MASCAGNI, Pietro: L'AMICO FRITZ

  • Pietro Mascagni (1863-1945):


    L'AMICO FRITZ
    Commedia lirica in drei Akten
    Libretto von P. Suardon (Pseudonym für Nicolò Daspuro)
    nach Emile Erckmanns und Alexandre Chatrians Novelle „L'ami Fritz“ von 1864


    Uraufführung am 31. Oktober 1891 im Teatro Costanzi in Rom


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Fritz Kobus, reicher Landbesitzer, Wohltäter, eingefleischter Junggeselle (Tenor)
    Suzel, Tochter seines Gutsverwalters (Sopran)
    David, Rabbiner, Freund von Fritz (Bariton)
    Beppe, ein Zigeunerknabe (Mezzosopran)
    Hanezò und Federico, Freunde von Fritz (Baß, Tenor)
    Caterina, Fritz' Haushälterin (Sopran)
    Chor, Bauern und Landleute darstellend


    Das Geschehen ereignet sich in einer elsässischen Kleinstadt um das Jahr 1860.


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT
    Eßzimmer im Hause von Fritz Kobus.


    Nach der Ouvertüre, die Mascagni als „preludietto“ bezeichnet hat, öffnet sich der Vorhang und wir sehen Fritz Kobus, einen reichen jungen Mann und großzügigen Wohltäter, der aber behauptet, ein eingefleischter Junggeselle zu sein, mit seinem Freund David, Rabbiner der jüdischen Gemeinde und unverbesserlicher Ehestifter. Fritz hat Geburtstag und Freund David erzählt von einer soeben wieder angestifteten Heirat. Und wie schon so oft, erklärt sich Fritz einverstanden, eine großzügige Mitgift zu spenden. Allerdings möchte David diese Mitgift als Darlehen gewertet wissen, wofür er auch bürgen will.


    Während der Rabbiner die Bedingungen des Darlehens notiert, unterbricht ihn Fritz mit dem Hinweis, die Rückzahlung sei fällig, wenn „der genannte Herr Fritz zweihundert Jahre alt ist“. Zwei weitere Freunde, Hanezò und Federico, kommen hinzu, um Fritz' Ehrentag zu feiern. David ist inzwischen fertig und will nun unbedingt den Brautleuten die gute Nachricht überbringen, verspricht aber, zum Geburtstagsessen rechtzeitig zurück zu sein. Fritz fragt ihn spöttisch, warum er noch keine Frau für ihn, seinen Freund, gefunden habe. Der Rabbiner antwortet im Ton tiefster Überzeugung, er werde eines Tages Ehemann sein, das sei kein Witz, sondern seine feste Meinung. Dann geht er ab.


    Caterina, Haushälterin bei Fritz Kobus, meldet, daß Suzel, die Tochter des Gutsverwalters gekommen sei, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Suzel tritt an Caterina vorbei ins Zimmer und überreicht Fritz einen Strauß Veilchen. Sie bezeichnet die Blumen als „Hauch des April“ und fügt hinzu, daß die Veilchen, könnten sie reden, sich glücklich schätzen würden, ihr kurzes Leben zu Ehren eines Mannes geendigt zu haben, der die Armen liebe. Dann gibt sie noch zu verstehen, daß sie diese Ansicht teile. Fritz dankt ihr gerührt für die Liebenswürdigkeit und bittet sie, neben ihm Platz zu nehmen. Er erkundigt sich nach ihrem Vater und dem Hof und während des Gesprächs bewundern Hanezò und Federico Suzels Schönheit.


    David kommt zurück und Fritz bittet Suzel zu bleiben, bis man auf sein Wohl angestoßen habe. Der Rabbiner ist überrascht, Suzel zu sehen und meint, beiseite gesprochen: „Wie die kleine Schelmin groß und schön geworden ist.“


    Plötzlich ist von der Veranda her der Klang einer Geige zu hören: Beppe, der Zigeunerjunge, spielt eine recht gefühlvolle Melodie und Suzel kommen die Tränen, wofür sie bei den Anwesenden um Entschuldigung bittet: „Die Musik rührt mich so.“ Fritz geht an die Verandatür und zieht Beppe in das Zimmer; als David den Jungen auffordert, eines seiner Zigeunerlieder zu singen, stimmt Beppe ein Lied an, das eine einzige Lobeshymne auf den Wohltäter Fritz Kobus ist: Er sorgt für die Waisen der ganzen Gegend und er hat ihn, Beppe, aus einem Schneesturm gerettet.


    Suzel findet, daß es Zeit ist, zum Vater zurückzukehren; als sie sich verabschiedet, ist Hanezò über den schönen Knicks, den sie vor Fritz macht, entzückt und Beppe meint, in ihren Augen Verliebtheit sehen zu können. Dann gibt es eine kleine Verstimmung: Davids Bemerkung, Suzel würde im ganzen Elsaß die schönste Braut sein, ärgert Fritz und er wirft dem Rabbiner vor, von Frauen ebenso besessen zu sein, wie von denen, die sie verehren.
    David antwortet, seine Stimme aufgeregt erhebend, daß gefräßige und faule Menschen genauso wie die, denen familiäre Häuslichkeit und Liebe gleichgültig sind, nach Gottes Gesetz wie abgestorbene Bäume nur noch als Brennholz zu gebrauchen sind. Als Fritz sich nun ebenfalls erregt, schlägt David eine Volte und meint, das heutige Geburtstagskind werde sicher bald heiraten. Fritz ist überrascht und schlägt vor, daß man zu diesem Punkt eine Wette abschließen sollte und er bietet seinen Weinberg bei Clairefontaine als Einsatz an. David schlägt sofort ein und lacht: „Ich werde gratis trinken!“


    Zunächst noch fern, dann aber immer näher kommend, ist die Dorfkapelle zu hören, der eine große Schar von Kindern folgt, die ihrem Wohltäter zum Geburtstag ein Ständchen bringen möchten. Fröhlich geht der erste Akt zu Ende.


    ZWEITER AKT
    Fritz' Bauernhof in Mésanges. Es ist Morgendämmerung.


    Während Landarbeiter auf dem Weg in die Felder sind und dabei ein melancholisches Liebeslied singen („Die Liebe, die geht, kehrt niemals zurück“), bereitet sich Suzel auf das Kirschpflücken vor. Sie stimmt dabei das Lied vom traurigen Ritter an, der durch einen Wald reitet und dem ein Mädchen Rosen für seine Braut anbietet. Der Ritter bedankt sich für die Blumen, lehnt sie aber mit der Bemerkung ab, er habe keine Braut.


    Fritz hat Suzels Lied mitgehört und gibt sich äußerst entzückt. Auch über die für ihn gepflückten Blumen freut er sich. Suzel sagt, sie hätte noch eine weitere Überraschung für ihn: Die Kirschen seien reif und sie werde einige für ihn pflücken. Neckisch meint Fritz, sie sähe so frisch und bezaubernd aus wie das Obst. Auf seine weitere Frage, ob der Kirschbaum jener sei, in dem zur Morgenstunde der Spatz zwitschere und ob sie die Sprache des Vogels verstehe, gibt Suzel zur Antwort, daß der Spatz seine Freude über seine Jungen ausdrücke, die sich in den Ästen des Baumes vergnügten.


    Die morgendliche Stille berührt Fritz in eigenartiger Weise: „Alles ist still, alles spricht zu meinem Herzen“. Der schöne Aprilmorgen, der nicht nur die Blumen, sondern auch die Liebe erweckt, macht ihn zufrieden und glücklich. Auch Suzel, die gerade mit einer ganzen Scjürze voll Kirschen zurückkommt, ist von der Stimmung gerührt: „Zum Herrn erhebt sich Lobgesang aus jedem Herzen“.


    Zunächst noch entfernt, aber immer näher kommend, sind die Glöckchen eines Pferdewagens zu hören; David, Beppe, Hanezò und Federico kommen auf die Szene. Sie erkundigen sich nach Fritz' und der antwortet, dank Suzel gehe es im blendend. Gerade diese Äußerung macht David neugierig. Als die anderen abgehen, um sich mit Fritz den Bauernhof anzusehen, bleibt David mit der Bemerkung zurück, er wolle sich ausruhen. Tatsächlich fragt er sich, ob sein Freund sich vielleicht in Suzel verliebt habe. Als sie mit einem Krug kommt, um vom Brunnen Wasser zu holen, bittet er sie um ein Glas Wasser. Ein Glas brauche er nicht, lautet seine Antwort, er werde direkt aus dem Krug trinken. Das erinnere ihn, wie er hinzusetzt, an die Bibelszene, in der Abraham für seinen Sohn Isaac eine Frau suchte. Nach einer kurzen Überlegungszeit erkundigt er sich bei Suzel, ob ihr die Geschichte bekannt sei und sie gerät in Verlegenheit. Natürlich kennt sie die Erzählung und sie weiß auch nur zu gut, was David damit andeuten will! Suzel erzählt ihm die biblische Geschichte, in der Abrahams ältester Diener nach Mesopotamien reiste, um für Isaac eine Frau zu suchen; und es sollte dann jene sein, die dem alten Mann als erste einen Krug Wasser anböte. Es war dann Rebecca, die auch tatsächlich in die Heirat einwilligte. David fragt Suzel, wie ihre Antwort denn gelautet hätte. Ehe sie antworten kann, ist Fritz' Stimme zu hören und Suzel rennt verschämt ins Haus. David ist jetzt überzeugt, daß sie seinen Freund liebt und auch heiraten würde.


    Nun kommt Fritz auf die Szene und David erklärt ihm, daß er überzeugt ist, daß Suzel bald heiraten werde. Fritz meint, Suzel sei noch ein Kind und würde solch einen Antrag nicht annehmen. Davids Gegenargument, daß das kein Hindernis bedeuten könne, macht Fritz wütend und er fragt, ob Davids Besessenheit als Ehestifter überhaupt keine Grenzen kenne. Der überhört den Vorwurf und sagt, er werde in jedem Fall mit Suzels Vater reden. In einem Zornesausbruch verbietet Fritz seinem Freund diesen Weg. Daraufhin gibt sich David beleidigt und verabschiedet sich mit den Worten, so dürfe man nicht mit einem Freund umgehen. Fritz schimpft, dann solle er sich doch zum Teufel scheren.


    Nach Davids Abgang wird Fritz klar, daß er in eine Falle getappt ist und er gibt sich selber den Befehl „Suzel soll mich nicht halten“!


    Federico kommt und erklärt, man wolle jetzt in die Stadt zurückkehren. Fritz sagt, er habe vom Land genug und komme mit - nicht, ohne sich zu sagen: „O meine arme Suzel!“ Als die Kutsche abgefahren ist, kommt David verstört aus einem Versteck und auch Suzel, die aus dem Haus tritt, zeigt sich über die Situation unglücklich: „Ach, er ist fort!“


    Aus dem „Off“ hört man die Stimmen der Bäuerinnen, die den Refrain des Liedes singen:
    „Die Liebe, die weit fortgeht, wird niemals zurückkehren“. Und Suzel wiederholt „Wird niemals --- zurückkehren!“


    Ein musikalisches Zwischenspiel, vom Komponisten Intermezzo genannt, beruht auf einem Zitat aus Beppos Lied, in dem er die Großzügigkeit des Wohltäters Fritz anspricht.


    DRITTER AKT
    Im Stadthaus von Fritz.


    Fritz steht am fenster und beobachtet eine Hochzeitsgesellschaft; er muß ständig an Suzel denken. Er klagt, daß man überall, wo er hingehe, von Hochzeiten spreche, sogar von einer goldenen Hochzeit, daß ein altes Paar begehe, weiß er.


    Beppe kommt freudig herein, aber Fritz bleibt in Traurigkeit versunken am Fenster stehen.
    Der Zigeunerjunge versucht, Fritz mit einem neuen Lied aufzuheitern, aber er stimmt mit seinem Lied nur noch trauriger. In seiner Replik beschreibt Fritz die Liebe als ein „schönes Licht des Herzens“.


    David tritt auf die Szene und macht sich über Fritz lustig, dabei zitiert er in salbungsvollem Ton die Bibel: „Elend der Einsamen“. Als er dann sagt, Suzel sei verlobt und er treffe später ihren Vater, der um den Segen bebeten habe, fährt Fritz aufbrausend auf und stellt fest, daß seine Zustimmung dazu nicht zu bekommen sei. Dann geht er ab.


    Suzel kommt mit Obst für den Herrn und David bemerkt ihre traurige Stimmung; er meint tröstend, wenn er wiederkomme, werde sie lachen. Dann verläßt er die Szene.


    Suzel, jetzt alleine auf der Szene, träumt davon, den Kummer zu beenden. Sie müsse doch nur Fritz zu Füßen fallen, und ihm ihre Liebe gestehen. Sie zeigt sich überzeugt, daß er dann allen Qualen ein Ende machen würde. Und der Traum wird tatsächlich wahr, denn Fritz kommt und fragt Suzel über die geplante Hochzeit aus. Sie antwortet, daß der Vater das so von ihr verlange Als Fritz ihr zu energischem Widerspruch rät, erwidert sie, daß das für sie nicht in Frage käme.Aber gleichzetig fleht sie Fritz an, mit ihrem Vater zu sprechen. Denn: wenn es ihr auch großen Kummer bereiten werde, bliebe sie lieber allein auf der Welt, statt an eine Heirat mit einem ungeliebten Mann zu denken. Jetzt geht Fritz auf's Ganze und gesteht ihr seine Liebe. Zunächst ist Suzel überrascht, dann aber strahlen ihre Augen und sie gibt ihm ihre wahren Gefühle für ihn zu. Beider Stimmen vereinigen sich zu einem Liebeslied.


    David hat die Szene beobachtet und ist überglücklich. Und er hat seine Wette gewonnen. Fritz strahlt ebenso: „Der Weinberg gehört Dir!“ Aber David lehnt ab mit dem Hinweis, der Weinberg sei jetzt sein Hochzeitsgeschenk für Suzel. Auch Hanezò und Fedrico, die auch auf die Szene gekommen sind, freuen sich über die Heiratspläne der beiden Liebenden. Und David, wieder ganz in seinem Element, plant auch für Hanezò und Federico seine Erfahrung als Ehestifter einzusetzen. Dann schließt eine Hymne auf die Liebe die Oper ab.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Sechs Monate nach der Premiere von „Cavalleria rusticana“ erhielt Mascagni einen Auftrag des römischen „Teatro Costanzi“ für eine neue Oper. Mit seiner Zusage ging auch die Wahl des Stoffes einher, eine durchaus glückliche Wahl: eine Oper nach dem Roman „L'ami Fritz“ von Emile Erckmann und Alexandre Chatrian, von dem es auch eine Bühnenfassung (von 1872) gab. Das Libretto schrieb nach dieser Vorlage Nicola Daspuro unter dem Anagramm-Pseudonym „P.Suardon“. Übrigens mußte Mascagni fast den gesamten dritten Akt neu abfassen, weil der Koffer mit dem Libretto am Bahnhof Neapel abhanden gekommen war.


    Mit „L'amico Fritz“ war es Mascagni nochmals gelungen, sich musikalisch von der viel gerühmten und berühmten „Cavalleria“ abzusetzen. Schon das Sujet, eine wesentlich liebenswürdigere Story als der veristische Erstling, könnte der Komponist sozusagen als Gegenentwurf zur heißblütigen „Cavalleria“ angesehen haben. George Bernard Shaw nannte die Oper in einer Rezension „frisch, großzügig, federnd und etwas aufmüpfig“. Dieses Urteil trifft sicherlich auf die berühmteste Nummer der Partitur zu, das „Kirschenduett“; wer es einmal gehört hat, kann sich der musikalischen Schönheit nicht entziehen und wird der Einordnung als eines der unvergleichlichsten Opernduette des Genres zustimmen.


    Giuseppe Verdi, damals 78 Jahre alt und mit dem „Falstaff“ beschäftigt, urteilte über die Oper weniger beeindruckt: Er hatte schnell „genug von den Dissonanzen, Querständen, Trugschlüssen...“ George Bernard Shaw war da wesentlich freundlicher: „Mascagnis sogenannte Originalität beruht einfach auf Freiheiten, die er sich (...) erlaubt. Diese Freiheiten bestehen aus unkonventionellen (fast schrieb ich frechen) Fortschreitungen, deren Ungeschliffenheit sehr reizvoll ist, und die das alte Material wunderbar auffrischen“.


    Einer der ganz großen Musiker, der sowohl die Schwierigkeiten, als auch den Charme der Oper nicht unterschätzte, war Gustav Mahler, der 1893 die Hamburger Erstaufführung geleitet hatte. Seiner Schwester teilte er seine Bewunderung für dieses Werk mit, ergänzte allerdings, daß „unsere lieben Kapellmeister“ die Oper schon „halb-runiert“ hätten. Mahler hatte erkannt, daß die subtile Partitur schwerer zu dirigieren ist, als man glauben möchte. Die von Kritikern seinerzeit gelobte Verwendung der Diatonik, chromatischen und enharmonischen Wendungen wurde als eine Weiterentwicklung von Mascagnis musikalischem Stil angesehen. Dabei darf aber die überwiegend pastorale Stimmung dieser Oper nicht überhört werden, den der klare Orchestersatz mit hellem, durch die Bläser hervorgerufenen Klangbild schafft.


    Bis 1945 stand „L'amico Fritz“ regelmäßig auf den Spielplänen aller großen Opernhäuser, besonders natürlich der italienischen - hier wurde die Scala-Inszenierung von 1937 mit Tito Schipa in der Titelrolle und Mafalda Favero als Suzel besonders berühmt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß Mascagni in den späten Dreißigern des vorigen Jahrhunderts, alt geworden und in der Schuld des faschistischen Regimes stehend, dem Druck der antisemitischen Fraktion nachgab und den jüdischen Rabbiner David in einen elsässischen Arzt umfunktionierte. Diese Änderung ist auch später in einigen Opernhäusern beibehalten worden.


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer 2010
    unter Hinzuziehung des Librettos der EMI-Aufnahme von 1968

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