Hallo,
ich beziehe mich größtenteils und zitiere "..."im Folgenden aus:
Philippi, Daniela: Antonin Dvorak, Die Geisterbraut, Tutzing: Verlag Schneider 1993, ISBN 3 7952 o692 8
Das Werk wird am 22.05.2011, 19 Uhr, vom Philharmonischen Chor Nürnberg und dem RSO Pilsen, Leitung KMD Gerhard Rilling, in der Meistersingerhalle Nürnberg aufgeführt.
Bei dem Werk handelt es sich um eine Auftragskomposition aus England [für das "Birmingham Musical Festival" 1885 (dort war Dvorak besonders durch sein "Stabat Mater" bereits bekannt geworden)], an der Dvorak von Mai bis Jahresende 1884 arbeitete, UA1885 in Pilsen.
Den deutschen Text habe ich im Internet nicht gefunden - wer diesen aber sonst wo findet, möge ihn bitte einstellen; Copyright verbietet den Text aus dem o. g. Buch zu kopieren.
Es handelt sich um eine dramatische Kantate, besser Chorballade, für STB, Chor und Orchester. Der Text stammt von Dvoraks Landsmann K. J. Erben (romantische Ballade "Die Brauthemden"), ergänzt vom Komponisten.
Kurze Inhaltsangabe:
Personen: Das Mädchen (S), der tote Bräutigam (T), der Erzähler (B) - nachdem es sich um eine Ballade handelt, haben die Protagonisten keine Namen.
1. Abschnitt: Das Mädchen (Vollwaise) hat 3 Jahre an ihren Brauthemden genäht - ihr Bräutigam ist nicht zurückgekehrt. Tief in der Nacht trägt sie sich, betend, dennoch mit dem Gedanken, aus dem Leben zu scheiden. Da betritt der "untote" Bräutigam ihr Zimmer und will sie, wegen ihrer Treue, sofort nächtens ins Brautgemach führen.
2. Abschnitt: Was dass Mädchen anfangs nicht weiß, das Brautgemach ist ein Grab auf dem heimatlichen Friedhof (dort mit ihr begraben löst sich das Schicksal des "Untoten"). Auf dem Weg dorthin, heulende Hunde und Käuzchenrufe begleiten sie, verlangt er ihren Rosenkranz, Kreuz und Gebetbuch, welche er wegwirft; dem Mädchen kommen Zweifel.
3. Abschnitt: Das Mädchen verweigert ihrem "untoten" Bräutigam den gemeinsamen Weg auf den Friedhof und bleibt am Friedhofsgitter stehen. Sie überredet ihn, als Erster über das Gitter zu springen, er zerfetzt dort ihre Brauthemden. Das nutzt sie, sich in ein nahe stehendes (Leichen-) Haus zu flüchten und einzusperren. Seine mehrmaligen Rückkehr-Aufforderungen (eine Leiche erhebt sich jeweils!) erwidert sie mit Gebet. Der anbrechende Tag ("das Krähen des Hahnes") beendet den Spuk; die Kirchgänger finden ein offenes Grab, zerfetzte Brauthemden und ein verstörtes Mädchen vor.
Die religiöse Symbolik ist nicht zu übersehen, ebenso wenig der Kampf zwischen "Gut und Böse" (Faust). Zu dieser Zeit war die Vertonung von Texten, die sich auf Volkssagen bezogen, sehr "IN" (Wagner, Mahler usw.) und auch "Geschichten", deren Inhalt uns heute zumindest seltsam berühren, wie auch diese*, waren gefragt (z. B. Opernlibretti für Pfitzner).
Dvorak war ein tschechischer Komponist, der stets auf die "Volksmusik" seiner Heimat zurück griff und in seine Werke einbezog (auch "Aus der Neuen Welt"); so auch hier, ohne Beachtung, dass der Auftrag aus England kam, er sich also dortigem Geschmack nicht anpasste.
Dies ist auch der Grund, warum dieses Werk (fern aller textlichen?*) - mit viel Chormusik (in 13 von 18 Nummern.) - hörenswert ist, da es Dvoraks musikalische Herkunft hören lässt und die Musiksprache, anders als Tonmalerei, nicht grundsätzlich textgebunden sein muss (der Ausdruck von Angst, Freude, Entsetzen, usw. ist zwar werkspezifisch, aber dennoch allgemein).
Das Werk gliedert sich in Introduktion und 18 Nummern (nicht mit Nummernangaben in Opern zu verwechseln), die unterschiedlich auf Chor (auch mit Solisten) und Solisten (auch Duette) verteilt sind und motivisch eng verflochten sind (z. B. "Nr. 1 mit Nr. 18, Nr. 2 mit Nr. 17, Nr. 3 mit Nr. 13 - 16" usw.). Dabei sind der Chor und der Erzähler meist für den Fortgang der Erzählung zuständig, während die Protagonisten das "seelische" Innenleben übernehmen.
Textwiederholungen (Chor zu Solostellen oder umgekehrt) werden zur Verstärkung verwendet.
Dvorak lebt in einer Zeit, in der die musikalische Technik der "Motive und Leitmotive" (schon Berlioz, dann Wagner, Liszt usw.) gängig war. Auch er verwendet zur musikalischen Gestaltung und Verdeutlichung neben Tonmalerei insbesondere Leitmotive und Motive* die, im Unterschied zu Leitmotiven, Veränderungen/Variationen unterworfen, abgeleitet werden.
Das 8-taktige Haupt/Leitmotiv (a-moll) ist sofort in den ersten 8 Takten der Introduktion zu hören und wird in dem Werk 35 x wiederholt, immer unverändert, was als gleich bleibender Faktor das Werk durchzieht und zusammen hält (bei kleinen Veränderungen in der Taktart oder Ableitungen). Es gibt weitere 8 bedeutsame Motive*, die wichtigen Gefühlszuständen der Personen oder Handlungsabläufen zugeordnet sind.
Es gibt eine Vielzahl tonmalerische Passagen, z. B.: "Nr. 2, Takt 91 - 96 (und vereinzelt weiteren Stellen): Die Bewegung des Spinnens, dargestellt durch 32tel Figur in Flöte incl. Triller, Klarinette und Solo-Sopran" oder "Nr. 15, Takt 107-128: Höllische Gestalten: Aus großen Intervallen bestehendes Motiv von Flöte, Picollo und Oboe vorgetragen" usw.
Das Werk weist kaum homophon geführte Passagen auf (auch wenn nur rhythmische Verschiebungen erfolgen), ist also polyphon strukturiert. Häufig trifft man auf Passagen ohne Vorzeichen und auch eine schwebende Modulation ist oftmals anzutreffen.
"Die wichtigsten Funktionen des Orchesters sind seine Differenzierung zwischen musikalischer Verdeutlichung der verschiedenen Stimmungen im Verlauf der Handlung und konstanter epischer Grundhaltung, sowie die Veranschaulichung einzelner Geschehnisse durch bildhaft wirkenden Orchestereinsatz….Während die dramatisierende Orchesterbehandlung durch eine Vielzahl verschiedener signifikanter Bewegungsfiguren sowie auffällige rhythmische - und harmonische Wendungen - charakterisiert ist, zeichnet sich die epische Ausdrucksweise durch die Wiederkehr einzelner, für die gesamte Komposition prägender Motive und die häufige Parallelführung zu deklamatorisch gestalteten Vokalpassagen aus."
Viele Grüße
zweiterbass