Irgendwie waren die SängerInnen früher besser....

  • In meinen Augen und für meine Ohren stimmt das. Ich bin immer wieder berührt von Aufnahmen, die vor den 1970er Jahren entstanden - hinsichtlich der Innigkeit des Vortrags, der Textverständlichkeit und der Vielfalt des Repertoires. Natürlich gibt es auch heute grandiose KünstlerInnen. Doch ich vermisse den allgemein hohen Level.



    Was denkt Ihr? Alles nur Einbildung? Oder woran liegt es? Am fehlenden Repertoiretheater? Am nicht mehr vorhandenen Ensemblegedanken? An geänderten Hörgewohnheten? Ist es vielleicht nur eine technische Sache, die die alten Aufnahmen wärmer klingen lassen? Ich jedenfalls ziehe eine alte Schellack mit Niessen oder wiederaufgelegte Produktionen durch Wallhall dem neuen Zeug fast immer vor.

  • Hallo, Knusperhexe!


    Ich bin auch ein sehr kritischer Mensch, aber das hieße gleich, "Äpfel mit Birnen" zu vergleichen. Auch wenn ich alten Aufnahmen sehr zugetan bin, muß ich sagen, daß es auch heute noch gute Sänger und Sängerinnen gibt. Auf Vinyl klingen die Aufnahmen schon wärmer als auf CD. Und auf der Bühne klingen Stimmen nochmal wieder anders. Ich möchte hier nicht weit ausschweifen, aber z.Bsp. hat Peter Seiffert an seiner Stimme sehr viel getan und mir gefällt er jetzt ausgezeichnet. Ob Anna Netrebko, José Cura, Marcello Alvarez, Jonas Kaufmann usw., sie alle brauchen sich nicht hinter den Sängerinnen und Sängern der Nachkriegszeit zu verstecken. Und auf der Bühne, ich habe auch schon einige Stars live erlebt, klingen sie auch nicht schlechter. Obwohl ich zugeben muß, daß einigen vielleicht etwas die Wärme fehlt, die z.Bsp. eine Rita Streich, Fritz Wunderlich, Hermann Prey oder Gottlob Frick auszeichneten. Aber das dürfte nicht das absolute Kriterium sein.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Freunde,


    auch ich möchte hier nicht Birnen mit Äpfeln vergleichen, obwohl dieses Thema manchmal dazu verführen möchte. Es gibt heute eine große Zahl von guten und auch sehr guten Sängern/innen. Dass es schwer ist, den Standard alter Zeiten zu übertreffen oder auch nur zu erreichen steht für mich fest.


    Aber dafür gibt es auch viele gute Gründe, von denen ich nur eine Auswahl aufzeigen möchte.


    1) Die Stimmen hatten wesentlich längere Aufbauzeiten, sie wurden nicht sofort mit großen Partien belastet.


    2) Es wurden vor und nach schweren Aufführungen (oder auch dazwischen) leichte Partien gesungen, wie z.B. Hans Hopf in einem Publikumsgespräch erzählte, verlangte er bei einem Gastspiel mit Wagner drei Tage vorher einen Tamino oder ähnliches. Bitte wo geht das heute ?


    3) wegen der obigen besseren Arbeitsbedingungen für Sänger konnten sich auch sehr große Stimmen entwickeln, die heute nicht mehr adäquat wiederzugeben sind.


    4) Die Persönlichkeit wurde über Jahre und Jahrzehnte entwickelt. Nur ein Beispiel: Regina Resniks Carmen. Sie war eine auch darstellerisch großartige Carmen, obwohl sie damals schon die Mutter der heutigen Carmen-Darstellerinen hätte sein können.


    Es gibt noch andere Punkte, aber es hieße nur ältere Statements wiederzukäuen, daher verzichte ich darauf. Ich habe mich absichtlich beim Anna Bolena - Thread nicht an der Diskussion beteiligt, denn meine Meinung wurde von einigen anderen Schreibern bereits mitgeteilt.



    Liebe Grüße aus Wien -


    Erich, der Operngernhörer

  • Ein Punkt ist mir beim Schreiben abhanden gekommen (durch ein längeres Telefongespräch) den ich noch anfügen möchte:


    Es hat früher hinter der ersten Garnitur der Stimmen kaum eine zweite gegeben und man konnte auch oft neben dem großen Namen als Partner Stimmen hören, die man am liebsten von der Bühne gejagt hätte. Das gibt es heute gottseidank nicht mehr, unter einem gewissen Niveau steht heute niemand mehr auf der Bühne. (es soll aber auch noch irgendwo Ausnahmen geben!)


    Nun zum Letzten: Irgenwo steht der Name Teresa Zylis-Gara als gute Anna Bolena . Ich habe sie in Wien oder in Salzburg in fast allen ihren Partien gehört, aber ich fand sie immer mittelmässig bis schrecklich, vielleicht ist sie wirklich im Laufe der Zeit besser geworden, ich wünsche es ihr und ihrem Publikum.


    Erich, der Operngernhörer

  • Um diese Frage erschöpfend zu beantworten bräuchte man mehrere tausend Seiten Platz, das sprengt leider meinen zeitlichen Rahmen und auch die Geduld mancher Leser, daher nur eine extreme Kurzfassung.


    Das muß man jetzt natürlich sehr differenziert betrachten:


    Wenn man jetzt zum Beispiel die damaligen Castraten mit den heutigen Counter Tenören vergleichen will, dann wird es schwierig, denn wir kennen hier nur Herrn Moreschi, wohingegen die Anzahl der Coutnertenöre zum Vergleich sehr hoch ist, als da wären, Russel Oberlin, Alfred Deller, Angelo Manzotti, Jochen Kowalski, Philippe Jaroussky, Max Emanuel Cencic, um jetzt nur einige heraus zu greifen und die fallen bedeutend angenehmer aufs Ohr.


    Bei den Wagnersängern hingegen mit Lauritz Melchoir, Otto Wolf, Paul Althouse, Olive Fremstad, Johanna Gadski, Frida Leider, Kirsten Flagstadt, Helen Traubel, Eileen Farrell, Gertrude Grob-Prandl, Martha Mödl, Birgit Nilsson, da kann man ganz deutlich sagen ja auch wenn wir heute eine Waltraut Meier oder Deborah Polaski haben, ja früher wurde Wagner einfach besser gesungen.


    Auch bezogen auf das Verdifach lassen Tenöre wie Jussi Björling, Carlo Bergonzi, auf sich warten.


    Als Norma hätten wir hier zwar Edita Gruberova ( Berlin 2008 Livemitschnitt, so gut war sie selten in dieser Rolle ) aber auch alle anderen von mir abgehandelten Sängerinnen in dieser Rolle kommen an Maria Callas nicht heran.


    Bezogen jetzt aber auf das Fach Bellini, Donizetti, Rossini und hier die Tenöre, setzte eine gewisse Renaissance mit Gedda,Kraus und Pavarotti ein, wurde dann mit Merritt und Matteuzzi fortgeführt bis wir heute mit Osborn, Siragusa, Brownlee, Florez um jetzt nur einige herauszugreifen eine Fülle an Tenören für dieses Fach haben wie es sie vor 50 Jahren nicht gab.


    Bei den Sopranen für dieses Fach fing die Geschichte der Schallplatte ( Gesamtaufnahme ) eher mit Capsir, Pons, Pagliughi an bevor Maria Callas auch hier dramatische Akzente in den Kolleraturen setzte, bis wir heute über Sutherland, Sills, Gencer, Caballe, Gruberova, Dessay, Guttierez, Mosuc fast schon wieder einen halben bis ganzen Schritt zurück gegangen sind, hier wird viel Virtousität geboten aber weniger dramatische Akzentuirungen in der Musik.


    Bezogen auf das Richard Straussfach und die Soprane angefangen mit Schlüter, Welitsch, Cebotari, Rysanek, Nilsson,Mödl, Varnay, Grob-Prandl, Borkh, Goltz, und wenn wir dann in die heutige Zeit blicken auf Studer ( Karriere zu früh hat abbrechen müßen ), Marc, Merbeth, Theorin, Polaski, Meier, Behrens, Watson, für die Rollen der Elektra, Chrysothemis, Salome, Färberin, Kaiserin sah es früher definitive besser aus. Hingegen für Rollen wie Arabella, die Marschallin, die Sophie, Gräfin, um jetzt nur vier Rollen herauszugreifen da gab es immer hervorragend Sängerinnen und die gibt es heute auch noch wie damals Lehmann, Zadek, Schwarzkopf, Della Casa, Ludwig, Janowitz, Grümmer, Popp, oder eben um jetzt aufs heute bezogen nur zwei Namen zu nennen Eszter Sümegi und Anja Harteros.


    Man kann also abschlißend sagen ja bezogen auf Wagner, Strauss, Verdi und Puccini um jetzt nur vier der prominentester Opfer des heutigen Musikmarktes herauszugreifen.
    Nein bezogen auf Bach, Händel und Rossini, so gut wie heute hörten wir diese Musik seit ca. ( auch hier habe ich der Überschaubarkeit wegen auf drei Namen beschränkt ) 50 oder auch 60 Jahren nicht mehr ( eingie wenige Ausnahmen bestätigen die Regel ).
    Jetzt muß natürlich jeder für sich entscheiden wohin das Pendel schlägt, wo seine Schwerpunkte liegen.
    Was ist von der Gewihtung her wichtiger um zu sagen eher ja früher wurde besser gesungen als heute oder aber eher nein, heute wird besser gesungen als damals.
    Wobei auch hier damals sehr dehbar ist.
    Wo fängt damals vor beginn der Schallaufzeichnung oder fängt damals mit den ersten Schallplattenaufnahmen an, akkustisch oder elektrisch oder die ersten Digitalaufnahmen.

  • Hallo, Sven!


    Ich sehe das doch genauso wie Du. Nur möchte ich nicht gleich alle Sänger und Sängerinnen, die nach Streich, Sutherland, Bergonzi, Kraus usw. kamen, gleich schlecht reden. Es gibt wieder Sänger und Sängerinnen, die noch eine große Zukunft vor sich haben. Natürlich sollten sie behutsam aufgebaut und nicht "verheizt" werden, d.h., nicht direkt alles singen was man ihnen vorsetzt. Das ist der größte Fehler den die meisten Talente begehen, da sind wir uns doch einig. An anderer Stelle habe ich das schon angeführt. Nicolai Gedda und Alfredo Kraus, um nur zwei Beispiele zu nennen, haben ihre lange Karriere nur dadurch geschafft, daß sie sich nicht mehr zumuteten, als ihre Stimme es zuließ. Ich kann nur hoffen, daß diese nachrückenden Talente dies auch so sehen. Aber gleich zu harsche Kritik bringt diese jungen Sänger auch nicht weiter. Nur Einsicht.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ich meine, dass wir eventuell auch Opfer eines statistischen Effektes werden, wenn wir urteilen, dass Sänger früher besser gewesen wären als heute.


    Was meinen wir mit "heute"? Doch wohl so ungefähr die Zeit von 2000 bis heute. Ungefähr 11 Jahre.


    Und "früher"? Das ist dann die Zeit vom Beginn der Tonaufzeichnung bis 1999. Ungefähr hundert Jahre.


    Ist da nicht die Wahrscheinlichkeit, die Top-3-Toscas, Aidas, Elektras, Salomes, Carmens, Brünhilden, Isolden, Tristans, Siegfriede, Tannhäuser, Otellos, Jagos, Rigolettos, Wotans, Alberichs, Phillippo II., usw. usw. "früher" zu finden, ungefähr zehnmal so groß wie die Wahrscheinlichkeit, "heute" fündig zu werden? -


    Wen würden wir überhaupt als Top-3-Aidas bezeichnen? Rethberg, Leontyne Price, Milanov? Oder doch Callas, Tebaldi und Ponselle? Egal - bedenkt mal, welchen Zeitraum wir dabei heranziehen, wenn wir mit "heute" vergleichen. Als ob Rethberg, Ponselle und Callas gleichzeitig ihre große Zeit gehabt hätten.


    Ich meine, wir hätten im Liedbereich mit Güra, Goerne, Prégardien, Quasthoff, von Otter, Bernarda Fink u. a. durchaus Sängerinnen und Sänger, deren Tonaufnahmen sich sehr wohl mit den historischen Referenzen messen lassen können.


    Im Opernbereich haben wir "heute" immerhin einen Quasthoff, einen Uusitalo, einen Furlanetto, einen Dohmen, eine Waltraud Meier, einen Peter Seiffert, eine Jennifer Wilson. Sicher, einige Rollen scheinen unbesetzbar, ich denke an Meyerbeer, Berlioz, Belcanto-Opern und die wagnerschen Heldentenöre. Aber es gibt auch viel Grund zur Freude!

  • Dieses Thema ist schwierig. Gerade gestern hatte ich es im privaten Kreise auch wieder. Waren die SängerInnen früher wirklich besser oder waren sie es nicht?


    Man muß ja versuchen, objektiv zu bleiben. Subjektiv würde ich sofort sagen: ja, sie waren besser. Gerade im Wagner-Gesang (und der interessiert mich nunmal primär) wird man das kaum abstreiten können, daß es früher sehr viel mehr außerordentlich talentierte SängerInnen gab, die teilweise über Jahrzehnte einen sehr hohen Standard halten konnten. Andererseits tut man den heutigen unrecht, wenn man sie allesamt über einen Kamm schert. Es gibt auch heute große Stimmen. Um bei Wagner zu bleiben: René Pape und James Rutherford brauchen kaum Vergleiche mit den größten Baßbaritonen scheuen. Ben Heppner und Peter Seiffert sind (oder waren zumindest bis vor kurzem) würdige moderne Vertreter der schweren Wagner-Tenöre. Waltraud Meier ist eine der bedeutendsten Interpretinnen u. a. der Isolde der letzten Jahrzehnte. Matti Salminen ist ein würdiger Nachfolger der "schwarzen Bässe" Greindl und Frick. Man könnte zahlreiche mehr nennen.


    Nur: Irgendwie sind es weniger geworden. Sänger, die den Sachs oder Wotan mühelos darstellen konnten, können wir heute an einer Hand abzählen. 1950 gab es derer viele. Adäquate Siegfrieds, Brünnhilden, Tristans und Isolden hatten wir in den 50er Jahren ebenfalls sehr viel mehr als das heute der Fall ist.


    Ich folgere daraus, daß früher nicht alles automatisch besser war, aber daß man heute viel mehr nach den Perlen suchen muß, als das damals der Fall war.


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nun haben wir schon wieder einen neuen Thread, in dem die Frage zur Diskussion steht, ob denn die Sänger früher wirklich besser waren als heute. Aber das ist halt auch eine Frage, die uns Opernfreunde und Melomanen bewegt!




    Sven hat einen Durchgang durch die verschiedenen Gesangsfächer versucht und kommt zu einem klaren Resümé:





    Das deckt sich ziemlich mit einer Feststellung, die ich gerade in einem anderen Thread skizziert habe!


    Das Reden von der Krise der Gesangskunst erfordert eigentlich eine gründliche Überprüfung. Mir wird da oft doch zu pauschal argumentiert. Wann beispielweise wäre es in den letzten hundert Jahren möglich gewesen, für jede Oper von Händel (oder Vivaldi, Graun, Rameau, Lully usw.) ohne Probleme verschiedene Besetzungen aufzubieten, die alle keine Wünsche übrig lassen? Auch Rossini kann heute vorzüglich besetzt werden. Und für Mozart hatte man vielleicht noch vor 50 oder 40 Jahren noch bessere Einzelsänger und feiner abgestimmte und eingespielte Ensembles, aber ich sehe nicht, dass irgend eine Mozartpartie heute nicht erstklassig besetzt werden könnte. Probleme bereiten hauptsächlich Verdi und Wagner - oder vielleicht sogar das gesamte Repertoire aus dem 19. Jahrhundert, denn auch Norma, Les Hugenots oder La Gioconda sind heute nicht voll befriedigend zu besetzen. Bei Strauss hingegen sieht es so übel nicht aus - sieht man mal davon ab, dass man bei Strauss von je Probleme hatte, die ekligen Tenorpartien zu besetzen.
    Mit anderen Worten: Eine allgemeine Krise der Gesangskunst sehe ich nicht wirklich. Was ich sehe, ist dass Sänger für das sogenannte "Kernrepertoire" der Opernhäuser fehlen. Die Talente, die es da ganz sicher immer wieder gibt, werden nicht gründlich genug ausgebildet, schlecht auf die Herausforderungen vorbereitet, die sie in den anspruchsvollen Partien erwarten, und dann viel zu früh verschlissen. Wie daran etwas geändert werden könnte, weiss ich - ehrlich gesagt - nicht! Aber das wäre mal ein Thema, über das man weiter nachdenken und diskutieren könnte!


    Ich fand die Punkte nun sehr wichtig, die Erich Ruthner aufgelistet hat, sehr wichtig und richtig. Der Betrieb ist heute wirklich viel zu schnell und viel zu sehr kommerzialisiert. Stimmen haben einfach nicht mehr die Zeit, sich in Ruhe zu entwickeln und in ein anspruchsvolles Repertoire hin zu wachsen. Ein junger Sänger, der heute in Detmold einen guten Eindruck als Siegmund macht, wird sofort gejagt und muss die Partie morgen in Hannover und übermorgen in München singen. Das strapaziert seine Ressourcen frühzeitig. Und - auch darauf hat Erich Ruther hingewiesen - er wird plötzlich auf ein Fach festgelegt, in dem er zwar Möglichkeiten und Perspektiven hat in das er aber erst noch hineinwachsen muss. In früheren Jahren als es noch feste Ensembles gab, konnte ein Generalmusikdirektor einen jungen Tenor zwei oder drei Tage vor einem Tannhäuser den Belmonte singen lassen, um die Lockerheit der Stimmführung zu fördern. Und nach dem Tannhäuser wurde der junge Mann dann als Pinkerton angesetzt, damit seine Höhe wieder Geschneidigkeit und Glanz gewinnt (nachzulesen z. B. bei Clemens Krauss!). Das ist im heutigen Betrieb - Erich Ruther hat leider völlig Recht - nicht mehr möglich. Jeder von uns kann kleicht viele Beispiele auflisten, wo vielversprechende Talente nie soweit gekommen sind, dass sie sich wirklich als hervorragende Sänger in dem schwereren Fach bewiesen hätten.
    Nicht ganz überzeugt mich die folgende Aussage:

    Es hat früher hinter der ersten Garnitur der Stimmen kaum eine zweite gegeben und man konnte auch oft neben dem großen Namen als Partner Stimmen hören, die man am liebsten von der Bühne gejagt hätte. Das gibt es heute gottseidank nicht mehr, unter einem gewissen Niveau steht heute niemand mehr auf der Bühne. (es soll aber auch noch irgendwo Ausnahmen geben!)


    Ich erinnere mich etwa an die 50er Jahre in Berlin. Da sang im Heldentenorfach zum Beispiel mit Suthaus ein Sänger, dem wohl niemand absprechen würde, dass er hervorragend war. Wenn der aber mal eine Aufführung absagen musste, dann kamen Gäste, die durchaus über stimmliche und gesangliche Qualitäten verfügten, die wir uns heute bei den Heldentenören unserer Tage wünschen würden. Das waren etwa Rudolf Lustig , Sebastian Feiersinger, Karl Liebl, Schneemann und so weiter. Ähnliches galt für andere Partien. Eine Gerda Lammers etwa, die öfter für Mödl einsprang sang "a. G. vom Staatstheater Kassel", eine Ingeborg Exner "a. G. Städtische Bühnen Köln" und ein Kronenberg "a. G. Staatstheater Hannover". Und schlecht waren die wirklich nicht. Natürlich waren sie nicht "Erste Reihe" aber sie hatten gut sitzende und technisch überzeugend geführte Stimmen und waren in der Lage, ihre Partien auszufüllen.





    Zum Schluss noch kurz zu





    Nun zum Letzten: Irgenwo steht der Name Teresa Zylis-Gara als gute Anna Bolena . Ich habe sie in Wien oder in Salzburg in fast allen ihren Partien gehört, aber ich fand sie immer mittelmässig bis schrecklich, vielleicht ist sie wirklich im Laufe der Zeit besser geworden, ich wünsche es ihr und ihrem Publikum.


    Kann es sein, dass Du sie zu spät gehört hast? Vielleicht wäre es lohnend, mal ihre Aufnahmen aus der guten Zeit zu hören. Wie gesagt: Beim WDR gibt es eine Gesamtaufnahme der Anna Bolena mit Zylis-Gara. Hinreißend ist ihre bei Muza erschienene Sammlung mit Arien aus slawischen Opern. Und wer käme nicht ins Schwelgen, wenn man das Otello-Liebesduett unter Karl Böhm mit Zylis-Gara und Franco Corelli
    hört (Mitschnitt von MET-Gala, von der DGG vielfach wieder veröffentlicht!!!)
    Zugegeben, ihr Salzburger Mozart-Auftritte waren nicht mehr gut, aber ihr Komponist in der Ariadne-Gesamtaufnahme unter Rudolf Kempe ist doch ein Genuß. Allein ihr "Vergißt sich in Äonen ein einziger Augenblick?" ist etwas für den Sänger-Olymp!!!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Liebe Taminos,




    das Thema ruft ja doch mehr Interesse hervor als erwartet. Ich kann nur für mich selbst sprechen: Mir gefallen alte Aufnahmen überwiegend besser. Ich empfinde die Darbietungen als glaubwürdiger. Die SängerInnen scheinen weniger distanziert den Rollen gegenüber zu sein. Sie gehen so auf in der Gestaltung, dass ich vor meinem inneren Auge das Geschehen auf der Bühne verfolgen kann. Das stellt sich bei neueren Einspielungen selten ein.


    Und auch bei Liveerlebnissen, denke ich oft: "Die mag gar nicht die Rolle der Agathe, findet sie im Grunde albern, frömmelnd und affig!" Etwas, was ich bei Grümmer nie gedacht habe. Oder wo gibt es noch mal so einen guten Mephisto wie Hann oder Bohnen? Wo? Wer? Mir fällt keiner ein. Wer lacht dermaßen diabolisch? Hat diebischen Spaß am Bösesein und schämt sich nicht, das rüberzubringen?



    Manchmal denke ich heute, ich habe Kampfgesangsakrobaten vor mir, aber keine menschen, die tief empfinden. Vielleicht ist jetzt klarer, was ich meine. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen, z.B. ist die Ziesak eine Sängerin, die richtig beseelt klingt, aber ich finde, davon gab es früher mehr. Liegt es am Zeitgeist, der heute so vieles zynisch betrachtet und somit den Sängern den Zugang erschwert?

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  • Ich empfinde die Darbietungen als glaubwürdiger. Die SängerInnen scheinen weniger distanziert den Rollen gegenüber zu sein. Sie gehen so auf in der Gestaltung

    Hallo, lieber Knuspi


    ... und in ihrem Beruf, in ihrer Berufung dazu. Dieser Meinung bin ich auch. Ich glaube auch, wie Du später schreibst, ist es auch der Zeitgeist. Wahrscheinlich spielte früher nicht unbedingt vordergründig nur das Geld eine Rolle. Ich denke den meisten wird es eine Ehre und ein Stolz gewesen sein, an diesem oder jenem großen Haus engagiert gewesen zu sein und dort singen zu " dürfen " und von einem dankbaren Publikum akzeptiert, gefeiert und getragen zu werden, eine Schallplatte aufzunehmen... Dies führte bestimmt zu einer gewissen Verinnerlichung, Hingabe und Ernsthaftigkeit und somit zur glaubwürdigen Interpretation einer Rolle. Wahrscheinlich sind diese Attribute in unserer modernen, kommerziellen und immer gefühlskälter werdenden Welt, nicht mehr in diesem Maße vorhanden.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Manchmal denke ich heute, ich habe Kampfgesangsakrobaten vor mir, aber keine menschen, die tief empfinden. Vielleicht ist jetzt klarer, was ich meine. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen, z.B. ist die Ziesak eine Sängerin, die richtig beseelt klingt, aber ich finde, davon gab es früher mehr. Liegt es am Zeitgeist, der heute so vieles zynisch betrachtet und somit den Sängern den Zugang erschwert?


    Liebe Knusperhexe,
    wenn Du mit Frau Ziesak eine Ausnahme-Dame gefunden hast, möchte ich noch einen beseelt singenden Mann empfehlen: Matthias Goerne - hör Dir mal die von ihm gesungene "Winterreise" an ...

  • Lieber Caruso41,


    ich habe diese Dame in ihren Wiener Abenden ca. in den Jahren 1966 - 70 und in der gleichen Zeit auch in Salzburg gehört und sie war der Schwachpunkt jeder dieser Abende. Auf Grund dieser Erinnerungen hatte ich keine Lust mehr, mir Aufnahmen mit ihr anzuhören bzw. zu erstehen.


    Einen schlechten Abend kann jeder haben, eine längere Erkrankung auch, aber es war in meiner Eerinnerung kein einziger wirklich guter Abend dabei.


    Ich hoffe, Du kannst meine Reaktion daher verstehen.


    Erich, der Operngernhörer

  • Kommen wir wieder auf das Thema zurück, ob die Sänger früher besser waren als heute.
    Nicht allgemein, aber im Detail ja.


    Es gab sicher schlechte Opernaufführungen, schlechte Tagesverfassungen und auch schlechte Sänger.
    ABER: Die Tonaufzeichnung war eine heilige Kuh - man hat "für die Ewigkeit" aufgenommen, die großen Schallplattenkonzerne
    überboten einander an "Jahrhundertaufnahmen" und "Weltstars"


    Heute obsiegt das Mittelmaß, und das Schlimme daran ist, das wir alle - oder zumindest die meisten von uns - das nicht einmal bemerken.
    Das gilt aber nicht nur für klassische Musik, sondern alle Bereiche unseres Lebens. Ob wir uns eineneue Hose kaufen, oder eine neue Steroanlage - überall überwiegt das Mitelmaß - vieles das einst unerschwinglich schien ist heute jedermann - in mittelmässiger Qualität zugänglich.
    Und die Mehrheit der Menschen akzeptiert das. Qualität - in allen Bereichen das Lebens - hat an Bedeutung verloren, so auch das Genre "Klassische Musik"


    Sie wurde vom Sockel heruntergeholt - und manche bejubeln das noch, hat an Bedeutung in der Geselschaft verloren.


    Das Publikum hat sich(mehrheitlich) verändert, und die Produzenten ebenso. Von den Sängern erst gar nicht zu reden.
    Sängertypen wie beispielsweise Elisabeth Schwarzkopf, die geradezu mit unerbittlicher Strenge an sich arbeitete - und damit einzigartige Ergebnisse erzielte - gibt es heute nicht mehr. - Und gäbe es sie, so wären sie angefeindet, weil diese Sänger, die gleiche Unerbittlichkeit, die sich selbst gegenüber an den Tag legten - auch im Umgang mit den Kollegen pflegten.....


    Der Weg an die Spitze war immer ein dornenvoller- aber derlei interessiert heute nur mehr wenige Interpreten - von der Mehrheit des Publikums mal ganz zu schweigen, welches lieber l"Stars zum Anfassen" oder "mit sozalem Engagement" zujubelt, als perfekten Primadonnen und makellosen Tenören....


    In den Vorstandsetagen der Tonträgerkonzerne sitzen Kaufleute (wenngleich man gelegentlich aus dies bezweifeln möchte....) und keineLiebhaber oder Kennerr der klassischen Musik..........


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich hoffe, Du kannst meine Reaktion daher verstehen.


    Natürlich verstehe ich das! Gerade darim: Höre Dir mal die von mir erwähnten aufnahmen an! Das könnte eine Entdeckung für Dich werden! Beosnders die Arien aus slawischen Opern und der Komponist aus dem Ariadne-Vorspiel!



    Viel Vergnügen!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Mit Interesse habe ich die vielen Beiträge der letzten Tage gelesen. Es ist ja immer wieder interessant, dass gerade dieses Thema so viel Meinungen auf den Plan bringt.


    Ich bin in fast allen Punkten genau der Meinung von Erich Ruther aus Wien, bis auf den einen, dass die Sänger der sog. "zweiten Reihe" früher nicht besser waren. Das kann ich nicht bestätigen. Wenn ich an meine Erfahrungen aus München und Berlin denke, die ich mit den Ensemblesängern gemacht habe, die immer wieder die grossen Stars ersetzen mussten, muss ich sagen, dass dieses in der heutigen Zeit nicht möglich wäre.


    Es ist aber auch so, wie z.b. Caruso schreibt, dass man unterscheiden muss, welches Musik-Genre gesungen wird. Da man heute an Bach, Händel und auch Rossini ganz anders herangeht, sind auch die Spezialisten unter den Sängern für diese Fächer ganz anders ausgebildet. Früher sangen ja alle (bis auf wenige Ausnahmen) diese Musik und das kann man heute nicht ertragen. Bei Musik von Wagner, Strauss, Verdi , Meyerbeer usw. sieht es schon ganz anders aus. Klar, es ist richtig, wenn gesagt wird, welche Zeiten vergleichen wir 1900-2000 und dann ab 2001 . Da gab es natürlich eine grössere Zahl Sänger in dem ersten Zeitraum, als jetzt in 10 Jahren. Aber mann kann schon die ersten hundert Jahre auch unterteilen und findet dann doch eine weit aus grössere Zahl wirklich g u t e r Sänger , die zur gleichen Zeit gesungen haben, als es heute der Fall ist. Andererseits habe ich den Eindruck , dass die heutigen Sänger in Bezug auf Musikalität, Notensicherheit, Intonation teilweise besser ausgebildet sind. Wenn man alte Aufnahmen von wirklich berühmten Leuten von früher hört, gibt es doch erschreckende Defizite, was diese Kriterien betrifft.


    Ich wiederhole daher noch mal, was ich oben bestätigt hatte. Die heutige Zeit ist für Sänger schwieriger geworden. Die Schnelllebigkeit, das Vermarkten einer Begabung ehe sie gereift ist, das fehlen von Agenten , Besetzungschefs und Dirigenten, die sich um den Nachwuchse kümmern, aber auch die guten Gesangs-Lehrer, die oft über viele Jahre ihre ehemaligen Schüler weiter begleitet haben, trägt maßgeblich dazu bei, dass die "heutigen" nicht mit den "früheren" mithalten können - Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. So ist sicherlich im Bereich des Liedgesangs eine große Anzahl von wirklich guten Sängern unterwegs, allerdings sind sie in der Regel nicht so bekannt, wie die früheren, da sich das "Liedpuplikum" gewandelt hat. Es gab jalt früher eine viel größere Zahl von Liebhabern dieser Gattung als heute, daher werden Liedprogramme bei den großen Festivals und auch in den Meisterkonzert-Reihen der großen Städte kaum noch vorgestellt. Es gibt dafür dann halt die kleineren "Nischen" wie z.B. Schwarzenberg.


    Trotzdem bleibe ich weiterhin ein Liebhaber schöner Stimmen und höre aufmerksam zu, wenn sich neue, junge Sänger präsentieren und werde sie nicht immer sofort mit den früheren, von mir geliebten Kollegen vergleichen !

  • Lieber hart,


    oh ja, den Goerne finde ich ganz wunderbar als Spielmann in "Königskinder" und gerade höre ich die Ziesak als Gretel. Der Rest der Sänger in der Aufnahme ist nicht so mein Ding. Kürzlich hörte ich die Ziesak im Radio in einer relativ neuen Aufnahme und war sehr, sehr angetan, wie unverbraucht ihre Stimme noch ist. Opern singt sie aber nicht mehr? sie würde ich mal gerne als Gänsemagd hören.


    LG,
    Knuspi

  • Lieber Caruso,


    nur ganz kurz. Ich werde, wenn ich wieder etwas Luft habe, mich grundsätzlicher an der Frage, ob die Sänger früher besser waren, beteiligen. Heute nur so viel: Ich freute mich sehr, dass Du Sebastian Feiersinger erwähnt hast. Das war ein ausgezeichneter Tenor mit einer großen, strahlenden Stimme. Außderdem war der "Wastl" ein liebenswürdiges Original im Format von Leo Slezak, den man einfach gern haben musste.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Caruso,


    nur ganz kurz. Ich werde, wenn ich wieder etwas Luft habe, mich grundsätzlicher an der Frage, ob die Sänger früher besser waren, beteiligen.


    Hallo Operus,


    da freue ich mich drauf! Seit Luca durch Ignoranz und eine merkwürdige Intolleranz, die sich gegen vernünftiges Argumentieren und Kompetenz richtete, vertrieben worden ist, sind ja leider nicht mehr so viele Melomanen im Forum, die sachkundig und an einem kritischen Analysieren von Gesangsaufnahmen interessiert sind. Da brauchen wir Dich!



    Bin neugierig



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Gunter Hämel,


    es freut mich, dass Du mir prinzipiell zustimmst. In einem Punkt habe ich mich wahrscheinlich schlecht ausgedrückt, denn ich meinte mit 2. Reihe nicht die oftmals sehr verdienstvollen Sängern des Ensembles eines Opernhauses, sondern diejenigen Sänger, die man anstelle von Spitzenkräften oftmals als "Sensationelle Neuentdeckung", "Jungstar" oder "anderswo gefeiertem Sänger" aufs Auge gedrückt bekam.


    Zwei Beispiele dazu: Die Wiener Sopranistin Gerda Scheyrer war in vielen "Forza" - Vostellungen eine bessere Leonore als die am Ende ihrer Karriere stehende Antoinetta Stella. Bei einer Premiere des "Fliegenden Holländers" (ich glaube 1971) sagte die ursprünglich vorgesehene Senta ab und wurde durch eine "Sensationelle Neuentdeckung" ersetzt, die beim Publikum Gelächter hervorrief und von der ich - Gott sei Dank - nie mehr etwas gehört habe.



    Liebe Grüße -


    Erich, der Operngernhörer

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Wie oft sind die treuen bewährten Stützen eines Ensembles viel verlässlicher und besser im Zusammenspiel, als ein nur des Namens wegen engagierter und in eine Inszenierung mit ungenügender Probenzeit "hineingepropfter" Star. Die Opernhäuser sollten wieder zur Ensemblekultur zurückfinden. Nur wie ist dies in der Zeit des globalisierten Starrummels zu verwirklichen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Heute obsiegt das Mittelmaß, und das Schlimme daran ist, das wir alle - oder zumindest die meisten von uns - das nicht einmal bemerken.
    Das gilt aber nicht nur für klassische Musik, sondern alle Bereiche unseres Lebens. Ob wir uns eineneue Hose kaufen, oder eine neue Steroanlage - überall überwiegt das Mitelmaß - vieles das einst unerschwinglich schien ist heute jedermann - in mittelmässiger Qualität zugänglich.
    Und die Mehrheit der Menschen akzeptiert das. Qualität - in allen Bereichen das Lebens - hat an Bedeutung verloren, so auch das Genre "Klassische Musik"

    Nicht erst seit heute. Auch gestern schon. Als ich im Ministerium anfing, mit Anzug, Kombination und Krawatte. Und plötzlich in Jeans, sogar ein Minister. Als Minister war er aber sehr gut, kein Mittelmaß. Anpassung an den Zeitgeist würde ich das nennen. Beim Besuch von Opern (nicht open air - Waldbühne oder Bregenz und Verona) nein, Anfang der Siebziger in Salzburg: Rollkragenpullover. Wem's gefällt.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Richtig, lieber Bernward, es gibt einen Zeitgeist und aus diesem heraus auch einen aktuell gewünschten Sängertypus. Die Veranwortlichen oder Unverantwortlichen wolllen heute ausgezeichnet ausgebildete Sänger mit vielfältigen Fähigkeiten über die rein stimmlichen hinaus. Die Sänger sollen neben funktionierenden Stimmen jung und gut aussehend sein, nicht durch zu viel persönlich-individuelle Eigenheiten hervorstechen und damit aus dem Rahmen fallen Sie sollen ohne Probleme in jedes Regiekonzept passen und dieses ohne Diskussion akzeptieren.Sie müssen austauschbar und pflegeleicht sein und auch noch alle geforderten Fremdsprachen lernen können. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es kein Ensembletheater mehr gibt und die jungen Talente gnadenlos verheizt werden. Eine Entwicklungs- und Reifezeit wird nicht mehr zugestanden. Wie sollen sich in diesem etwas schwarz gezeichneten Umfeld Sängerpersönlichkeiten entwickeln können?
    Meines Erachtens gibt es heute ebenso begabte Sänger wie früher - nur sie werden nicht entwickelt.
    Ein Vergleich mit Wein, der zur Zeit im Forum an anderer Stelle diskutiert wird. Wie soll sich ein herausragender Tropfen entwickeln, wenn er nicht gepflegt, sorgsam ausgebaut, lange genug gelagert und zur vollen Reife geführt wird?
    Hoch talentierte Sängerinnen und Sänger sind also in großer und genügender Zahl vorhanden, was offensichtlich kaum mehr heran reifen kann sind die wirklichen Sängerpersönlichkeiten und genau diese wären gefragt.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • ABER: Die Tonaufzeichnung war eine heilige Kuh - man hat "für die Ewigkeit" aufgenommen, die großen Schallplattenkonzerne
    überboten einander an "Jahrhundertaufnahmen" und "Weltstars"


    Das ist eine äußerst zutreffende Feststellung, lieber Alfred.


    Sängertypen wie beispielsweise Elisabeth Schwarzkopf, die geradezu mit unerbittlicher Strenge an sich arbeitete - und damit einzigartige Ergebnisse erzielte - gibt es heute nicht mehr.


    Ich würde hier das "unerbittlich" dick unterstreichen. In ihrem DVD-Porträt gibt sie, in der Garderobe vor einem Elvira-Auftritt nach der Spontaneität ihrer Rollengestaltung gefragt, die Highbrow-Antwort: "You have to do that before!" in einem absolut oberlehrerinnenhaften Ton.


    Für den englischen Interviewer beweist sie hier bestimmt ihre "deutsche Grüdlichkeit", und hätte Britten, als Fortsetzung des Ariadne-Vorspiels, "Let´s make an Opera recording" geschrieben, so wäre das eine Stelle daraus.


    Nur, weil Alfred gerade sie als beispielhaft herausstellt: Die Schwarzkopf und Fischer-Dieskau waren doch selbst in ihrer Zeit Sonderfälle und Extrempositionen. Beide tendierten zur Wortausdeutung, zum Lied, zu Strauss. Von der Schwarzkopf gibt es eine sonderbare Liù, und Fischer-Dieskau erweist beim Posa und noch mehr beim Scarpia, wie wenig seine Phrasierungskunst im italienischen Fach weiterhilft.


    Sollte ich einen exeptionellen und zeitübergreifend vorbildlichen Sängertyp wählen, ich würde Christa Ludwig nennen. Auch deswegen, weil hier eine größere Anschlußfähigkeit sängerischer Leistungen gegeben ist, die zwar zu den Zeitgenossen von Schwarzkopf und Fischer-Dieskau gehören, aber mit ihnen eigentlich kaum vergleichbar sind.


    Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen - Elisabeth Schwarzkopf hat Leonores "Abscheulicher! Wo eilst du hin?" unter Karajan aufgenommen. Eine bewundernswerte Version, gewiß, zumal in ihren Pianissimo-Wirkungen. Aber wenn ich gleich darauf eine Frieda Leider höre, weiß ich wieder, was bei Schwarzkopf zur Leonore gefehlt hat. Und ich höre sozusagen eine ganze Tradition, die über Mödl, Rysanek bis zu Gwyneth Jones und Waltraud Meier reicht und in Christa Ludwig gleichsam ihren Mittelpunkt findet.


    Die Liebe wird´s erreichen ...


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Hallo, Operus!


    Ich kann Dir nur vollkommen recht geben, wenn Du die Sänger und Sängerinnen von früher mit altem Wein vergleichst. Auch heute gibt es hervorragende Stimmen, denen (wie Du treffend vergleichst) diese Reife fehlt. Die gibt man ihnen einfach nicht.


    Ich hatte gestern meinen "Schellack-Abend". Daher konnte ich mich wieder an alten Stimmen ergötzen und Vergleiche ziehen. Da waren einmal Ausschnitte aus "Carmen" mit Margarete Klose, Margarete Teschemacher, Marcel Wittrich und Walter Großmann, unter der Ltg. von Fritz Zweig.


    Trinklied aus "La Traviata" mit M. Teschemacher und M. Wittrich und Miserere aus "Der Troubadour" mit M. Teschemacher und M. Wittrich, unter der Ltg. von Fritz Zweig.


    Schlußszene aus "Aida" mit M. Teschemacher, M. Klose und M. Wittrich, unter der Ltg. von E. Orthmann. Diese Aufnahme hat mich am meisten beeindruckt!!


    Ferner hörte ich mir die Stimmen von Lotte Lehmann, Enrico Caruso, Benjamino Gigli und Giuseppe de Luca an.



    Warum ich dies schreibe? Gäbe man den Sängern von heute diese Zeit zum reifen und überließe ihnen nur die Partien, die für die jeweilige Stimme geeignet sind, hätten wir mit Sicherheit heute mehr Sänger und Sängerinnen vom Format der oben aufgeführten. Aber das werden wohl Wunschträume bleiben.



    Herzlichst


    Wolfgang

    W.S.

  • Also, ich bleibe dabei: Sie waren früher besser! Nachdem ich die fast komplette Aufnahme "Tiefland" mit Störring, Hann, Hoffmann und Enck gehört habe, kann ich nur sagen: Die Sänger früherer Zeiten haben die Rollen mit Inhalt gefühlt. Keine andere Aufnahme dieser Kinooper bringt die Dramatik, die nervöse, fast schmerzliche Spannung rüber wie dieses Aufnahme von 1943. Keinem anderen Sänger als Störring traue ich zu, dass er wirklich einen Wolf erwürgt - und ich habe sämtliche Pedros rauf und runter gehört. Keine Sängerin der Martha st derartig verstört wie die Enck, keiner derartig viril boshaft wie der Hann und keine derart naiv rührend wie die Hoffmann. Bin noch immer ganz im Bann dieser Aufnahme, die neben der Tosca mit Ranczak, dem Rigoletto mit Rosvaenge , der Martha mit Berger, der Traviata mit Ebers und dem Hänsel mit Grümmer einen Ehrenplatz in meiner Musiksammlung findet.

  • Es ist doch auch eine Frage des Timbres. Bedauerlicherweise findet man heutzutage kaum mehr Sänger/innen mit unverkennbarem eigenem Timbre. Warum das so ist, ich weiß es nicht. An ihrem Timbre konnte man schon in den ersten Gesangstakten die Stimme zweifelsfrei verorten und dadurch die Person und damit die Persönlichkeit auch ohne I-Ausweis erkennen.


    Heute gibt es nur sehr wenige, die dieses eigene Timbre aufweisen, eigentlich schade.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich finde schon, dass es wunderschoene Stimmen gibt, aber mir fehlt oft der Ausdruck. Bestes Beispiel> Die neue verkaufte Braut in Graz. Die Saenger sind zum Teil herrlich im Timbre und in der Stimmlage, aber es kommt fuer mich keinerlei Atmosphaere rueber. Keine Ruehrung. Kein Mitgefuehl. Lediglich vom Timbre her beruehren mich einige Leistungen. Doch wie sie die Vokale ziehen, das klingt grauenhaft. Sie koennen es einfach nicht anders. Alles wirkt gekuenstelt. Da verliere sogar ich die Freude an deutsch gesungener Oper. Und das will was heissen. Was fuer ein Unterschied zu den Aufnahmen vergangener Tage!!!! Sehr traurig!

  • Hallo, Knuspi!


    Ich lese hier den Namen Willi Störring. Davon besitze ich auch noch Schellacks. Sehr schön ist ein AIDA-Querschnitt mit ihm, Carla Spletter und Margarete Klose. Da klingt seine Stimme als Radames wirklich heldisch.

    W.S.

  • Wow!Wow! Wow!


    Kannst Du die überspielen? Im Thread: "Kölner Oper 1902 bis 1943" habe ich zu einem Artikel über Störring verlinkt. Er konnte wohl nicht alles singen, war ziemlich fixiert auf die Helden, aber die sang er dann auch voller Wucht!

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