Stephen Heller - Meister des Klavierstücks

  • Nur wenige Klassikhörer dürften, den Komponisten Stephen Heller (sein ursprünglicher Vorname war Jakob) kennen.
    Das ist schade, denn seine 150 erhaltenen Klavierkompositionen, 4 Sonaten, Etüden, Charakterstücke, Klaviervariationen und -Paraphrasen sind durchaus hörenswert.


    Am 13. Mai 1813 in Pest geboren, wurde sein musikalisches Talent schon früh offenbar. So kam es daß das "Wunderkind durch Protoktion des Grafen Brunswick schon mit elf Jahren in seiner Heimatstadt konzertieren konnte. Auch sein Vater. Ignaz Heller förderte die Begabung des Sohnes und sandte ihn nach Wien, wo Heller bei Carl Czerny sein Klavierspiel vervollkommnete. Czerny Honorare erwiesen sich aber allmählich als nicht leistbar, sodaß Heller seine Studien bei Anton Halm (1789-1872) fortsetzte.


    Nach dreijährigen Studien finanziert Hellers Vater eine große Tournee seines Sohnes, der vorerst recht erfolgreich verlief, uns bei der er auch Chopin persönlich kennenlernte. Auf einer der Stationen der Tournee - nämlich in Augsburg - erkrante Heller jedoch - und brach das Unternehmen ab. Die nächsten 8 Jahre verblieb er in Augsburg, initierte einen Briefwechsel mit Robert Schuman, welcher Heller sehr gewogen war und diesen zum ständigen Augsburger Korrespondenten der Neuen Musikalischen Zeitung machte. Der Briefwechsel sit überaus umfangreich und flaut erst ab, als Heller nach Paris ging. Persönlich kenengelernt hab sich die beiden jedoch nie.


    In die Augsburger Zeit fällt eine völlige Neuorientierung Hellers - er begann zu komponieren.
    Die Virtuosenkarriere hatte er- wie er glaubte für immer an den Nagel gehängt, er komponiert, schrieb Artikel über Musik (vorzugsweise unter dem Pseudonym Jeanquirit - seinem Davidsbündler-Namen). Robert Schumann hingegen lobte in seiner Eigenschaft als Musikkritiker die Werke des Komponisten Stephen Heller.....


    Als sich Kalkbrenner 1838 für kurze Zeit in Augsburg aufhielt, ermunterte er Heller sich ihm anzuschliessen und nach Paris mitzukommen, wo er ihn als Schüler weiter unterrichtete.


    Dar Anfang in Paris war hart, obwohl Heller mit einer Partitur der Daviidsbündlertänze reiste, welche er im Auftrag Schumanns Chopin, dem sie gewidmet waren übergeben sollte.


    Heller musste sich einige Zeit mit Klavierstunden und Kritiken, sowie Klavierarrangements von Opernmelodien sein Geld verdienen, bevor er Eingang in die Pariser Salons fand und allmählich auch europaweit zu Berühmtheit gelangte. In Paris hatte er Kontakte zu Berlioz, mit dem er sich befreundete, ebenso mit Franz Liszt und Frederic Chopin.....
    Lisst nahm Werke von Heller in sein Programm auf, ebenso Clara Schumann und der damals hochberühmte Anton Rubinstein
    Im Alter jedoch verschloß sich der sensible und angeblich ein wenig schwierige Heller den neuesten Modeströmungen, ward melancholisch, und zog sich weitgehend zurück.
    Lediglich am Konservatorium und als Juror trat er noch gelegentlich in Erscheinung.


    Stephen Heller starb am 14. Jänner 1888 in Paris.



    Nun wir es Zeit sich mit seine Kompositionen zu befassen. Glücklicherweise ist in den kletzten Jahren einiges erschienen und es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser Trend anhält.


    Das was ich kenne ist durchaus stilistisch eigenständig, wenngleich ein wenig Schumann und Mendelssohn durchschimmert.
    Wer hier skeptisch ist, der mag sich überzeugen, daß es sich hier um erste Wahl handelt.



    Nicht ganz so prägnant sind seine Etüden, welche er - hierin an Czerny erinnernd - vorzugsweise zu Unterrichtszwecken verfasste...
    Aber irgendwo in der Literetur wird angedeutet, daß es gerade diese Schulstücke waren, die ihm den Zugang in die "besseren" Pariser Kreise
    erleichterten (?)
    Brilliant Classics hat jedenfalls die Etüden mit Jan Vermeulen am Klavier eingespielt und bietet sie in einer 2-CD Box um ca 8 Euro an...




    Vielleicht will ja jemand seine subjektiven Eindrücke zu dem einen oder anderen Stück - die meisten haben Namen - hier beschreiben ?
    Ich jedenfalls war von Heller begeistert (wenn das überhaupt das richtige Wort für derart intime Werke ist) vom ersten Moment, da ich
    mit seiner Musik bekannt wurde. Es war jedoch nicht möglich über diesen Komponisten zu schreiben - es gab kaum verfügbare Aufnahmen und ich hatte noch keinen Zugang zu biographischen Quellen. - Was nützt die interessanteste Biographie eines Komponisten, wenn man seine Musik nicht hören kann ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred!


    Vielen Dank für die Einführung. Heller hat definitiv einen eigenen Thread verdient. Ich hatte zunächst nur über ihn gelesen und war dann neugierig geworden auf seine Musik.


    Noten gab es aber nicht viele auf dem Markt. Seine Etüden op. 45 – 47 waren leicht erhältlich über die Edition Peters. Darüber hinaus fand ich nur eine Transkription über Schuberts Forelle (op. 33) und zwei Bände mit Preludes (op. 81 und 119). Ein paar weitere Werke bekam ich noch über die Musikhochschule Köln (obwohl die es Nichtmusikstudenten ganz schön schwer gemacht haben!). Heute ist über imslp freilich fast alles zu bekommen.


    Mir haben die Stücke viele schöne Stunden beschert, auch die Etüden, die sehr melodisch und vielgestaltig sind. Sie sind nicht so konzentriert wie die Czernys, legen auch viel Wert auf Poesie. Man höre noch einmal so feinsinnige Stücke wie die Nummern 4 – 6, 12 oder 20 – 22 aus op. 45.


    Meine Lieblings-CDs sind hier noch gar nicht genannt, beide von Jean Martin auf Marco Polo erschienen, mit den Blumen-, Frucht- und Dornenstücken op. 82 (Nuits blanches) und den Préludes pour M`alle Lili op. 119 sowie den Préludes op. 81 und 150.




    Die 32 Präludien für Lili sind wunderbare kleine Improvisationen. Ich wüsste gar nicht welche herausgreifen. In den langsameren Stücken zeigt sich die für mich typisch Hellersche Wärme und Innigkeit. Aus der Sammlung op. 82 möchte ich Nr. 14 besonders empfehlen, eines meiner liebsten Klavierstücke überhaupt. Ein melancholischer Gesang, eine Klage, mit Phasen der Aufbäumung und des Trostes. Das ist Romantik pur.


    Die zweite CD mit den beiden Sammlungen von Préludes müsste ich noch einmal hören, um mehr zu ihnen sagen zu können. Auf jeden Fall schöne Vortragsstücke, sehr inspiriert.


    Eine weitere CD vom Label Accord, eingespielt von der Pianisten Catherine Joly, scheint vergriffen: Darauf hört man u.a. die Forellen-Transkription op. 33 - reizvoll, viel freier in der Herangehensweise als Liszt -, 33 (!) Variationen über ein Thema von Beethoven op. 130 (das gleiche wie in den 32 Variationen in c-Moll WoO 80 vom Meister selbst, mit Anklängen auch an dessen fünfte und neunte Sinfonie, die Konzert-Etüde „La Chasse“ op. 29 (sein Beitrag zur Methode von Moscheles und Fetis), Freischütz-Etüden, seine wohl auch recht berühmt gewordene Tarantelle op. 85 Nr. 2.


    Eine weitere CD mit Spätwerken (Voyage autour de ma chambre op. 140, Variationen über Schumanns Warum op. 142 und anderen Werken) finde ich leider ebenfalls nicht mehr. Sie war bei cpo erschienen. Der Pianist war Andreas Meyer-Hermann.


    Wem Dir die CD mit Marc Pantillon gefällt, dann musst Du unbedingt auch bei der folgenden CD mit Daniel Blumenthal zugreifen: weitere Spaziergänge eines Einsamen und Wanderstunden.



    Gruß,


    Rainer

  • Meine Lieblings-CDs sind hier noch gar nicht genannt, beide von Jean Martin auf Marco Polo erschienen, mit den Blumen-, Frucht- und Dornenstücken op. 82 (Nuits blanches) und den Préludes pour M`alle Lili op. 119 sowie den Préludes op. 81 und 150.

    Diese beiden CDs haben mich auch mit dem Werk Hellers zuerst in Berührung gebracht. Darauf sind lauter Miniaturen zu hören, die jedoch alle sehr schön sind und Lust auf mehr machen. Nichts davon klingt langweilig, gewöhnlich oder uninspiriert. Seitdem frage ich mich auch, warum man denn nicht viel mehr von ihm im Konzert oder auf CD zu hören bekommt. (Er ist immerhin schon in diesem Thread gebührend zur Erwähnung gekommen.)


    Das ist die von Rainer erwähnte CD mit Spätwerken, die wohl vergriffen ist, aber mir auch sehr gut gefällt. Bei amazon.com kann man immerhin einen Blick auf die Titel-Liste werfen.



  • Ich habe mir inzwischen auf Anraten von Rainer diese Aufnahme gekauft - und heute habe ich sie aus meinem Stapel bisher ungehörter CDs herausgefischt und gehört. ES ist in der Tat unverständlich, warum Heller nicht bekannter ist. Über 150 Opuszahlen hat er zustande gebracht - dagegen ist das Veröffentlichte nur ein Bruchteil.
    Wie schon gelegentlich geschrieben, sind diese Charakterstücke sehr eingängig, aber auch sehr individuell und abwechslungsreich. Ich würde Heller durchaus auf eine Stufe mit Schumann stellen ......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Angeregt durch einen Beitrag von PianoForte 29
    Leben und Sterben lassen - Die tägliche Gedenkminute



    habe ich diesen Thread wieder hervorgeholt.


    Soweit ich es bis jetzt überblicken kann, hat bis jetzt kein einziges Label eine Neuerscheinung von ihm anlässslich seines 200 Geburtstage herausgebracht, was schade ist, denn seine Musik ist mehr als nur historisch interessant, sie ist einfach melodiös.

    Seine Klavierstücke - und er schrieb fast ausschliesslich solche - erinnern mich irgendwie an Mendelssohns Lieder ohne Worte, vor allem seine "Spaziergänge eines Einsamen" (Promenades d'un Solitaire) - und die "Träuemereien eines einsamen Spaziergängers".
    Ich besitze derzeit 6 CDs dieses Komponisten, darunter auch eine bereits gestrichene von cpo (erschienen 1998)
    Die hier abgebildete Aufnahme ist 2006 erschienen und wurde bis dato bei uns nicht vorgestellt...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die meisten in den letzten Jahren hier vorgestellten und empfohlenen Aufnahmen sind leider aus den Katalogen verschwunden, soll heissen nicht mehr verfügbar. Selber schuld wer nicht gekauft hat. Im Falle der Marco Polo Aufnahmen kann man sich mit der Hoffnung trösten, sie könnten eines Tages auf dem Budgetlabel Naxos wieder aufgelegt werden.
    In dieser Situation ist jede Neuaufnahme willkommen. Das Wiener Klassiklabel Paladino hat 2015 in der Tat eine solche Aufnahme eingespielt umd heuer veröffentlicht. Die schon durch ihre Aufnahmen mit Klaviersonaten von Franz Anton Hoffmeister bekannte Pianistin Biliana Tzinlikova hat drei Klaviervariationen von Heller eingespielt und somit das Angebot wieder erweitert.......

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Diesmal ist es eine besonders interessante Neuerscheinung, auf welch ich hier aufmerksam machen möchte, nicht nur wegen ihrer klanglichen Schönheit, sondern wegen ihrer Thematik. Die CD enthält 2 Zyklen: "Kinderszenen" für das Pianoforte op 124 (10 Klavierstücke) aus den Jahren 1868/69 fordert natürlich gleich den Vergleich mit Schumanns gleichnamigem - 30 Jahre älteren - Zyklus heraus. Im Gegensatz zu diesem sind sie nicht betitelt. Der zweite Zyklus "Notenbuch für Klein und Groß" op 138 (25 melodische Stücke für Klavier) aus dem Jahre folgt indes dem Vorbild Schumanns und Mendelssohns und er vergibt Titel. welche sich teilweise mit jenen seiner Vorbilder überkreuzen. Heller wollte offenbar seine Bewunderung für die beiden Komponisten zum Ausdruck bringen. Die Wertschätzung war vermutlich gegenseitig, zumindest in Falle Robert Schumanns ist das schriftlich belegt.
    Der Untertietel "melodische Stücke" ist übrigens Programm......
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !