Liebe Prokofjew-Freunde und -Zweifler,
damit die Toccata keinen falschen Eindruck über Prokofjew hinterlässt, möchte ich dies Stück ergänzen. Ich ziehe die Klavierfassung weit vor. Prokofjew hat sie erstmals 1937 aufgeführt.
Letztes Jahr habe ich zu diesen Stücken eine sehr schöne Einführung in Bensheim gehört. Dort wurden vier Stücke näher erläutert, und so gut ich kann, will ich es wiederholen.
Die Straße erwacht: Im frühen Morgenlicht scheint alles Unheil vergessen, das auf dieser Stadt liegt. Ein neuer Anfang scheint möglich.
Julia als junges Mädchen: Julia spielt mit ihren Freundinnen, unbeschwert wie ein Kind, und doch nimmt das Treiben eine Lustigkeit an, die über sich selbst hinausweist. Nachdenkliche Stimmen und unbekannte neue Gefühle mischen sich ein, die Julia noch nicht fassen kann. Gern möchte sie in das frühere Spielen zurückfinden, aber es hat auf einmal einen ganz neuen Charakter bekommen. Schöner kann der Moment nicht beschrieben werden, der unmittelbar der ersten Liebe vorausgeht.
Mercurio: Auf der anderen Seite Mercurio, der Jugendfreund von Romeo. Mit viel Faxen treibt er sich durch die Stadt, immer aufgelegt zu Jugendstreichen, aber auch zu ersten Gesprächen über das Leben.
Montagues und Capulets: Schwärzer kann die Übermacht der Tradition nicht gemalt werden. Mit steifen Mienen und voller Verachtung ziehen die Granden der verfeindeten Familien durch die Stadt, ohne zu grüßen. Einen Augenblick sind die traurigen Kinderaugen zu sehen, die im Zug folgen müssen. Selbst ein geheimer und verborgenere Wunsch auszubrechen wird sofort unterbunden.
(Heinrich Johann Fuessli: Balkonszene aus Romeo und Julia, 1815)
Viele Grüße,
Walter