MAHLER 2010 - Die Sinfonien - Herbert von Karajan

  • Karajan war genuin kein Mahler-Dirigent, und doch hat er die 4., 5., 6. und 9. Symphonie sowie "Das Lied von der Erde" in den 70ern und frühen 80ern eingespielt (selbst Klemperer nahm ja nicht alle Symphonien auf, von daher darf HvK m. E. hier mit Fug und Recht behandelt werden, ja muß vielmehr). Gerade die Live-Neunte von 1982 genießt bei einigen Mahlerianern einen Referenzstatus, doch auch die 5. (das Adagietto insbesondere) und die 6. haben ihre Meriten. Das LvdE fand ich ebenfalls sehr gelungen. Einzig seine Aufnahme der 4. kenne ich bis dato nicht.




    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,
    im Gegensatz zu Klemp, der bekanntlich bereits mit knapp 25 Jahren Assistent bei Mahler war und der zeitlebens eine Kopie einer handschriftlichen Empfehlung Mahlers mit sich führte, begann HvK erst im "hohen" Alter sich mit Mahler auch im Konzert zu befassen.


    In den 70iger, also mit etwas mehr als 60 Jahren fing er an.


    Und fiel bei der Kritik, namentlich der HiFi Stereophonie, mit 4, 5, 6 und dem LvdE komplett durch!

    Zitat

    Osborne, Karajans Biograf fragte Christa Ludwig: "Wie kommt es eigentlich, dass Ihr "Lied von der Erde" erfolgreicher mit Klemperer ist als das mit Karajan? "Weil Klemperer Jude war", erwiderte sie unverblümt
    Osborne S. 753


    Die Hifi Stereophonie meinte zu seiner 5.

    Zitat

    kulinarische Kostbarkeiten, die in erbrochenem Zustand auf einem Silbertablett zum erneuten Verzehr dargeboten werden


    Das war wohl Ulrich Dibelius.
    Iich habe aus einem anderen Forum abgeschrieben, kann aber das Zitat verbürgen, weil ich ca. 15 Jahrgänge der Zeitschrift besaß und die Kritiken über Mahler und Karajan gut erinnere, nur nicht das "wann und von wem".
    Auch Osborne schreibt nichts Gutes über die 5., dafür aber umso Besseres über eine Liveaufnahme (nie erschienen) der 5. von 1977, die alles das enthielt, was man auf der LP (Beredsamkeit, Intensität, Osborne 754) vermisste.


    Einzig die 9. wurde damals gnädig angenommen, vor allem die Liveaufnahme. Die HIFi Stereophonie gab es bei Erscheinen der Aufnahme da nicht mehr. (?)


    Heute scheint Vieles anders zu sein.


    Ich habe übrigens die 6. auf Tonband mitgeschnitten und höre sie sehr selten, weil sie mir viel zu rasch im 1. Satz ist und keine Konkurrenz zu damals Solti und heute Gielen oder Chailly darstellt.
    Der Österreicher Karajan trifft allerdings den Tonfall meist sehr gut.


    Ich habe auch die 9. von 1982 (Live). Die gefällt mir allerdings ausgezeichnet.


    Gruß S.

  • Zitat

    Original von s.bummer
    Ich habe auch die 9. von 1982 (Live). Die gefällt mir allerdings ausgezeichnet.


    Man kann über Karajan sagen, was man will (ich bin nun wirklich kein Fan von ihm). Aber er hat des öfteren gerade dann, wenn er mal von seinem angestammten Repertoire abwich, also z.B. Schostakowitsch, Nielsen, Schönberg oder Mahler dirigierte, Beachtliches geleistet. Von seinen ganz späten Bruckner-Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern kurz vor seinem Ableben mal ganz zu schweigen (die sind einmalig gut).


    Die Neunte von Mahler aus dem Jahr 1982 ist ein solches Beispiel. Diese Aufnahme ist klasse. Es gibt natürlich jede Menge kritischer Stimmen: z.B. sagte mir ein früherer Referendar von mir mal, dass diese Mahler-Aufführung unter Karajan nur deshalb so erstaunlich gut sei, weil die Berliner Philharmoniker in ihren Noten noch die detaillierten Anweisungen Bernsteins von der legendären Aufführung aus dem Jahr 1979 hatten, so dass Karajan erzählen und dirigieren konnte, was er wollte: die Berliner haben einfach Bernsteins Interpretation ein zweites Mal aufgeführt. Da mag was dran sein. Aber für mich als Musikkonsument des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts ändert das nichts an der Tatsache, dass diese Aufführung unter Karajan einfach supergut gelungen ist.

  • Zitat

    ....... dass diese Mahler-Aufführung unter Karajan nur deshalb so erstaunlich gut sei, weil die Berliner Philharmoniker in ihren Noten noch die detaillierten Anweisungen Bernsteins von der legendären Aufführung aus dem Jahr 1979 hatten, so dass Karajan erzählen und dirigieren konnte, was er wollte: die Berliner haben einfach Bernsteins Interpretation ein zweites Mal aufgeführt


    Also, ich halte ja vieles für möglich - aber DAS NICHT !!
    Über Karajan wurde ja viel Böses gesagt - aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß er sowas nicht bemerkt hätte - und noch weniger, daß er es hätte "durchgehen" lassen.


    Als er eines Tages von einem Reporter sinngemäß gefragt wurde, ob noch zu seiner Bemerkung aus den besten Jahren stünde, man könne nicht sitzend dirigieren, das würde die Kontrolle über das Orchester nicht ermöglichen, antwortete er (sinngemäß), wenn ER dereinst gelähmt sei und LIEGEND, nur mit den Augen dirigiern könnte, das Orchester würde nioch immer DAS tun, was ER wolle......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von s.bummer
    .
    Auch Osborne schreibt nichts Gutes über die 5., dafür aber umso Besseres über eine Liveaufnahme (nie erschienen) der 5. von 1977, die alles das enthielt, was man auf der LP (Beredsamkeit, Intensität, Osborne 754) vermisste.


    Einzig die 9. wurde damals gnädig angenommen, vor allem die Liveaufnahme. Die HIFi Stereophonie gab es bei Erscheinen der Aufnahme da nicht mehr. (?)


    Es ist in meinen Augen bedauerlich, daß die Liveaufnahme der 5. nie erschien, denn ich bin mir sicher, daß "Karajan live" den "Studiokarajan" um Längen geschlagen hätte.


    Ich hatte mir heute Nachmittag "die Studio-5." zu Gemüte geführt. Ganz so drastisch wie die Hifi Stereophonie beurteile ich sie nicht, eher, um in der "Speisen Metapher" zu bleiben, als "süßliche Klangsoße" oder -ähnlich plakativ- als "oberflächenpolierter Schönklang", der aber die rhythmischen Strukturen des ersten Satzes zum Beispiel vollkommen unterbelichtet.


    Erst in den danach gehörten Aufnahmen mit Barshai und Barbirolli wurde hörbar, wie viele verschiedene Gefühlsebenen in der Sinfonie angesprochen werden können. "Polierte Schönheit" ist bei beiden nicht zu finden. Und u.a. deswegen werden sie Mahler eher gerecht als Karajan (zumindest bei der 5.; die "Live 9." schätze ich, wie einige andere auch, sehr).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Jetzt interessiert mich diese ominöse Live-Fünfte doch genauer:


    Heißt das, sie wurde mitgeschnitten (vielleicht sogar mal im Radio gesendet), aber nie offiziell veröffentlicht? Oder war das ein nicht mitgeschnittenes Konzert (was natürlich sehr bedauerlich wäre)?


    Weißt Du das zufällig, S.?


    :hello:

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    – Luís de Camões

  • Ich habe wirklich da keine Ahnung, ob die 5. mitgeschnitten wurde.
    Ich habe nur aus Osbornes Karajan Biografie zitiert, die Du als Karajanist sicherlich auch besitzt, oder??


    Gruß S.

  • Karajan, der Ästhet, der einen integralen Orchesterklang pflegt scheint nicht gerade eine Wahlverwandtschaft zu Gustav Mahler zu besitzen, sollte man meinen, bei dem sich doch eine Individualisierung des Orchesterklanges ereignet. Doch erstaunlich: Seine 5. finde ich ist eine wirklich sehr gelungene Aufnahme, eine seiner besten vielleicht sogar. Das ist perfekt ausbalanciert und er bleibt der Musik auch von der expressiven Seite her kaum etwas schuldig. Die negativen Kritiken kann ich hier nicht nachvollziehen! Anders die Studioaufnahme der 9. - das geht an Mahler völlig vorbei. Auch die Kindertotenlieder. Das ist einfach kein Mahler, sondern klingt bei Karajan nur >schön<. Nichts von abgründiger Traurigkeit ist da zu hören, so, als hieße der Komponist nicht Mahler, sondern Richard Strauss!


    Beste Grüße
    Holger

  • Hallo S.,


    ja, die Osborne-Biographie habe ich wirklich auch.


    Habe mich ein wenig schlau gemacht, und siehe da: es gibt eine Auflistung sämtlicher Aufnahmen und Konzerte der ungewöhnlichen Kombination Karajan/Mahler.


    Demnach gibt es Radio-Mitschnitte sowohl der 4., 5., 6. also auch der 9. Im Falle der 5. scheinbar sogar vier Stück neben der regulären Studio-Aufnahme [Berlin 1973, Salzburg 1973, Wien 1974, Salzburg 1978], allerdings nicht von 1977 aus Berlin.


    :hello:

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    – Luís de Camões

  • Es gibt soagr die Live Aufnahmen von der 4.,5. und der 6. Sinfonie

    Hier ist die 5. https://www.youtube.com/watch?v=wndFlCpGZjM

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

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