Ravel, das Klaviertrio a-moll

  • Hallo,


    ich habe gerade auf Arte einen frz. Film gesehen („Ein Herz im Winter“ – blöder Titel, aber schöner Film): Es ging um einen Geigenbauer, der sich in eine Violinistin verliebt, seine Gefühle aber nicht zeigen kann etc.


    Diese Violinistin übte nun u.a. das Klaviertrio a-moll von Ravel ein. Mir gefielen diese kurzen Auszüge, weshalb ich Euch nach Empfehlungen für dieses Werk fragen möchte. Es existiert eine Aufnahme mit den Brüdern Capucon – vielleicht kennt sie jemand?


    Gute Nacht & adios :)
    Cosima


    P.S.: Ich füge noch das Cover der Capucon-Aufnahme ein:


  • Hallo Cosima,


    mit der Aufnahme mit den Capucons und dem hier phänomenalen Frank Braley machst Du ganz bestimmt eines: Nichts falsch! :]


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Cosima,


    das Klaviertrio von Ravel ist ein supertolles Stück. Ich besitze davon nur 1 Aufnahme, und zwar diese hier mit dem Trio Italiano



    Sie hat mir auf Anhieb super gefallen, so daß ich garnicht das Bedürfnis hatte, mir eine weitere Aufnahme zuzulegen =)


    Liebe Grüße
    Heinz

  • Hallo Cosima,


    dieser Film hat mir auch sehr gefallen. Interessant, wie souverän Du ihn in wenigen Worten zusammenfasst. Mich hat er sehr berührt und ich fand ein Problem dargestellt, das anzusprechen großen Mut bedeutet, ist es doch etwas, das sehr mit Scham verbunden ist. Vielleicht sehen Männer und Frauen diesen Film verschieden (und bei der „Klavierspielerin“ nach Jelinek mit Isabelle Huppert wird es genau umgekehrt sein).


    Und ich kenne kaum einen Film, in dem die Musik so gut integriert ist. Als ich anschließend die Ravel-Stücke „pur“ hörte, war ich fast ein wenig enttäuscht. Der Film hat auch meine Sicht auf Ravel geändert.


    Als Interpret sollte auch Heifetz erwähnt werden. Ravel sollte in keiner Heifetz-Sammlung fehlen. Die CD, die ich mir vor Jahren gekauft habe, finde ich bei jpc oder Amazon nicht, aber eine andere, auf der dies Stück ebenfalls aufgeführt ist:



    Viele Grüße,


    Walter

  • Zitat

    Original von Walter.T
    Hallo Cosima,


    dieser Film hat mir auch sehr gefallen. Interessant, wie souverän Du ihn in wenigen Worten zusammenfasst. Mich hat er sehr berührt und ich fand ein Problem dargestellt, das anzusprechen großen Mut bedeutet, ist es doch etwas, das sehr mit Scham verbunden ist. Vielleicht sehen Männer und Frauen diesen Film verschieden (und bei der „Klavierspielerin“ nach Jelinek mit Isabelle Huppert wird es genau umgekehrt sein).


    Hallo Walter, hallo allerseits,


    merkwürdig, dass Du das Wörtchen „souverän“ gebrauchst. In der Tat habe ich den Film mit einer gewissen inneren Distanz angeschaut, vielleicht weil ich mich nicht so sehr berühren lassen wollte. Ich kann diese Scham (ich nehme an, dass Du die Scham der Violinistin meinst, die allen Stolz fallen ließ und sich quasi „anbiederte“) nämlich sehr gut nachempfinden, weil ich selber einmal in ähnlicher Situation war: Man spürt mit jeder Faser seines Körpers, dass die Gefühle beim Gegenüber hinter haushohen Mauern brodeln, aber die distanzierte, „gefühlskalte“ Fassade – errichtet zum Selbstschutz – wird niemals fallengelassen. Anziehung und Abstoßung sind die Folge, und dieses Schwanken zwischen den Polen und diese Unzugänglichkeit können zermürben und schließlich zu eigenen, ungewollten Gefühlsausbrüchen führen.


    Bei der „Klavierspielerin“ konnte ich diese Schamgefühle ebenso nachfühlen, jedoch mit anderen Konsequenzen: Die brutale, selbstzerstörerische und abstoßende Art und Weise, wie die Protagonistin sich aus ihrer Abhängigkeit zu befreien versucht, ruft ein wenig die Abscheu hervor, die auch ihren Klavierschüler später zu diversen Erniedrigungen hinreißen lässt.


    Ja, das ist schon eine seltsame Sache mit den Gefühlen… und um nicht ganz off-topic zu geraten: Mir schrieb einmal ein Mann, dass es verschiedene Perspektiven gäbe, aus denen man Musik betrachten könne – eine emotionale und eine rationale. Mir ist bis heute nicht ganz klar, wie man Musik rational wirklich erfassen kann.


    Und wieder ganz zurück zum Thema: Ich habe gestern Abend bereits die Heifetz-Rubinstein-Aufnahme bestellt – welch Zufall! Weiterhin ist die Capucon-CD geordert. Sobald ich beide gehört habe, werde ich mich wieder zum Thema äußern.


    Zunächst einmal herzlichen Dank für die Hinweise und Anregungen.


    Gruß von
    Cosima (die jetzt ein Sonnenbad nimmt 8))

  • Hallo Cosima,


    dieser kleine Gedankenaustausch über das „Herz im Winter“ hat es in sich. Vorweg muss ich sagen, dass ich den Film nicht kürzlich, sondern schon vor Jahren gesehen habe, mich also nicht mehr an Einzelheiten erinnern kann. Aber mit den Scham-Gefühlen meinte ich den Geigenbauer und seine Unfähigkeit, seine Gefühle zu zeigen, ein Verhalten, das sich kein Mann gern eingesteht. Wenn ich Deine Antwort lese, wird die Scham noch stärker, wie solches Verhalten die geliebte Frau dahin bringen kann, so unglücklich zu werden.


    Es geht auch um die Frage, zwischen Arbeit und Liebe ein richtiges Verhältnis zu finden. Der Geigenbauer scheint Angst zu haben, dass eine Frau in seine geliebte Arbeitswelt einbricht und sie durcheinanderbringt.


    Damit sind wir mitten in Ravels Trio. Er hat es 1914 bei einem Sommeraufenthalt gemeinsam mit seiner Mutter in Saint-Jean-de-Luz geschrieben, einem Badeort in der Nähe des baskischen Ciboure, seinem Geburtsort und der Heimat seiner Mutter. In der rororo-Monographie von Michael Stegemann ist davon ein Foto zu sehen.


    Anschließend zog er in den Krieg, und als er zurück kam, war seine Mutter gestorben. Das Trio bildet also genau die Mitte von Ravels Werk und Leben. Er selbst hat es als „opus postumum“ bezeichnet.


    Und er hat gesagt: „Mein Trio ist fertig; es fehlen mir nur noch die Themen!“ Das Gefühl des Fehlens empfinde ich als die innerste Aussage dieses Trios. Vielleicht kann es etwas verstehen helfen, wie ein solches Verhalten wie das des Geigenbauers möglich ist.


    Übrigens kann ich sehr empfehlen, von Lermontov die Novelle „Ein Held unserer Zeit“ zu lesen, dem die Geschichte dieses Films entnommen wurde.


    Viele Grüße,
    Walter

  • Hallo Walter,


    seltsam: Ich ahnte, dass Du vorrangig den Geigenbauer meintest, als Du das Thema „Scham“ ansprachst. So unterschiedlich sind die Perspektiven auf diesen Film.


    Obgleich das Thema wirklich interessant ist, erspare ich den Lesern, die hier eine Besprechung des Klaviertrios erwarten, weitere Einzelheiten – sonst schaut Alfred am Ende noch so aus: :angry:


    Gruß, Cosima

  • Inzwischen war die Post da – ich habe das Werk (mit den Capucons) gehört: Es ist in der Tat phantastisch. Vertonte Emotion, von Überschwänglichkeit, tief empfundener Bedrohung bis hin zu herzzerreißendem Schmerz. Warum nur findet dieses Werk so wenig Anklang?


    Soweit ich richtig las, erntete diese Aufnahme mit den Capucon-Brüdern und Frank Braley am Klavier im Jahr 2002 den „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“. Ich bin sicher zu Recht, denn so glutvoll, aber auch herausfordernd, provozierend, dann versunken und der Verzweiflung nahe muss es klingen. Einfach klasse!


    Gruß, Cosima

  • Hallo,


    auch ich zähle mich zu den glühenden Verehrern dieses Klaviertrios. Ich besitze es ebenfalls in der Aufnahme mit den Capucons und Frank Braley. Eine schöne Einspielung, dennoch hörte ich es im Konzert unlängst noch schöner, nämlich mit dem schwedischen Kungsbacka Trio. Eine Sternstunde der Kammermusik! Ich hoffe, dass dieses Trio das Werk demnächst einmal einspielen wird. Bislang gibt es eine CD des Ensembles bei Naxos mit Aufnahmen Schuberts.


    Die Passcaille gehört für mich zu den anrührendsten Sätzen der kammermusikalischen Literatur. Eine Melodie scheinbar ohne Anfang und Ende, wie aus dem Nichts kommend. Umwerfend, wie die beiden Streicher des Kungsbacka Trios in diesem Satz (so nach ca. 6 Min.) einen Klang zauberten, der nach kleinem Streichorchester klang, während die Klaviernoten wie von Ferne herüberwehten.


    Umrahmt ist die Passacaille von drei rhythmisch und dynamisch ambitionierten Sätzen, die besonders dem Cellisten so einiges abzuverlangen scheinen. Ganz erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit bei gleichzeitig höchster Präzision das Trio durch diese Sätze gerauscht ist!


    LG
    B.

  • Einer meiner Lieblingskomponisten und mein Lieblings-Klaviertrio. Leidenschaft, Poesie, Exotik, virtuoses Feuerwerk - dieses Stück hat einfach alles. An dem wundervollen Thema der Passacaille kann ich mich nicht satt hören.


    Wer könnte dies besser spielen als das französischste aller Trios - die Wanderer! Sie treffen einfach den genau richtigen Tonfall und überzeugen durch Homogenität und Klangsinn, feinste dynamische Abstufungen und, wo es sein muß, wirklich packenden Zugriff. Den trockenen Gesamtklang muß man allerdings mögen.



    Ich glaube, ich habe diese Musik auch schon mal in einem anderen französischen Spielfilm gehört - welcher war es nur ...?


    Weiterer Vorteil dieser Aufnahme: die Koppelung mit dem ebenfalls höchst lohnenden, aber kaum bekannten Trio von Ernest Chausson!


    A bientot,


    Cassiodor

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  • Ravel - Klaviertrio
    Beaux Arts Trio Trio Recital 1960
    Hännsler


    Wie hier zu lesen ist, handelt es sich um einen Livemitschnitt von den Schwetzinger Festspielen 1960, bei dem das Trio in seiner Erstbesetzung zu hören ist – mit dem Geiger Daniel Guilet, der 1968 von Isidore Cohen abgelöst wurde. Guilet, 1899 in Russland geboren, hatte in Paris bei Enescu studiert und zusammen mit Maurice Ravel konzertiert. Bei ihm höre ich jenes eindrückliche Impressionistenspiel, wie es leider später durch Dramatisierung, Romatisierung und Vibratoschwelgerei verloren gegangen ist.
    Presslers Klavierton ist, wie immer, von jener perlenden Qualität, die sich leider nicht mit den Streichinstrumenten mischt und daher für mich immer etwas wie ein Fremdkörper wirkt. Hier aber stört mich es nicht, weil der Interpretationsansatz sowieso durch durchhörbare Polyphonie statt Gesamtklang geprägt ist.


    Fazit des ersten Höreindrucks per live-stream: Eine selten gelungene Aufnahme und unbedingt höreswert! Mir scheint, dieser Ravel könnte eine der Perlen der Wiederveröffentlichungen des Jahres 2012 werden. Auch der Klang scheint wunderbar warm und plastisch zu sein.
    :jubel:


    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Ich glaube, ich habe diese Musik auch schon mal in einem anderen französischen Spielfilm gehört - welcher war es nur ...?


    Ein Herz im Winter von Claude Sautet:


    Anders als eingangs geschrieben, geht es gerade nicht um "einen Geigenbauer, der sich in eine Violinistin verliebt, seine Gefühle aber nicht zeigen kann", sondern darum, dass der Geigenbauer bloß vermeintlich in diese Violonistin verliebt ist, gleich nämlich wie ein zweiter Mann und sein Widersacher; aber dann herauskommt, dass er eigentlich in diesen Widersacher verliebt ist: Eine klassische Dreiecksbezeihung, aber mit der Überraschung, dass es diesmal nicht um die Frau geht.

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Eine selten gelungene Aufnahme und unbedingt hörenswert! Mir scheint, dieser Ravel könnte eine der Perlen der Wiederveröffentlichungen des Jahres 2012 werden. Auch der Klang scheint wunderbar warm und plastisch zu sein.

    Lieber a.b., schönen Dank für diese Einschätzung, auf diese Veröffentlichung hatte ich schon ein Auge geworfen, jetzt mag sie kommen. Mit den Beaux Arts habe ich bei Studioaufnahmen immer so meine Probleme, zu trockener Klang, Zusammenspiel etwas hölzern - im Konzert sollen sie ja deutlich lebendiger gewesen sein. Und dann noch mit dem Ravel Trio: ich freu mich drauf.

  • Nachdem ich das Klaviertrio gestern wieder einmal gehört habe, suchte ich nach einem Thread dazu und stellte zu meiner Freude fest, dass ich nicht der einzige bin, der dieses Werk durch Claude Sautets großartigen Film "Un cœur en hiver" kennengelernt hat, der mich heute noch genauso berührt wie beim ersten Anschauen damals im Kino. Ravels Trio gehört für mich zu den ganz großen Vertretern dieser von mir ohnehin heißgeliebten Kunstform. Und auch wenn etwa die Einspielung des Trio Wanderer ganz vorzüglich ist, ist nach wie vor die Aufnahme, die auch im Film zu hören ist, meine liebste: es spielen Jean-Jacques Kantorow, Philippe Muller und Jaques Rouvier (eine sicherlich ebenso "französische" Formation wie das Trio Wanderer, um eine Bemerkung von Cassiodor aufzugreifen).


    Auch die anderen Kompositionen Ravels, die auf der CD und im Film erklingen, sind Meisterwerke: die Violinsonate und die Cellosonate.



    P.S. Für Emmanuelle Béart habe ich damals geschwärmt - was für eine wunderschöne Frau! :love:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido
    da haben wir wohl ein Stück gleicher Prägung gemeinsam. Den Film habe ich aber nie wieder gesehen. Die CD gehört schon. :hello:

  • Und auch wenn etwa die Einspielung des Trio Wanderer ganz vorzüglich ist, ist nach wie vor die Aufnahme, die auch im Film zu hören ist, meine liebste: es spielen Jean-Jacques Kantorow, Philippe Muller und Jaques Rouvier

    Lieber Bertarido,


    ich liebe das Ravel-Trio - das ist magische Musik - und genau diese Aufnahme ist auch meine Lieblingsaufnahme! :) Viel besser als die der Capucons! Nur den Film kenne ich leider gar nicht :untertauch: . Da habe ich wohl was verpaßt!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich kenne den Film auch nicht, wohl aber dieses fantastische Klaviertrio. Ich hab es mit Wanderer, das reicht mir. Dazu kann ich auch den Chausson empfehlen.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP