Aus gegebenen Anlass: Webers "Der Freischütz" im Kino

  • Liebe Forianer,


    zu den Feiertagen kommt Webers "Freischütz" in die deutschen Kinos (Premiere: 23. Dezember 2010).


    Viele Mitglieder dieses Forums kennen mich bereits als wahren Weber-Enthusiasten. Als solcher kann ich Leben und Werk des Komponisten immer und immer nur würdigen. Sein Leben in einer Serie zu dramatisieren gäbe viel mehr her als beispielsweise die Langweiler-Serie über Wagner von Palmer.


    Wenn ich drei Zeitreisen unternehmen dürfte, dann würde ich mich mit einen Experten genau zu dem Zeitpunkt in Webers Leben einfinden, wenn ihm noch gesundheitlich zu helfen gewesen wäre. Die anderen Reisen mit ähnlichem Ansinnen zu Friedrich Schiller und Vincenzo Bellini. Ich will sie nicht so schnell von der Erde verschwinden sehen.


    Der Egomane Wagner hätte dann plötzlich kein gutes Wort mehr für Weber den Rivalen übrig.


    In Deutschland spricht man vom jüngsten GMD, wenn er so um die 25 ist. Sein Lehrer erkannte Webers geniale Züge und verschaffte ihm eine Opern-Kapellmeisterstelle in Breslau. Damals war der Komponist gerade einmal 18 Jahre alt!!! Aber damit nicht genug: Er veränderte die Orchestersitzordnung (die noch heute gültig ist) und führte den bis zum heutigen Tag gültigen Probenbetrieb ein (Soloprobe mit den Sängern über die Ensembleproben, die Orchestersitzproben (mit Sängern, aber ohne Szene) bis zur Haupt- und Generalprobe). Damals stieß dieses Ansinnen noch auf große Ablehnung bei den tradierten Künstlern. Weber warf nach 2 Jahren das Handtuch...


    Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Webers facetten-reichen Leben. Zurück zum "Freischütz".


    Was ist am "Freischütz" eigentlich so Besonderes????


    Antwort: Alles !


    - In keiner deutschen Oper davor und danach stand das einfache Volk so im Mittelpunkt des Geschehens einer dramatischen Handlung.
    - Die Besucher konnten das erste wirkliche Musikdrama erleben, u.a. mit einer noch nie so dagewesenen Szene: der Wolfsschlucht.
    - Weber sorgte mit seinem düsteren-dämonischen Orchesterklang für eine revolutionäre Erweiterung der musikalischen Mittel.
    - Wo gab es einen solchen Premierenerfolg, wo gleich so viele Musiknummern zu wahren Gassenhauern wurden?


    Aber gerade die Volkstümlichkeit wurde dem "Freischütz" zum Verhängnis. Zunächst wurde und wird die Oper allzu gern in den Spiel-Opernbereich von Lortzing, Flotow und Nicolai geschoben. Aber da gehört sie nicht hin:


    DER FREISCHÜTZ IST EIN MUSIKDRAMA


    Die heutigen Regisseure tun sich schwer. Statt die Oper im zerlumpten und zerschundenen Deutschland nach dem 30jährigen Krieg oder nach den Befreiungskriegen spielen zu lassen, wird die Oper in ein Korsett überzeichneter biedermeierlich-deutschtümelnden Szenerien gezeigt. Auch Vicco von Bülows (Loriot) damalige Inszenierung war gerade deshalb ebenfalls eine Fehlinterpretation, weil Verniedlichung.


    Um so mehr freue ich mich auf den Film. Die Handlung spielt nach den deutschen Befreiungskriegen von der napoleonischen Herrschaft. Gedreht wurden vor den traumhaften Kulissen der Sächsischen Schweiz, der Moritzburg und dem Marcolini-Palais.


    Hunter's Bride - Der Freischütz
    Romantische Oper in drei Akten von Friedrich Kind
    Musik von Carl Maria von Weber
    Regie: Jens Neubert
    Chöre: Simon Halsey


    Ottokar - Franz Grundheber
    Kuno - Benno Schollum
    Agathe - Juliane Banse
    Ännchen - Regula Mühlemann
    Max - Michael König
    Kaspar - Michael Volle
    Kiliian - Olaf Bär
    Eremit - René Pape


    Rundfunkchor Berlin
    London Symphony Orchestra
    Musikalische Leitung: Daniel Harding


    Schweiz / BRD 2009
    141 Minuten




    Ich freue mich schon jetzt auf diesen Film von einem Werk, das zu den schönsten, bedeutendsten und wichtigsten deutschen Opern zählt. - Unbedingt hingehen!


    :hello: LT

  • Lieber Harald,


    das weiß ich, mein Ansinnen war es, die Bedeutung Webers und des "Freischütz´" erneut und immer wieder und dann noch einmal in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Der Kinofilm diente mir nur als Mittel zum Zweck.
    Ich wollte meinen Beitrag keinesfalls unter denen folgen lassen, der Webers "Freischütz" als romatische Märchenoper bezeichnet. Denn derjenige hat Weber und den "Freischütz" überhaupt nicht verstanden.



    :hello: LT

  • Zitat

    Zitat von Liebestraum.


    Der Freischütz ist ein Musikdrama.

    Da bin ich vollkommen mit einverstanden.
    Der Freischütz war die erste Oper, die ich vor 48 Jahren in meiner Sammlung hatte, noch vor der "Zauberflöte". Ich hatte damals eine Aufnahme, die ich noch heute zu den Referenzen zähle:



    Schon damals gefielen mir die dramtischen Züge dieser Oper, etwa die Arie des Max "Nein, länger trag ich nicht die Qualen....", die dämonischen Arien des Kaspar oder die alles überragende Wolfsschluchtszene, die ja an Dramatik nicht mehr zu überbieten ist.


    Und die Protagonisten der o.a. Aufnahme waren so richtig nach meinem Geschmack: Richard Holm war sicher eine ähnlich gute Besetzung für den Max wie wenige Jahre zuvor Rudolf Schock unter Joseph Keilberth, Irmgard Seefried eine ebenso seelenvolle Agathe wie Elisabeth Grümmer, Kurt Böhme der dämonischste Kaspar überhaupt, ihm kam nur Gottlob Frick nahe, schließlich war Rita Streich (Jocvhum) eine Idealbesetzung für das Ännchen, für mich besser als Lisa Otto.
    Aber eine Sprechrolle hat mich in diesem meinem ersten Freischütz besonders beeindruckt, die ein gerüttelt maß zur Dramatik in dieser Oper beigetragen hat: Ernst Ginsberg als Samiel, für mich unübertroffen.


    Auch für mich steht der "Freischütz" in der ersten Reihe der dramatischen Opern.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).