"The Complete Mozart Edition" von Philips


  • Anläßlich des 200. Todestages von Wolfgang Amadeus Mozart brachte Philips 1991, vor nunmehr zwanzig Jahren, die "Complete Mozart Edition" auf 180 CDs heraus (Näheres findet man u. a. bei Wikipedia).



    Ich kenne einige Opern-Aufnahmen deraus, die meisten von Sir Colin Davis dirigiert, und bin wirklich größtenteils begeistert. Auch die sonstigen Rezensionen, die ich bisher darüber las, waren meist sehr gut. Es handelt sich augenscheinlich meist um Aufnahmen aus den 70er Jahren, oft mit britischen Orchestern und internationalem Sängeraufgebot.



    Die Symphonien scheinen von Sir Neville Marriner eingespielt worden zu sein.


    Was sagt ihr zur Mozart-Edition von Philips? Ist sie noch "up to date"? HIP findet sich ja augenscheinlich nicht darinnen. Speziell die Opern interessieren mich in dem Zusammenhang, daher habe ich es auch ins Opern-Forum gesetzt.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tolle Idee, lieber Daniel, dieser Edition - insbesondere den Opern - hier einen eigenen Thread zu widmen. Ich selbst schätze die Opern aus der Philips-Aufnahmereihe sehr, besaß sie alle als LPs weit bevor diese Gesamt-Edition zusammengestellt wurde und erinnere mich noch gut an die Zeit, als diese Einspielungen entstanden.


    Fangen wir mit der von Dir oben schon gezeigten "Entführung" an:




    Aufnahme: Nov. 1978, Walthamstow Assembly Hall, London
    Spieldauer: 127'18 min
    Dirigent: Colin Davis
    Academy of St. Martin-in-the-Fields
    John Alldis Choir
    Chorleitung: John Alldis
    Dialog-Regie: Michael Weckler


    Label: Philips CD: 422 538 2


    Bassa Selim: Curd Jürgens
    Belmonte: Stuart Burrows
    Blonde: Norma Burrowes
    Konstanze: Christiane Eda-Pierre
    Osmin: Robert Lloyd
    Pedrillo: Robert Tear


    Diese "Entführung" war seinerzeit schon beim Erscheinen eine kleine Sensation: Einmal war es gelungen, den damals profiliertesten deutschen Charakterschauspieler, bekannt aus internationalen Kinofilmen, Curd Jürgens, für die Sprechrolle des Selim Bassa zu verpflichten.


    Auch an Sängern hatte man das Beste aufgeboten, was damals für das Label Philips zur Verfügung stand. Die eigentliche Novität war aber: Zum ersten Mal wagte sich das kleine Orchester der Academy of St. Martin-in-the-Fields daran, eine Oper einzuspielen! Konzertmeisterin Iona Brown unterstützte den Dirigenten Sir Colin Davis nach Kräften - der Erfolg gab ihnen recht!
    Für den Chor zeichnete der vor kurzem verstorbene John Alldis verantwortlich, ein kleines, aber stimmgewaltiges Vollprofi-Ensemle. Die Dialoge werden von bekannten Schauspielern gesprochen, es gab einen Extra-Coach für die sprachliche Unterweisung der Sänger sowie einen Hörspiel-Regisseur für die deutschen Dialoge.


    Alles in allem eine Einspielung mit Referenz-Charakter, zumindest für mich!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Unbedingt empfehlenswert ist auch "La clemenza di Tito" unter Sir Colin Davis. Die Sängerriege ist exquisit: Stuart Burrows (der weit unterschätzte Mozart-Tenor seiner Zeit), Janet Baker, Yvonne Minton, Frederica von Stade, Lucia Popp, Robert Lloyd.



    In einer der letzten "Gramophone"-Ausgaben zählte diese Einspielung zu den (wenigen, ich glaube vier) empfehlenswerten des Werkes. Ich meine, außer der Davis-Einspieliung war diejenige unter Kertesz war die einzige empfohlene non-HIP-Aufnahme. Ich habe die Davis-Aufnahme und möchte sie nicht missen, wenngleich die Krone an René Jacobs geht.


    Die Aufnahme ist ein Muss für Liebhaber dieser Oper. Für den, der die Oper nur kennen lernen will, ist sie eine hervorragende Wahl - die Alternativen wären Kertesz, Gardiner und Jacobs. Stimmgourmets werden sich angesichts des Casts ohnehin die Finger lecken.

  • Danke für eure Beiträge, lieber Harald und Wolfram!


    Ich will dann auch eine Aufnahme kurz vorstellen, nämlich den "Don Giovanni" von 1973:



    Don Giovanni: Ingvar Wixell
    Leporello: Wladimiro Ganzarolli
    Donna Anna: Martina Arroyo
    Donna Elvira: Kiri Te Kanawa
    Zerlina: Mirella Freni
    Don Ottavio: Stuart Burrows
    Masetto: Richard Van Allen
    Komtur: Luigi Roni


    Chorus and Orchestra of the Royal Opera House, Covent Garden
    Sir Colin Davis


    Die Besetzung läßt eigentlich keine Wünsche offen. Der leider etwas im Schatten stehende Ganzarolli, in einigen dieser Philips-Aufnahmen mit an Bord, darf beinahe als bester Leporello überhaupt gelten. Gleichrangig zu nennen neben den legendären Aufnahmen von Furtwängler, Fricsay und Giulini.

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    – Luís de Camões

  • Allerdings wurde doch vermutlich keine dieser Opern, die ja teils fast 20 Jahre vorher aufgenommen wurden, im Hinblick auf die Mozart-Edition eingespielt, oder?
    Insofern ist der Titel vielleicht ein wenig irreführend.


    Ist eigentlich der Idomeneo unter Davis, ebenfalls hochgelobt (ich glaube, auch mit Burrows, der übrigens auch in der insgesamt sehr guten Decca Solti-Zauberflöte um 1970 den Tamino gibt), auch Bestandteil dieser Edition?
    Bei den Sinfonien sind meines Wissens die frühen Sinfonien unter Marriner ebenfalls schon aus den 1970ern, es kann sein, dass er die späten dann schon im Hinblick auf 1991 aufgenommen hat.


    Ich kann mich noch recht gut an das Mozart-Jahr '91 erinnern. Der CD-Boom der 1980er war noch ungebrochen, die komplette Edition wohl wider Erwarten der Produzenten ein großer Erfolg. Als Abiturient waren mir die Klötze allerdings damals zu teuer, zumal ich noch kein so großes Interesse an Oper auf CD hatte. (Gekauft habe ich seinerzeit, oder ein bißchen später, die Klavierkonzerte 19 und 23 mit Pollini/Böhm in einer kleinen Mozart-Jubiläums-Edition der DG und 17 und 18 mit Schiff/Vegh bei Decca.)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Ich habe mir damals die Streichquintette aus der Edition zugelegt - so viel Konkurrenz gab es seinerzeit nicht. Ferner die Klaviertrios, -quartett und das Klavierquintett, welche in einer Box günstig versammelt waren und auch noch die exotischen Werke für Glasharmonika beinhalteten. Ferner die Box mit den Kirchensonaten. Mit allen drei Boxen bin ich so mittelmäßig zufrieden. Umwerfend ist keine, vor allem nicht die - eigentlich - großartigen Streichquintette.

  • Ist eigentlich der Idomeneo unter Davis, ebenfalls hochgelobt (ich glaube, auch mit Burrows, der übrigens auch in der insgesamt sehr guten Decca Solti-Zauberflöte um 1970 den Tamino gibt), auch Bestandteil dieser Edition?


    Hallo Johannes,


    ja, der (spätere) "Idomeneo" (u. a. mit Araiza und Hendricks) unter Sir Colin Davis ist Teil der Edition und wurde wohl definitiv für dieselbe neu aufgenommen worden:



    1991 Sir Colin Davis; Chor & Orchester des Bayerischen Rundfunks
    Arbace: Uwe Heilmann
    Elettra: Roberta Alexander
    Gran Sacerdote: Werner Hollweg
    Idamante: Susanne Mentzer
    Idomeneo: Francisco Araiza
    Ilia: Barbara Hendricks
    Kreterin: Atsuko Suzuki, Gisela Uhlmann
    Oracolo: Harry Peeters
    Troyaner: Paul Hansen, Anton Rosner


    Es gibt nämlich noch eine frühere Aufnahme von 1968, die unter Kennern gar als noch gelungener gilt:


    1968 Sir Colin Davis; BBC Symphony Chorus & Orchestra
    Arbace: Robert Tear
    Elettra: Pauline Tinsley
    Gran Sacerdote: Donald Pilley
    Idamante: Ryland Davies
    Idomeneo: George Shirley
    Ilia: Margherita Rinaldi
    Kreterin: Leonie Heushilwood, Jeanette Hill, Valerie Hill
    Oracolo: Stafford Dean
    Troyaner: Gordon Farral, Elisabeth Harrison, Anson Rustin

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    – Luís de Camões

  • Der leider etwas im Schatten stehende Ganzarolli, in einigen dieser Philips-Aufnahmen mit an Bord, darf beinahe als bester Leporello überhaupt gelten. Gleichrangig zu nennen neben den legendären Aufnahmen von Furtwängler, Fricsay und Giulini.


    Fricsay hat einen legendären Don Giovanni eingespielt? Das wäre mir neu. Mir ist nur die Fricsay-Einspielung mit FiDi in der Titelrolle bekannt, aber die ist eigentlich nicht legendär (insbesondere wegen FiDi, so sehr ich seine Liedkunst verehre). Meinst Du eventuell etwas anderes?


    Bei "Don Giovanni" und "legendär" fallen mir eher Fritz Busch Glyndebourne 1936, Bruno Walter Met 1942, Mitropoulos Salzburger Festspiele 1956, Giulini (Studio) und Krips (Studio) ein ... aber Fricsay mit FiDi? Vielleicht hast Du die Zauberflöte gemeint?

  • Hallo Wolfram,


    ich meinte in der Tat diese Aufnahme.
    Eigentlich gibt es sogar noch eine auf deutsch, da singt ebenfalls Fischer-Dieskau die Titelrolle (daneben Walter Berry, Josef Greindl usw.). Ein S/W-Video zur Eröffnung der Deutschen Oper Berlin im Jahre 1961.
    Im "Don Giovanni"-Thread, meine ich, hatten wir vor etlicher Zeit schon die Problematik der Besetzung des Don mit Fi-Di. Es fanden sich viele Verächter, aber auch einige Befürworter. Ich zähle mich zu letzteren und meine, seine Art der Darstellung ist durchaus legitim. Freilich kaum zu vergleichen mit Siepi und Co.! Missen möchte ich aber keinen.
    Fricsays Mozart, auch andere Opern, speziell die "Entführung" (aber die von 1949), gefallen mir generell ausnehmend gut.


    LG
    :hello:

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    – Luís de Camões