Die Legende um Schuberts 7. Sinfonie
„Gmunden-Gasteiner Sinfonie“ D 849
Unmittelbar verbunden mit dem merkwürdigen „Loch“ in der Zählung Schubertscher Sinfonien ist die Legende um seine 7. Sinfonie. Ist es eine Legende?
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Die Fakten
Durch zwei Briefe aus den Sommermonaten 1825 ist belegt, dass Schubert während dieser Zeit an einer Sinfonie arbeitete. Ottenwalt schreibt am 19. Juli 1825 an Josef von Spaun:
[…] Übrigens hat er [Schubert] in Gmunden an einer Symphonie gearbeitet, die im Winter in Wien aufgeführt werden soll […].
Schubert hielt sich nachweislich vom 4. Juni bis 15. Juli 1825 in Gmunden auf. Moritz von Schwind schrieb am 14. August 1825 an Franz Schubert:
[…] Wegen Deiner Sinfonie können wir uns gute Hoffnung machen. Der alte Hönig ist Dekan der juridischen Fakultät und wird als solcher eine Akademie geben. Dies kann wohl Gelegenheit geben, vielmehr es wird darauf gerechnet, daß sie aufgeführt wird […].
Hiernach hält sich Schubert für etwa drei Wochen in Bad Gastein auf.
Ein Manuskript einer Sinfonie, das die Jahreszahl 1825 oder obige Ortsangaben trägt, ist bis heute nicht bekannt geworden. Allerdings bezeugt ein undatierter Brief Schuberts, dass er der Gesellschaft der Musikfreunde eine Sinfonie gewidmet und per Brief übersandt hat. Der Brief ist in Schubert. Die Dokumente seines Lebens, gesammelt und erläutert von Otto Erich Deutsch auf S. 380 abgedruckt. Es lässt sich belegen, dass der Brief zwischen dem 9. und 12. Oktober 1826 bei der Gesellschaft der Musikfreund in Wien einging [vgl. K. F. Pohl Die Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und ihr Conservatorium, Wien 1871, S. 16]. Im gleichen Monat erhielt Schubert ein Bewilligungsschreiben der GdM über ein Honorar von 100 fl., jedoch ohne Bezugnahme auf das übersandte Werk. Die fehlende Bezugnahme ist nach Pohl absichtlich vermieden worden.
Ferdinand Schubert bot am 3. April 1835 in der Neuen Zeitschrift für Musik neben den mit Tonarten bezeichneten nummerierten Sinfonien Nrn. 1 bis 6 lediglich noch eine Sinfonie in c-moll an: seine letzte. Woher die Unkenntnis des Bruders über die „unvollendete“ Sinfonie Nr. 8 rührt, ist nicht bekannt. Jedenfalls führt auch Pater Leopold Puschl in der NZM 1839 eine im J. 1825 7te Symph: in C moll in Gastein componirt auf.
Die Sinfonie muss, sofern es sich nicht um eine Verwechslung mit der „Großen“ Sinfonie C-Dur D 944 handelt, als verschollen gelten.
Interessant ist, das Bruder Ferdinand die „Große“ eigenhändig abgeschrieben und 1839 als „Nr. 7“ an den Verlag Breitkopf & Härtel sendet. Daher rührt zumindest die verwirrende Nummerierung der Sinfonien nach der Sechsten. Bruder Ferdinand war die Existenz der „Unvollendeten“ nicht bekannt, weshalb die „Große“ als „letzte“ – somit Nr. 7 galt. Später wurde die „unvollendete“ zu Nummer 8.
Fazit
Für die Existenz der Gmunden-Gasteiner-Sinfonie [Nr. 7] spricht, dass Ferdinand Schubert, selbst Musiker und Komponist [also vom Fach] neben den einzeln aufgeführten Sinfonien Nrn. 1-6 [also neben der bekannten 4. Sinfonie in c-moll] eine weitere Sinfonie in c-moll als seine letzte, nach seinem Kenntnisstand also Nr. 7, nennt. Dies war 1835.
Dagegen spricht, dass Ferdinand Schubert 1839 die „Große“ [heute als Nr. 9 bezeichnete] Sinfonie in Abschrift als Nr. 7 dem Verlag Breitkopf & Härtel anbietet.
Die Schubertforschung geht also von der Existenz dieser Sinfonie aus, was die Einordnung der „Großen“ als Sinfonie Nr. 9 [seine letzte] rechtfertigt. Die Gmunden-Gasteiner muss also als verloren gegangen gelten. Möglich wäre jedoch, dass Schubert bereits 1825 in Gmunden und Gastein an der „Großen“ arbeitete, es nicht zu der erhofften Aufführung kam und er somit die Abschlussarbeiten auf 1828 verschob. Unter musikalischen Aspekten halte ich es jedoch für ausgeschlossen, dass die 9. vor der 8. komponiert resp. konzipiert wurde.
Es sei noch erwähnt, dass Deutsch unter D 729 ein Sinfonie-Fragment in E-Dur aus dem Jahre 1821 anführt. Es handelt sich um den Entwurf aller vier Sätze [I. Adagio – Allegro / II. Andante / III. Scherzo: Allegro / IV. Allegro giusto]. Es ist auch möglich, dass dieser Torso als Nr. 7 zu betrachten ist, gerade wegen der fragmentarischen Form. Es widerspricht allerdings der Tonartenangabe des Bruders und Puschls und der Annahme des fertig gestellten Werkes. An einer Vervollständigung des Torsos versuchten sich u.a. Felix Mendelssohn-Bartholdy und Johannes Brahms. Eine „vollständige“ Vervollständigung hat J. F. Barnett, der seine Rekonstruktion am 5. Mai 1883 im Londoner Crystal Palace aufführte, angefertigt. Weiterhin ist Felix Weingartner zu nennen. Seine Version wurde am 9. Dezember 1934 im Wiener Musikvereinssaal aufgeführt.
Die Sinfonie E-Dur gibt es in folgender Einspielung in der Rekonstruktion von Felix Weingartner:
RUNDFUNK-SINFONIE-ORCHESTER BERLIN • Heinz Rögner
[enthält auch die Sinfonie-Fragmente D 615, 708A, 936A in der Rekonstruktion von Peter Gülke, welcher die Staatskapelle Dresden selbst leitet]
Bezüglich der Verwirrungen um die Zählungen der "Unvollendeten" und der "Großen" könnte hier noch etwas ergänzt werden...
Bleibt abzuwarten, was das Entdecker-Jahr 2005 ans Tageslicht befördert…