozart jedoch möchte ich an solche Dinge doch mehr als ein dickes Fragezeichen setzen. Niemand kann auf Mozarts Niveau schreiben oder improvisieren.


    Muss das also sein? Nein, auf keinen Fall. Ich finde sogar: es sollte besser nicht sein. Man sollte vielmehr aufpassen, nicht in die Falle des Verschlimmbesserns zu tappen.

    Wer sagt, dass Levin Mozart verbessern wollte? Ich glaube nicht, dass das seine Intention war. Er hat eine These über die Aufführungspraxis zu Mozarts Lebzeiten, wonach es damals üblich war, sich bei der Aufführung von Klavierwerken nicht genau an die niedergeschriebenen Noten zu halten, sondern relativ stark zu variieren. Ob das stimmt, mögen Musikhistoriker bewerten. Immerhin hat sich Levin in seiner akademischen Laufbahn auch wissenschaftlich mit der historischen Aufführungspraxis von Klavierwerken befasst. Aber selbst wenn es so ist, wie er sagt, ist es meiner Meinung nach keineswegs die einzig richtige oder "wahrhaftige" Art und Weise, diese Werke aufzuführen. Da bin ich ganz bei ChKöhn.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Was Levins Aufnahme von KV 281 angeht, bin ich mit meiner Meinung anscheinend hier zwischen allen Stühlen: Ich finde, dass er sehr gut spielt und gestaltet, ich habe im Gegensatz zu Glockenton keine Probleme mit seinen Varianten, die ich fast durchgehend geschmackvoll, stilsicher und einfallsreich finde (ein kleines Problem entsteht höchstens bei der Reprise des Andantes, wo Mozart die absteigenden Terzen ja schon selbst gegenüber der Exposition variiert; da fällt Levin dann doch nicht mehr viel ein), und ich kann, anders als Dr. Kaletha, die Musik durchaus in seiner Einspielung und in der vollkommen anderen von Horowitz goutieren. Soweit also alles gut, allerdings verstehe ich auch nach mehrfachem Hören nicht, wo denn eigentlich der musikalische Vorteil des historischen Flügels gegenüber einem modernen sein soll. Das Cantabile des zweiten Satzes findet bei diesen kurzen, spitzen Tönen mehr im Kopf des Hörers statt als in der Realität, ein Plus an Transparenz kann ich nicht wahrnehmen, die Palette an Klangfarben und dynamischen Nuancen ist hörbar geringer, vor allem wenn das zweite Thema in der Reprise melancholisch durch die Tonarten geht (As-Dur, f-Moll, Es-Dur). Was bleibt da noch an Vorteilen, außer dem "moralischen" (und wohl auch verkaufstaktischen) des "originalen" Instruments? Mein Fazit wäre deshalb: Eine schöne Einspielung eines guten Pianisten und Musikers, schade nur, dass er keinen besseren Flügel zur Verfügung hatte ;).

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Was Levins Aufnahme von KV 281 angeht, bin ich mit meiner Meinung anscheinend hier zwischen allen Stühlen: Ich finde, dass er sehr gut spielt und gestaltet, ich habe im Gegensatz zu Glockenton keine Probleme mit seinen Varianten, die ich fast durchgehend geschmackvoll, stilsicher und einfallsreich finde

    Werter ChKöhn , nein, mit dieser Auffassung bist Du nicht alleine. Persönlich würde ich Levins Auffassung von 281 sogar der von Horowitz vorziehen, obwohl ich die Feinheiten von Horowitz' Anschlag durchaus zu vernehmen meine. Die Schwäche bei der Reprise des Andantes bei Levin habe ich gar nicht bemerkt. Nun kenne ich auch die neue Einspielung besser, die er auf Mozarts Flügel eingespielt hat.



    Mein Fazit wäre deshalb: Eine schöne Einspielung eines guten Pianisten und Musikers, schade nur, dass er keinen besseren Flügel zur Verfügung hatte ;) .

    Hier würden sich unsere Ansichten ein wenig trennen. Ich meine erstens, auf den historischen Instrumenten oder deren Nachbauten einen anderen Spielstil zu vernehmen, weil zum Beispiel der Klang nicht so lange hält (alle diese andantes sind kürzer), aber, was ich zweitens als wesentlicher empfinde, bei längerem Zuhören tut sich für mich eine andere Klangwelt auf, nicht die "richtige" aber eine wesentlich andere. Stil und Klangwelt harmonieren .....


    Ich habe noch ein kurzes Statement von Levin zum Flügel von Mozart gefunden




    Vielleicht noch eine Einspielung des Andantes von Bezuidenhout auf einem McNulty Nachbau eines Walter Flügels



    Das ist doch eine andere Welt als die eines Steinways und ich kann das goutieren ohne zu denken, dass das nun auf einem modernen Flügel besser klingen würde. Selbstverständlich wäre Horowitz Einspielung auf keinem historischen Flügel denkbar.

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